Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2016; 6(03): 152-159
DOI: 10.1055/s-0042-103600
Selbstmanagement
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kinder, Klinik, Karriere – Familienfreundlicher Arbeitsplatz gesucht

Julia Rojahn
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Publication Date:
12 July 2016 (online)

 

Das süße Bild mit Entchen kann täuschen: Als Arzt oder Ärztin zu arbeiten und gleichzeitig gute Eltern zu sein, ist ein Knochenjob. Andererseits sind die äußeren Bedingungen besser geworden, und auch bei der Wahl des Arbeitgebers kann man auf einige Punkte achten.


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Jede Familie ist ein Fall für sich

Susanne und Andreas Dacher[*] bekamen ihr 1. Kind nach 15 Monaten Weiterbildung. „Vielleicht wäre es für die Karriere einfacher gewesen, erstmal 3–4 Jahre zu arbeiten, bevor man schwanger wird“, sagt Susanne Dacher. „Aber bei uns lief es halt anders. Ich bereue es nicht, und wir wurschteln uns so durch.“ 3 Jahre später wurden ihre Zwillinge geboren, und gerade, als sie einen Kitaplatz hatten, musste die Familie Andreas' Chef hinterherziehen, der in eine andere Stadt wechselte. Das ist inzwischen 3 Jahre her. Andreas Dacher hat seinen Facharztabschluss in Unfallchirurgie, Susanne Dacher wird für ihre Weiterbildung in der Inneren noch 2–3 Jahre brauchen.


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Kinder lieber früh?

Friederike Lutzows erstes Kind kam sogar schon im PJ. „Das 2. Staatsexamen habe ich dann um ein Semester verschoben, damit ich genug Zeit hatte zu lernen“, erzählt sie. Bei Antritt ihrer ersten Stelle war sie dann schon mit dem 2. Kind schwanger. „Der Deal war: Ich bekomme die Stelle, bleibe aber nach der Geburt nur 4 Monate zuhause.“ Inzwischen haben die Lutzows 4 Kinder im Alter von 2–9 Jahren, und nur dank der beiden Omas konnte Friederike jeweils nach max. 1 Jahr wieder arbeiten – momentan zu 25 % in der Ambulanz einer Kinderklinik. Michael Lutzow ist Facharzt in der Chirurgie. „Natürlich haben wir eine traditionellere Aufteilung als viele in unserem Freundeskreis“, meint Friederike. „Aber ein Arzt mit 100 %-Stelle, Diensten etc. ist bei 4 Kindern schon stressig genug – und mein Facharzt läuft ja nicht weg.“


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Kinder lieber später?

Silvia Krucke dagegen hatte ihre Weiterbildung Allgemeinmedizin fast abgeschlossen, als sie schwanger wurde. „Ich habe damals ausgerechnet: Wenn ich voll weiterarbeite, bin ich bis zum Mutterschutz gerade mit der Pflicht-Zeit fertig“, sagt sie. „Die Facharztprüfung habe ich dann in der Elternzeit abgelegt.“ Ihr Mann Jens hat als Ingenieur auch sehr lange Arbeitstage, sodass Silvia die inzwischen 2 Kinder (2 Jahre bzw. 4 Monate alt) größtenteils allein versorgt. „Ich nenne mich manchmal funktional alleinerziehend“, meint sie scherzhaft. Ihre Chefin aus der Weiterbildung hat sie nach der Geburt des 1. Kindes neu eingestellt – als Fachärztin in 30 % Teilzeit, unbefristet. „Sie hatte gesucht, aber keinen Ersatz für mich gefunden“, sagt Krucke. „Mir kam der Ärztemangel also wirklich zugute!“


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Wie man's macht, macht man's richtig

Aus diesen Beispielen wird deutlich: Die Patentlösung für Beruf und Familie gibt es nicht. Wann man Kinder bekommt, wie viele und wie man das Leben drumherum organisiert, muss jedes Paar allein entscheiden. Wenn es dann aber soweit ist, sollten Sie wissen, was Ihnen zusteht. Wir geben einen kurzen Überblick.


