Pneumologie 2016; 70(06): 397-404
DOI: 10.1055/s-0042-106155
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche

Nomenklatur und visuelle DarstellungNormal and Adventitious Breath SoundsNomenclature and Visualization
U. Koehler
1   Klinik für Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Philipps-Universität, Marburg
,
O. Hildebrandt
1   Klinik für Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Philipps-Universität, Marburg
,
S. Kerzel
2   Klinik für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Universitäts-Kinderklinik Ostbayern am KUNO-Standort St. Hedwig , Regensburg
,
C. Urban
3   Alpenklinik Santa Maria, Bad Hindelang-Oberjoch
,
L. Hoehle
4   Thora Tech GmbH, Gießen
,
A. Weissflog
4   Thora Tech GmbH, Gießen
,
W. Nikolaizik
5   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Philipps-Universität, Marburg
,
J. Koehler
6   Comenius Universität, Bratislava
,
K. Sohrabi
7   Fachbereich GES, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
,
V. Gross
7   Fachbereich GES, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Ulrich Koehler
Klinik für Innere Medizin
SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin
Philipps-Universität
35043 Marburg

Publication History

eingereicht 17 March 2016

akzeptiert nach Revision 07 April 2016

Publication Date:
13 May 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Die Auskultation der Lunge ist ein wenig aufwendiger, leicht durchzuführender Bestandteil der körperlichen Untersuchung eines Patienten. Geräuschphänomene der Atemwege erschließen sich auch heute nur einer geschulten Wahrnehmung. Mithilfe der Differenzierung akustischer Phänomene kann auf die zugrunde liegende Erkrankung geschlossen werden. Die Entwicklung der Computertechnik ermöglicht es mittlerweile, Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche in hoher Qualität aufzuzeichnen und zu analysieren. Die automatische Analyse von Atemgeräuschen setzt jedoch voraus, dass physiologische und pathologische Geräusche anhand der Algorithmen verlässlich analysiert werden. In diesem Artikel werden die akustischen Phänomene der Atemwege beschrieben, pathophysiologisch erklärt und die korrespondierenden Audiosignale dargestellt.


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Abstract

Auscultation of the lung is an inexpensive, noninvasive and easy-to-perform tool. It is an important part of the physical examination and is help ful to distinguish physiological respiratory sounds from pathophysiological events. Computerized lung sound analysis is a powerful tool for optimizing and quantifying electronic auscultation based on the specific lung sound spectral characteristics. The automatic analysis of respiratory sounds assumes that physiological and pathological sounds are reliably analyzed based on special algorithms. The development of automated long-term lungsound monitors enables objective assessment of different respiratory symptoms.


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Geräuschphänomene der Atemwege erschließen sich auch heute nur einer geschulten Wahrnehmung [1] [2]. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die korrekte Durchführung der Auskultation und die Verwendung einer einheitlichen Nomenklatur [2] [3] [4]. Mithilfe moderner Computertechnik sind mittlerweile kontinuierliche Atemgeräuschaufzeichnungen in hoher Qualität möglich geworden [5] [6] [7]. So können Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche mit akustischen Biosensoren über längere Zeiträume aufgezeichnet, automatisch bewertet und vom Untersucher audiovisuell überprüft werden [5] [6] [7]. Atem-Nebengeräusche wie Giemen, Rasseln, Schnarchen und Apnoen lassen sich anhand spezifischer Auswertealgorithmen detektieren. Die automatische Analyse setzt jedoch voraus, dass der Algorithmus die Geräusche richtig erkennt und bewertet. In diesem Artikel werden die akustischen Phänomene der Atemwege bei Erwachsenen beschrieben, pathophysiologisch erklärt und das Audiosignal anhand von Amplitude und Frequenzspektrum dargestellt.

Klassische Auskultation

Die Lungenauskultation via Stethoskop stellt unverändert einen elementaren Bestandteil der klinischen Untersuchung dar [1] [2] [3] [4]. Die Untersuchung ist jederzeit verfügbar, reproduzierbar und nicht invasiv. In Notfallsituationen können Differenzialdiagnosen wie ein exazerbiertes Asthma bronchiale, eine dekompensierte Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem oder ein Pneumothorax schnell erhoben werden. Das Verständnis der (Patho-)Physiologie, welche diesen Geräuschen zugrunde liegt, hilft wesentlich bei der Verknüpfung der Geräuschphänomene mit dem klinischen Kontext. Stethoskopisches Hören bedeutet im Idealfall, anatomische und klinische Erfahrung zu einer Einheit, der Diagnose, zu verschmelzen.


