Aktuelle Dermatologie 2016; 42(04): 121
DOI: 10.1055/s-0042-103566
Derma-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hautkrebs – Kollektive Intelligenz nutzen

Contributor(s):
Friederike Klein
Kurvers RH et al.
JAMA Dermatol 2015;
151(12): 1346-1353
Further Information

Publication History

Publication Date:
14 April 2016 (online)

 

    Die Unterscheidung zwischen benignen und malignen Hauttumoren ist nicht immer eindeutig. Gruppen von Hautärzten können eine größere diagnostische Genauigkeit erreichen, als einzelne, auch erfahrene Dermatologen. Das belegen die Studien von Ralf H. J. M. Kurvers et al.
    JAMA Dermatol 2015; 151: 1346–1353

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    Mithilfe von Schwarmintelligenz zum Ziel: Durch moderne Telekommunikations- und Informationstechnologien können Daten schnell und hochauflösend an eine Vielzahl von Personen weitergeleitet und z. B. auf Online-Plattformen bewertet und diskutiert werden. Auf diese Weise können Hautkrebsdiagnosen treffsicherer gestellt werden, so die Autoren der Studie.(Symbolbild; Alexander Fischer / Thieme Verlagsgruppe)

    Die europäische Studiengruppe wendete 2 Methoden der kollektiven Intelligenz an: Die Mehrheitsregel, bei der die diagnostische Entscheidung zugunsten der Mehrheit der Beurteilungen gefällt wird, und die Quorumregel, bei der ein vorab definierter Mindestanteil einer Bewertung erreicht werden muss, um eine diagnostische Entscheidung zu treffen.

    In einer 1. Studie bewerteten 40 in der Dermatoskopie erfahrene Hautärzte anlässlich einer Internet-Konsensuskonferenz online jeweils 108 Bilder von Hauttumoren. In einem ersten Schritt mussten sie zwischen melanozytären und nicht melanozytären Herden unterscheiden, melanozytäre Läsionen dann in maligne und benigne differenzieren, indem sie 4 verschiedene diagnostische Algorithmen anwendeten: die Musteranalyse, die ABCD- Regel, die Menzies-Methode und die 7-Punkte-Checkliste.

    An der 2. Studie nahmen 170 Experten teil, darunter v. a. Hautärzte, aber auch Allgemeinmediziner, Medizinstudenten und andere medizinische Fachberufe, und bewerteten 165 Hautläsionen mittels einer 3-Punkte-Checkliste als maligne oder benigne. 82 von ihnen (darunter 60 Hautärzte) hatten mindestens 110 Hautläsionen bewertet und wurden für die weitere Analyse herangezogen. Für alle fotografischen Befunde beider Studien lag auch eine Histologie vor, mit der die Diagnosen abgeglichen wurden.

    Die Quorummethode ist überlegen

    Insgesamt nahmen 122 Gutachter 16 029 Bewertungen vor. Je größer die Gruppe in der statistischen Auswertung gewählt wurde, desto deutlicher verbesserte sich die diagnostische Genauigkeit gegenüber dem Mittel der Einzelgutachter, unabhängig vom verwendeten Algorithmus. Sowohl Mehrheits- als auch Quorumregel führten bereits ab 3 Teilnehmern zu höheren richtig-positiven und geringeren falsch-positiven Resultaten als das Mittel der Einzelbeurteilungen. So lag z. B. die Rate der richtig-positiven Beurteilungen in Studie 1 bei Verwendung der Musteranalyse als diagnostischem Verfahren im Mittel bei 0,83, die Falsch-positiv-Rate bei 0,17. Bei Entscheidung nach dem Mehrheitsprinzip lagen die entsprechenden Raten schon bei einer Gruppengröße von 3 bei 0,91 bzw. 0,14. Mit ansteigender Gruppengröße wurden die Effekte zugunsten der kollektiven Beurteilung noch ausgeprägter.

    Auch gegenüber der besten individuellen Diagnostik ergab sich bei der Quorumregel ein Vorteil. Je nach Festlegung des Quorums, das erreicht werden musste, um eine diagnostische Entscheidung zu treffen, waren die Raten der richtig-positiven Diagnosen höher und der falsch-positiven niedriger, bei einigen Diagnosekriterien war die Rate falsch-negativer Ergebnisse bei mehr richtig-positiven Ergebnissen zumindest vergleichbar niedrig oder nur gering erhöht. Die Mehrheitsregel führte nur teilweise zu besseren Ergebnissen als die beste Einzeldiagnostik, ist dafür allerdings einfacher anwendbar – für das Quorum muss vorab der Schwellenwert bestimmt werden.

    Fazit

    Methoden der kollektiven Intelligenz könnten ein interessanter Ansatz sein, um die diagnostische Genauigkeit bei Hautkrebs zu verbessern und damit auch die hautkrebsassoziierte Mortalität zu senken. Die Weiterentwicklung moderner Telekommunikations- und Informationstechnologien könnte das Verfahren attraktiver machen, es bleibt aber ein Mehr an diagnostischer Beurteilung als ein erheblicher Kostenfaktor.





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    Mithilfe von Schwarmintelligenz zum Ziel: Durch moderne Telekommunikations- und Informationstechnologien können Daten schnell und hochauflösend an eine Vielzahl von Personen weitergeleitet und z. B. auf Online-Plattformen bewertet und diskutiert werden. Auf diese Weise können Hautkrebsdiagnosen treffsicherer gestellt werden, so die Autoren der Studie.(Symbolbild; Alexander Fischer / Thieme Verlagsgruppe)