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Auf was Sie Anspruch haben

Rund um die Schwangerschaft

Mutterschutz

Ziel des Mutterschutzes ist es, werdende und stillende Mütter vor Gefahren am Arbeitsplatz, finanziellen Einbußen und Kündigung zu schützen. Klingt gut – trotzdem haben viele schwangere Ärztinnen ein zwiespältiges Verhältnis zum Thema, denn in der Praxis legen Vorgesetzte und Arbeitgeber den Schutz bisher sehr unterschiedlich aus. Manche Frauen müssen Dinge tun, die sie selbst als riskant ansehen (z. B. Umgang mit potenziell infektiösen Patienten), die meisten haben aber das gegenteilige Problem: Sie dürfen vieles nicht mehr, was sie gern tun würden, und können während der Schwangerschaft notwendige Weiterbildungsinhalte nicht absolvieren.

Auch Silvia Krucke erlebte Widersprüchliches: „Ich war parallel in 2 Hausarzt-Praxen angestellt. Die eine Chefin hatte kein Problem, mich weiter voll einzusetzen – nur Nachtdienste musste ich keine machen. Die andere war übertrieben besorgt: Ich durfte z. B. keine akut Erkrankten mehr behandeln und keine Hausbesuche machen – dafür viel Büroarbeit.“

Typische Risiken am ärztlichen Arbeitsplatz sind u. a.:

  • Stechen und Schneiden mit potenzieller Verletzungsgefahr

  • infektiöse Substanzen (Blut, Urin, Stuhl, Speichel etc.)

  • langes Stehen und schweres Heben

  • giftige Narkosegase

  • Zytostatika

  • ionisierende Strahlen und radioaktive Substanzen

  • Auch Mehrarbeit > 8,5 h/Tag, Arbeit nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen waren bisher ausdrücklich verboten.


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Formaler Ablauf

Um in den Genuss des Mutterschutzes zu kommen, sollen Frauen eine Schwangerschaft möglichst früh dem Arbeitgeber melden. Dieser ist wiederum verpflichtet, die zuständige Aufsichtsbehörde zu informieren und eine individuelle Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz der Schwangeren zu erstellen. Anschließend informiert der Arbeitgeber die Schwangere über eventuelle Tätigkeitsverbote und persönliche Sicherheitsmaßnahmen. Lässt sich der Arbeitsplatz nicht ausreichend sicher gestalten, muss der Arbeitgeber die Schwangere versetzen oder von der Arbeit freistellen. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, haftet der Arbeitgeber evtl., wenn Mutter oder Kind etwas geschieht.

Auch die Kollegen freuen sich nicht immer über eine Schwangerschaft: Es bedeutet oft mehr Arbeit für sie, mehr Nachtdienste etc.


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Gestaltung des Arbeitsplatzes

Doch was ist eine „ausreichend sichere Gestaltung des Arbeitsplatzes“ – und zu wie viel Aufwand kann man den Arbeitgeber hier verpflichten? Darüber wurde in den letzten Jahren viel diskutiert, v. a. in operativen Fächern. Es entstanden Projekte wie OPidS (Operieren in der Schwangerschaft, http://www.opids.de), Tipps zur Arbeitsplatzgestaltung und detaillierte „Positivlisten“ mit Tätigkeiten, die auch für schwangere Chirurginnen, Anästhesistinnen etc. ausreichend sicher sein sollten. Einige Beispiele sind in [Tab. 1] aufgeführt.

Ob der Arbeitgeber sich darauf einlässt, ist bisher allerdings oft Glückssache – die Schwangere musste sich letztlich an die ausgesprochenen Beschäftigungsverbote halten [1]. Das könnte sich mit dem reformierten Mutterschutzgesetz ändern, das auch mehr Rechtssicherheit für Arbeitgeber bringen soll (s. unten).