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Computergestützte Signalverabeitung – Basisdaten

Die Begrifflichkeit „Geräusch“ bezeichnet ein Gemisch zahlreicher Töne mit wechselnden Frequenzen und Amplituden. Die Auskultation der Lunge umfasst Signale mit einem Frequenzbereich von 100 bis zu 2500 Hertz. Schallwellen sind charakterisiert durch die Anzahl von Schwingungen pro Sekunde (Frequenz) und den maximalen Schwingungsausschlag (Amplitude). Die Frequenz bestimmt die subjektive Wahrnehmung der Tonhöhe, die Amplitude diejenige der Lautstärke (Dezibel). Wird ein Geräusch in einzelne Schwingungskomponenten zerlegt, für die jeweils Frequenz und Amplitude berechnet sind, so kann daraus das Frequenzspektrum erstellt werden. Je höher die Abtastfrequenz, umso genauer kann die gemessene Schallkurve wiedergegeben werden. Mit der Fast Fourier-Transformation (FFT) können die Signale aus dem Zeit- in den Frequenzbereich transformiert werden. Die Möglichkeit der computergestützten Aufzeichnung und Bewertung akustischer Signale eröffnet neue diagnostische Perspektiven. Dabei kann insbesondere dem Aspekt der Aufzeichnung und Bewertung von Atemgeräuschen und Atem-Nebengeräuschen, auch über eine längere Registrierdauer hinweg, Rechnung getragen werden. Mithilfe spezieller Auswertealgorithmen können die akustischen Phänomene erkannt und deren Häufigkeit und Dauer erfasst werden [5] [6] [7] [8]. Die zusätzliche Zuordnung der Geräusche zum Atemzyklus ist von großer Bedeutung und sollte Bestandteil der computergestützten Auswertung sein.


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Festlegung von Standards – Nomenklatur

Die Nomenklatur der Atemgeräusche sowie der Atem-Nebengeräusche beruht auf Empfehlungen der amerikanischen Fachgesellschaften (American Thoracic Society, American College of Chest Physicians) und der International Lung Sound Association [9] [10]. Im Jahre 2000 hat eine international besetzte Task Force der ERS (European Respiratory Society) zudem versucht, einheitliche Standards für die technische Aufzeichnung und Bewertung von Atemgeräuschen bei der digitalen Auskultation in den Empfehlungen „Computerized Respiratory Sound Analysis (CORSA)“ zu definieren [11]. Allerdings erfolgt auch heute noch, sowohl von Seiten der Lehre als auch der Literatur, keine adäquate Umsetzung der Nomenklatur. Pasterkamp und Mitarbeiter machen in ihrer 2016 publizierten Arbeit erneut auf das Problem aufmerksam und stellen Empfehlungen und audiovisuelle Lehrbeispiele von Geräuschen und Atem-Nebengeräuschen vor [2].


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Physiologische Befunde bei der Atmung

Die Atmung besteht aus der In- und Exspirationsphase. In Ruhe ist die Inspiration ein aktiver Vorgang, die Exspiration ein passiver. Dieser Sachverhalt ist vor allem bei Patienten mit einer obstruktiven Atemwegserkrankung von Bedeutung, da der Überblähungs- bzw. Emphysemaspekt der Lunge wesentlich durch die passive Exspiration forciert wird. Die Atemfrequenz ist das pulmonale Vitalzeichen, sie beträgt bei gesunden Erwachsenen etwa 8 – 20 Atemzüge pro Minute. Das Auszählen der Atemfrequenz sollte beim abgelenkten Patienten erfolgen, vorzugsweise mittels Auskultation. Bei der Lungenauskultation mit dem Stethoskop unterscheidet man zwischen den Atemgeräuschen und den Atem-Nebengeräuschen.


