Dialyse aktuell 2016; 20(04): 177
DOI: 10.1055/s-0042-107097
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Chronische Dialysebehandlung – Wie ist die Entwicklung weltweit von 1990–2010?

Mark Dominik Alscher
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Publication Date:
01 June 2016 (online)

 

    Quelle: Thomas B, Wulf S, Bikbov B et al. Maintenance dialysis throughout the world in years 1990 and 2010. J Am Soc Nephrol 2015; 26: 2621–2633

    Thema: Weltweit wird zunehmend versucht, chronische Krankheiten, welche für die Gesundheit der Menschen Probleme machen, systematisch zu erfassen.

    Projekt: 2010 wurde zum ersten Mal auch die chronische Nierenerkrankung systematisch erfasst. Sie ist mittlerweile auf Platz 18 der häufigsten Ursachen für Todesfälle gelistet. Im Jahr 1990 fand sich die chronische Nierenerkrankung gerade mal auf Platz 27. Geschuldet ist dies dem Anstieg von Diabetes und Bluthochdruck bei einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung. Die Daten, welche im Rahmen der sogenannten „Global Burden of Disease Study (GBD)“ erhoben werden, machen es zum ersten Mal möglich, für 187 Länder den Verlauf einer notwendigen Dialysebehandlung von 1990–2010 zusammenzustellen.

    Ergebnisse: 2010 fanden sich weltweit 284 Patienten auf eine Million Menschen, welche eine chronische Dialyse durchführen mussten. In etwas mehr als 60 Ländern fand sich ein durchgehender Zugang zur Dialysebehandlung. Diese Länder waren für 70 % der prävalenten Dialysepatienten verantwortlich. Weltweit hat die Anzahl von Dialysepatienten um 70 % von 1990–2010 zugenommen. Korrespondierend fanden sich 165 vs. 284 Patienten auf eine Million Einwohner. Die Inzidenz (der Neuerkrankten) verdoppelte sich von 44 Patienten auf 93 auf eine Million Menschen. Der Anteil an Dialysepatienten ist weltweit sehr unterschiedlich. Beispielsweise weisen afrikanische Länder weniger als 0,1 Patienten auf eine Million Einwohner auf. Die größte Anzahl (über 2000 Dialysepatienten auf eine Million Einwohner) findet sich in Nordamerika, Irak, Japan und kleineren asiatischen Ländern. Es kann vermutet werden, dass der Zugang zur Dialysebehandlung unterschiedlich verteilt ist.

    Fazit: Die Arbeit stellt eine erste systematische globale Prävalenz und Inzidenz von chronischen Dialysepatienten von 1990–2010 dar. Es findet sich global ein Trend für einen deutlichen Anstieg der Zahl von Dialysepatienten. Dieser Anstieg liegt über den Anstiegsraten, welche sich aufgrund des Bevölkerungswachstums, des demografischen Wandels und des Anstieg der Prävalenz von Diabetes mellitus und Bluthochdruck berechnen lassen. Es wird davon ausgegangen, dass in einigen Ländern der Zugang zur Dialyse verbessert wurde. Global fand sich für Männer ein besserer Zugang zur Dialyse im Vergleich zu Frauen. Auffallend ist, dass in afrikanischen Länder südlich der Sahara und Ozeanien die Zugänge zur Dialyse immer noch schlecht sind. Hier müssen in der Zukunft global Anstrengungen unternommen werden.

    Schlüsselwörter: Dialysebehandlung – Entwicklung – weltweit – 1990–2010 – Dialysepatienten

    Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Stuttgart

    Kommentar

    Die Anzahl der Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen wächst weltweit. Teilweise findet sich in Industrieländern jedoch ein Abflachen der Kurve für inzidente Patienten, was häufig durch eine bessere Progressionsbeeinflussung (diabetische Nephropathie und Hypertonie) erklärt wird. In Deutschland wiederum finden sich demografische Besonderheiten (Zweiter Weltkrieg), welcher sogar zu einem Rückgang der Zahl von Dialysepatienten in den letzten Jahren führten. Trotzdem muss auch zukünftig mit einem Plus an Dialysepatienten gerechnet werden. Dies gilt sowohl für die Länder, welche einen guten Zugang zur Dialysebehandlung ermöglichen, aber auch insbesondere für Länder, welche sich wirtschaftlich in einer nicht sehr guten Lage befinden (Zweite und Dritte Welt). Es kann unterstellt werden, dass, wenn Dialyseverfahren frei verfügbar wären, die Anzahl der Dialysepatienten weltweit noch deutlich höher wäre. Politisch müssten hier zahlreiche Anstrengungen unternommen werden, damit auch Patienten in weniger entwickelten Ländern, welche dialysepflichtig werden, mit Dialyseverfahren versorgt werden können. Hier bieten die Verfahren der Peritonealdialyse durchaus Alternativen für Regionen, welche aufgrund einer mangelnden Wasserversorgung und Stromversorgung für Hämodialyseverfahren weniger geeignet sind.


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