Rofo 2016; 188(06): 603-604
DOI: 10.1055/s-0042-107957
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Abrechnung wahlärztlicher Leistungen im Krankenhaus durch externe Radiologen

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Publication Date:
25 May 2016 (online)

 

Das Landgericht Stade sorgte mit einem Urteil vom 20.05.2015 (Az.: 4 S 45/14) für den Bereich der Krankenhauskooperationen für Aufsehen. Gegenstand des landgerichtlichen Urteils waren die Sachkosten der externen radiologischen Praxis (vgl. § 10 GOÄ), die seitens einer Patientin nicht beglichen wurden.

Die Entscheidung des LG Stade

Bei dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt handelte es sich um eine gesetzlich krankenversicherte Patientin, die zudem eine private Krankenzusatzversicherung abgeschlossen hatte. Bezüglich ihrer Krankenhausbehandlung hatte sie eine Wahlleistungsvereinbarung abge-schlossen. Das Krankenhaus, in dem die stationäre Behandlung stattfand, verfügte über keine eigene radiologische Abteilung. Daher hatte die Krankenhausträgerin einen Kooperationsvertrag mit einer radiologischen Praxis abgeschlossen, auf den auch in der Wahlleistungsvereinbarung Bezug genommen wurde. Hinsichtlich der radiologischen Leistungen leistete die private Krankenzusatzversicherung der Patientin jedoch nur einen Teilbetrag ohne die in Rechnung gestellten Sachkosten.

Nachdem die Klage in 1. Instanz vor dem Amtsgericht Stade (Urt. v. 04.09.2014, Az.: 66 C 314/14) erfolglos geblieben war, legte die klagende radiologische Praxis gegen das Urteil Berufung zum LG Stade ein.

Das LG Stade gesteht der Klägerin in seinem Urteil zu, dass auch Leistungen von externen Ärzten gemäß § 17 Abs. 3 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) erstattet werden könnten. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sei es jedoch Voraussetzung, dass diese Leistungen durch Wahlärzte veranlasst und durch externe Ärzte erbracht worden seien.

Folgende Differenzierung wird durch das Gericht vorgenommen:

Hätte die Patientin gar keine Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen, hätte sie im Rahmen der GKV-Versorgung nur Anspruch auf die Regelleistungen des Krankenhauses gehabt. Das LG Stade führt insoweit aus:

„Diese Kosten wären allgemeine Krankenhausleistungen, die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG abzurechnen gewesen wären. Wenn ein externer Arzt im Einzelfall zu Leistungen herangezogen wird, die das Krankenhaus mangels Einrichtung einer entsprechenden medizinischen Abteilung nicht erbringen kann, gilt, dass es sich insoweit um allgemeine Krankenhausleistungen handelt, die mit dem Krankenhausentgelt abgegolten sind (vgl. BGH, Urt. v. 04.11.2010, Az. III ZR 323/09, recherchiert bei Juris). Etwas anders gilt nur dann, wenn wahlärztliche Leistungen vereinbart sind und der externe Arzt nicht vom Krankenhaus, sondern einem liquidationsberechtigten Arzt des Krankenhauses zugezogen wird. Die in diesem Rahmen von ihm erbrachten Wahlleistungen sind keine allgemeinen Krankenhausleistungen und nicht Gegenstand der Entgelte nach § 7 KHEntgG.“ (Hervorhebung durch Bearbeiter)

Auch wenn die radiologische Praxis vortrug, die Leistungen seien von einem Wahlarzt veranlasst worden, ändere dies nichts daran, dass die hier streitgegenständlichen Leistungen nicht vom Wortlaut des § 17 KHEntgG umfasst seien.

Das LG Stade argumentiert dabei mit dem sog. „Honorararzturteil“ des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 16.10.2014, Az.: III ZR 85/14). Nach dieser Entscheidung erstreckt sich § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG auf angestellte und beamtete Ärzte des Krankenhauses, denen der Krankenhausträger ein Liquidationsrecht eingeräumt habe. Nicht umfasst sei die eigenständige Abrechnung von Wahlleistungen von Honorarärzten, wenn diese Leistungen nicht durch liquidationsberechtigte Ärzte des Krankenhauses veranlasst worden seien. Das LG Stade zitiert den BGH:

„Der Patient schließt einen solchen Vertrag im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arzts („Chefarztbehandlung“), die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Bezahlung einer gesonderten Vergütung sichern will. Dem Patienten geht es also darum, sich über den Facharztstandard hinaus, der bei der Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen ohnehin geschuldet ist, die Leistungen hochqualifizierter Spezialisten „hinzuzukaufen“ Diese, ein zusätzliches Entgelt erst rechtfertigende herausgehobene ärztliche Qualifikation („Chefarztstandard“) kann nicht bei allen Honorarärzten von vornherein gleichsam „automatisch“ angenommen werden. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass die Berechnung eines gesonderten Entgelts für wahlärztliche Leistungen grundsätzlich in Frage gestellt würde, wenn die Leistungen gewissermaßen „jeder“ Honorararzt berechnen könnte, und zwar auch dann, wenn er nur den bei allgemeinen Krankenhausleistungen geforderten Facharztstandard leistet“ .

Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt das LG Stade fest, dass aufgrund des bestehenden Kooperationsvertrages zwischen dem Krankenhausträger und der radiologischen Praxis, die Veranlassung der Leistungen „eine bloße Formalie“ sei. Diese sei zu unterscheiden von der Heranziehung einer externen ärztlichen Leistung nach § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG. Aufgrund des Kooperationsvertrags und der nicht vorhandenen eigenen Fachabteilung hätten für das Krankenhaus nämlich keine Alternativen zur Verfügung gestanden. Somit führe der Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung zu keinem Unterschied bei der Leistungserbringung.