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Tab. 1 Arbeiten im Mutterschutz: Beispiele für mögliche Gestaltung des Arbeitsplatzes [2] [14] [17] [18] [19]

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Individuelles Beschäftigungsverbot

Unabhängig vom Arbeitgeber kann jeder Arzt für jeden Zeitraum der Schwangerschaft ein sog. individuelles Beschäftigungsverbot ausstellen, wenn Gesundheit von Mutter oder Kind speziell durch die Arbeit gefährdet sind. Dafür können auch psychischer Druck oder subjektiv unerträgliche Gerüche am Arbeitsplatz ausreichend sein. Es handelt sich nicht um eine Krankschreibung – die Schwangere muss grundsätzlich arbeitsfähig sein [2]. Sie bezieht dann auch weiterhin ihr Gehalt vom Arbeitgeber. Der bekommt seine Kosten wiederum von der Krankenkasse erstattet (sog. U2-Verfahren) und kann – anders als bei Krankschreibungen – sofort eine Vertretung einstellen.


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Mutterschutzfrist

In der sog. Mutterschutzfrist von 6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Geburt besteht ein generelles Beschäftigungsverbot. Die werdende Mutter bezieht ein sog. Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse oder dem Bundesversicherungsamt, das der Arbeitgeber auf das bisherige Nettogehalt aufstockt [Tab. 2].

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Tab. 2 Zeit und Geld für Familien

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Reform Mutterschutzgesetz

Nach langem Zögern wurde das Mutterschutzgesetz von 1952 in diesem Jahr gründlich überarbeitet, das Bundeskabinett hat Anfang Mai den Gesetzentwurf beschlossen. Er sieht u. a. Folgendes vor [3], [Tab. 2]:

  • Andere Regelungen werden integriert, z. B. die bisherige Mutterschutzrichtlinienverordnung (MuSchRiV) und die Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV).

  • Die Position der Schwangeren soll gestärkt, Nachteile sollen vermieden oder ausgeglichen werden.

  • Der Arbeitgeber muss eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes vornehmen und ihn entsprechend umgestalten. Ist das unmöglich, folgt ein Arbeitsplatzwechsel, und nur als letzte Möglichkeit ein Beschäftigungsverbot.

  • Ein neuer „Ausschuss für Mutterschutz“ soll u. a. für eine angemessene Gefährdungsbeurteilung sorgen.

  • Das neue Gesetz gilt auch für Studentinnen und PJ-ler.

  • Das Arbeitsverbot abends und an Sonn- / Feiertagen wird gelockert.

Ärzteverbände begrüßen die Änderungen überwiegend [4] [5] [6] [7].


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Nach der Geburt

Vater und Mutter gleichberechtigt

Während in der Schwangerschaft die Mütter naturgegeben im Mittelpunkt stehen, gelten alle folgenden Regelungen genauso für Väter – sie müssen sie nur noch einfordern. Laut Ärztestatistik der Bundesärztekammer [8]waren Ende 2015 unter den Ärzten in Elternzeit allerdings ganze 3 % Männer. Auch wenn das im Einzelfall oft die logische Wahl ist (die Mutter hat ja sowieso eine Zwangspause, dann arbeitet wenigstens einer mit vollem Einsatz weiter): Kein Wunder, dass viele Chefs weiterhin eher Männern eine Karriere zutrauen!