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Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche

In [Abb. 1] sind die Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche im Überblick mit zugeordneten Krankheitsentitäten aufgelistet. Es ist wichtig zu betonen, dass kein Geräusch für eine spezielle pulmonale Grunderkrankung pathognomonisch ist. Atem-Nebengeräusche sind jedoch hinweisend auf eine Pathologie: beispielsweise das Giemen, das immer als Folge einer Atemwegsobstruktion zu werten ist. Neben dem Geräusch selbst spielt auch dessen zeitliche Zuordnung zum Atemzyklus eine bedeutsame Rolle. Unter Atemgeräuschen sind die Geräusche zu verstehen, die bei der Atmung in den Bronchien durch turbulente Strömung generiert und über das Lungengewebe zur Thoraxwand geleitet werden [2] [8]. Die Stärke des Luftstroms wiederum ist die Voraussetzung für das Entstehen von Turbulenzen und die Intensität der Atemgeräusche. Inspiratorische Atemgeräusche entstehen primär in den Atemwegen mittlerer Größe, exspiratorische in den großen Atemwegen. Der Charakter der Atemgeräusche, so wie sie bei der Auskultation vom Arzt wahrgenommen werden, kann nur durch unterschiedliche Schallfilterung in Abhängigkeit des veränderten Lungengewebes beeinflusst werden. Ist das Lungengewebe infiltriert, beispielsweise bei der Pneumonie, werden mehr hochfrequente Schallanteile durch das flüssigkeitsreiche Parenchym geleitet bzw. es findet weniger Abschwächung statt. Ist hingegen schon die Schallentstehung eingeschränkt, wie bei einem Pneumothorax oder einem Pleuraerguss, so ist das Atemgeräusch aufgehoben bzw. abgeschwächt. Vom Atemgeräusch (normal – verstärkt – abgeschwächt) sind die Nebengeräusche abzugrenzen, die nahezu immer als pathologisch anzusehen sind.

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Abb. 1 Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche.

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Atemgeräusche

Das normale Atemgeräusch (über dem Thorax)

Typisch für das normale Atemgeräusch ist die wesentlich geringere Intensität während der Ausatmung, die aufgrund niedriger Strömungsgeschwindigkeit mitt- bis endexspiratorisch leise bleibt. Man geht davon aus, dass der Entstehungsort des inspiratorischen Atemgeräusches die lobären und segmentalen Bronchien sind. Durch die Filterung des Atemgeräusches auf dem Weg durch das Lungengewebe und die Brustwand kommt es zu einem Verlust höherer Frequenzanteile. Der Begriff „Vesikuläratmen“ als Synonym für das physiologische oder normale Atemgeräusch ist physiologisch nicht korrekt. Aufgrund der eingangs beschriebenen Strömungsverhältnisse kommt es im Bereich der Lungenbläschen eben nicht zu einem Aufblähen/Entblähen, wie ursprünglich geglaubt. Der Begriff „Vesikuläratmen“ sollte aus unseren Lehrbüchern entfernt und durch den Terminus „normales Atemgeräusch“ ersetzt werden. Für die Entstehung des normalen Atemgeräusches ist ausschließlich eine turbulente Strömung in den großen Bronchien verantwortlich. Da bedingt durch die vermehrte Anzahl der Gesamtquerschnitt der Bronchien in Richtung Lungenperipherie zunimmt, verändert sich demzufolge auch die Flussgeschwindigkeit in den distalen Atemwegen. In den peripheren Atemwegen liegt ein näherungsweise laminarer Fluss vor, der in Richtung der Alveolen weiter abnimmt und in reiner Diffusion endet. Sowohl laminarer Fluss als auch Diffusion sind Prozesse ohne Geräuschbildung ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Normales Atemgeräusch mit 4 Atemzügen (In- und Exspiration) über einem Zeitraum von 14 Sekunden. Dargestellt sind die Amplitude (oben), das Frequenzspektrum (Mitte) und die Atemflusskurve (unten).
Die Amplitude beschreibt den Lautstärkepegel des Audiosignals. Im Frequenzspektrogramm ist die Frequenz gegen die Zeit aufgetragen. Das Farbspektrum beschreibt die Intensität der Frequenzen. Grün bedeutet eine geringe, rot eine hohe Intensität. Im Atemflussdiagramm ist das Atemvolumen gegen die Zeit aufgetragen.

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Tracheales Atemgeräusch

Atemgeräusche über der Trachea können wegen der fehlenden Geräuschabsorption durch das Lungengewebe Frequenzen bis zu 2000 Hz aufweisen. Charakteristisch für das tracheale Atemgeräusch ist die breite Frequenzverteilung während der Ein- und Ausatmung, das laute Exspirationsgeräusch sowie eine deutliche Pause zwischen den Atemphasen ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Normales Atemgeräusch am Rücken (li.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch am Hals (re.). Dargestellt ist die Amplitude (oben), das Frequenzspektrum (Mitte) und die zugehörige Atemflusskurve (unten).

