ergopraxis 2016; 9(02): 14-16
DOI: 10.1055/s-0042-101679
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 February 2016 (online)

 

Das Leben nach der Flucht – Asylsuchende Menschen wollen sich sinnvoll betätigen

Der Asylprozess verändert die Erfahrung von Tun, Sein, Dazugehören und Werden. Zu diesem Ergebnis kam die Ergotherapeutin Helen Claire Smith von der Teesside University in Middlesbrough, England.

Die Forscherin interviewte vier Frauen und sechs Männer, die zwischen 25 und 45 Jahre alt waren. Während der letzten fünf Jahre waren sie aus Afrika und Nahost nach England geflohen, um Asyl zu suchen. Zu Studienbeginn besaßen zwei von ihnen den Status eines Flüchtlings, drei warteten auf das Ergebnis ihres Asylantrags und fünf hatten bereits einen Ablehnungsbescheid erhalten. Den Ergebnissen zufolge betonen alle, wie stark sich der Asylprozess auf ihren Alltag auswirkt. Um nach Europa zu gelangen, mussten sie große Herausforderungen und gefährliche Reisen auf sich nehmen. Sie fühlten sich zu diesem Schritt gezwungen und empfanden es als großen Verlust, Familien und Heimatländer zu verlassen.

Trotz eingeschränkter Möglichkeiten versuchen sie, ihre Tage in England sinnvoll zu strukturieren und mit Betätigungen zu füllen. Dabei erleben sie es als besonders belastend, nicht arbeiten zu dürfen. Alternativ engagieren sie sich gemeinnützig, indem sie zum Beispiel anderen Menschen zuhören. Durch solche sozialen Aktivitäten können sie für kurze Momente ihren Status als „Asylsuchende“ vergessen – eine Rolle, die ihnen übermächtig erscheint und sich negativ auf ihre Selbstwahrnehmung und ihrWohlbefinden auswirkt.

Für asylsuchende Menschen haben Familie und Freundschaft einen hohen Stellenwert. Ihre sozialen Beziehungen beeinflussen auch, ob sie sich in ihrem neuen Umfeld zugehörig und willkommen fühlen. Wie sie ihre Lebenssituation bewältigen, hängt außerdem von i hren Erfolgsaussichten ab, Asyl gewährt zu bekommen. Einige von ihnen sind optimistisch und schmieden Pläne, andere fühlen sich zum Warten gezwungen. Wer bereits einen Ablehnungsbescheid erhalten hat, beschäftigt sich vor allem mit der bevorstehenden Abschiebung, fühlt sich verzweifelt und hoffnungslos.

Aus Sicht der Forscher spielen Betätigungen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den Asylprozess positiv zu beeinflussen. Dabei wollen asylsuchende Menschen nicht einfach nur tätig sein. Sie möchten bedeutungsvollen Betätigungen nachgehen, die i hnen Sinn und Wert vermitteln. Durch ihr soziales Engagement können sie ihr Tun, Sein, Dazugehören und Werden bereichern. Das sollten Ergotherapeuten berücksichtigen, wenn sie mit dieser Zielgruppe arbeiten.

fk

BJOT 2015; 78:614-621


#

Schlaganfall – Neuroreha wirkt in jedem Alter

Nach einem Schlaganfall profitieren alte und hochbetagte Menschen genauso wie jüngere von einer intensiven Neurorehabilitation, welche Maßnahmen wie Physio-, Ergo-, Sportund Sprachtherapie umfasst. Das fanden Forscher um den Neurologen Prof. Dr. Stefan Knecht an der Mauritius-Therapieklinik in Meerbusch heraus.

Die Wissenschaftler analysierten in ihrer Kohortenstudie die Daten von 2.294 Menschen mit Schlaganfall, die zwischen 2008 und 2012 eine vierwöchige intensive Neurorehabilitation durchlaufen hatten. Um herauszufinden, wie sich das Alter auf den Therapieerfolg auswirkt, teilten sie die Klienten in drei Altersgruppen ein. Demnach waren 422 Teilnehmer mittleren Alters (< 65), 1.399 waren alt (6580) und 473 sehr alt (> 80). Anschließend nutzten die Forscher die Ergebnisse des BarthelIndex, um die aufgetretenen Verbesserungen in den drei Altersgruppen miteinander zu vergleichen. Dabei untersuchten sie auch, ob ein Zusammenhang zwischen den Verbesserungen und der Therapieintensität bestand.

