Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(19): 1390-1394
DOI: 10.1055/s-0042-102980
Fachwissen
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Monoklonale Antikörper

Präzisionswaffen gegen Krebs, Autoimmun- und kardiovaskuläre ErkrankungenMonoclonal antibodies, overview and outlook of a promising therapeutic option
Tom Herschel
1   Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
,
Ali El-Armouche
1   Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
,
Silvio Weber
1   Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
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Korrespondenz

Prof. Dr. med Ali El-Armouche
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus
Technische Universität Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden

Publication History

Publication Date:
19 September 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Steigende Zulassungsraten für Monoklonale Antikörper (MAK) zur Therapie von Krebs, Autoimmun- und zuletzt auch kardiovaskulären Erkrankungen zeigen die wachsende Bedeutung dieser seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannten, aber erst seit den 1980er kommerzialisierten und klinisch kontrollierten Therapieoption. Der vorliegende Beitrag fasst die historische Entwicklung der monoklonalen Antikörpertherapie, den status-quo der klinischen Zulassung, sowie die zukünftigen Perspektiven durch neuartige MAKs und deren Derivaten zusammen.


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Abstract

Rising numbers of approved monoclonal antibodies for cancer, autoimmune and cardiovascular disease treatment underline the growing importance of this therapeutic option which has been discovered in the late 19th century. However, clinical trials and commercial use started in the late 20th century. The specific mode of action and clinical advantages over standard strategies signify a big step forward not only in terms of treating cancer but various other diseases like psoriasis and multiple sclerosis. New developments in the field of biologicals raise hope for an even broader scope of applications and options for currently untreatable diseases. The following article summarizes the historical development, the status-quo of clinical approvement and current development of monoclonal antibody therapy.


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Monoklonale Antikörper sind spezifische Medikamente – und in modernen Varianten bispezifisch oder mit Zytostatika gekoppelt. Steigende Zulassungsraten für Monoklonale Antikörper (MAK) zeigen die wachsende Bedeutung dieser Therapie. Der vorliegende Beitrag beschreibt die Entwicklung der monoklonalen Antikörpertherapie von der Entdeckung bis zur klinischen Anwendung. Er gibt einen Überblick über die wichtigsten klinischen Zulassungen zur Therapie von Krebs, Auto-immunerkrankungen und auch kardiovaskulären Erkrankungen.

Die Erfolgsgeschichte | Die außerordentliche Bedeutung von MAKs in der Medizin wird durch diese drei Meilensteine illustriert:

  • Mit der Serumtherapie gelang am Ende des 19. Jahrhunderts ein bahnbrechender Vorstoß zur erfolgreichen Behandlung der oft tödlich verlaufenden Diphterie [1]. Hierfür erhielt Emil von Behring 1901 den ersten vergebenen Nobelpreis für Medizin / Physiologie. Das grundlegende Verständnis zur Wirkungsweise von Antikörpern entstand aus dieser Entdeckung.

  • Aufbauend auf diesen Erkenntnissen veröffentlichte 1948 die Schwedin Astrid Fagraeus die erste detaillierte Beschreibung von Antikörpern. Im Jahre 1972 erhielten Gerald Edelman und Rodney Porter den Nobelpreis für die genaue chemische Strukturbeschreibung von Antikörpern [2].

  • Für die Entdeckung der Hybridom-Technik zur Herstellung monoklonaler Antikörper erhielten César Milstein und Georges Köhler den Nobelpreis. Mit dieser Technik gelang die endgültige Translation der vorherigen Erkenntnisse in die klinische Anwendung.

Struktur und Funktion | Das charakteristische Y-förmige Glykoprotein eines MAKs zeigt [ Abb. 1 ]. Aktivierte B-Zellen produzieren diese Immunglobuline (Ig) zur Abwehr von Antigenen [3]. Die variablen Domänen der Ig exprimieren durch verschiedene molekularbiologische Mechanismen 109 bis 1012 Varianten – damit sind theoretisch alle vorstellbaren Antigene erkennbar. Die nachfolgende Steuerung des Immunsystems leistet die konstante Domäne, die aus fünf Ig-Hauptklassen (IgA, IgD, IgE, IgG und IgM) stammen kann.

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Abb. 1 Charakteristischer Aufbau eines monoklonalen Antikörpers.VL = Variable Light chain (Variable Leichte Kette)VH = Variable Heavy chain (Variable Schwere Kette)CL = Constant Light chain (Konstante Leichte Kette)CH = Constant Heavy chain (Konstante Schwere Kette)

Die IgG-Klasse ist am einfachsten herzustellen und hat die längste nützliche Wirkung mit einer Halbwertszeit von ca. 20 Tagen [4].