Zudem habe es sich um eine Standarduntersuchung gehandelt:

„Wenn man es für die Anwendbarkeit des § 17 VI KHEntgG als ausreichend ansehen würde, dass ein Wahlarzt eine Untersuchung, die letztlich eine Standartleistung ist und im Rahmen eines Kooperationsvertrags ausschließlich von diesem beauftragten Arzt vorgenommen wird, noch „auf dem Papier“ in Auftrag gibt, mit der Folge, dass der Arzt, der diese Untersuchung vornimmt, einen Liquidationsanspruch im Rahmen der Wahlleistungsvereinbarung hat, würde der Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte immer um die Klägerin erweitert. Dies wiederum würde dem vorstehend genannten gesetzgeberischen Zweck des § 17 III 1 KHEntgG entgegenstehen.“

Im Ergebnis wies das Landgericht somit auch die Berufung ab.


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Einordnung der Entscheidung

Die Problematik des Zusammenspiels zwischen allgemeinen Krankenhausleistungen und Wahlleistungen bei externen Leistungserbringern ist grundsätzlich juristisch nicht neu. Bisher kreiste der Streit jedoch weniger um die Frage, ob Wahlleistungen von externen Ärzten überhaupt gegenüber den Patienten abgerechnet werden können, sondern „nur“ darum, ob auch bei externen Ärzten, die keine Einrichtungen des Krankenhauses nutzen, die Gebührenminderung gemäß § 6a der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) anzuwenden sei. Dies wurde vom BGH im Urteil vom 13.06.2002 (Az.: III ZR 186/01) bejaht. Bereits in diesem Urteil wies der BGH darauf hin, dass die Regelungen der GOÄ und der – damals noch anzuwendenden – Bundespflegesatzverordnung nicht lückenlos ineinander griffen. Die Gebührenminderung wurde in der Folge von den Instanzgerichten weitgehend aufgegriffen.

Ebenfalls über die Zulässigkeit der Berechnung von Sachkosten hat das LG Wuppertal (Urt. v. 26.11.2009, Az.: 9 S 320/08) entschieden. Dort hat das Gericht die Berechnung von Sachkosten durch externe Fachärzte gänzlich abgelehnt. Ansonsten entstehe eine Doppelbelastung des Patienten, da ein Selbstzahler, der keine Wahlleistungsvereinbarung abgerechnet habe, seine Sachkosten über die allgemeinen Krankenhausleistungen ebenso ersetzt bekäme. Daher sei § 10 GOÄ so auszulegen, dass Sachkosten, die bereits in dem pauschalen Krankenhauspflegesatz enthalten sind, nicht gesondert abgerechnet werden könnten.


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Folgen für die Praxis

Das Urteil des Landgerichts Stade dürfte in diesem Zusammenhang durchaus ernst zu nehmen sein. Wie oben bereits beschrieben, hat es zwar prinzipiell nur über Sachkosten geurteilt, geht in seiner Begründung aber darüber hinaus und wendet sich gegen eine wahlärztliche bzw. privatärztliche Abrechnung der entsprechenden Leistungen überhaupt, wenn ein grundsätzlicher Kooperationsvertrag zwischen Krankenhaus und radiologischer Praxis geschlossen wurde. Daher sollten Kooperationsverträge dahingehend überprüft werden und versucht werden, hier mögliche Differenzierungen aufzunehmen.

Ein gewisses Risiko der Nichtdurchsetzbarkeit besteht allerdings trotz Modifikationen der Kooperationsverträge. Zunächst besteht immer ein Risiko, dass diese als Umgehungsgestaltungen eingestuft werden. Weiterhin operiert das LG Stade auch mit dem Begriff der „Standarduntersuchung“, die nach dem Gericht wohl wahlärztliche Leistungen im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG an sich ausschlössen. Im – auch vom Gericht herangezogenen – BGH-Urteil vom 04.11.2010 (Az.: III ZR 323/09) gewährte der BGH dem externen Arzt zwar einen vollen Zahlungsanspruch auch bezüglich der Sachkosten, erwähnt aber gleichzeitig, dass es sich um einen im Einzelfall herangezogenen Arzt handelt. Aufgrund des Sachverhalts war es für den BGH jedoch unerheblich, sodass nicht abschließend vorhergesagt werden kann, wie höchstrichterlich über Standarduntersuchungen von (durch einen Wahlarzt) herangezogene externe Ärzten geurteilt werden würde. Für einen Zahlungsanspruch spräche, dass ein radiologischer Wahlarzt im Krankenhaus auch bei Standarduntersuchungen wahlärztliche Leistungen berechnen könnte und dass auch das LG Stade die Standarduntersuchungen mit der Kooperationsvereinbarung unmittelbar verknüpft; dagegen spricht allerdings, dass bei einer externen Praxis auch keine Beschränkung auf einen bestimmten radiologischen Wahlarzt vorgenommen wird.

Das Bundesverfassungsgericht deutet in seinem Beschluss vom 03.03.2015 (Az.: 1 BvR 3226/14) die Möglichkeit an, dass der (interne) Honorararzt in die Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses mit aufgenommen wird, um dann Wahlleistungen abzurechnen. Dies brächte in der Praxis jedoch Schwierigkeiten, weil dann nach den Grundsätzen des Wahlleistungsrechts nur ein bestimmter Arzt die entsprechende Leistung ausschließlich abrechnen könnte, was im Alltag schwer zu leben sein wird.

Lic. iur. can. Urs Fabian Frigger
Rechtsanwalt

Rechtsanwälte Wigge
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