Einleitung
Sehnenpathologien sind häufig Ursache chronischer, belastungsabhängiger Beschwerden
an der unteren Extremität. Je nach Ausprägungsgrad resultiert nicht selten eine deutliche
Einschränkung der sportlichen und/oder alltäglichen Belastbarkeit. In der Mehrzahl
der Fälle berichten die Patienten bereits bei Erstvorstellung über eine längere Beschwerdedauer,
charakteristischerweise mit Anlaufschmerzen am Morgen, zu Beginn von Belastungen und
bei Zunahme der Belastungsintensität. Zumeist sind die großen Sehnen an Sprung- und
Kniegelenk, insbesondere die Achillessehne und die Patellarsehne, betroffen. Weniger
häufig finden sich Pathologien der Quadrizepssehne, des Tractus iliotibialis, der
Sehne des M. biceps femoris, des M. tibialis posterior sowie der Ursprünge der hüftumgreifenden
Muskulatur (v. a. Sehnen des M. rectus femoris und der Adduktorenmuskulatur).
Ätiologisch wird in der Regel eine repetitive Überbeanspruchung in Sport und/oder
Alltag genannt, wobei unterschiedliche Erklärungsmodelle diskutiert werden. So wird
angenommen, dass eine hohe Beanspruchung zu Mikrorupturen im Kollagengewebe führt,
die regenerative Prozesse nach sich ziehen. Hierbei findet u. a. ein struktureller
Umbau mit vermehrtem Aufbau von Kollagen Typ III statt. Zur Schmerzgenese werden derzeit
bevorzugt die Einsprossung von Mikrogefäßen und freien Nervenendigungen, die Hochregulierung
der schmerzauslösenden Substanz P bei Hyperzellularität und Gefäßproliferation sowie
eine mechanische Kompression durch benachbarte Strukturen diskutiert. Die zugrunde
liegenden Mechanismen der Modelle sind jedoch bislang nicht abschließend geklärt.
In der klinischen Untersuchung zeigt sich die betroffene Sehne lokal druckdolent und
in der subakuten und chronischen Phase ohne klinische Zeichen einer Entzündung wie
Schwellung, Rötung oder Überwärmung. Je nach Stadium ist eine lokale Auftreibung bzw.
Knötchenbildung in der Sehnenstruktur sichtbar bzw. tastbar. Die bildgebende Diagnostik
beschränkt sich zunächst auf die Sonografie. Hierin sind Sehnendurchmesser, hypoechogene
und hyperechogene Areale und Zonen als Indikator für intratendinöse Läsionen verlässlich
zu erfassen und ggf. zu quantifizieren. Zudem sind diese im Krankheitsverlauf ohne
größeren Zeit- und Kostenaufwand einfach und schnell kontrollierbar. Doppler-sonografisch
sichtbare intratendinöse Gefäße sind als Zeichen des Sehnenumbaus von prognostischer
und diagnostischer Bedeutung.
In der Therapie wird derzeit diskutiert, ob aktuelle Maßnahmen tatsächlich die pathophysiologische
Basis berücksichtigen oder ob nicht nach wie vor eine Behandlung der Symptome im Vordergrund
steht. Für Achilles- und Patellarsehnentendinopathien ist die Behandlung mittels exzentrischen
Trainings evident. Weiterhin zeigte die extrakorporale Stoßwellentherapie besonders
bei Ansatztendinopathien hohe Wirksamkeit. Der Nachweis in der Praxis häufig angewandter
physiotherapeutischer und physikalischer Maßnahmen (u. a. Querfriktionen, therapeutischer
Ultraschall) oder lokaler Infiltrationen (u. a. Steroide, Platelet-Rich-Plasma, sklerosierende
Substanzen) wurde bislang hingegen nicht abschließend geführt. Ein belegter Nachteil
der Kortisoninfiltration liegt in der möglichen, nachfolgenden Gewebedegeneration
mit erhöhter Rupturgefahr, insbesondere bei sportlich ambitionierten Patienten und
Athleten.
Epidemiologie
Epidemiologische Daten der letzten Jahre zeigen eine Zunahme chronischer Sehnenbeschwerden
sowohl bei Athleten unterschiedlicher Sportarten als auch bei Personen mit körperlicher
Belastung am Arbeitsplatz. In erster Linie resultiert eine Einschränkung der sportlichen
Belastbarkeit bzw. der Arbeitsfähigkeit.
Verletzungen und Überlastungsbeschwerden an Sehnen betreffen bis zu 50 % der behandlungsbedürftigen
Diagnosen im Sport. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Symptomenkomplex der Tendinopathien
wurden vorwiegend an Achilles- und Patellarsehnen durchgeführt, die je nach Belastungsprofil
die häufigsten Lokalisationen von Sehnenpathologien darstellen. In einer belgischen
Querschnittsstudie an einer großen Kohorte fand sich kein Geschlechterunterschied
[22]. Bei Laufsportlern sind am häufigsten Tendinopathien der Achillessehnen zu finden.
Weitere Lokalisationen sind die Patellarsehne und der Tractus iliotibialis. Seltener,
jedoch zumeist von langer Dauer, ist die Plantarfaszie betroffen. Ergebnisse einer
retrospektiven Befragung von Nachwuchsläufern (13–18 Jahre) ergaben eine ähnliche
Verteilung von Beschwerden an Achillessehne (6–9 %), Tractus iliotibialis (5–7 %)
und Plantarfaszie (3–5 %). Ein vorderer Knieschmerz bestand bei diesem Kollektiv bei
etwa jedem fünften Sportler, der Anteil der Patellarsehnenbeschwerden wurde dabei
nicht differenziert angegeben [16]. In einer aktuellen Querschnitts-Untersuchung an 760 Nachwuchsathleten (13 ± 2 Jahre;
Spanne 8–18 Jahre) fand sich eine Achillessehnen-Tendinopathie bei 1,8 % und eine
Patellasehnen-Tendinopathie bereits bei 5,6 % der Sportler [17]. Bei erwachsenen Laufsportlern im Breiten- und Spitzensport wird, je nach Autor,
über Sehnenbeschwerden in einer Häufigkeit zwischen 7 und 30 % berichtet [22], [23]. Demgegenüber stehen in Spiel- und Sprungsportarten Beschwerden der Patellarsehne,
meist als „Jumperʼs Knee“ bezeichnet, im Vordergrund. Bei Fußballern sind zudem gehäuft
Tendinopathien der Adduktorenmuskulatur zu finden. Die Inzidenz von Beschwerden und
Verletzungen der Hüftregion wird bei Fußballern mit 10–18 pro 100 Spieler im Jahr
angegeben, genauere Angaben zu Beschwerden und Pathologien einzelner Sehnen liegen
allerdings nicht vor [24].