Herstellung | Die kontrollierte und reproduzierbare Herstellung von MAKs durch die von Milstein & Köhler entwickelte Hybridom-Technik ermöglichte die Translation in die klinische Therapie. Hierfür werden zuerst Mäuse mit dem Zielantigen immunisiert. Antikörper-produzierende B-Zellen aus diesen Mäusen werden mit unbegrenzt teilbaren Myelomazellen fusioniert. Die hieraus entstandenen Hybridzellen werden selektiert auf Epitop-Bindungsstärke ihrer Antikörper und möglichst geringer Kreuzreaktion mit anderen Antigenen. Die gewünschten Antikörper können nun in theoretisch unbegrenzter Menge und gleichbleibender Qualität produziert werden.

Humanisierung | Der erste zugelassene MAK Muromonab zeigte in der Anwendung schnell, dass eine erhöhte Immunogenität und Eliminationsrate die größte Schwachstelle des murinen MAKs waren [5]. Daraufhin wurde in schrittweisen Verfahren der Anteil muriner Proteinsequenzen gegen humane Sequenzen ausgetauscht ( [ Abb. 2 ]). Zunächst wurden chimäre (ximab), dann humanisierte (zumab) und letztendlich humane (umab) Antikörper für verschiedene Therapien zugelassen [6], [7].

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Abb. 2 Humanisierung von MAKs und Nomenklatur.

Wirkmechanismen von MAKs

Antigenspezifisch | MAKs verbinden zwei verschiedene Wirkungen miteinander, die sich aus ihrem spezifischen Aufbau heraus ergeben.

Sie binden mit maximaler Effizienz an ihr Zielmolekül (z. B. einen Wachstumsfaktor-Rezeptor, ein Zytokin oder ein Adhäsionsmolekül) und können dieses allein hierdurch in ihrer Wirkung neutralisieren, aber auch aktivieren.

Immunaktivierung | Zum anderen löst der nicht-bindende Teil des MAKs eine spezifische Aktvierung des Immunsystems aus.

Die wichtigsten Reaktionen sind hierbei:

  • ADCC (Antibody-Dependent Cellular Cytotoxictity)

    Rekrutierung und Aktivierung von zytotoxischen T- und NK-Zellen

  • CDC (Complement-Dependent Cytotoxicity)

    Initialisierung der Komplementkaskade zur Opsonierung und anschließenden Lyse von (Tumor-)Zellen [6].

Während der erste Mechanismus häufig eine wichtige Rolle bei der Behandlung von (Auto-) Immunerkrankungen spielt, kommt der zweite Mechanismus vorrangig bei hämatologisch /onkologischen Krankheitsbildern zum Einsatz. Hierbei können nicht nur die Tumorzellen direkt angegriffen werden, sondern auch wichtige Versorgungsstrukturen, wie Blutgefäße oder Tumor-assoziierte Immunzellen und Stromazellen [8].

Pharmakokinetik | Antikörper können grundsätzlich in jedes Gewebe eindringen, Ausnahme bildet die Blut-Hirn-Schranke [6]. Sie können nur über verschiedene parenterale Wege appliziert werden, da sie selbst verdaubare Proteinstrukturen sind. Intravenöse Applikation ist die beste Methode in Bezug auf Bioverfügbarkeit, Anschlaggeschwindigkeit und Verabreichungsmenge [9]. Die subkutane und intramuskuläre Verabreichung erlaubt Selbstadministration, bringt aber eine geringere Bioverfügbarkeit mit sich. Die Elimination der MAKs aus dem Kreislauf geschieht über zwei verschiedene Wege:

  • target-mediated disposition: fortlaufender Abbau nach Antigenkontakt durch Endozytose und lysosomaler Degradation. Dieser Prozess ist von der Membranbindung der Antikörper abhängig und somit sättigbar und nicht linear.

  • unspezifischer Eliminierung durch phagozytierende Zellen und Endothelzellen des retikulohistiocytären Systems: Dieses System entfernt sowohl membrangebundene als auch freie MAKs, ist nicht sättigbar und daher ein linearer Prozess [10].

In Abhängigkeit von Antigen und Antikörper finden beide Prozesse gleichzeitig statt.

Leber und Niere spielen außer bei pathologischen Zuständen keine signifikante Rolle [6].


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Sicherheitsaspekte bei MAKs

Nebenwirkungen | In Abhängigkeit von der MAK-Struktur und des Ziel-Antigens ergeben sich für die Antikörper spezifische unerwünschte Nebenwirkungen.

