Abb. 1 Systematische Durchfall-Aufarbeitung. (© J. Hein)
Schritt 1: Vorbericht
Der Vorbericht sollte allgemeine Fragen zum Tier (Tierart, Rasse, Alter, Geschlecht,
Impf- und
Entwurmungsstatus etc.) und spezielle Fragen zu sonstigen klinischen Symptomen (Gewichtsverlust
etc.) und anderen Grundkrankheiten umfassen.
Folgende Fragen zum Durchfallgeschehen ermöglichen eine erste Zuordnung zu Dünn- oder
Dickdarmdiarrhoe und die Bewertung des Schweregrades:
-
Dauer
-
Verlauf
-
Kotmenge
-
Absatzhäufigkeit
-
Tenesmus
-
Färbung
-
Beimengungen
Bei Kaninchen, die eine separate Caecotrophe produzieren, muss zudem zwischen
„kontinuierlichem“ (→ tatsächlichem“) und „intermittierendem“ (→ Caecotrophe) Durchfall
unterschieden werden.
Weiche, nicht aufgenommene Caecotrophe wird gern von den Besitzern mit Durchfall verwechselt.
Fragen zu Fütterung (Futterumstellung, Aufnahme von ungeeignetem Futter oder Fremdkörpern
etc.),
Haltung und Kontakt zu anderen Tieren zeigen mögliche Störfaktoren auf.
Schritt 2: klinische Untersuchung
Schritt 2: klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung sollte systematisch erfolgen und den gesamten Körper umfassen,
denn
Durchfall kann auch Symptom einer anderen Grundkrankheit sein. Die Untersuchung sollte
immer
folgende Schritte umfassen:
-
Gesamteindruck
-
Ernährungszustand
-
Kot
-
Umfangsvermehrungen
-
Zähne
-
Lymphknoten
-
Magen-Darm-Trakt
-
andere Abdominalorgane
Die Kotuntersuchung sollte immer Bestandteil der Durchfalldiagnostik sein!
Schritt 3: Kotuntersuchung
Schritt 3: Kotuntersuchung
Auch wenn Endoparasiten nicht zu den häufigsten Durchfallursachen bei Kleinsäugern
zählen, müssen
sie zunächst ausgeschlossen werden. Welche Art der Kotuntersuchung durchgeführt wird,
richtet
sich nach der Tierart und der Art der gesuchten Erreger.
Bei allen Tieren sollten zunächst eine makroskopische und eine mikroskopische
Nativuntersuchung von Frischkot erfolgen. Hierbei können Beimengungen und teilweise schon
bewegliche Einzeller, Larven und Parasiteneier gefunden werden. Einzelne Hefen sind
bei
Pflanzenfressern physiologisch und spiegeln bei vermehrtem Auftreten gut den Grad
der Dysbiose
wider.
Bei der weiteren Suche nach Darmparasiten wird aufgrund der intermittierenden Ausscheidung
eine
Anreicherung (Flotationsverfahren, ggf. nach Anreiche
rung) aus Sammelkotproben
(ideal 3 Tage) empfohlen.
Bei Igeln sollte immer auch auf Lungenwürmer (Auswanderungsverfahren) untersucht werden, bei
Frettchen oder Chinchilla mit Durchfall auf Giardien (Schnelltest, ELISA). Ein
Giardien-Schnelltest gilt als gutes Screeningmittel, sollte im positiven Fall aber
immer durch
einen anderen Test (ELISA, Mikroskopie) bestätigt werden. Die Tests sind positiv beweisend,
sollten negativ aber kritisch hinterfragt und bei Verdacht ggf. wiederholt werden.
Die
verschiedenen Kotuntersuchungsverfahren sind in ▶
Tab.
[
1
] zusammengefasst.
Tab. 1
Kotuntersuchungsverfahren.