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Elternzeit

Jeder Arbeitnehmer, der

  • mit seinem Kind in einem Haushalt lebt und

  • das Kind selbst betreut und erzieht,

kann bis zum 3. Geburtstag des Kindes Elternzeit nehmen. Während dieser Zeit können Vater, Mutter oder auch beide gleichzeitig ihr Arbeitsverhältnis ruhen lassen und sind nicht kündbar. Nach Ablauf der Elternzeit haben sie Anspruch auf den früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz mit gleicher Stundenzahl [Tab. 2]. Während der Elternzeit kann man in Teilzeit (15–30 h) arbeiten, auch in diesem Fall gibt es ein Rückkehrrecht zum früheren bzw. gleichwertigen Arbeitsplatz. Sogar eine Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder selbständig ist möglich, sofern der bisherige Arbeitgeber zustimmt. Die Familie kann so z. B. dem Arbeitsplatz eines Elternteils „hinterherziehen“, der andere behält für 3 Jahre den ruhenden Arbeitsplatz als Absicherung. Oder der Vater nimmt eine Weile Elternzeit, um der Mutter den Wiedereinstieg in den Beruf (ggf. in Vollzeit) zu ermöglichen.


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Weiterbildungsvertrag

Leider bringt das Rückkehrrecht oft nichts, wenn der befristete Arbeitsvertrag während des Mutterschutzes oder der Elternzeit ausläuft. In der Weiterbildung sollte hier allerdings das „Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung“ (ÄArbVtrG) greifen: Laut § 1 Abs. 4 sind Beschäftigungsverbote, Mutterschutz- und Elternzeiten nicht auf die Dauer von befristeten Weiterbildungsverträgen anzurechnen. Bei wissenschaftlichen Zeitverträgen z. B. an Unikliniken kann dies aber anders aussehen [2].

In Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit kann der Arbeitgeber Ihren Arbeitsvertrag nur unter sehr engen Voraussetzungen kündigen [9] . Befristete Arbeitsverträge laufen aber evtl. planmäßig aus.


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Weiterbildungsordnung

Laut Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer werden Unterbrechungen der Weiterbildung wegen Schwangerschaft und Elternzeit nicht als Weiterbildungszeit angerechnet (§ 4 Abs. 4). Bei Teilzeitarbeit verlängert sich die Weiterbildung entsprechend, Teilzeittätigkeiten < 50 % werden nicht anerkannt (§ 4 Abs. 6). Verbindlich ist aber jeweils die Weiterbildungsordnung Ihrer Landesärztekammer!


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Elterngeld

Das 2007 eingeführte Elterngeld [Tab. 2] unterstützt Familien in den ersten 1–2 Jahren und soll das berufliche Aussetzen finanziell abfedern. Mit den „Partnermonaten“ ist außerdem ein Anreiz eingebaut, dass beide Elternteile vom Elterngeld Gebrauch machen und sich z. B. auch der Vater eine Weile zu Hause engagieren kann. Familie Dacher und Familie Krucke haben das genutzt: „Andreas hat nach der Geburt der Zwillinge 1 Monat Elternzeit genommen, ein halbes Jahr später nochmal 1 Monat“, erzählt Susanne Dacher. „Sein Chef war aber nicht begeistert.“ Der Ingenieur Jens Krucke hat beim 1. Kind ebenfalls 2 Monate Elternzeit genommen, parallel zu seiner Frau und gegen Ende ihrer Elternzeit. Leider wird für 2 Monate oft keine Vertretung organisiert: „Er konnte sich nicht komplett aus dem Beruf verabschieden und hat auch in dieser Zeit viel gearbeitet“, so Silvia Krucke.

Seit 2015 bietet das „ElterngeldPlus“ noch mehr Flexibilität bei der Aufteilung und zeitlichen Gestaltung – gerade Eltern, die während des Elterngeld-Bezugs in Teilzeit arbeiten, sind damit besser gestellt als mit dem Basiselterngeld. Beide Eltern können die Elterngeld-Monate unter sich aufteilen und auch gleichzeitig Elterngeld erhalten. Achtung: Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss werden auf das Elterngeld angerechnet.

Je nach Einkommen, Steuerklassen und Teilzeitarbeit sind unterschiedliche Aufteilungen der Elterngeld-Monate sinnvoll. Rechnen Sie verschiedene Varianten durch bzw. lassen Sie sich beraten!