  • Target-related Toxizität: spezifisch für den jeweiligen Antikörper. TNF-alpha Blocker zum Beispiel können durch ihre immunsuppressive Wirkung zu Infektionen führen [11].

  • Modality-related Toxizität ist ein generelles Problem: Besonders die murinen MAKs sind selbst potenzielle Antigene für das Immunsystem. Auto-Antikörper-Reaktionen beeinflussen den Therapie-Erfolg dramatisch und können den Abbruch erzwingen [12]. Infusionsreaktionen wie Fieber, Schüttelfrost, (Kardio-) Myopathien, Blutdruckabfall und Bronchospasmen gehören zu den typischen unerwünschten Nebenwirkungen [12]. Anaphylaktische Reaktionen auf das Fremdeiweiß werden ebenfalls als seltene Nebenwirkung beobachtet [13].

  • Ein weiteres Problem ist der Mangel an spezifischen Tumorantigenen. Das Tumorantigen EGFR2 / HER2 kommt zum Beispiel nicht nur auf der Zelloberfläche bestimmter Brust-und Magentumoren vor, sondern auch auf gesunden Herzmuskelgewebe [14]. Die Behandlung des Mammakarzinoms mit dem HER2 Antikörper Trastuzumab sollte daher immer regelmäßige Herzkontrollen mit einschließen.

Zytokin-Sturm | Aufgrund der missglückten klinischen Studien mit dem CD28-Rezeptor Antikörper TGN1412 erlangte der Begriff des Zytokin-Sturms (cytokine storm) weltweites Momentum [15]. Diese Nebenwirkung mit ggf. fatalen Konsequenzen beruht auf der ungesteuerten Aktivierung von zytotoxischen T-Lymphozyten. Durch massive Zytokin-Freisetzung werden zunächst nur leichte grippeähnliche Symptome registriert, die dann aber zu schwerwiegenden, schock-ähnlichen Zuständen anwachsen können. Beeinträchtigungen der Atmung, des Kreislaufs und irreversible neuropsychiatrische Schäden bis hin zum Tod sind möglich.


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Zulassungen von MAKs

Mehr als 40 MAKs verfügbar | Derzeit sind bereits mehr als 40 MAKs in der EU für verschiedenste hämatologisch / onkologische, immunmodulatorische und kardiovaskuläre Krankheitsbilder zugelassen. Zudem befinden sich derzeit über 70 MAKs in klinischer Erprobung [16]. In den folgenden Kapiteln werden für diese Krankheitsbilder repräsentative MAKs detaillierter beschrieben.


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Hämatologisch/onkologisch wirksame MAKs

Trastuzumab | Wird bei Patientinnen mit primärem Mammakarzinom eingesetzt, die eine Überexpression des EGF-Rezeptors 2 zeigen (epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR2 / HER2) [17]. Trastuzumab blockiert die Signaltransduktion des EGFR2 / HER2 und hemmt damit die Proliferation der Tumorzellen. Außerdem kann eine durch den Antikörper ausgelöste antikörperabhängige zellvermittelte Toxizität (ADCC) ein weiterer Vorteil in der Behandlung des Mammakarzinoms sein. Allerdings besteht unter Therapie das Risiko einer verstärkten Kardiotoxizität, da auch Herzzellen HER2-Rezeptoren tragen.

Bevacizumab | Wurde für die Behandlung des metastasierten Kolon- oder Rektumkarzinoms als Kombinationstherapie in Deutschland im Jahre 2005 zugelassen [18]. Mittlerweile wird dieser MAK zur Behandlung verschiedener fortgeschrittener Karzinome (Lungen-, Brust-, Ovarial-, Nierenzellkarzinom) eingesetzt. Durch seine Bindung an den Gefäßwachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) hemmt er die Bindung des endogenen Liganden auf der Oberfläche von Endothelzellen. Ziel ist es die Angiogenese von Tumoren und damit das Tumorwachstum einzugrenzen.

Rituximab | Rituximab ist seit 1998 für die Behandlung von B-Zell-Lymphomen zugelassen [19]. Der Antikörper richtet sich gegen das Oberflächenmolekül CD20, welches auf den Vorstufen und malignen Lymphomzellen, aber nicht auf reifen Plasmazellen exprimiert wird. Die Wirkung wird durch ADDC, CDC und Apoptose vermittelt. Die wichtigsten unerwünschten Nebenwirkungen sind dabei die Lymphopenie und die Dermatotoxizität.

