Z Gastroenterol 2016; 54(08): 1017-1019
DOI: 10.1055/s-0042-112160
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Ergebnisse einer retrospektiven Untersuchung – Endoskopische Diagnostik und Therapie der Papillenadenome

Horst Grimm
,
Inga Grimm
,
Alexander Arlt
,
Mark Ellrichmann
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Publication Date:
29 August 2016 (online)

Papillenadenome (PA) sind prämaligne Läsionen mit einer Prävalenz von 0,04 bis 0,12 Prozent. Die Entartungsrate wird in der Literatur mit 25 bis 85 Prozent für das sporadische Adenom und ca. 4 Prozent für Patienten mit Familiärer Adenomatöser Polyposis coli (FAP) angegeben.

Ein großer Teil der PA sind endoskopische Zufallsbefunde, ein kleiner Teil wird bei der endoskopischen Abklärung einer sonographisch nachgewiesenen Gallen- und / oder Pankreasgangdilatation diagnostiziert oder kann mit einer Cholestase, Oberbauchschmerzen, Pankreatitis oder Blutungen einhergehen. Bei der Behandlung des PA hat die endoskopische Papillektomie (EP) in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Allerdings sind die Daten zur Patientenselektion, als auch die der Ergebnisse und Komplikationsraten sehr heterogen. Im Folgenden präsentieren wir unsere Ergebnisse der EP bei der Behandlung von PA.

Präinterventionelle ambulante Diagnostik

97 Patienten mit potentiell endoskopisch therapierbaren Papillentumoren wurden präinterventionell durch eine Duodenoskopie mit Biopsien und einer radialen Endosonographie (EUS) untersucht. Von den 97 Patienten wurden 81 Prozent primär von niedergelassenen Kollegen wegen der eingangs erwähnten Befunde bzw. Symptomen in unsere Praxis vorgestellt bzw. die Primärdiagnose in unserer Praxis erhoben. Bei 19 Prozent der Patienten, die direkt stationär eingewiesen wurden, erfolgte die diagnostische Abklärung im Rahmen des stationären Aufenthaltes. Patienten mit einem invasiven Karzinom in den Biopsien, endosonographisch festgestellter Infiltration der Muskelschicht der Duodenalwand oder einem longitudinalen intraductalen Wachstum > 1 cm im Gallengang wurden von der EP mit kurativen Ansatz ausgeschlossen.


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Stationäre endoskopische Therapie (EP)

Ziel der EP war die Resektion der Papille „en bloc“ [Abb. 1, 2, 3]. Bei flächenhafter Ausbreitung des Adenoms erfolgte zusätzlich die Resektion in Piecemeal Technik. Kleinste Adenomreste wurden mit Argon Plasma Koagulation (APC), koaguliert. Bei Verdacht auf ein intraductales Adenomwachstum wurde eine Endoskopische Papillotomie (EPT) der Gallengang- bzw. Pankreasgang-Öffnung angestrebt und im Einzelfall eine Cholangioskopie durchgeführt. In allen Fällen wurde eine sparsame EPT des Pankreasporus mit oder ohne prophylaktische Stenteinlage angestrebt. Die endoskopische Behandlung wurde bis zur vollständigen Entfernung des Adenoms fortgesetzt.

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Abb. 1 (li.) EP. Platzierung der monofilen Schlinge. (mi.) Endoskopisches Bild nach EP. Darstellung der Gangöffnungen. (re.) Endoskopischer Ausschluss eines Rezidivs mehrere Monate nach EP. Gg = Gallengangöffnung; PG = Pankreasgangöffnung.

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Ambulante Nachuntersuchungen

Die erste endoskopische Kontrolle erfolgte drei Monaten nach Abschluss der Behandlung, dann über ein Jahr in Abständen von sechs Monaten, danach jährlich. Auch bei unauffälligem endoskopischen Befund wurden Biopsien entnommen. Die endoskopische Nachsorge erfolgte in allen Fällen über unsere Praxis.


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Ergebnisse

Entsprechend der genannten Selektionskriterien wurden von den 97 Patient 63 endoskopisch behandelt. Es handelte sich um 38 Frauen und 26 Männer im Alter zwischen 15 und 90 Jahren (mittleres Alter: 59 Jahre). Bei 16 Prozent lag eine FAP vor. Die Histologie der Biopsien stimmte mit der des Resektates in 53 Prozent der Fälle überein. Villöse Adenomanteile und hochgradige Dysplasien (HGD) wurden durch die Biopsien respektiv in 61 Prozent und 22 Prozent der Fälle erfasst. Bei HGD in den Biopsien lag im Resektat in 71 Prozent der Fälle bereits ein invasives Karzinom vor. Für die Karzinomdiagnose lag die Sensitivität der Biopsien bei 11 Prozent und die Spezifität bei 100 Prozent. In 12 Prozent der Fälle wurde die präinterventionelle Adenomdiagnose im Resektat nicht bestätigt. Die Rate falsch positiver Adenomdiagnosen betrug 31 Prozent bei Papillentumoren bis 1 cm.