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Verstärktes Atemgeräusch („Bronchialatmen“)

Eine Verstärkung des Atemgeräusches („Bronchialatmen“) entsteht, wenn weniger Reflexionen an Phasenübergängen stattfinden (wenn zum Beispiel Alveolen und Atemwege mit Flüssigkeit gefüllt sind). Verbessert sich die Schallleitung durch eine Infiltration, beispielsweise bei Pneumonie, werden auch höhere Frequenzen in die Peripherie übergeleitet. Dieses Phänomen wird als Bronchialatmen bezeichnet. Bronchialatmen liegt im Frequenzspektrum bei etwa 600 Hz. Bronchialatmen findet sich auch bei komprimiertem Lungengewebe über einem Pleuraerguss. Es wird dann als „Kompressionsatmen“ bezeichnet ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Verstärktes Atemgeräusch, „Bronchialatmen“ (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.). Die Frequenzverteilung zeigt im Vergleich zum normalen Atemgeräusch deutlich höhere Frequenzanteile (bis 1000 Hz).

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Abgeschwächtes Atemgeräusch

Der häufigste pathologische Befund ist ein vermindertes Atemgeräusch. Dies kann durch eine abgeschwächte Geräuschquelle, durch eine verminderte Schallleitung oder beides bedingt sein. Eine Abschwächung der Geräuschquelle entsteht bei vermindertem Atemfluss, wie zum Beispiel bei eingeschränkter Kooperation, zentraler Atemdepression (e. g. Opiate), bei Verlegung der Atemwege durch einen Tumor oder Fremdkörper oder aber bei schwerer Bronchialobstruktion. Einer eingeschränkten Schallleitung liegen pulmonale oder extrapulmonale Ursachen zugrunde. Extrapulmonale Ursachen sind beispielsweise Adipositas oder Thoraxdeformitäten (Kyphoskoliose). Pulmonale Gründe für eine verminderte oder aufgehobene Geräuschbildung bzw. -leitung sind ein Emphysem oder eine Pathologie des Pleuraraumes (Pleuraerguss, Hämatothorax, Pleuraprozesse). Bei deutlich abgeschwächtem Atemgeräusch spricht man auch von einer „silent lung“. Beim Pneumothorax oder einem Erguss ist das Atemgeräusch ebenfalls abgeschwächt und mitunter sogar ganz aufgehoben ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Deutlich abgeschwächtes Atemgeräusch (re) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.).Eine sehr flache Atmung erzeugt ein entsprechend geringes Atemgeräusch, erkennbar in der Amplituden- (oben) und der Frequenzdarstellung (unten).

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Atem-Nebengeräusche

Vom Atemgeräusch gilt es die Atem-Nebengeräusche abzugrenzen. Sie sind fast immer pathologisch. Bei lungengesunden Probanden lassen sich jedoch während der tiefen Inspiration feine Rasselgeräusche feststellen, die aber in der Regel nach ein oder zwei tieferen Atemzügen verschwinden. Die Klassifizierung der Atem-Nebengeräusche wird im Wesentlichen auf deren zeitliche Dauer bezogen: Kontinuierliche Geräusche wie Pfeifen, Giemen oder Brummen sind deutlich länger dauernd als diskontinuierliche. Sie werden beim Abhören in der Regel als musikalisch wahrgenommen, mit einem bestimmten Ton oder Klang einhergehend. Diskontinuierliche Geräusche wie die Rasselgeräusche bestehen lediglich aus einzelnen Geräuschkomponenten, die nur wenige Millisekunden dauern und einen explosiven Charakter aufweisen. Weitere Atem-Nebengeräusche sind Stridor, Pleurareiben und Schnarchen. Diese werden jedoch nicht pulmonal, sondern extrapulmonal bzw. extrathorakal erzeugt.