Pembrolizumab | Ist seit 2015 zur Behandlung von nicht-resezierbaren oder metastasierenden Melanomen als Mittel der zweiten Wahl zugelassen. Es ist ein humanisiertes IgG4-κ-Immunglobulin, das mit dem PD-1-Rezeptor auf T-Zellen interagiert und so die Bindung der Liganden hemmt [20]. Dadurch wird die T-Zell-Proliferation, die Bildung von Zytokinen und somit die Immunantwort gegen entartete Zellen gesteigert. Der Wirkstoff wird alle drei Wochen intravenös verabreicht und kann die typische modality-related Toxizität wie Übelkeit, Fatigue und Pruitus verursachen, wird aber im Allgemeinen gut vertragen.


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Immunmodulatorisch wirksame MAKs

Tocilizumab | Wird bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis und Morbus Still (Juvenile idiopathische Arthritis) eingesetzt. Zielmolekül ist der Interleukin-6 Rezeptor (IL-6R) und die hiermit verbundene intrazelluläre Signaltransduktion, welche durch Tocilizumab blockiert wird [21]. In Kombination mit Methotrexat oder als Monotherapie konnten positive Effekte für Patienten festgestellt werden. Die Entzündungsreaktionen können unterbrochen werden. Rund 30 % der Patienten erreichten in den Phase-3-Studien innerhalb von 24 Wochen eine vollständige Remission. Allerdings wird z. Zt. der Zusammenhang zwischen der Gabe von Tocilizumab und dem Auftreten von Psoriasis diskutiert [22].

Adalimumab | Ein TNF-alpha Blocker. Dieser rein humane Antikörper richtet sich gegen das Zytokin TNF-alpha, bindet dieses und stört dessen Aktivität [23], [24] – nebenbei ist er eines der teuersten Medikamente auf dem deutschen Markt. Dieser MAK kommt vor allem bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis Arthritis, Spondylitis ankylosans, aber auch bei Morbus Crohn oder Collitis ulcerosa zum Einsatz. Durch einen raschen Wirkungseintritt werden Reparaturprozesse angeregt. Allerdings ist durch den Wirkmechanismus das Infektionsrisiko erhöht, z. B. die Reaktivierung einer Tuberkulose, und Tumorgenese vor allem von Lymphomen gesteigert.

Ocrelizumab | Wurde auf Basis von Rituximab entwickelt und wird derzeit in klinischen Studien zur Behandlung der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose geprüft [25]. Der Antikörper richtet sich gegen CD20-positive B-Zellen und eliminiert sie durch Aktivierung des körpereigenen Immunsystems. Bisher wurde das Medikament noch nicht zugelassen, zeigte aber bei schubförmig-wiederkehrender Multipler Sklerose positive und sehr vielversprechende Wirkungen für den Patienten.


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Kardiovaskulär wirksame MAKs

Abciximab | Als kurzfristige Herzinfarktprophylaxe kann das inhibitorisch an Glykoprotein-IIb / IIIa-Rezeptoren bindende Fab-Fragment Abciximab eingesetzt werden [26]. Die Vermeidung ischämischer kardialer Komplikationen wird dadurch erreicht, dass die Aggregation der Thrombozyten gehemmt wird. In Kombination mit Heparin und Acetylsalicylsäure kann Abciximab in der Therapie einer instabilen Angina pectoris genutzt werden, wenn die Standardtherapie erfolglos ist. Der Aggregationshemmer verursacht jedoch häufig eine ungewollte Thrombozytopenie, Hypotonie und Bradykardie.


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MAKs versus herkömmliche Arzneimittel – oder kombinieren!

Bisherige Erfolge in der MAK-basierten Therapie legen die weitere Verbesserung und Neuentwicklung dieser sogenannten Biologicals (BIOLs) für bisherige und zukünftige Zielmoleküle nahe. Die wesentlichen Unterschiede zu den herkömmlichen Arzneimitteln (small molecules, SMOL) sind in [ Tab. 1 ] noch einmal zusammengefasst.

Tab. 1 Essenzielle Unterschiede in der Funktion und Wirkungsweise zwischen synthetischen Small Molecules und Monoklonalen Antikörpern. MAK: Monoklonaler Antikörper.

