Das Leben nach der Flucht – Asylsuchende Menschen wollen sich sinnvoll betätigen
Das Leben nach der Flucht – Asylsuchende Menschen wollen sich sinnvoll betätigen
Der Asylprozess verändert die Erfahrung von Tun, Sein, Dazugehören und Werden. Zu
diesem Ergebnis kam die Ergotherapeutin Helen Claire Smith von der Teesside University
in Middlesbrough, England.
Die Forscherin interviewte vier Frauen und sechs Männer, die zwischen 25 und 45 Jahre
alt waren. Während der letzten fünf Jahre waren sie aus Afrika und Nahost nach England
geflohen, um Asyl zu suchen. Zu Studienbeginn besaßen zwei von ihnen den Status eines
Flüchtlings, drei warteten auf das Ergebnis ihres Asylantrags und fünf hatten bereits
einen Ablehnungsbescheid erhalten. Den Ergebnissen zufolge betonen alle, wie stark
sich der Asylprozess auf ihren Alltag auswirkt. Um nach Europa zu gelangen, mussten
sie große Herausforderungen und gefährliche Reisen auf sich nehmen. Sie fühlten sich
zu diesem Schritt gezwungen und empfanden es als großen Verlust, Familien und Heimatländer
zu verlassen.
Trotz eingeschränkter Möglichkeiten versuchen sie, ihre Tage in England sinnvoll zu
strukturieren und mit Betätigungen zu füllen. Dabei erleben sie es als besonders belastend,
nicht arbeiten zu dürfen. Alternativ engagieren sie sich gemeinnützig, indem sie zum
Beispiel anderen Menschen zuhören. Durch solche sozialen Aktivitäten können sie für
kurze Momente ihren Status als „Asylsuchende“ vergessen – eine Rolle, die ihnen übermächtig
erscheint und sich negativ auf ihre Selbstwahrnehmung und ihrWohlbefinden auswirkt.
Für asylsuchende Menschen haben Familie und Freundschaft einen hohen Stellenwert.
Ihre sozialen Beziehungen beeinflussen auch, ob sie sich in ihrem neuen Umfeld zugehörig
und willkommen fühlen. Wie sie ihre Lebenssituation bewältigen, hängt außerdem von
i hren Erfolgsaussichten ab, Asyl gewährt zu bekommen. Einige von ihnen sind optimistisch
und schmieden Pläne, andere fühlen sich zum Warten gezwungen. Wer bereits einen Ablehnungsbescheid
erhalten hat, beschäftigt sich vor allem mit der bevorstehenden Abschiebung, fühlt
sich verzweifelt und hoffnungslos.
Aus Sicht der Forscher spielen Betätigungen eine entscheidende Rolle, wenn es darum
geht, den Asylprozess positiv zu beeinflussen. Dabei wollen asylsuchende Menschen
nicht einfach nur tätig sein. Sie möchten bedeutungsvollen Betätigungen nachgehen,
die i hnen Sinn und Wert vermitteln. Durch ihr soziales Engagement können sie ihr
Tun, Sein, Dazugehören und Werden bereichern. Das sollten Ergotherapeuten berücksichtigen,
wenn sie mit dieser Zielgruppe arbeiten.
fk
BJOT 2015; 78:614-621
Schlaganfall – Neuroreha wirkt in jedem Alter
Schlaganfall – Neuroreha wirkt in jedem Alter
Nach einem Schlaganfall profitieren alte und hochbetagte Menschen genauso wie jüngere
von einer intensiven Neurorehabilitation, welche Maßnahmen wie Physio-, Ergo-, Sportund
Sprachtherapie umfasst. Das fanden Forscher um den Neurologen Prof. Dr. Stefan Knecht
an der Mauritius-Therapieklinik in Meerbusch heraus.
Die Wissenschaftler analysierten in ihrer Kohortenstudie die Daten von 2.294 Menschen
mit Schlaganfall, die zwischen 2008 und 2012 eine vierwöchige intensive Neurorehabilitation
durchlaufen hatten. Um herauszufinden, wie sich das Alter auf den Therapieerfolg auswirkt,
teilten sie die Klienten in drei Altersgruppen ein. Demnach waren 422 Teilnehmer mittleren
Alters (< 65), 1.399 waren alt (6580) und 473 sehr alt (> 80). Anschließend nutzten
die Forscher die Ergebnisse des BarthelIndex, um die aufgetretenen Verbesserungen
in den drei Altersgruppen miteinander zu vergleichen. Dabei untersuchten sie auch,
ob ein Zusammenhang zwischen den Verbesserungen und der Therapieintensität bestand.