Verfahren
|
Untersuchung auf
|
Frischkot
|
Makroskopie
|
-
Menge, Größe, Form, Konsistenz, Farbe, Beimengungen
-
Unterscheidung Dünndarm- vs. Dickdarmdurchfall
-
Unterscheidung Hartkot vs. Caecotrophe (Frischkot)
|
Mikroskopie (nativ)
|
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Sammelkotprobe (3 Tage)
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Mikroskopie
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Flotationsverfahren
|
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kombiniertes Sedimentations-/Flotationsverfahren
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Auswanderungsverfahren
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Giardien-ELISA
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bakteriologische Untersuchung
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-
Kultur auf pathogene (Salmonellen) und fakultativ pathogene
Keime inkl. Hefen
-
Bewertung der aeroben Darmflora
-
Keimdifferenzierung und ggf. Antibiogramm (bei Herbivoren nur
bei lebensmittelliefernden Tieren sinnvoll)
|
Virusnachweis
|
Verfahren je nach Erreger (ELMI*, ELISA, PCR etc.)
|
* ELMI = Elektronenmikroskop
|
|
Ist die Kotuntersuchung negativ, sollte je nach primärem Verdacht entweder eine hämatologische,
eine röntgenologische oder eine sonografische Untersuchung durchgeführt werden.
Schritt 4: weiterführende Untersuchungen
Schritt 4: weiterführende Untersuchungen
Blutuntersuchung
Die Blutuntersuchung ermöglicht die Diagnose primärer hämatologischer Veränderungen,
Organstörungen und sekundärer Folgeschäden.
Bei Kleinsäugern mit physiologisch lymphozytärem Blutbild weisen sog.
Pseudolinksverschiebungen (Verschiebung vom lymphozytären zum granulozytären
Blutbild, ohne Stabkernige und Leukozytose) auf akute bakterielle Infektionen (Dysbiosen)
und andere Entzündungen hin. Starke lymphozytäre Blutbilder deuten auf Lymphome
oder ggf. Virsuinfektionen hin; Eosinophilien können Hinweis auf einen Endo- oder
Ektoparasitenbefall sein (Ausnahme: kein Anstieg bei Kaninchen).
Durch eine hämatologische Untersuchung können auch Hepatopathien und Nephropathien
als
Durchfallursachen sowie sekundäre Folgeschäden (Blut-, Protein- und
Elektrolytverschiebungen) diagnostiziert werden, die therapeutisch und prognostisch
eine
wesentliche Rolle spielen.
Röntgenuntersuchung
Die Röntgenuntersuchung ermöglicht die Beurteilung der Körperhöhlen und ihrer Organe
in
Übersicht durch die unterschiedliche Darstellung von Gas, Flüssigkeit und Gewebe.
Somit
können
-
Tympanien
-
Fremdkörper
-
Bezoare
-
Umfangsvermehrungen
-
Passagehindernisse
aufgezeigt werden. Durch Kontrastmitteluntersuchungen (▶
Abb.
[
2
]) können die Durchgängigkeit und Motilität des
Magen-Darm-Trakts getestet werden.
Abb. 2 Kontrastmittelpassage bei einem Frettchen mit Fremdkörper im Magen. (© J. Hein)
Sonografische Untersuchung
Die sonografische Untersuchung (▶
Abb.
[3])
ermöglicht die strukturelle Darstellung des Darms und anderer Organe und somit die
direkte
Beurteilung von Wandveränderungen, Inhalt, Durchblutung und ggf. auch der Funktion
(Motilität).
Abb. 3 Sonografische Darstellung einer strukturellen Darmwandveränderung bei
einem Kaninchen. (© J. Hein)
Schritt 5: Endoskopie oder Probelaparatomie mit Biopsie
Schritt 5: Endoskopie oder Probelaparatomie mit Biopsie
In manchen Fällen ist die Biopsie im Rahmen einer Endoskopie oder Probelaparatomie
die einzige
Möglichkeit zur endgültigen Diagnosefindung, v. a., wenn es sich um infiltrative oder
proliferative Darmveränderungen handelt (z. B. PBD, IBD beim Frettchen).
Fazit
Durchfallursachen bei Kleinsäugern sind zahlreich. Mit einem systematischen Vorgehen
kann die
Diagnose schnell und sicher gestellt werden und eine optimale ursachenbezogene Therapie
eingeleitet werden.