Herkömmliche Arzeimittel (Small Molecules, SMOL)

Monoklonale Antikörper (MAK, Biological, BIOL)

Meist orale Gabe

Parenterale Gabe

Gute Spezifität

Hohe Spezifität

Elimination durch Leber und Niere

Elimination durch Endo- und Phagozytose

Kurze Halbwertszeit (häufigere Gaben)

Lange Halbwertszeit

Teilweise Passage Blut-Hirn-Schranke

Keine Passage Blut-Hirn-Schranke

Bi-spezifische MAKs als neue Option gegen Krebs | Mit dem BiTE (bispecific T-Cell engaging) Blinatumomab entwickelt sich die Therapie mit MAKs in eine neue Richtung. Es ist die erste Zulassung eines bispezifischen MAK durch die FDA. Blinatumomab ( [ Abb. 3 ]) ist ein Fusionsprotein aus zwei verschiedenen single-chain variable fragments (scFvs), die durch einen Peptidlinker verbunden sind [27]. Hierbei bindet ein Arm gegen CD19, das sehr stark auf B-Zellen von Patienten mit akuter lymphoider Leukämie (ALL) exprimiert ist. Der zweite Arm bindet an CD3 auf der Oberfläche zytotoxischer T-Zellen und aktiviert sie dadurch. Letztlich werden die Krebszellen durch ADCC eliminiert.

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Abb. 3 Schematische Darstellung des BiTE Blinatumomab.

Gefahr durch Zytokin-Sturm? | Präklinische Studien in Zellen und Tiermodellen zeigten dabei, dass durch ein BiTE mehrere T-Zellen aktiviert werden können, ohne einen gefährlichen Zytokinsturm auszulösen [28]. In einer kleinen Phase II Studie in ALL-Patienten mit verbleibender Resterkrankung nach Chemotherapie wurden beachtliche Komplettremissionsraten von 80 % erreicht. Auch in größeren Phase II Studien konnte Blinatumomab eine spürbare Verlängerung der mittleren Überlebenszeit zeigen, wenn auch nicht mit dem ursprünglich erhofften Erfolg [29].

Antibody Drug Conjugates (ADC) | Diese Konjugate vereinen positive Eigenschaften hochspezifischer MAKs mit der Effektivität und einfachen Herstellung von SMOLs. Krebszellen z. B. werden gezielt und mit wenig Nebenwirkungen angegriffen [30], [31]. Durch die Kombination von BIOLs und SMOLs könnte eine enorme Steigerung der therapeutischen Breite bei gleichzeitiger Erhöhung der Spezifität (z. B. durch Gewebe-spezifische MAKs) erreicht werden. Inotuzumab Ozogamicin ist ein ADC ( [ Abb. 4 ]), das ebenfalls zur Behandlung gegen ALL eingesetzt werden soll. In einer Phase I Studie wurden Komplettremissionsraten von 68 % erreicht [32]. Die Antikörper spüren diese Proteine im Körper gezielt auf und heften sich an die Oberfläche der Krebszellen. Die biochemische Reaktion zwischen Antikörper und Zielprotein (Antigen) löst ein Signal in der Tumorzelle aus, die daraufhin den Antikörper – mitsamt dem Wirkstoff – in sich aufnimmt. Wie in einem trojanischen Pferd gelangt das Gift (z. B. Calicheamicin) auf diese Weise ins Innere der Krebszelle.

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Abb. 4 Schematische Darstellung eines ADCs (Antibody Drug-conjugates).
Konsequenzen für Klinik und Praxis
  • Die Bedeutung und Anzahl der sowohl für die Therapie als auch für die Diagnostik zugelassenen monoklonalen Antikörper (MAKs) nimmt stetig zu und wird in Zukunft einen entsprechen Anteil im klinischen Alltag einnehmen.

  • Das spezifischere Wirkungsprinzip und klinische Vorteile gegenüber herkömmlicher Standardtherapien stellt einen wichtigen Fortschritt dar.

  • Eine höhere Sicherheit und ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis von MAKs sind die Herausforderungen für die nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte.


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Cand. med. Tom Herschel

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Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus, Technische Universität Dresden, Medizinstudent und Doktorand

Prof. Dr. med. Ali El-Armouche

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Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus, Technische Universität Dresden, Institutsdirektor, Schwerpunkt: Pathophysiologie und Pharmakologie kardiovaskulärer Erkrankungen

Dr. rer. nat. Silvio Weber

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Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät Carl-Gustav-Carus, Technische Universität Dresden, Arbeitsgruppenleiter, Schwerpunkt: Pathophysiologie und Pharmakologie kardiovaskulärer Erkrankungen

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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Korrespondenz

Prof. Dr. med Ali El-Armouche
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Abb. 1 Charakteristischer Aufbau eines monoklonalen Antikörpers.VL = Variable Light chain (Variable Leichte Kette)VH = Variable Heavy chain (Variable Schwere Kette)CL = Constant Light chain (Konstante Leichte Kette)CH = Constant Heavy chain (Konstante Schwere Kette)
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Abb. 2 Humanisierung von MAKs und Nomenklatur.
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Abb. 3 Schematische Darstellung des BiTE Blinatumomab.
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Abb. 4 Schematische Darstellung eines ADCs (Antibody Drug-conjugates).