Risikofaktoren zur Entwicklung einer Tendinopathie
Risikofaktoren zur Entwicklung einer Tendinopathie
Zu den Risikofaktoren in der Genese von Tendinopathien existieren derzeit nur wenige
Daten aus wissenschaftlichen Längsschnittuntersuchungen. Neben einer sportartspezifischen
Häufung (Achillessehnenbeschwerden bei Läufern, Patellarsehnenbeschwerden bei Athleten
aus Sprungsportarten) werden vor allem Vorverletzungen als wichtiger Risikofaktor
angesehen. In einer aktuellen Literaturübersicht über Risikofaktoren zur Entwicklung
einer Patellarsehnentendinopathie wurden 8 mögliche Einflussfaktoren genannt:
-
das Gewicht,
-
der BMI,
-
die sog. „Waist-to-Hip-Ratio“,
-
eine bestehende Beinlängendifferenz,
-
ein erniedrigtes Fußlängsgewölbe,
-
die Flexibilität der Quadrizeps- und ischiokruralen Muskulatur,
-
die Kraft der Quadrizepsmuskulatur,
-
die vertikale Sprungkraft [18].
Aufgrund der zumeist nicht ausreichenden Evidenz sind diese Faktoren bzw. deren Aussagekraft
nach Meinung der Autoren nur mit Einschränkung zu werten. Folglich findet die Einteilung
der Risikofaktoren meist auf klinischer Basis in extrinsische und intrinsische Faktoren
statt. Eine Wertung möglicher Prädiktoren ist dabei allerdings nur begrenzt möglich
([Tab. 1]). Extrinsische Faktoren umfassen die äußeren Einflüsse wie Trainingsfehler (zu hohe
Trainingsumfänge und -intensitäten, ungünstige Geländewahl), Umgebungsbedingungen
und Ausrüstung. Intrinsische Faktoren beziehen sich überwiegend auf die individuellen
Voraussetzungen sowie den Trainingszustand ([Tab. 1]). Als valide intrinsische Risikofaktoren in der Entwicklung einer Achillessehnentendinopathie
konnten neben dem Alter das Körpergewicht und die Körpergröße belegt werden [25].
Tab. 1 Mögliche Einflussfaktoren zur Entwicklung von Tendinopathien der unteren Extremität.
Einflussfaktor
|
Differenzierung
|
Bewertung
|
* intrinsisch, ** extrinsisch, ++ durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt, +o
hohe Praxisrelevanz, wissenschaftlich nicht abschließend und für alle Sportarten geklärt,
oo Praxisrelevanz
|
Achsabweichungen des Skeletts*
|
z. B. Beinlängendifferenz, erniedrigtes Fußlängsgewölbe
|
+o
|
Athletenalter*
|
|
+o
|
Belastungsdosierung**
|
Trainingsumfang
|
++
|
Intensität
|
+o
|
Material und Trainingsumgebung**
|
|
oo
|
muskuläre Flexibilität (Dehnfähigkeit)*
|
Quadrizeps- und Hamstring-Muskulatur
|
+o
|
Schuhwerk**
|
|
oo
|
Sportart**
|
Läufer: Achillessehne, Tractus iliotibialis
|
++
|
Sprungsportarten: Patellarsehne
|
++
|
Fußball: Sehnen der Adduktorenmuskulatur
|
++
|
Trainingsalter*
|
|
++
|
Untergrund**
|
|
oo
|
Vorverletzung*
|
|
++
|
(neuro-)muskuläre Insuffizienz*
|
Kraft der Quadrizepsmuskulatur
|
+o
|
vertikale Sprungleistungsfähigkeit
|
+o
|
Trainingsfehler**
|
Sprungtechnik
|
+o
|
Anthropometrie*
|
Gewicht
|
+o
|
Größe
|
+o
|
BMI
|
+o
|
Taille‐Hüft‐Verhältnis
|
+o
|
Risikofaktoren zur Entwicklung einer Tendinopathie werden in der Regel in extrinsische
und intrinsische Faktoren unterteilt. In erster Linie sind dabei Trainingsfehler,
Ausrüstung sowie individuelle biomechanische Voraussetzungen und der Trainingszustand
zu nennen. Wissenschaftliche Längsschnittuntersuchungen zum evidenzbasierten Beleg
stehen jedoch noch aus.
Die Tendinopathie in Abgrenzung zu Tendinose und Tendinitis
Die Tendinopathie in Abgrenzung zu Tendinose und Tendinitis
Mit dem Begriff der Tendinopathie werden schmerzhafte Prozesse an Sehnen umschrieben.
Inwieweit bereits strukturelle Veränderungen vorliegen, wird durch diesen Terminus
allerdings nicht definiert. In der Mehrzahl der Fälle fehlen klinische und histologische
Entzündungszeichen. Entgegen früherer Annahmen konnten in Mikrodialysen keine Entzündungszellen
und -mediatoren in den betroffenen Sehnen gefunden werden. In akuten Stadien kann
die Symptomatik jedoch von einer Paratendinitis bzw. -tenonitis überlagert oder begleitet
sein. Die Bezeichnung der Tendinitis sollte daher Fällen mit klinisch eindeutig erkennbarem
entzündlichem Charakter vorbehalten bleiben ([Tab. 2]).
Tab. 2 Klassifikation von Sehnenbeschwerden bzw. -pathologien in Anlehnung an [26] und [28].
Diagnose
|
klinischer und sonografischer Befund
|
histologischer Befund
|
klinische Zeichen und Symptome
|
Tendinopathie
|
diffuser oder lokalisierter Sehnendruckschmerz, evtl. Sehnenverdickung sonografisch
Dickenzunahme, Hypo‐ und Hyperechogenitäten, Neovaskularisierung möglich
|
alle Stadien von organisierter, hierarchisch geordneter Kollagenstruktur bis zum Bild
der Tendiose (s. u.)