Betreuungsgeld

Von August 2013 bis Juli 2015 gab es das sog. Betreuungsgeld für Familien, die ihre Kinder im 2. und 3. Lebensjahr ohne Inanspruchnahme öffentlicher Angebote wie Kitas betreuen. Wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes hat das Bundesverfassungsgericht das entsprechende Gesetz für verfassungswidrig erklärt – bereits bewilligte Leistungen werden aber noch ausgezahlt. Bayern führt die Leistung als „Bayerisches Betreuungsgeld“ weiter (Gesetz vom 01.06.2016).


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Teilzeit nach der Elternzeit

Auch nach der Elternzeit haben angestellte Ärzte – wie alle Arbeitnehmer – grundsätzlich Anspruch auf Teilzeitarbeit (§ 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz). Voraussetzungen sind u. a., dass das Arbeitsverhältnis schon > 6 Monate besteht und der Betrieb > 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitnehmer muss seinen Wunsch 3 Monate im Voraus geltend machen. Ein gesetzliches Rückkehrrecht zur früheren Stundenzahl besteht – anders als in der Elternzeit – aber nicht.

„Die Zeiten haben sich hier positiv geändert“, meint Susanne Dacher. „Vor 15 Jahren wäre eine Teilzeitstelle an einer Uniklinik undenkbar gewesen – heute ist das möglich.“ Ihr Mann hat erst neulich für 6 Monate auf 50 % reduziert. Die übrigen 50 % hat er in der Forschung gearbeitet – mit flexibleren Arbeitszeiten, sodass er die Kinder betreuen konnte, als Susanne in die Notaufnahme mit Schichtdienst rotierte.


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Kinderbetreuung

Seit August 2013 hat jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag. Aber: Wenn die Einrichtung halbwegs in der Nähe liegen, passende Öffnungszeiten haben und pädagogisch gut sein soll, muss man oft länger warten bzw. intensiver suchen. Die Vielfalt ist groß:

  • städtische, kirchliche, betriebliche Kitas oder Kindergärten

  • Einrichtungen freier / privater Träger: Waldorf, Montessori, Waldkindergarten, lokale Elterninitiativen etc.

  • Tagesmutter (betreut Kinder bei sich zuhause)

  • Großtagespflege (Zusammenschluss mehrerer Tagesmütter)

  • Kinderfrau (kommt zur Familie nach Hause)

  • Au-pair

Erkundigen Sie sich rechtzeitig, welche Möglichkeiten es vor Ort gibt, und hören Sie sich unter anderen Eltern um. Teilweise gibt es lange Wartelisten, sodass man Kinder evtl. schon vor der Geburt anmelden muss. Auch die Kosten sind je nach Kommune sehr unterschiedlich und häufig gestaffelt nach Einkommen.

Warten Sie lieber etwas länger auf einen Betreuungsplatz, der Ihnen zusagt, statt Ihr Kind mit schlechtem Gewissen zur Betreuung zu bringen.

Gerade Ärzte mit ihren unregelmäßigen Arbeitszeiten finden häufig keine geeignete Kinderbetreuung. „Nach dem 1. Kind wollte ich eigentlich nach 1 Jahr wieder einsteigen“, erzählt Susanne Dacher. „Aber ich brauchte eine neue Stelle, und ohne Betreuungsplatz bekam ich die nicht. Umgekehrt galt: Ohne Job kein Kitaplatz!“ Mit viel Glück klappte es schließlich in der Uni-Kita. Für die Zwillinge musste sie dann aber wieder neu suchen – 2 Jahre lang. Inzwischen gehen sie in eine städtische Ganztags-Kita, der ältere Sohn geht zur Schule und kann bis 17 Uhr im Hort bleiben. Auch noch im Schulalter ist die Kinderbetreuung nämlich wichtig: „Ich kenne Leute, die ihre Arbeit aufgeben bzw. deutlich reduzieren mussten, weil sie keinen Hortplatz bekamen“, so Susanne Dacher.