Pfeifen, Giemen und Brummen

Nebengeräusche wie Pfeifen, Giemen und Brummen sind akustische Phänomene, die durch Oszillationen der Bronchialwände bei Sekretvermehrung und Bronchialobstruktion in den Bronchien entstehen [12] [13]. Sie können nur bei genügender Flussgeschwindigkeit der Atmung generiert werden. Die im Englischen als „wheezing“ bezeichneten hochfrequenten Nebengeräusche entsprechen dem Pfeifen und Giemen, die tieffrequenten „rhonchi“ dem Brummen. Tieffrequente Oszillationen werden vor allem bei Erkrankungen mit vermehrtem Bronchialsekret beobachtet. Die Lautstärke der Nebengeräusche korreliert nicht mit dem Ausmaß der Atemwegsobstruktion, die Häufigkeit hingegen schon. Ein generalisiert auftretendes Giemen kann bei einem Asthma bronchiale, einer akuten obstruktiven Bronchitis oder bei einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung auskultiert werden. Auch eine Herzinsuffizienz kann über eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung (interstitielles Oedem) in der Bronchialschleimhaut eine Obstruktion verursachen und zu Giemen und Pfeifen führen („Asthma cardiale“). Ein einseitiges Giemen findet sich bei lokalisierten Prozessen wie einem Schleimpfropf („mucus plug“), einer Fremdkörperaspiration oder einem Tumor. In Abhängigkeit des Schweregrades der Bronchialobstruktion findet sich Giemen sowohl während der Ex- als auch der Inspirationsphase ([Abb. 6] und [Abb. 7]).

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Abb. 6 Exspiratorisches Wheezing (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.). Die bandförmig, quer verlaufenden Bereiche zeigen polyphones, mit mehreren Frequenzen gleichzeitig auftretendes Wheezing während der deutlich verlängerten Exspirationsphase.
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Abb. 7 Inspiratorisches Wheezing (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.) Die tonalen Wheezing-Ereignisse sind hier als bandförmige Linien bei etwa 400 Hz im Spektrum sichtbar (unten). Die entsprechenden Oberwellen sind in diesem Beispiel nur schwach erkennbar.

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Rasselgeräusche

Rasselgeräusche (crackles) können bei einer Reihe sehr unterschiedlicher Erkrankungsentitäten auftreten, so zum Beispiel bei Pneumonien, Bronchiektasien, der Lungenfibrose oder der kardialen Dekompensation. In der Schallkurve erscheint Rasseln als abrupte Auslenkung, gefolgt von einigen rasch abklingenden Schwingungskomponenten. Rasselgeräusche können entsprechend ihrem Entstehungsort in fein- und grobblasig unterteilt werden. Typischerweise zeigen sich bei der Linksherzinsuffizienz, der COPD, Bronchiektasien und der Pneumonie eher grobblasige Rasselgeräusche. Bei fibrosierenden Lungenerkrankungen oder im Initialstadium der Pneumonie werden vornehmlich feinblasige Rasselgeräusche („Sklerosiphonie“) gefunden. Das zeitliche Auftreten der Rasselgeräusche im Atemzyklus kann bereits einen Hinweis auf deren Ätiologie geben [2] [14]. So werden feinblasige Rasselgeräusche bei Lungenfibrosen typischerweise endinspiratorisch gefunden, grobblasige bei obstruktiven Lungenerkrankungen eher frühinspiratorisch. In Abhängigkeit der Ausprägung der Linksherzinsuffizienz bis hin zum Lungenödem imponieren die Rasselgeräusche inspiratorisch fein- bis grobblasig in der frühen bis mittleren Phase. Ätiologisch sind feinblasige Rasselgeräusche durch die plötzliche Wiedereröffnung von kleinsten peripheren Atemwegen, die während der Exspiration komprimiert werden, zu erklären. Grobblasige Rasselgeräusche entstammen Atemwegen mit größerem Kaliber, sie sind fast immer durch eine Flüssigkeits- bzw. Sekretretention bedingt ([Abb. 8]).

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Abb. 8 Grobblasige Rasselgeräusche „coarse crackles“ (li.) im Vergleich zu feinblasigen Rasselgeräuschen „fine crackles“ (re.). Diese sind als hohe, vertikale Ausschläge in Amplitude (oben) und Spektrum (unten) zu erkennen.

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Extrapulmonale Atem-Nebengeräusche

Stridor

Der Stridor ist mit bloßem Ohr vernehmbar. Bei der Auskultation ist das Geräusch im Halsbereich lauter als über dem Thorax. Während bei der extrathorakalen Stenose primär ein inspiratorischer Stridor entsteht, ist ein exspiratorischer bei einer intrathorakalen Stenose vernehmbar. Ein Stridor verlangt umgehende Klärung der Ursache, da eine Verlegung der Atemwege drohen kann ([Abb. 9]).