Laut Auswertung erzielen die Studienteilnehmer in allen drei Altersgruppen vergleichbare
Therapieergebnisse. Das heißt: Eine vierwöchige Neurorehabilitation wirkt sich unabhängig
vom Alter der Klienten positiv auf ihre Alltagsfähigkeiten aus. Dabei steigen die
Werte im Barthel-Index in allen drei Altersgruppen durchschnittlich um 14 bis 15 Punkte.
Wie eine Item-bezogene Regressionsanalyse zeigt, haben die Klienten bei 9 von 10 gemessenen
Alltagsfähigkeiten die gleiche Chance, ihre Selbstständigkeit zu verbessern. Nur beim
Barthel-Index-Item „Essen und Trinken“ lässt sich ein altersbezogener Effekt nachweisen:
Hier erzielen alte und sehr alte Menschen größere Verbesserungen als jüngere. Außerdem
besteht in allen drei Altersgruppen ein schwaeher, aber signifikanter Zusammenhang
zwischen Therapieintensität und Therapieerfolg. Demnach werden Klienten umso selbstständiger,
je mehr Therapieeinheiten
Mit ihrer Studie belegen die Forscher, dass Menschen mit Schlaganfall in jedem Alter
von einer vierwöchigen intensiven Neurorehabilitation profitieren, die aus Ergo-,
Physio-, Sport- und Sprachtherapie besteht. Sie fordern, alten und hochbetagten Menschen
den gleichen Zugang zu diesem kombinierten Angebot zu gewähren wie jüngeren Klienten.
fk
J Neurol Neurosurg Psychiatry 2015; doi: 10.1136/jnnp-2015-310344
Schlaganfall – Mehr Rezidive nach Stent
Schlaganfall – Mehr Rezidive nach Stent
Patienten mit einem Schlaganfall, welche unmittelbar nach dem Ereignis erst eine Ballondilatation
der verengten Stelle im Blutgefäß und dann einen Stent eingesetzt bekommen (ABB.),
erleiden im ersten Jahr häufiger einen erneuten Schlaganfall oder eine transitorische
ischämische Attacke (TIA) als Patienten, die lediglich medikamentös behandelt werden.
Das fanden US-amerikanische Wissenschaftler heraus.
Bei einer Ballondilatation führt der Arzt den an einen Gefäßkatheter angebrachten
Ballon in die Stenose des Blutgefäßes. Dort entfaltet sich der Ballon unter hohem
Druck und ermöglicht einen besseren Blutfluss. Daraufhin kann der Arzt einen Stent
einsetzen.
Abb.: BlueRingMedia/shutterstock.com
Sie randomisierten 112 Probanden, die in den letzten 30 Tagen einen Schlaganfall aufgrund
einer intrakraniellen Stenose erlitten hatten, in zwei Gruppen: 59 bekamen einen Stent
mittels Ballondilatation an die Stelle der Stenose eingesetzt und wurden zudem medikamentös
behandelt. Die restlichen 53 Probanden erhielten lediglich die medikamentöse Therapie.
Zu Beginn der Studie und bei den Follow-up-Untersuchungen nach 30, 90 und 180 Tagen
sowie nach einem Jahr dokumentierten die Forscher, ob der Proband im selben Hirnareal
einen erneuten Schlaganfall oder eine TIA erlitten hatte. Zudem erfassten sie dessen
Aktivitätseinschränkungen und den allgemeinen Gesundheitszustand.
Ihre Ergebnisse: Nach einem Jahr war bei 29 Patienten erneut ein Schlaganfall oder
eine TIA im selben Hirnareal aufgetreten. 21 davon waren aus der Stent-, acht aus
der Medikamentengruppe. Aus der Stentgruppe waren zudem drei Probanden verstorben.
In Bezug auf die Aktivitätseinschränkungen und den allgemeinen Gesundheitszustand
konnten die Wissenschaftler keinen Unterschied zwischen den beiden Interventionen
feststellen. Ihnen zufolge scheint die Behandlung mit einem Stent bei Patienten nach
einem Schlaganfall nicht sinnvoll.
rrn
JAMA 2015; 313: 1240–1248