Invasive Karzinome wurden durch die EUS in nur 11 Prozent und eine Gallengangsbeteiligung in nur 14 Prozent der Fälle erfasst. Ergebnisse der EUS mit Trefferquoten über 80 Prozent bei Papillenprozessen beziehen sich vorwiegend auf das Staging von Papillenkarzinomen mit einem hohen Anteil ausgedehnter Befunde. In unserem Kollektiv gelang die vollständige Adenomresektion in 98 Prozent der Fälle. Mit einer Ausnahme, wurden nur Patienten ohne invasives Karzinom im Resektat berücksichtigt. In diesen Fällen wurde, auch bei einer „Resektion im Gesunden“, die Indikation zur Chirurgie gestellt.

Im Durchschnitt waren 1,4 endoskopische Eingriffe pro Patient erforderlich. Literaturangaben über geringere Resektionsraten sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass invasive Karzinome in der Bewertung mit eingeschlossen wurden. Darüber hinaus führt der Befall des distalen Gallenganges zu einer deutlich geringeren Resektionsrate.

Komplikationen traten in 12,7 Prozent der Fälle auf. Häufigste Komplikation der EP ist die Pankreatitis, die bei unseren Patienten in 8 Prozent der Fälle auftrat. Die meisten Literaturangaben dazu belaufen sich auf 10 bis 20 Prozent. In der Regel können diese Pankreatitiden konservativ behandelt werden, allerdings wird über schwere Verläufe in bis zu 10 Prozent der Fälle berichtet. In unserer Untersuchung kam es einmal zu einer nekrotisierenden Pankreatitis, die durch endoskopische Nekrosektomie erfolgreich behandelt wurde.

Zeitverzögerte Nachblutungen traten in 3 Prozent der Fälle auf und konnten alle endoskopisch gestillt werden. Zweimal kam es zu einer Perforation, die einmal erfolgreich endoskopisch und einmal chirurgisch behandelt wurde. In unserem Kollektiv sind keine Todesfälle zu verzeichnen. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass vereinzelt über Todesfälle durch schwere Pankreatitiden berichtet wurde.


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Follow up

Eine Nachsorge war bei 36 Patienten möglich. Die Beobachtungszeit betrug fünf bis 252 Monate (mittlere Beobachtungszeit: 91,6 Monate, mittlere Abweichung 69,1 Monate) Bei 33,33 Prozent der Patienten kam es zu low-grade Adenomrezidiven, die in 89,5 Prozent der Fälle nur durch die Biopsien diagnostiziert wurden. Alle Rezidive wurden endoskopisch erfolgreich behandelt. In anderen Serien mit Rezidivraten von ca. 16 Prozent ist die mittlere Beobachtungszeit deutlich kürzer als in unserer Untersuchung. Der späteste Zeitpunkt bis zum Auftreten des ersten Rezidivs betrug 96 Monate. In der Langzeitbeobachtung kam es bei einem Patienten wegen einer narbigen Stenose der Pankreasgangöffnung zu Pankreatitiden. Die Stenose konnte durch eine erneute EPT beseitigt werden.


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Schlussfolgerungen

Durch die Erfassung und Abgrenzung ausgedehnter infiltrativer Prozesse im pankreatobiliären System trägt die EUS wesentlich zur Selektion der Patienten für unterschiedliche Therapiekonzepte bei. Für die Detektion von frühinvasiven Karzinomen bei PA scheint die EUS jedoch nicht geeignet zu sein.

Sowohl aus diagnostischer als auch aus therapeutischer Sicht sollte die Resektion der PA angestrebt werden. Dafür stellt die EP ein effektives und komplikationsarmes Verfahren dar. In Abhängigkeit von der histologischen Diagnose des Resektates kann dann die endoskopische Therapie fortgesetzt oder andere adäquate Therapiemaßnahmen eingeleitet werden.

Die meisten Komplikationen der EP können konservativ, endoskopisch oder durch nicht resektive chirurgische Maßnahmen behandelt werden. Schwerwiegende Komplikationen sind zwar selten, aber trotz fachgerechter Durchführung und prophylaktischer Maßnahmen möglich.

Durch die prophylaktische Drainage des Pankreasganges kann die Pankreatitis zwar nicht immer vermieden, aber ihre Häufigkeit deutlich reduziert werden. Beim Auftreten von Pankreatitiden nach Abschluss der endoskopischen Therapie ist die ERCP zur Abklärung und ggf. Therapie einer Striktur an der Pankreasgangöffnung mittels EPT dringend angezeigt. Aufgrund unserer Ergebnisse ist die langfristige endoskopische Nachsorge mit regelmäßiger Entnahme von Biopsien bei der Duodenoskopie zu empfehlen.


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