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Abb. 9 Stridor (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.). Das sehr laute Pfeifgeräusch (große Amplitude, oben) ist während der Inspiration und der Exspiration deutlich zu erkennen (markante Linie im Spektrum) und überdeckt vollständig das normale Spektrum.

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Schnarchen (primär oder habituell)

Schnarchgeräusche entstehen durch Vibrationen des Weichteilgewebes der oberen Atemwege. Im Schlaf kommt es, bedingt durch ein Nachlassen der Muskelspannung sowie ein Zurückfallen der Zunge, zu einer Verengung der oberen Atemwege, erhöhter Atemflussgeschwindigkeit mit Zunahme turbulenter Strömung. Grundsätzlich kann Schnarchen im gesamten Bereich des Pharynx auftreten, der Velopharynx ist jedoch hauptsächlich betroffen. Die Häufigkeit von Schnarchen nimmt mit dem Alter zu. Primäres Schnarchen ist keine Krankheitsentität im eigentlichen Sinne. Es gibt jedoch Hinweise dafür, dass Schnarchen die Entwicklung einer obstruktiven Schlafapnoe durch vibrationsbedingte Schäden afferenter und efferenter Nerven der oberen Atemwege begünstigt. Vibrationsbedingte Schäden können zu einer Beeinträchtigung der pharyngealen Mechanorezeptoren und damit zu einer veränderten nervalen Antwort der dilatierenden Pharynxmuskeln führen. Der Lärmpegel durch Schnarchen bewegt sich im Bereich der Belästigung und erreicht maximal die Grenzwerte zum Schädigungsbereich bei > 90 dB.

Schnarchen wird häufig in Zusammenhang mit einer Obstruktiven Schlafapnoe (OSA) gefunden. Hier sind die Übergänge fließend: Die OSA kann als kontinuierliche Entwicklung vom Schnarchen zum Flattening bis hin zum inkompletten und kompletten phyarngealen Atemwegsverschluss interpretiert werden. Männliches Geschlecht, Alter und Adipositas stellen dabei signifikante Risikofaktoren für das Auftreten einer obstruktiven Schlafapnoe dar. Bei der OSA kommt es durch einen pharyngealen Kollaps des Weichteilgewebes, Nachlassen der Muskelspannung sowie ein Zurückfallen der Zunge in den Pharynx zu einem Komplettverschluss der Atemwege. Welche Rolle den einzelnen Faktoren pathophysiologisch zukommt, ist bislang noch unklar. Durch eine zentralnervöse Aktivierungsreaktion wird die Apnoe beendet und eine Hyperventilationsphase, die mit ausgeprägtem Schnarchen einhergeht, eingeleitet ([Abb. 10]).

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Abb. 10 Schnarchen (re.) während der Inspiration im Vergleich zum normalen Atemgeräusch. Die sehr lauten Ereignisse sind deutlich in der Amplituden- (oben) und Spektraldarstellung (unten) sichtbar. Im Spektrum sind inspiratorisch viele Frequenzbänder zu erkennen.

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Bewertung und Perspektive

Jeder praktizierende und klinisch tätige Arzt sollte die Lungenauskultation beherrschen, ist sie doch unverändert das elementare Rüstzeug zur Erst- und Akutbeurteilung der Lunge. Dazu ist es notwendig, dass man auf eine einheitliche Nomenklatur zurückgreifen kann. Die International Lung Sound Association (ILSA) hat seit vielen Jahren einen elementaren Beitrag dazu geleistet, die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Klassifizierung der Atemgeräusche voranzutreiben. Es bleibt nun zu fordern, dass auch studentische Lehre und in Lehrbüchern Geschriebenes die neue Nomenklatur verinnerlicht. Vor allem der Begriff „Vesikuläratmen“ als Synonym für das normale Atemgeräusch sollte definitiv gestrichen werden. Er widerspricht der Physiologie der Strömungslehre. Um die Genese der Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche zu verstehen, bedarf es der Verknüpfung von Klinik und (Patho-)physiologie.