|
subakuter Beginn mit belastungsabhängigen Beschwerden Einschränkung abhängig vom Stadium
und einer möglichen Begleitreaktion des Paratenons
|
Tendinose
|
intratendinöse Degeneration mit Auftreibung der Sehne und Adhäsionen sonografisch
messbare Dickenzunahme, Abbrüche der Kollagenfaserstruktur evtl. Neovaskularisierung
sowie Hypo- und Hyperechogenitäten
|
Sehnendegeneration mit Disorganisation der Kollagenfasern, vermehrter mukoider Grundsubstanz,
Hyperzellularität, Einsprossen kleiner Gefäßen und Nerven, lokaler Nekrose oder Kalzifizierung
|
in akuten Stadien wie bei Tendinopathie, ansonsten subklinischer bzw. asymtomatischer
Verlauf
|
Tendinitis
|
klinische Zeichen: Schwellung, Rötung, Überwärmung, Druckschmerz sonografische Zeichen:
diffuse Aufquellung der Sehne mit hypoechogenen Zonen und Verlust der hierarchischen
Kollagenfaserstruktur, ausgeprägte Neovaskularisierung
|
symptomatische Degeneration der Sehne mit inflammatorischer Reparation wie bei Tendinose:
Faserabbrüche, (myo‐)fibroblastische Proliferation, Granulationsgewebebildung
|
akute Schwellung und Schmerzen mit deutlicher Einschränkung im Alltag diffuser Sehnendruckschmerz
deutliche Einschränkung bei sämtlichen Belastungen
|
Paratenonitis/Peritendinitis
|
„Inflammation“ des Sehnengleitgewebes, prall‐elastische Schwellung, Rötung und Überwärmung
möglich, tastbares „Reiben“ der Sehne hypoechogener Randsaum in der Sonografie
|
Wassereinlagerung in den paratenonitischen/peritendinischen Raum Infiltration von
Monozyten
|
akute, prall‐elastische Schwellung Rötung und Überwärmung möglich akute belastungsabhängige
Beschwerden
|
Als Ursache einer Tendinopathie werden in erster Linie Mikrorupturen der Kollagenfasern
durch lokale Überlastung angenommen. Die Strukturschäden der Sehnenmatrix führen in
der Folge zur Aufhebung der hierarchischen Kollagenstruktur. Beschrieben sind Regenerationsprozesse
mit einem vermehrtem Aufbau von Kollagen Typ III im Gegensatz zum in gesunden Sehnen
vorwiegend zu findenden Kollagen Typ I. Strukturell umgebaute Achillessehnen zeigten
in biomechanischen Untersuchungen eine erhöhte Dehnbarkeit bei geringerer Steifigkeit,
was bei Spitzendruckbelastungen eine verringerte Reißfestigkeit mit erhöhter Rupturgefahr
bedingt [26]. Der ätiologische Ansatz mit lokalisierter Degeneration des Kollagengewebes wurde
in histologischen Untersuchungen an mehreren Sehnen (z. B. Achilles- und Patellarsehne,
am medialen Ursprung der Plantarfaszie, den Sehnen der Ischiokruralmuskulatur) nachgewiesen
[9], [10], [27]. Darüber hinaus wurde in histologischen Untersuchungen an Patienten mit Achillessehnenrupturen
auf ein vermehrtes Auftreten von Matrixmetalloproteinasen (MMPs) hingewiesen. Inwiefern
diese in der Genese der Tendinopathie eine Rolle spielen, ist allerdings derzeit noch
unklar. Ebenso ist bisher nicht geklärt, ob und in welchem Maß einem Impingement durch
eine verdickte M.-plantaris-Sehne in der Entstehung einer Tendinopathie eine bedeutsame
Rolle zukommt [28].
Im Rahmen des degenerativen Umbaus konnte ein vermehrtes Vorkommen von Substanz P
und eine gefäßbegleitende Einsprossung Substanz P positiver Nervenendigungen gezeigt
werden. Die Einsprossung der Nervenendigungen liefert ein Erklärungsmodell für den
schmerzhaften Verlauf der Symptomatik. Substanz P spielt ebenso eine entscheidende
Rolle in der Entwicklung der Sehnendegeneration. Im Tiermodell konnten eine Steigerung
der Tenozytenzahl und Stimulation der Neoangionese nach exogen zugeführter Substanz
P nachgewiesen werden, zudem wurde die Entwicklung einer Paratenonitis beobachtet.
Substanz P ist in niedriger Konzentration in asymptomatischen Sehnen und vermehrt
bei Tendinopathien nachweisbar. Eine artifizielle Reduktion von Substanz P wird deshalb
derzeit als möglicher Zugang in der Therapie von Tendinopathien diskutiert, ist allerdings
bisher nicht belegt [30], [31].
Diese beschriebenen Strukturveränderungen sind in der bildgebenden Diagnostik (Sonografie,
MRT) erst bei längerem Bestehen der Symptomatik nachweisbar. Klinisch manifestiert
sich der Umbau zumeist zunächst in einer geringen Dickenzunahme der Sehne. Somit ist
die Abgrenzung zur physiologischen Adaptation der Struktur bei sportartspezifisch
hohen Impact-Kräften, zumindest am Anfang, schwierig. Als weitere Zeichen des Degenerationsprozesses
werden (doppler-)sonografisch visualisierte Echoinhomogenitäten und Neovaskularisationen
gewertet ([Abb. 1]). Allerdings ist derzeit nicht abschließend geklärt, in welchem Maß die Sehnenvaskularisierung
eine physiologische Anpassung auf eine Mehrbelastung darstellt oder als pathologische
Adaptation zu werten ist. In fortgeschrittenen Stadien manifestieren sich knötchenförmige
Verdickungen, Adhäsionen und Verkalkungen, die meist schon im Rahmen der klinischen
Untersuchung tastbar sind. Derartige in der klinischen oder bildgebenden Diagnostik
auch an asymptomatischen Sehnen auffallende Veränderungen ohne entzündliche Begleitkomponente
können mit dem Begriff der Tendinose beschrieben werden ([Tab. 2]).
Abb. 1 a, b Ursprungsnahe Tendinopathie der Patellarsehne eines Kaderathleten in Longitudinal-
und Transversalschnitt mit einer lokalen Auftreibung im mittleren Sehnendrittel auf
ca. 7 mm und einem Ausmaß der Hypoechogenität von 4 × 5 mm transversal gemessen. c, d Befund nach 5-wöchiger Intervention mit exzentrischem Training sowie Aussetzen schmerzauslösender
(sportartspezifischer) Belastungen, wie intensive Sprint- und Sprungbelastungen. e, f In der hochauflösenden Power-Doppler-Sonografie („advanced dynamic flow“-Modus, Toshiba)
kommt die vaskuläre Aktivität der Neovaskularisationen im Bereich der Hypoechogenität
in Longitudinal- und Transversalschnitt zur Darstellung.
Definition
Tendinopathien sind schmerzhafte Sehnenveränderungen, die mit einer mehr oder minder
ausgeprägten Funktionseinschränkung und nicht mit klinischen und histologischen Entzündungszeichen,
wie bei der Tendinitis, einhergehen. In akuten Stadien kann die Tendinopathie von
einer Paratendinitis bzw. -tenonitis überlagert oder begleitet sein. Bei Auftreten
struktureller Sehnenveränderungen in Sonografie oder MRT ohne klinische Symptomatik
kann der Terminus der „Tendinose“ verwendet werden.
