Pneumologie 2016; 70(05): 299
DOI: 10.1055/s-0042-107387
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

COPD – Neuer Marker zur Einschätzung der „sicheren Entlassung“

Contributor(s):
Simone Reisdorf

Thorax 2015;
70: 1123-1130
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Publication Date:
11 May 2016 (online)

 

    Jeder 5. Patient, der eine akute Exazerbation der COPD (AECOPD) überlebt und aus der Klinik entlassen wird, muss innerhalb von 4 Wochen erneut wegen einer akuten Exazerbation hospitalisiert werden. Die Messung des neuralen Atemantriebs, des Verhältnisses von Atemmuskellast und -kapazität soll helfen, rezidivgefährdete Patienten schon vor der Entlassung zu identifizieren.
    Thorax 2015; 70: 1123–1130

    Die beidseitige Elektromyografie des Musculus intercostalis parasternalis in Höhe des 2. Interkostalraums (EMGpara) ist nicht nur transösophageal, sondern neuerdings auch transdermal und damit nicht-invasiv möglich. Dies haben sich die Londoner Forscher um E.-S. Suh für eine monozentrische prospektive Beobachtungsstudie zunutze gemacht: Sie schlossen 120 hospitalisierte AECOPD-Patienten in ihre Studie ein und erfassten neben den üblichen Vital- und Spirometrieparametern (FVC, FEV1, IC) und der Symptomatik auch die elektrische Spannung des oberflächlichen Muskels. Zudem wurde der Krankheitsverlauf beurteilt.

    EMGpara wurde mind. 1-mal täglich gemessen; der Wert wurde ins Verhältnis zu einem einmalig gemessenen EMGpara während eines maximal forcierten Inspirationsmanövers (EMGpara%max) gesetzt. Das Produkt aus EMGpara%max und der Respirationsrate ergibt den neuralen Atemflussindex (Neural Respiratory Drive Index, NRDI). Eine eigens entwickelte Software wertete die Befunde automatisch aus und stellte dabei die Werte bei Einlieferung und kurz vor Entlassung gegenüber. So wurden EMGpara%max und der NRDI fortlaufend mit ihren Nachfolgewerten verglichen (ΔEMGpara%max,cons, ΔNRDIcons).

    Als Cut-off für eine aussagekräftige Verbesserung von EMGpara%max wurde eine Absenkung des Werts um mindestens 3,1 % über die Zeit des Klinikaufenthalts festgelegt (ΔEMGpara%max ≤ 3,1 %). D, dies ergab sich aus früheren Studien. Die Symptomverbesserung der Patienten schlug sich in steigenden Spirometriewerten, sinkenden Werten der Symptomskalen (modifizierte Borg-Skala, COPD-Assessment- Test (CAT) sowie in verringerten Werten für EMGpara%max und NRDI nieder.

    ΔEMGpara%max war deutlich invers korreliert mit ΔFEV1, ΔFVC und ΔIC, allerdings nicht korreliert mit den Veränderungen der Borg- und CAT-Werte über die Zeit des Klinikaufenthalts.

    Es gab 116 Fälle von klinischer Verschlechterung (mind. 1 Punkt Anstieg in der Borg- Skala) und 35 Fälle, in denen die Mediziner eine Verschlechterung feststellten. Dies war i. d. R. assoziiert mit einem Anstieg von EMGpara%max,cons. Ein Patient starb 3 Tage nach Klinikentlassung; die Rehospitalisierungsrate lag nach 14 Tagen bei 12,5 % und nach 28 Tagen bei 21,7 %.

    Sowohl ΔEMGpara%max als auch ΔNRDI waren prädiktiv für eine Wiedereinweisung innerhalb von 14 Tagen. So war bei Patienten, deren EMGpara%max um mind. 3,1 % gefallen war, das Risiko der Wiedereinweisung gering; der negative prädiktive Wert betrug 97,7 %. Der positive prädiktive Wert für eine erneute Hospitalisierung beim Ausbleiben einer so deutlichen Verbesserung lag allerdings nur bei 19,7 %. Dementsprechend war die Sensitivität des Tests hoch (93,8 %), die Spezifität nicht (41,3 %).

    Fazit

    Bei der Wiedereinweisung innerhalb von 28 Tagen spielten nach Angaben der Autoren noch andere Faktoren eine wichtige Rolle, etwa das Alter. Zumindest für Patienten unter 85 Jahren waren die neuen Marker aber auch über 28 Tage aussagekräftig. Der Cut-off-Wert von 3,1 % für ΔEMGpara%max soll in weiteren Studien validiert werden.


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