Übrigens kann man nicht nur die Kinderbetreuung abgeben: Auch eine Putzkraft oder Haushaltshilfe kann Stress vermeiden.

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Kinderkrankengeld

Bleiben Sie zur Betreuung eines erkrankten Kindes zu Hause, haben Sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeit: je Elternteil und Kind bis zu 10 Arbeitstage pro Kalenderjahr bzw. 20 Tage für Alleinerziehende (bei >2 Kindern max. 25 bzw. 50 Arbeitstage). Bei Kindern unter 12 Jahren zahlen Arbeitgeber bzw. Krankenkasse auch weiter Lohn, sofern

  • ein ärztliches Attest vorliegt („Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“),

  • keine andere Person im Haushalt die Pflege übernehmen kann

  • und Elternteil sowie Kind gesetzlich versichert sind.

Das Krankengeld der Krankenkasse beträgt 90 % des Nettolohns (§ 45 Sozialgesetzbuch V), private Krankenversicherungen zahlen nur, wenn dies im Vertrag festgehalten ist.

Müssen Sie mit einem kranken Kind zu Hause bleiben, besorgen Sie die ärztliche Bescheinigung und klären anschließend mit Ihrem Arbeitgeber, ob er zahlt oder wer das Formular an die Krankenkasse weiterleitet.


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Was Sie außerdem tun können

Suchen Sie sich den richtigen Arbeitgeber / Chef

Schon bei der Wahl des Arbeitgebers und der konkreten Stelle können Sie auf Familienfreundlichkeit achten bzw. gezielt danach fragen. Schauen Sie auch auf der Homepage nach und fragen Sie Leute, die schon dort arbeiten:

  • Was bietet die Klinik oder Praxis über die gesetzlichen Vorschriften hinaus?

  • Wie ist die Atmosphäre im Alltag, am konkreten Arbeitsplatz?

  • Haben die Vorgesetzten selbst Kinder, arbeiten sie in Teilzeit?

Weitere Beispiele finden Sie in [Tab. 3].

Außerdem sind manche Fachrichtungen natürlich besser geeignet als andere: Chirurgen werden immer viel im OP stehen, während man z. B. als Arbeitsmediziner oder ambulant leichter Stellen mit geregelten Arbeitszeiten findet.

Im konkreten Fall sind ganz verschiedene Varianten möglich: Friederike Lutzow z. B. arbeitet ihre 25 % ausschließlich in der Ambulanz, mit festen Tagen und Zeiten. Ein Wochenende pro Monat hat sie Rufbereitschaft. „Das ist organisatorisch recht mühsam“, sagt sie. „Ich brauche immer jemanden im Hintergrund, der bei Bedarf schnell bei den Kindern sein kann.“

Silvia Krucke hat sich auch wegen der Familie für die Allgemeinmedizin entschieden. „Sonst wäre ich vielleicht im invasiven Bereich geblieben“, meint sie „Schiffs- oder Hubschrauberarzt hätte mich gereizt. Inzwischen bin ich aber mit der Allgemeinmedizin mehr als glücklich und würde nicht mehr tauschen.“

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Tab. 3 Extras einer familienfreundlichen Klinik [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16]

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Fordern Sie ein, was Ihnen zusteht

Je kompetitiver das Arbeitsumfeld (z. B. Uniklinika), desto nachteiliger kann es sich auswirken, wegen Elternzeit auszufallen oder in Teilzeit zu gehen. Eine Umfrage an der Medizinischen Hochschule Hannover unter Rückkehrern aus der Elternzeit [10] ergab z. B.:

  • Die Fluktuation der Beschäftigten verdoppelte sich nach der Elternzeit, 58 % der Ärzte erwogen einen Arbeitgeberwechsel.

  • 17 % der Führungskräfte verloren ihren Status.

  • Die Befragten erlebten signifikante Verluste an Macht und Einfluss, umgekehrt stieg die berufsbezogene Arbeitsbelastung.