Zielgerichtete Diagnostik
Wertigkeit der Sonografie in der Diagnostik von Tendinopathien
Die Sonografie stellt eine schnell verfügbare, verhältnismäßig leicht zu erlernende
und überdies kostengünstige Methode zur Beurteilung oberflächlicher Weichteilstrukturen
dar. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit zur strukturellen Funktionsprüfung
in Echtzeit. Einfache Sehnenparameter wie der a.–p.Durchmesser sind mit modernen Sonografiegeräten
von geübten Untersuchern valide und mit hoher Reliabilität erfassbar. In Untersuchungen
an Achilles- und Patellarsehnen konnten zwischen erfahrenen Untersuchern unabhängig
von der Positionierung des Schallkopfs hohe Korrelationen (0,68–0,99) in Intra- und
Interobserververgleichen gemessen werden. Untersuchungen mit konventionellem B-Mode-Ultraschall
an Patienten mit Tendinopathien zeigten eine moderate bis exzellente Reliabilität
in deren Erkennung. Darüber hinaus sind Verlaufskontrollen von Sehnenpathologien mithilfe
sonografischer Verfahren einfach, schnell und mit hoher Reproduzierbarkeit der Befunde
möglich. Verglichen zur MRT fand sich eine vergleichbare Sensitivität und Spezifität
des Ultraschalls in Untersuchung und Bewertung von Tendinopathien der unteren Extremität.
Weiterentwicklungen sonografischer Techniken in den vergangenen Jahren ermöglichen
eine tiefergehende Beurteilung der Sehnenmorphologie. Die Sonoelastografie wurde in
den 90er-Jahren zur Darstellung der Gewebehärte entwickelt und zunächst in der Tumordiagnostik
zur Differenzierung zwischen gutartigem und bösartigem Gewebe angewandt. In jüngerer
Zeit beschäftigten sich einige Arbeitsgruppen mit der Anwendung des Verfahrens im
Sehnenschall. Erste Ergebnisse zeigen eine verlässliche Einschätzung in der Beurteilung
des Gewebes von Achilles- und Patellarsehnentendinosen [14], [32].
Andere Verfahren ermöglichen die Quantifizierung der Graustufen bzw. Schallmuster
des B-Bildes und verhelfen somit zur Darstellung kleinster Strukturveränderungen im
Gewebe. Sie wurden zunächst an gesunden und tendinopathisch veränderten Achillessehnen
evaluiert. Die ultrasonografische Gewebecharakterisierung (UTC) untersucht das Gewebe
nach dessen dreidimensionaler Rekonstruktion auf die Stabilität der Echosignale bzw.
die Häufigkeit von Strangabbrüchen im Gewebe (van Schie 2009). Die Quantifizierung
des Sehnengewebes mittels räumlicher Frequenzparameter (Spatial Frequency Parameters,
Bashford 2008) ermittelt die Graustufenanteile benachbarter Regionen und deren Echofrequenzmuster
auf Basis des longitudinalen B-Bildes. Vereinfacht kann auf diesem Weg der „Graustufengehalt“
der Sehne ermittelt werden.
Ziel ist die möglichst frühe Erkennung von verändertem Kollagengehalt der Sehne als
Maß eines Gewebeumbaus ([Abb. 2 c, d]; Vergleich zur gesunden Sehne in [Abb. 2 e, f]). Beiden Verfahren liegen physikalische Algorithmen zugrunde, die standardisierte
Geräteeinstellungen (bezüglich Schallfrequenz, -fokus, -tiefe und -verstärkung) der
Sehnenuntersuchung zur Vergleichbarkeit der Graustufenwerte unterschiedlicher Bilder
voraussetzen. Mithilfe der Quantifizierung der Graustufen des B-Bildes sollen kleinste
Strukturveränderungen im Gewebe darstellbar gemacht werden. Ein bereits etabliertes
Verfahren im Sehnenschall zur Beurteilung der Vaskularisierung, die Doppler-Sonografie,
wurde vorwiegend an Sehnenpathologien von Achilles- und Patellarsehne sowie der Epikondylitiden
untersucht. Breiten Einsatz findet das Verfahren ebenso zur Beurteilung von entzündlichen
Aktivitäten von Synovialis und Peritendineum in der rheumatologischen Diagnostik.
Hierbei werden sowohl Color- als auch Power-Doppler-Sonografie genutzt, wobei den
auf den Power-Doppler-Verfahren basierenden Methoden eine höhere Sensitivität zur
Darstellung kleinster Gefäßflüsse zukommt.
Abb. 2 a, b Tendinopathie der ansatznahen Quadrizepssehne eines 32-jährigen Hobbysportlers (Basketball,
Badminton) im B-Bild und in der Power-Doppler-Sonografie. Die Sehne ist im Seitenvergleich
um 1,5 mm verdickt und beinhaltet ein längliches hypoechogenes Areal mit 10 × 2 mm
Ausmaß. c, d Ansatznahe Tendinopathie eines 11-jährigen Nachwuchsathleten bei initialem Morbus
Schlatter im longitudinalen B-Bild und nach Quantifizierung der Sehnenstruktur (Spatial
Frequency Parameters, [2]. Bereiche blauer Farbe symbolisieren überwiegend unverändertes, solche mit roter
Farbe überwiegend verändertes Gewebe. e, f Sonografisch unauffälliger Befund einer Achillessehne eines Nachwuchsathleten im
Longitudinalschnitt mit unauffälliger Darstellung in der Quantifizierung mittels räumlicher
Frequenzparameter (Spatial Frequency Parameters, [2]). a Exzentrisches Training der Achillessehne (Alfredson). b Nordic Hamstrings. c Sensomotorisches Training unter körpereigener Last der hinteren Kette. d Sensomotorisches Training unter körpereigener Last der unteren Extremität.
In verschiedenen Arbeiten konnte die reliable Darstellung von Neovaskularisation zwischen
unterschiedlichen Untersuchern gezeigt werden [15]. Nach Injektion eines sich in Sehnen anreichernden, farbverstärkenden Kontrastmittels
kann eine nochmals verbesserte Darstellung der intratendinösen Gefäße erreicht werden
(CEUS: contrast-enhanced ultrasound [33]. Da bislang jedoch nicht endgültig geklärt werden konnte, welche klinische Bedeutung
Auftreten und Ausmaß der Neovaskularisationen beizumessen ist bzw. welche Behandlungsstrategie
daraus abgeleitet werden muss, ist der Nutzen der frühzeitigen Detektion einzelner
Gefäße mithilfe sensitiver Methoden noch fraglich.
Die dopplersonografischen Verfahren werden neben dem Einsatz in der Diagnostik auch
in der Behandlung von Tendinopathien eingesetzt. Dopplersonografisch gestützt werden
beispielsweise Injektionstherapien mit Polidocanol zur Sklerosierung der Neovaskularisationen
angewandt. Darüber hinaus wurden aktuell minimalinvasive Operationstechniken unter
dopplersonografischer Kontrolle vorgestellt, die auf die chirurgische Durchtrennung
der Neovaskularisierung mit den die Gefäße begleitenden Nervenästen abzielen [28].
