Pneumologie 2016; 70(04): 240
DOI: 10.1055/s-0042-102704
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Unser Gesundheitswesen

Fakten, Widersprüche, IrrtümerContributor(s):
S. Ewig
Wildner M.
Unser Gesundheitswesen.
Fakten, Widersprüche, Irrtümer.
Stuttgart: Thieme Verlag; 2015. 192 S., 19,99 €
ISBN: 9783131766915
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Publication History

Publication Date:
11 April 2016 (online)

 

    Der Titel ist Programm: „Unser Gesundheitswesen“. Inwiefern unser? Das „unser“ ist vieldeutig: Es könnte bedeuten, dass das Gesundheitswesen unseres Landes gemeint ist, aber auch, dass das, was unser Gesundheitswesen ist, unser gemeinsames gesellschaftliches Werk ist. Schließlich schwingt noch eine weitere Bedeutung mit: dass es mit uns und unserem Leben zu tun hat. Alle Bedeutungsebenen kommen in diesem Buch zum Tragen; im Kern aber ist der Titel eine Positionierung: So sollten wir „unser“ Gesundheitswesen verstehen und fortentwickeln, und, die Anerkennung des Menschenrechtes vorausgesetzt, eigentlich alle Positionen haben ihr Recht darin.

    Doch zunächst zurück zum Ausgangspunkt „Gesundheitswesen“. In 22 launig über- und geschriebenen Kapiteln werden grundlegende Themen und Probleme der Gesundheitspolitik an den Hörnern gepackt. Kurze einfache Sätze, immer in direkter Ansprache an den Leser: Sie sind gemeint, stellen Sie sich vor, überlegen Sie, und am Schluss immer der Refrain: Es liegt in Ihrer Hand.

    Auf diese Weise gelingt es dem Autor sehr gut, viel Information und manches Bedenkenswerte zu vermitteln. Einiges Philosophisches auch: Offenbar geht das gar nicht anders, wenn man von der Medizin, ihren Aufgaben und Zielen, ihrer Zukunft sprechen möchte. Am Ende eines Kapitels steht immer eine zusammenfassende These.

    An kaum einer der vorgestellten Thesen wird man ernsthaft Anstoß nehmen. Alles richtig oder besser: nicht falsch. Dennoch fehlt etwas: Es entsteht kein ernsthafter sachlicher Konflikt. Und dem wird man dann doch wiedersprechen müssen: Die Problemlage im Gesundheitswesen ist konfliktiv. Und nein, Sie bzw. wir haben es keineswegs so einfach in der Hand. Vielmehr beweist die tägliche Erfahrung von Ärzten und Pflegenden, aber auch Patienten, dass die Möglichkeiten der Wahl nur sehr begrenzt gegeben sind. Und ja, die Ökonomisierung der Medizin führt in der Konsequenz zum Verschwinden des hohen Kulturgutes der von ökonomischen Interessen unbelasteten Arzt-Patienten-Beziehung. Kurz: Wenn es uns ernst ist mit einer Reflexion der Medizin und ihrer Strukturen, dann führt kein Weg daran vorbei, mächtige und tiefgreifende Fehlentwicklungen zu benennen. Und auch die Wissenschaft, die unreflektiert gelobte Grundlage, bleibt von diesen nicht ungetrübt.

    Gemessen am Untertitel finden sich viele Fakten leicht verständlich dargestellt. Widersprüche werden aufgezeigt, einige Irrtümer genannt. Man hätte sich aber zudem gewünscht: mehr Skepsis.

    Prof. Dr. med. Santiago Ewig, Bochum


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