  • Sehr viele empfanden ihre Karriereperspektiven als negativ – v. a. betraf dies hoch engagierte weibliche Führungskräfte.

Die Studienautoren empfehlen daher:

  • schriftliche Bestandsaufnahme des Status vor der Elternzeit

  • schriftliche Rückkehrvereinbarung (Position und Aufgaben)

  • explizite, individuelle Vertretung während der Elternzeit

Erwägen Sie auch als Vater, mehr als die inzwischen fast üblichen 2 Monate Elternzeit zu nehmen! Sie haben mehr von Ihren Kindern, es wird eher eine Vertretung für Sie eingestellt – und Sie erweisen der Gleichberechtigung einen großen Dienst.


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Halten Sie Kontakt zur Arbeitsstelle

Um fachlich auf dem Laufenden zu bleiben und sich in Erinnerung zu rufen, kann man auch in der Babypause z. B. an wichtigen Besprechungen teilnehmen, Fortbildungen besuchen etc. Auch ein Einstieg mit wenig Wochenstunden oder als Vertretung kann sinnvoll sein.

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Bringen Sie Ihre Qualifikation als „Familienmanager“ vor

Kindererziehung ist kein exotisches Hobby oder Privatvergnügen, sondern eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe – und nebenbei entwickelt man wichtige Kompetenzen, die auch der Arbeit zugute kommen: Effizienz, Belastbarkeit, Organisationstalent, Flexibilität, Pragmatismus und Kreativität. Evtl. hat man auch mehr Verständnis für Patientenfamilien und geht besser mit Kindern als Patienten um.

Leider zweifeln manche Chefs trotzdem an Leistungswillen und Einsatzbereitschaft, wenn man pünktlich gehen muss und nicht noch mal am Wochenende reinkommen kann. Dabei sollte auch ihnen klar sein: Wenn beide Eltern arbeiten, können nicht beide beliebig viel Zeit in der Klinik verbringen. Wenn man also auf die hoch qualifizierten Eltern (v. a. Frauen) nicht verzichten will, muss die Arbeit familienkompatibel sein.


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Netzwerken Sie auch privat

Was im Beruf als neuer Trend daherkommt, ist unter Eltern schon längst etabliert: Ohne ein Netzwerk von Freunden, Nachbarn, Verwandten und anderen „Notfallbetreuern“ kommt man schnell an seine Grenzen – spätestens wenn das Kind krank ist, die Kita streikt oder man auf einen Kongress geschickt wird.

Für viele sind v. a. die Großeltern unverzichtbar: „Bei uns haben die beiden Omas die gesamte Betreuung bis zum Kindergarten übernommen“, erzählt Friederike Lutzow. „Beide hatten von Anfang an ihre festen Tage und haben jeweils 1 h Fahrt auf sich genommen. Ganz toll!“ Im Notfall springen auch mal ihre Schwester oder eine Freundin ein. Ohne diese Unterstützung würde die Ärztin nicht arbeiten: „Ich wollte die Kinder unter 3 Jahren nicht in Betreuung geben. Das wäre mir auch mit Tagesmutter zu stressig.“

Familie Dacher muss sich stärker auf die institutionellen Möglichkeiten verlassen: Susanne arbeitet mit 60–70 % an der Uniklinik – inkl. Schichtdienst mit Nächten und Wochenenden. „Das passt natürlich oft nicht zu den Kita-Zeiten“, sagt sie. „Dann brauchen wir immer einen Babysitter, oder meine Schwiegermutter kommt. Während meiner Rotation auf die Intensivstation reichte auch das nicht aus, und wir mussten für 6 Monate eine Kinderfrau anstellen.“ Seit der Älteste in der Schule ist, kommen die vielen Ferien erschwerend hinzu: „Oft nutzen wir die Angebote des Sportvereins oder greifen auf die Großeltern zurück. Die Kita-Ferien decken wir mit unserem Urlaub ab, den wir teils gemeinsam und teils überlappend nehmen.“