Diagnostik
Klinik
Am Anfang der Untersuchung steht eine ausführliche Anamnese, die beschwerdeauslösende Situationen während Sport- und Alltagsaktivitäten mit einschließt.
Fokussiert werden sollte insbesondere auf die Schmerzentwicklung sowie auf Verlauf
und Charakter der Beschwerden. Zu Beginn werden von den Patienten in der Regel Anlaufschmerzen
am Morgen nach intensiven Belastungen tags zuvor sowie am Anfang von Belastungen (z. B.
Treppengehen oder Sprünge) angegeben. Oft mildern sich die Schmerzen im Tagesverlauf
bzw. unter Fortführung der Belastung ab. In der Mehrzahl der Fälle nehmen die Beschwerden
bei höheren Intensitäten, insbesondere nach längerer Belastungsdauer, wieder zu.
In der klinischen Untersuchung zeigt sich die Sehne druckschmerzhaft und zumeist mit erhöhtem Spannungszustand (höhere
Konsistenz) im Seitenvergleich im schmerzhaften Areal. In isometrischen und exzentrischen
Funktions- und Belastungstests der zugehörigen Muskulatur lassen sich die Beschwerden
reproduzieren [3]. In fortgeschrittenen Stadien sind zudem lokale knotenförmige Auftreibungen der
Sehne sicht- bzw. tastbar.
Bildgebende Verfahren
Je nach Lokalisation sind folglich zusätzliche bildgebende Untersuchungen zur Bestimmung
des Ausmaßes der Veränderungen sinnvoll und notwendig. Als erste Wahl ist bei den
meisten oberflächlich liegenden Sehnen die sonografische Untersuchung empfehlenswert. Sie ermöglicht die Visualisierung von intratendinösen Läsionen (hypo-
und hyperechogene Areale) und Verdickungen (s. Box „Zielgerichtete Diagnostik“).
Bei Ursprungs- bzw. Ansatztendinopathien sollten Veränderungen der angrenzenden Knochenstruktur
(z. B. Fersensporn) mittels Nativröntgen ausgeschlossen werden.
Bei länger bestehenden belastungsabhängigen Beschwerden am Ursprung der Beinbeugemuskulatur
am Becken ist zur Diagnosesicherung einer Tendinopathie aufgrund der tiefen Lage der
Strukturen die MRT-Diagnostik zu erwägen. In einer aktuellen Arbeit wurden bei Patienten mit Beschwerden am Ursprung
der Ischiokruralmuskulatur signifikant dickere Sehnen im a.-p.Schnitt gemessen. Charakteristisch
war – analog den Befunden von Tendinopathien anderer Lokalisationen – die unabhängig
von der Symptomatik bestehende verstärkte T1- und T2-Anreicherung im Peritendineum
[4].
Die Diagnose einer Tendinopathie ohne Begleitentzündung im Sport ergibt sich somit
abschließend aus folgenden differenzialdiagnostischen Verfahren:
-
ausführliche Anamnese inklusive Trainingsanamnese (initiale Beschwerden mit meist
Schmerzreduktion bei mäßiger Belastung),
-
Lokalbefund (Druckschmerz, Knötchenbildung oder Strukturunregelmäßigkeiten),
-
positive Funktionstests (Schmerzangabe bei Belastung),
-
apparative Diagnostik (Sonografie, ggf. MRT oder Röntgen).
In der Diagnostik der Tendinopathie spielt neben einer differenzierten klinischen
Untersuchung von betroffener Sehne und angrenzender knöcherner Strukturen die ausführliche
Schmerz- und Belastungsanamnese eine wegweisende Rolle. Bildgebende Verfahren erlauben
die valide Beurteilung struktureller Schäden und sollten sowohl in der Erstdiagnostik
als auch in Verlaufskontrollen einsetzt werden.
Therapie
Konservative Behandlung
Trainingstherapie
Als Mittel der Wahl in der Therapie von Tendinopathien sind trainingstherapeutische
Maßnahmen anzusehen. Verschiedene Reviews und Metaanalysen sehen eine hohe Evidenz
insbesondere für trainingstherapeutische Programme, die einen hohen Anteil an exzentrischen
Sehnenbelastungen beinhalten [8], [11]. Therapieerfolge mit deutlich verbesserter Schmerzsymptomatik und Funktion konnten
v. a. bezüglich der Achillessehnentendinopathie, meist über eine Behandlungsdauer
von 12 Wochen, nachgewiesen werden [34]. Klinisch messbare Erfolge lassen sich aber auch bereits nach 4 Wochen erreichen
[12] ([Abb. 3 a]). Sonografische Nachuntersuchungen nach exzentrischem Training (im Mittel erfolgte
die Nachuntersuchung der Patienten nach etwa 4 Jahren) zeigen eine Normalisierung
der Sehnenstruktur und einen Rückgang der Sehnendicke [13]. Unklar ist bislang jedoch, ob die Verbesserung von Schmerz und Funktion auf den
Umbau der Sehnenstruktur während der Therapie oder eine optimierte Lastkompensation
zurückzuführen ist.
Abb. 3 Exzentrisches und sensomotorisches Training (multimodales Trainingsprogramm) zur
Behandlung von Tendinopathien ausgewählter Lokalisationen an der unteren Extremität.
a Exzentrisches Training der Achillessehne (Alfredson). b Nordic Hamstrings. c Sensomotorisches Training unter körpereigener Last der hinteren Kette. d Sensomotorisches Training unter körpereigener Last der unteren Extremität.
Bevorzugt wurde die Wirkung des exzentrischen Trainings bei Tendinopathien von Achilles-
und Patellarsehnen untersucht. Zudem belegen erste Untersuchungen an Patienten mit
Tendinopathien der Ischiokruralmuskulatur diese Effekte. Dies legt den Schluss nahe,
dass exzentrische Trainingsprogramme bei Tendinopathien auf unterschiedliche Lokalisationen
übertragbar und empfehlenswert sind. Der wissenschaftliche Nachweis diesbezüglich
ist bislang allerdings nicht für alle Lokalisationen geführt. Exemplarisch wird in
[Abb. 3] ein multimodales Konzept für die Waden- und die Ischiokruralmuskulatur bzw. die
entsprechenden Sehnen dargestellt.
Tipp für die Praxis
Trainingsdosierung von sensomotorischem und exzentrischem Training
In verschiedenen Studien werden unterschiedliche Möglichkeiten von Häufigkeit, Ausführung
und Dosierung der Trainingsprogramme angewendet bzw. vorgeschlagen. Zusammengefasst
ist eine 3–5-mal wöchentliche Durchführung der Übungen als Mindestmaß einer Erfolg
versprechenden Therapie anzusehen. Angaben zur Ausführung der Trainingsformen bzw.