Die akustische Langzeitregistrierung der Atemgeräusche eröffnet uns perspektivisch neue Horizonte. Erstmals sind wir in der Lage, auch während der Schlafphase Geräuschphänomene wie Husten und Giemen objektiv zu erfassen. Insbesondere bei Asthmatikern, bei denen die chronobiologische Rhythmik der Atemwege eine große Rolle spielt, können Atemwegsobstruktionen auch im Schlaf akustisch erkannt und analysiert werden. Dies sowohl vor als auch unter antiobstruktiver Therapie. Die 24 h Hustenaufzeichnung ermöglicht zudem eine objektive Darstellung und Registrierung von Hustenereignissen. Unter evidenzbasierten Kriterien ist es durchaus notwendig, die Effektivität von speziellen therapeutischen Maßnahmen zu hinterfragen.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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  • 6 Marques A, Oliveira A, Jacome C. Computerized adventitious respiratory sounds as outcome measures for respiratory therapy: a systematic review. Respir Care 2014; 59: 765-776
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  • 8 Pasterkamp H, Kramann SS, Wodicka GR. Respiratory sounds - Advances beyond the stethoscope. Am J Respir Crit Care Med 1997; 156: 974-987
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  • 12 Meslier N, Charbonneau G, Racineux J-L. Wheezes. Eur Respir J 1995; 8: 1942-1948
  • 13 Nagasaka Y. Lung sounds in bronchial asthma. Allergology International 2012; 61: 353-363
  • 14 Piirilä P, Sovijärvi AR. Crackles: recording, analysis and clinical significance. Eur Resp J 1995; 8: 2139-2148

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Ulrich Koehler
Klinik für Innere Medizin
SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin
Philipps-Universität
35043 Marburg

  • Literatur

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  • 14 Piirilä P, Sovijärvi AR. Crackles: recording, analysis and clinical significance. Eur Resp J 1995; 8: 2139-2148

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Abb. 1 Atemgeräusche und Atem-Nebengeräusche.
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Abb. 2 Normales Atemgeräusch mit 4 Atemzügen (In- und Exspiration) über einem Zeitraum von 14 Sekunden. Dargestellt sind die Amplitude (oben), das Frequenzspektrum (Mitte) und die Atemflusskurve (unten).
Die Amplitude beschreibt den Lautstärkepegel des Audiosignals. Im Frequenzspektrogramm ist die Frequenz gegen die Zeit aufgetragen. Das Farbspektrum beschreibt die Intensität der Frequenzen. Grün bedeutet eine geringe, rot eine hohe Intensität. Im Atemflussdiagramm ist das Atemvolumen gegen die Zeit aufgetragen.
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Abb. 3 Normales Atemgeräusch am Rücken (li.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch am Hals (re.). Dargestellt ist die Amplitude (oben), das Frequenzspektrum (Mitte) und die zugehörige Atemflusskurve (unten).
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Abb. 4 Verstärktes Atemgeräusch, „Bronchialatmen“ (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.). Die Frequenzverteilung zeigt im Vergleich zum normalen Atemgeräusch deutlich höhere Frequenzanteile (bis 1000 Hz).
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Abb. 5 Deutlich abgeschwächtes Atemgeräusch (re) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.).Eine sehr flache Atmung erzeugt ein entsprechend geringes Atemgeräusch, erkennbar in der Amplituden- (oben) und der Frequenzdarstellung (unten).
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Abb. 6 Exspiratorisches Wheezing (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.). Die bandförmig, quer verlaufenden Bereiche zeigen polyphones, mit mehreren Frequenzen gleichzeitig auftretendes Wheezing während der deutlich verlängerten Exspirationsphase.
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Abb. 7 Inspiratorisches Wheezing (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.) Die tonalen Wheezing-Ereignisse sind hier als bandförmige Linien bei etwa 400 Hz im Spektrum sichtbar (unten). Die entsprechenden Oberwellen sind in diesem Beispiel nur schwach erkennbar.
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Abb. 8 Grobblasige Rasselgeräusche „coarse crackles“ (li.) im Vergleich zu feinblasigen Rasselgeräuschen „fine crackles“ (re.). Diese sind als hohe, vertikale Ausschläge in Amplitude (oben) und Spektrum (unten) zu erkennen.
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Abb. 9 Stridor (re.) im Vergleich zum normalen Atemgeräusch (li.). Das sehr laute Pfeifgeräusch (große Amplitude, oben) ist während der Inspiration und der Exspiration deutlich zu erkennen (markante Linie im Spektrum) und überdeckt vollständig das normale Spektrum.
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Abb. 10 Schnarchen (re.) während der Inspiration im Vergleich zum normalen Atemgeräusch. Die sehr lauten Ereignisse sind deutlich in der Amplituden- (oben) und Spektraldarstellung (unten) sichtbar. Im Spektrum sind inspiratorisch viele Frequenzbänder zu erkennen.