Silvia Krucke ist noch dabei, ihr soziales Netzwerk auszubauen: „Unsere Verwandtschaft ist weit weg, wir sitzen hier ziemlich allein. Für Kita-Schließtage bzw. Urlaub der Tagesmutter lässt sich schon was im Voraus organisieren – aber wenn ein Kind krank wird, ist das ein Problem, da wir beide schlecht spontan freinehmen können.“


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Seien Sie offen für neue Pläne und Prioritäten

Egal, wie Ihr soziales Umfeld aussieht oder wann Sie Kinder bekommen: Der Nachwuchs wird Ihr Leben so umkrempeln, dass es nachher nicht mehr das gleiche ist. Gehen Sie das Ganze daher mit der nötigen Flexibilität und Gelassenheit an, auch was Ihre eigenen Erwartungen angeht. In der Schwangerschaft ärgert man sich schnell über ein paar verlorene Monate der Weiterbildung – im Rückblick 5 Jahre später sind sie aber vielleicht nicht mehr dramatisch. Und selbst wenn Sie eine geplante Karriere aufgeben müssen: Sie bekommen etwas anderes dafür – und die wenigsten Eltern bereuen ihre Entscheidung.

Auch Friederike Lutzow meint: „Man sollte die Prioritäten nicht aus dem Auge verlieren: Was ist mir wichtig? Wie weit reichen unsere Kräfte?“ Ihr Mann Michael hätte schon Stellen in einer anderen Stadt und im Ausland haben können, die sie wegen der Familie ausgeschlagen haben. Friederike ist gern zuhause und genießt es. „Das ist ja auch ein Luxus, und die Kinder sind nur einmal klein. Es ist eine schöne Zeit, die man, wenn möglich, als Geschenk nehmen sollte.“

Silvia Krucke sagt Ähnliches: „Der größte Fehler ist, eine Familie gründen zu wollen und sich von Eventualitäten abhalten zu lassen. Es gibt immer Unwägbarkeiten, aber sie sind alle zu bewältigen.“ Natürlich sei es schön, wenn man seinen Job vertraglich sicher hat und nicht in der Elternzeit Bewerbungen schreiben oder zum Arbeitsamt gehen muss. „Aber ganz ehrlich: Kinder sind trotz allem Stress der Sinn des Lebens, und der Rest fügt sich dann irgendwie drumherum.“

Julia Rojahn

Infos im Internet

Fazit

In Sonntagsreden und auf dem Papier ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein erklärtes Ziel von Politik und Arbeitgebern. Die Praxis sieht oft noch anders aus: gestückelte Verträge bis zum Facharztabschluss, familienunfreundliche Arbeitszeiten und fehlende Anerkennung von Teilzeitarbeit < 50 %. Das neue Mutterschutzgesetz, Elterngeld und Ausbau der Kinderbetreuung sind Schritte in die richtige Richtung. Kinder sind zwar immer noch ein Karrierehindernis v. a. für Frauen – trotzdem sollte man die Entscheidung für oder gegen Familie nicht zu sehr vom Beruf abhängig machen.

Lesen Sie dazu auch 

  • „Mutterschutz: Zwischen Sicherheit und Bevormundung“ von Julia Rojahn in der Lege artis 4/2011, Seite 226–230

  • „Guter Vater – schlechter Kollege?“ von Bettina Rakowitz in der Lege artis 5/2011, Seite 342–345

  • „Kinderbetreuung: Welches Modell passt zu uns?“ von Daniela Sandrock in der Lege artis 3/2014, Seite 158–161

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Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0042-103600


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* alle Namen in diesem Beitrag geändert


Ergänzendes Material



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Tab. 1 Arbeiten im Mutterschutz: Beispiele für mögliche Gestaltung des Arbeitsplatzes [2] [14] [17] [18] [19]
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Tab. 2 Zeit und Geld für Familien
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Tab. 3 Extras einer familienfreundlichen Klinik [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16]
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