Übungen und der Dosierung (Intensität, Umfang und Dauer der Belastung) differieren
in den Studien. Häufig wird davon ausgegangen, die Programme analog eines Hypertrophietrainings
(ca. 70–85 % des 1. Wiederholungsmaximums für die jeweilige Belastung) bei hoher Intensität
zu absolvieren. Für gut trainierte Sportler und Freizeitsportler ist ein 3-Satz-Training
mit bis zu 12 Wiederholungen und einer Pausenlänge zwischen 1 und 3 min zwischen den
Sätzen empfehlenswert [35].
Während und nach exzentrischen Belastungen sind Schmerzen im Bereich der behandelten
Sehne zu erwarten. Bei zunehmenden Schmerzen während der Belastung ist ein Abbruch
der Übung in der Regel nicht notwendig, sofern der Schmerz nach der Belastung wieder
nachlässt. Andernfalls ist die Anpassung der Intensität notwendig. Eine Schmerzquantifizierung,
beispielsweise mithilfe einer visuellen Analogskala, erlaubt Therapeut und Arzt eine
valide Verlaufsbeurteilung. Eine Steigerung der Intensität (Last/Erhöhung des Schwierigkeitsgrads)
wird von einigen Autoren bereits bei rückläufigem Schmerz während der Übungsausführung
empfohlen. Als oberstes Ziel sollte jedoch die möglichst hohe Bewegungsqualität bei
der Übungsausführung gelten.
Individuelle Heimprogramme ermöglichen die eigenständige Fortführung der Trainingsintervention
mit schrittweiser Steigerung der Belastung. Der Trainingsplan sollte neben der Intensitätssteigerung
auch eine Erhöhung des Umfangs beinhalten. Bestenfalls sollte in regelmäßigen Abständen
(zunächst wöchentlich, danach ¼- bis ½-jährlich) eine Überprüfung bzw. Anpassung von
Ausführungsqualität bzw. Belastungsintensität durch den Therapeuten erfolgen. Auf
diesem Weg wird ebenfalls eine Compliance-Kontrolle ermöglicht, die für den langfristigen
Therapieerfolg von großer Bedeutung ist.
Beachtenswert bei der Interpretation der Studienergebnisse ist, dass die genannten
Trainingsprogramme in der Regel mehrmals wöchentlich bis täglich absolviert wurden.
Eine 3–5-mal wöchentliche Anwendung wird daher derzeit als Mindestmaß einer Erfolg
versprechenden Therapie angesehen. Angaben zur Art und Weise der Ausführung der Trainingsformen
bzw. deren exakte Durchführung und Dosierung (Intensität, Umfang und Dauer der Belastung)
schwanken je nach Autor erheblich (s. „Tipp für die Praxis“). Bestenfalls kann eine
Anleitung der Übungen durch einen Sport- oder Physiotherapeuten erfolgen. Spätestens
nach einigen Wochen Therapiedauer sollten die Patienten mit individuellen Heimprogrammen
zur Umfangserhöhung ausgestattet werden ([Abb. 4]). Diese ermöglichen die eigenständige Fortführung der Trainingsintervention mit
schrittweiser Steigerung der Belastung. In regelmäßigen Abständen ist eine Überprüfung
bzw. Anpassung von Ausführungsqualität bzw. Belastungsintensität durch den Therapeuten
sinnvoll. Auf diese Weise wird zusätzlich eine Compliance-Kontrolle ermöglicht, die
für die weitere therapeutische Vorgehensweise von großer Bedeutung ist. Durch regelmäßige
Rücksprachen zwischen Therapeut und Arzt sowie Wiedervorstellungen des Patienten in
der ärztlichen Sprechstunde wird die Belastungsintensität an die aktuelle Belastbarkeit
und den Verlauf der strukturellen und klinischen Adaptation angepasst. Die enge und
intensive Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Arzt ist dabei von grundlegender Bedeutung
für eine erfolgreiche Therapie.
Abb. 4 Geführtes sowie freies sensomotorisches und exzentrisches Training in der Sporttherapie
am Beispiel der Patellarsehnentendinopathie. Je nach gewünschtem Schwierigkeitsgrad
können unterschiedliche instabile Unterlagen verwendet und ggf. auch kombiniert werden.
Eine Belastungssteigerung kann im Heimprogramm mit Erhöhung von Last und/oder Schwierigkeitsgrad
durch Wechsel der Unterlage erfolgen. (* Das 1RM ist das maximale Gewicht, mit dem
eine Übung einmalig bei sauberer Technik ausführbar ist).
Stoßwellentherapie
Die Stoßwellentherapie (SWT) zeigte bisweilen bei Tendinopathiepatienten unterschiedlicher
Regionen positive Ergebnisse auf Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung. In Literaturübersichten
wird die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) besonders bei Ansatztendinopathien
der Achillessehne favorisiert, bei denen exzentrische Trainingsmaßnahmen weniger gute
Ergebnisse zeigen [9], [11]. Bezüglich der Patellarsehnentendinopathie wurde die Effektivität hingegen als begrenzt
eingestuft [8]. In der sog. TOPSHOCK-Studie werden derzeit die Wirkungen der ESWT im Vergleich
zur radialen SWT bei der Patellarsehnentendinopathie überprüft [18]. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden die zukünftigen Therapiestrategien
möglicherweise beeinflussen. Nicht selten wird die SWT im Sinne einer multimodalen
Therapie mit exzentrischem Training kombiniert [11], [36].
Physiotherapeutische Verfahren
Obwohl in der Praxis vielfach angewendet ist die Evidenz für die unterschiedlichen
Therapieformen in der Physiotherapie wie Querfriktionen, Ultraschalltherapie, Elektrotherapie,
Kryotherapie oder Stretching bezüglich sämtlicher Lokalisationen der unteren Extremität
nicht abschließend geklärt. Ziele dieser Techniken sind einerseits die Schmerzreduktion
und andererseits mechanische Effekte auf struktureller Ebene. So wird beispielsweise
Querfriktionen neben dem Lösen von Adhäsionen eine vermehrte Stimulation der Fibroblasten
mit in der Folge erhöhter Kollagennettosynthese zugeschrieben. Ähnliche Mechanismen
werden für die Ultraschalltherapie diskutiert. In einer aktuellen Literaturübersicht
zur Patellarsehnentendinopathie wurde die Ultraschalltherapie allerdings als unwirksam
betrachtet. Dagegen konnte in einer kombinierten Behandlung der Achillessehnentendinopathie
mit Querfriktionen, Ultraschall, exzentrischem und sensomotorischem Training eine
Besserung von Funktion und Schmerz der Patienten gezeigt werden.
Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR)
Die Indikation zur Einnahme von NSAR bei chronischen, belastungsabhängigen Sehnenbeschwerden
wird bereits seit Längerem diskutiert. Trotz fehlendem Nachweis von Entzündungszellen
und -mediatoren im tendinopathischen Sehnengewebe und einer nicht nachgewiesenen Evidenz
ist der Einsatz insbesondere von Diclofenac und Ibuprofen weiterhin weit verbreitet.
Bei Auftreten eines akuten peritendinitischen Begleitprozesses erscheint der Einsatz
dieser Medikamente hingegen gerechtfertigt. Darüber hinaus wird diskutiert, dass infolge
der schmerzreduzierenden Wirkung der NSAR die Durchführung von physio- und trainingstherapeutischen
Maßnahmen erleichtert werden kann. Dies trifft insbesondere auf Trainingsformen zu,
die zur Behandlung schmerzbedingt veränderter Bewegungsmuster appliziert werden. Auf
diese Weise könnte eine zügigere Rehabilitation von Patienten und Athleten begünstigt
werden. Die Indikation zur Verordnung von NSAR muss daher im individuellen Fall erwogen
werden und sollte zeitlich begrenzt (max. 1–2 Wochen) sein, mit dem Ziel der Unterstützung
des vorgesehenen therapeutischen Konzepts sein.
Injektionsbehandlungen
Polidocanol
Unter der Annahme, dass im tendinopathischen Gewebe nachgewiesene Neovaskularisationen
und Schmerzfasern die Symptomatik der Pathologie unterhalten, wurden bevorzugt im
skandinavischen Raum Sklerosierungsbehandlungen dieser intratendinösen Gefäße unter
dopplersonografischer Kontrolle durchgeführt. In zahlreichen Studien bei Achilles-
und Patellarsehnentendinopathien sowie Tendinopathien an den Epikondylitiden wurde
über signifikante Verbesserungen von Funktion und Schmerz berichtet. Hoksrud u. Mitarb.
fanden in ihrer 2-Jahres-Nachuntersuchung nach 5-maliger Polidocanolanwendung bei
120 Patienten mit Patellarsehnentendinopathien eine statistisch signifikante Verbesserung
des VISA-P-Scores. Beschwerdefreiheit im Sinne eines Punktewerts über 95 wurde jedoch
lediglich bei 20 % der Patienten erreicht. Darüber hinaus sprachen 36 % der Patienten
nicht auf die Therapie an (VISA-P < 50). Aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe sind
die Ergebnisse jedoch mit Zurückhaltung zu interpretieren [7]. In einer aktuellen randomisiert-kontrollierten Studie an 52 Patienten mit Patellarsehnentendinopathie
wurde die Verbesserung des Schmerzes durch eine Sklerosierung mit Polidocanol (maximal
3 Injektionen) im Vergleich mit einem arthroskopischen Shaving der Sehnen untersucht.
Im Rahmen der ersten Nachuntersuchung zeigten zwar beide Gruppen gute klinische Ergebnisse,
bei den Patienten der operativen Behandlung wurde allerdings eine statistisch signifikant
bessere Kurzzeitschmerzreduktion (VAS) in Ruhe gemessen [28]. Langzeitergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien, insbesondere im Vergleich
mit evidenzbasiert gesichert wirksamen trainingstherapeutischen Behandlungsstrategien,
stehen derzeit an sämtlichen Lokalisationen noch aus.
Kortison
Trotz fehlender pathophysiologischer Begründung bei nicht nachgewiesener Inflammation
zeigen Kortisoninjektionen sowohl bei Achillessehnen- als auch bei Patellarsehnentendinopathien
Kurzzeiteffekte, die allerdings nicht über den Effekt anderer konservativer Behandlungsalgorithmen
hinausgehen. Langzeitergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien zur Wirkung
von Kortison bei chronischen Tendinopathien liegen derzeit nicht vor. In einer Nachuntersuchung
zur Wirkung einer ultraschallgesteuerten Kortisoninjektion bei Ursprungstendinopathien
der Ischiokruralmuskulatur zeigten sich die Beschwerden nach 6 Monaten bei noch 25 %
der Patienten persistent. Belegt sind dagegen unerwünschte Nebenwirkungen der Kortisonbehandlung
mit Mikro-, Teil- und Komplettrupturen von Sehnen. Der Einsatz von Kortisoninjektionen
sollte daher, zumindest im intratendinösen Verlauf, unterbleiben.
Andere Substanzen
Vereinzelte Arbeiten berichten über positive Wirkungen bei Anwendung von Injektionen
mit Aprotinin, hyperosmolarer Dextrose oder die topische Anwendung von Glycerylnitraten.
Die Effektivität dieser Substanzen in der Behandlung von Tendinopathien kann jedoch
aufgrund der sehr spärlichen Datenlage derzeit nicht beurteilt werden. Die vielfach
propagierte Applikation von Platelet Rich Plasma (PRP) zeigte sich in einer kürzlich
veröffentlichten randomisiert-kontrollierten Studie als unwirksam. An Patienten mit
Achillessehnentendinopathie wurde die Wirkung von PRP mit einer Placeboinjektion mit
NaCl zusätzlich zu exzentrischem Training verglichen. Weder in Bezug auf Schmerz und
Funktion noch auf die Gewebemorphologie – ermittelt über die sonografische Gewebecharakterisierung
(UTC) sowie das Ausmaß der Neovaskularisierung mittels Doppler-Ultraschall (CDU) –
zeigte sich zwischen den Gruppen ein Unterschied. Die in beiden Gruppen vorhandenen
positiven Therapieeffekte werden von den Autoren auf das von allen Patienten identisch
absolvierte exzentrische Trainingsprogramm zurückgeführt [5].
Weitere Verfahren
Sporteinlagen
Der Einsatz von Schuheinlagen im Sport wird zur Behandlung belastungsbedingter Beschwerden
der unteren Extremität zumeist als zusätzliches Verfahren in ein multimodales Therapiekonzept
integriert. In neueren, randomisierten, kontrollierten Untersuchungen zeigte sich
jedoch, dass auch ein alleiniger Einsatz von Einlagen in der Therapie von Überlastungsbeschwerden
der unteren Extremität gute bis sehr gute Effekte auf die Schmerzreduktion (zumindest
in Einzelfall) haben kann [6]. Voraussetzung dabei ist allerdings die Verwendung semiindividuell angefertigter
Einlagen auf Basis der plantaren Druckverteilung. Als möglicher Wirkmechanismus wird
von den Autoren meist die Modulation der Muskelaktivität (beispielsweise des M. peronaeus)
diskutiert [37]. Besonders wirksam zeigte sich der Einsatz in der Therapie von Tendinopathien der
Achilles- und Patellarsehne sowie dem Tractus-iliotibialis-Syndrom [6].