Laut Auswertung erzielen die Studienteilnehmer in allen drei Altersgruppen vergleichbare Therapieergebnisse. Das heißt: Eine vierwöchige Neurorehabilitation wirkt sich unabhängig vom Alter der Klienten positiv auf ihre Alltagsfähigkeiten aus. Dabei steigen die Werte im Barthel-Index in allen drei Altersgruppen durchschnittlich um 14 bis 15 Punkte. Wie eine Item-bezogene Regressionsanalyse zeigt, haben die Klienten bei 9 von 10 gemessenen Alltagsfähigkeiten die gleiche Chance, ihre Selbstständigkeit zu verbessern. Nur beim Barthel-Index-Item „Essen und Trinken“ lässt sich ein altersbezogener Effekt nachweisen: Hier erzielen alte und sehr alte Menschen größere Verbesserungen als jüngere. Außerdem besteht in allen drei Altersgruppen ein schwaeher, aber signifikanter Zusammenhang zwischen Therapieintensität und Therapieerfolg. Demnach werden Klienten umso selbstständiger, je mehr Therapieeinheiten

Mit ihrer Studie belegen die Forscher, dass Menschen mit Schlaganfall in jedem Alter von einer vierwöchigen intensiven Neurorehabilitation profitieren, die aus Ergo-, Physio-, Sport- und Sprachtherapie besteht. Sie fordern, alten und hochbetagten Menschen den gleichen Zugang zu diesem kombinierten Angebot zu gewähren wie jüngeren Klienten.

fk

J Neurol Neurosurg Psychiatry 2015; doi: 10.1136/jnnp-2015-310344


#

Schlaganfall – Mehr Rezidive nach Stent

Patienten mit einem Schlaganfall, welche unmittelbar nach dem Ereignis erst eine Ballondilatation der verengten Stelle im Blutgefäß und dann einen Stent eingesetzt bekommen (ABB.), erleiden im ersten Jahr häufiger einen erneuten Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) als Patienten, die lediglich medikamentös behandelt werden. Das fanden US-amerikanische Wissenschaftler heraus.

Zoom Image
Bei einer Ballondilatation führt der Arzt den an einen Gefäßkatheter angebrachten Ballon in die Stenose des Blutgefäßes. Dort entfaltet sich der Ballon unter hohem Druck und ermöglicht einen besseren Blutfluss. Daraufhin kann der Arzt einen Stent einsetzen.
Abb.: BlueRingMedia/shutterstock.com

Sie randomisierten 112 Probanden, die in den letzten 30 Tagen einen Schlaganfall aufgrund einer intrakraniellen Stenose erlitten hatten, in zwei Gruppen: 59 bekamen einen Stent mittels Ballondilatation an die Stelle der Stenose eingesetzt und wurden zudem medikamentös behandelt. Die restlichen 53 Probanden erhielten lediglich die medikamentöse Therapie. Zu Beginn der Studie und bei den Follow-up-Untersuchungen nach 30, 90 und 180 Tagen sowie nach einem Jahr dokumentierten die Forscher, ob der Proband im selben Hirnareal einen erneuten Schlaganfall oder eine TIA erlitten hatte. Zudem erfassten sie dessen Aktivitätseinschränkungen und den allgemeinen Gesundheitszustand.

Ihre Ergebnisse: Nach einem Jahr war bei 29 Patienten erneut ein Schlaganfall oder eine TIA im selben Hirnareal aufgetreten. 21 davon waren aus der Stent-, acht aus der Medikamentengruppe. Aus der Stentgruppe waren zudem drei Probanden verstorben. In Bezug auf die Aktivitätseinschränkungen und den allgemeinen Gesundheitszustand konnten die Wissenschaftler keinen Unterschied zwischen den beiden Interventionen feststellen. Ihnen zufolge scheint die Behandlung mit einem Stent bei Patienten nach einem Schlaganfall nicht sinnvoll.

rrn

JAMA 2015; 313: 1240–1248


#
#
Zoom Image
Bei einer Ballondilatation führt der Arzt den an einen Gefäßkatheter angebrachten Ballon in die Stenose des Blutgefäßes. Dort entfaltet sich der Ballon unter hohem Druck und ermöglicht einen besseren Blutfluss. Daraufhin kann der Arzt einen Stent einsetzen.
Abb.: BlueRingMedia/shutterstock.com