Rofo 2016; 188(06): 601
DOI: 10.1055/s-0042-108985
DRG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausstellung „Radiologie im Nationalsozialismus“ in Hamburg eröffnet

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Publication Date:
25 May 2016 (online)

 

Am 06.04.2016 wurde die Ausstellung Radiologie im Nationalsozialismus am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eröffnet. Die Eröffnungsansprachen hielten der Medizinische Direktor des Hauses, Prof. Burkhard Göke, und DRG-Präsident Prof. Vorwerk. Prof. Vorwerk lobte die Ausstellungsinitiatve für Hamburg und beglückwunschte das UKE zum glücklich gewählten Ausstellungsort, dem Campus Lehre, den täglich viele hundert Medizinstudierende frequentierten (siehe seine Eröffnungsansprache). Nach der Eröffnung wurden die Gäste von Frau Dr. Moser (Heidelberg) durch die Ausstellung geführt.

Ansprache des Präsidenten der DRG zum Symposium und Ausstellungseröffnung „Radiologie im Nationalsozialismus“ am 06. April 2016 11.30 Uhr in Hamburg

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Radiologie im Nationalsozialimus wird noch bis 15. Juli im UKE Campus Lehre (N 55) montags bis freitags von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr zu sehen sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Prof. Göke,

ich freue mich außerordentlich, gemeinsam mit Ihnen die Ausstellung „Radiologie im Nationalsozialismus“ in Hamburg am UKE eröffnen zu können.

Das Projekt wurde bereits 2010 von Herrn Kollegen Gerhard Adam in seiner Amtszeit als Präsident der DRG initiiert. Dank gilt auch der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie, die sich im Bewusstsein unserer gemeinsamen Wurzeln von Beginn an engagiert in das Projekt mit eingebracht hat.

Unsere Kenntnisse zur Radiologie im Nationalsozialismus waren bis dato weitestgehend fragmentarisch, auch wenn sich bereits zum 100. Jubiläum der Entdeckung der Röntgenstrahlen ein Kapitel der Festschrift mit diesem wichtigen Thema beschäftigt hat.

Mit Frau Dr. Moser von der Universität Heidelberg gelang es Herrn Prof. Adam, eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Medizingeschichte des Nationalsozialismus für das Projekt zu gewinnen.

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Frau Dr. Moser bei der Ausstellungseröffnung.

Frau Dr. Moser hat in langwierigen Recherchen diese exzellente Ausstellung konzipiert. Als wichtiges Beispiel darf ich die Namensliste der mindestens 159 in Deutschland radiologisch tätigen Ärztinnen und Ärzte nennen, denen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft vom NS-Staat die Approbation entzogen wurde – gemeinsam mit zahllosen weiteren jüdischen Ärztinnen und Ärzten, die der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom September 1938 zum Opfer fielen.

Die mühevolle Erstellung dieser Liste aus zahlreichen Quellen hat die Lebensspuren der jüdischen Kolleginnen und Kollegen, die einst die deutsche Medizin mitgestaltet und bereichert haben, wenigsten zum Teil wieder bergen können. Gerade die Fokussierung auf Einzelschicksale bringt uns das Geschehen – von dem uns gerade mal ein Menschenalter trennt - emotional nahe, lässt uns die Hilflosigkeit und die Verzweiflung, mit denen sich diese Kollegen dieser ungeheuren Ungerechtigkeit und Willkür beugen mussten, erahnen.

Aber es gab nicht nur Opfer, sondern auch Täter. War die deutsche Radiologie besonders anfällig für die Verlockungen des Nationalsozialismus? Das ist schwierig zu sagen, auch wenn wir heute wissen, dass die Organe der deutschen Ärzteschaft im Allgemeinen sich durchaus willig in den nationalsozialistischen Staat haben eingliedern lassen.

Seit Eröffnung der Ausstellung im Mai 2014 auf dem Deutschen Röntgenkongress in Hamburg ist diese Ausstellung auf Kongressen, in Universitäten und im Deutschen Röntgenmuseum gezeigt worden. Besondere Erwähnung verdient der Ausstellungsort Tel Aviv. Auf Betreiben des Präsidenten der Israelischen Röntgengesellschaft ISRA, Prof. Jacob Sosna, wurde die Ausstellung ins Hebräische übersetzt und zum Holocaust-Memorial Day am 14.04.2015 im Beisein meines Vorgängers Prof. Hosten aus Greifswald eröffnet.

Das UKE ist die nunmehr achte Station der Ausstellung. Und der Ort ist glücklich gewählt. Denn im Lehrgebäude des Universitätsklinikums werden die Tafeln Betrachter finden, die am Anfang ihrer medizinischen Laufbahn stehen. Vielleicht wird der eine oder andere dann darüber reflektieren, wie es dazu kommen konnte, dass viele unserer Fachkollegen sich damals haben mitreißen lassen. Waren die Motive echte Überzeugung und Begeisterung, Karriereplanung oder Erwerbsstreben, die Mitmenschlichkeit und die Grundprinzipien ärztlichen Handelns sie haben vergessen lassen?

Darüber lohnt es sich auch gerade heute nachzudenken, in einer Zeit, in der radikale Denkansätze und Ausgrenzung durchaus wieder eine Bühne haben.

Ich gratuliere Ihnen allen, die Ausstellung nach Hamburg an das UKE geholt zu haben. Ich wünsche ihr in den kommenden Wochen zahlreiche aufmerksame Besucher!

Prof. Dr. Dierk Vorwerk, Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft e.V.

Symposium in Tübingen

Symposium Radiologie im Nationalsozialismus in Tübingen

Am 29. und 30. Juli 2016 findet in Tübingen das Symposium Radiologie im Nationalsozialismus statt. Ausrichter sind die Tübinger Institutsdirektoren Prof. Zips (Strahlentherapie) und Prof. Nikolaou (Radiologie). Experten sind neben Frau Dr. Gabriele Moser (Heidelberg) der in Oxford lehrende Medizinhistoriker Prof. Paul Weindling. Anmeldung und weitere Informationen über Frau Dr. Franziska Eckert, RoInfo@med.uni-tuebingen.de und auf www.drg.de

Parallel zum Symposium wird die Ausstellung in der Neuen Aula Tübingen präsentiert.


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Radiologie im Nationalsozialimus wird noch bis 15. Juli im UKE Campus Lehre (N 55) montags bis freitags von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr zu sehen sein.
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Frau Dr. Moser bei der Ausstellungseröffnung.