Operative Behandlung
Bei fehlendem Ansprechen der Patienten auf konservative Therapieverfahren nach 3–6
Monaten konsequenter Behandlung wird von einigen Autoren die Indikation zum operativen
Vorgehen gesehen [1], [38]. In verschiedenen Arbeiten wird über größtenteils gute bis exzellente Ergebnisse
bei Tendinopathien unterschiedlicher Lokalisationen berichtet [10]. In erster Linie erfolgt dabei ein Débridement mit Abtragung des tendinopathisch
veränderten Gewebes mit Entfernung bzw. Inzision der vom Peritendineum einsprossenden
Neovaskularisationen. Allerdings ist bislang der Nutzen des Entfernens der veränderten
Gewebeareale für die Patienten nicht abschließend geklärt [38]. Des Weiteren fehlen derzeit standardisierte und evidenzbasierte Nachbehandlungsschemata
nach chirurgischem Vorgehen.
In den vergangenen Jahren wurden zunehmend minimalinvasive Operationstechniken zur
Behandlung höhergradiger Tendinopathien an unterschiedlichen Lokalisationen entwickelt.
Alfredson berichtet über sehr gute Ergebnisse mit deutlicher Schmerzreduktion bei
über 90 % der operierten Patienten mittels der sog. „Scraping-Methode“ bei Achillessehnentendinopathien
[28]. Unter dopplersonografischer Kontrolle wird am ventralen Peritendineum entlang der
stark vaskularisierten Zone eine Inzision in Längsrichtung durchgeführt. Die Behandlung
zielt somit ähnlich der Sklerosierung auf die Unterbrechung der Neovaskularisierung
und der parallel verlaufenden Nervenfasern. In einer Nachuntersuchung zeigte sich
allerdings nach 18 Monaten kein statistisch signifikanter Unterschied im Vergleich
zum perkutanen „Scraping-Verfahren“ mittels Kanüle (VAS-Werte: 69 auf 6; 73 auf 2).
Ein zusätzlicher Nutzen durch die offene Behandlung bleibt daher zu diskutieren. Grundsätzlich
sind bislang keine prospektiven Daten zum Behandlungsergebnis nach chirurgischer Therapie
verfügbar, sodass die Ergebnisse der Studien mit operativer Intervention mit Zurückhaltung
interpretiert werden müssen.
Beurteilung
Patienten mit Tendinopathien verschiedener Lokalisationen sprechen in der Regel gut
bis sehr gut auf konservative Therapieverfahren an. Exzentrisches Training zeigt bereits
nach wenigen Monaten zum Teil hervorragende Behandlungsergebnisse bei Patienten mit
Achilles- und Patellarsehnentendinopathien. Im frühen Stadium der Tendinopathie sind
bei vielen Patienten bereits wenige Behandlungen mit exzentrischem Training, ggf.
in Kombination mit sensomotorischen und physiotherapeutischen Maßnahmen, ausreichend,
um Schmerzfreiheit oder zumindest eine deutliche Schmerzreduktion zu erreichen. Bei
höhergradiger Pathologie und länger bestehenden Beschwerden ist hingegen von einem
deutlich längeren Therapiezeitraum (in der Regel mindestens 3 Monate) auszugehen.
Multimodale Therapieansätze sind dabei meistens sinnvoll. Bei ausgeprägten Befunden
und längerer Therapiedauer sind häufigere ärztliche Verlaufskontrollen zur Überprüfung
der Belastbarkeit mit nachfolgender Anpassung des Therapieschemas (ggf. in direkter
Rücksprache mit dem Therapeuten) nötig.
Erst bei Versagen der konservativen Behandlung über zumindest mehrere Monate sollte
der Einsatz eines Operationsverfahrens erwogen werden. Ziel dabei ist vorrangig, den
Patienten durch Schmerzlinderung ein intensiviertes Training zu ermöglichen.
Zur Behandlung von Tendinopathien anderer Lokalisationen als an Achilles- und Patellarsehnen
liegen bislang nur unzureichende wissenschaftlich überprüfte Daten vor, um eine abschließende
Beurteilung evidenter Therapiekonzepte zu erlauben. Meist wird daher das in der Therapie
von Achilles- und Patellarsehnentendinopathien generierte Wissen auf andere Lokalisationen
übertragen und dort modifiziert angewandt. Inwiefern diese Übertragung gerechtfertigt
ist, muss in zukünftigen Längsschnittstudien mit wissenschaftlichen Designs überprüft
werden.
[Tab. 3] zeigt eine aktuelle Übersicht der Studienlage zur Evidenz der üblicherweise genutzten
Therapieverfahren in der Behandlung von Tendinopathien.
Tab. 3 Evidenz zur Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen in der Behandlung von Tendinopathien
(bevorzugt Achilles- und Patellarsehne).
Therapieform
|
Differenzierung
|
Bewertung
|
+++ hohe Wirksamkeit, ++ moderate Evidenz, +o geringe bzw. fragliche Wirksamkeit/ggf.
Praxisrelevanz, wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. oo kein Nachweis bzw.
keine Wirkung.
|
Trainingsformen
|
exzentrisches Training
|
+++
|
Heavy Slow Resistance Training
|
++
|
sensomotorisches Training
|
+o
|
Stoßwellentherapie
|
radiale SWT
|
++
|
fokussierte ESWT
|
++
|
physiotherapeutische Maßnahmen
|
Querfriktionen
|
+o
|
Ultraschalltherapie
|
oo
|
Sporteinlagen
|
|
++/+o
|
Injektionstherapien
|
Polidocanol
|
++/+o
|
Kortison
|
+o/oo
|
Platelet‐Rich‐Plasma (PRP)
|
oo
|
|
andere Verfahren (z. B. Aprotinin, Dextrose und Hämolysate)
|
+o
|
Exzentrisches Training ist in der Therapie von Tendinopathien effektiv und sollte
daher derzeit als Behandlungsmaßnahme der ersten Wahl betrachtet werden. Zur Verbesserung
der Lastkompensation ist die parallele Durchführung von sensomotorischen Übungen unter
Last empfehlenswert. Die Belastungshäufigkeit reicht in Abhängigkeit des Trainingsumfangs
von 3-mal wöchentlich bis mehrmals täglich. Dabei scheinen möglichst hohe Intensitäten
im Training (an der Schmerzgrenze) am effektivsten. Die Stoßwellentherapie zeigt besonders
bei Ursprungs- und Ansatztendinosen gute klinische Ergebnisse. Langzeitergebnisse
zur abschließenden Beurteilung der Effektivität bei Tendinopathien stehen allerdings
noch aus. Physiotherapeutische Maßnahmen und Sporteinlagen sind allenfalls in Kombination
mit den genannten trainingstherapeutischen Maßnahmen sinnvoll. Bei Versagen der konservativen
Therapieschemata können unterschiedliche Operationstechniken in Betracht gezogen werden.