Journal Club Schmerzmedizin 2016; 5(01): 29
DOI: 10.1055/s-0042-104476
Journal Club
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pifithrin-μ verhindert Chemotherapie-induzierte Neuropathie

Krukowski K, Nijboer CH, Huo XJ, Kavelaars A, Heijnen CJ.
Prevention of chemotherapy-induced peripheral neuropathy by the small-molecule inhibitor pifithrin-μ.

Pain 2015;
156: 2184-2192
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Publication Date:
08 April 2016 (online)

 

    Rund 60 % aller Patienten leiden nach einer Chemotherapie – insbesondere mit Taxanen wie Paclitaxel oder platinbasierter Behandlung, z. B. mit Cisplatin – an dadurch induzierter peripherer Neuropathie (CIPN) mit Taubheitsgefühl an Händen und Füßen sowie Berührungsschmerzen. Diese Nebenwirkung ist häufig ein dosislimitierender Faktor und beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen massiv. In der Folge können zudem Lähmung der Fußmuskulatur, Änderung der Schweißsekretion, Fußdeformitäten sowie Gangunsicherheit auftreten. Eine Behandlungsmöglichkeit steht derzeit noch nicht zur Verfügung. Ursache der CINP sind vermutlich Mitochondrienschäden an peripheren sensorischen Neuronen. Bei ihnen treten offenbar spontane Entladungen auf – die Ursache für den neuropathischen Schmerz. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Tumorsuppressorprotein p53, das an der Initiation der neuronalen Apoptose durch Chemotherapeutika beteiligt ist. Im Mausmodell konnte bereits gezeigt werden, dass das kleine Molekül Pifithrin-μ (PFT-μ), ein p53-Inhibitor, Chemotherapie-induzierte Neurotoxizität verringern kann.


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    Wird vor einer Chemotherapie mit Paclitaxel oder Cisplatin Pifithrin-μ (PFT-μ) verabreicht, kann im Mausmodell das Auftreten einer CIPN vermieden werden. So das Ergebnis einer Studievon Karen Krukowski und Mitarbeitern von den Universitäten Houston und Utrecht. Sie verabreichten jeweils eine Stunde vor einer Chemotherapie mit Paclitaxel oder Cisplatin peritoneal Pifithrin-μ (25 mg/ml in DMSO, 8 mg/kg). Paclitaxel (10 mg/kg) applizierten sie täglich peritoneal über einen Zyklus von 2 Wochen bzw. Cisplatin (2,3 mg/kg) täglich für 5 Tage, gefolgt von einer 5-tägigen Pause, dann wiederholten sie den Zyklus einmal. An den Chemotherapie-freien Tagen setzten sie kein Pifithrin-μ. In einer vorangegangenen Studie hatten sie die Dosierung von Pifithrin bereits in einem Hypoxiemodell erfolgreich getestet.

    • Auftretende CINP testeten sie dann anhand des Paw-Withdrawal-Test zur Allodynie.

    • Zusätzlich analysierten sie Veränderungen der Mitochondrien mit Transmissionselektronenmikroskopie und

    • immunhistochemisch die intraepidermale Nervenfaserndichte.

    • Außerdem untersuchten sie in vitro, ob die Therapie mit Pifithrin-μ zu eingeschränkter Wirksamkeit der Chemotherapie führte. Dazu kultivierten sie humane ovarielle Tumorzellen ebenfalls jeweils eine Stunde vor einer Chemotherapie mit Paclitaxel mit Pifithrin-μ.

    Bei den mit Pifithrin-μ vorbehandelten Tieren traten keine CINP auf. Dies bestätigten die Wissenschaftler auch anhand der mitochodrialen Morphologie, wie zudem die immunhistochemischen Befunde untermauerten. Nach den In-vitro-Ergebnissen ist die verringerte Nebenwirkungsrate der Chemotherapeutika nicht auf einen Wirksamkeitsverlust durch die Substanz zurückzuführen, sondern es kam eher zu einem verstärkten chemotherapeutischen Effekt.

    Fazit Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Pifithrin-μ das Auftreten von CINP vermeiden kann, ohne die Wirksamkeit einer Chemotherapie mit Paclitaxel oder Cisplatin zu verringern. Dies ist die erste Studie, die die Wirksamkeit von Pifithrin-μ bei humanen Tumorzellen nachgewiesen hat und unterstreicht die bisherigen Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur therapeutischen Wirksamkeit des p53-Inhibitors. Vielleicht steht bald auch ein therapeutischer Einsatz für betroffene Patienten zur Verfügung.

    Dr. sc. hum. Katrin Wolf, Eitorf

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    Kommentar

    Prof. Dr. med. Christian Maihöfner


    Neurologische Klinik, Klinikum Fürth

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    Im klinischen Kontext ist das Auftreten einer Chemotherapie-induzierten Neuropathie häufig ein großes Problem. Nicht selten führt eine ausgeprägte Polyneuropathie zu einem Sistieren oder einem Wechsel der geplanten Chemotherapie. Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass neue Therapieansätze für diese Spezialform einer Neuropathie gesucht werden. Unter anderem spielen sicherlich neurotoxische Effekte der Chemotherapeutika eine Rolle. Eine Schlüsselrolle hat dabei eventuell das p53-Protein. Durch den p53-Inhibitor konnte das Auftreten der Chemotherapie-induzierten Neuropathie im Tiermodell signifikant reduziert werden. Die Ergebnisse dieser Studie sind damit spannend, und der Therapieansatz sollte weiter verfolgt werden. Es bleibt abzuwarten, welche Nebenwirkungen sich durch potenzielle Medikamente im p53-Signalweg beim Menschen einstellen werden.


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