tk 2016; 12(03): 16
DOI: 10.1055/s-0042-112723
Praxismanagement
Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG

Warum Kunden die Praxis nicht (mehr) besuchen

5 mögliche Gründe und Gegenmaßnahmen
Antje Blättner
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Antje Blättner
Vetkom GmbH
67146 Deidesheim

Publication History

Publication Date:
16 August 2016 (online)

 

Es ist ein ganz natürlicher Vorgang, dass Kunden „ihre“ Tierarztpraxis verlassen – das hat viele verschiedene Gründe und nicht nur den einen, der in Praxisteams oft als universelle Begründung herhalten muss: „Wir sind dem Kunden zu teuer“.


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Doch der Gedanke, dass die Praxis „zu teuer“ ist, ist zu einfach und reduziert den tatsächlichen Sachverhalt auf gefährliche und manchmal auch bequeme Weise, denn nun ist ja nicht die Praxis schuld am Kundenverlust, sondern der Preis und der Kunde. Doch Studien zeigen, dass, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis passt, zufriedene Kunden den Preis nicht als Hauptkriterium für die Tierarztwahl heranziehen und somit die Preis-Begründung wegfällt ([Abb. 1]).

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Abb. 1  Kriterien für die Tierarztwahl.(© Enymag.hnc)
Merke

Auch wenn der Kunde sagt „Das ist mir zu teuer!“ kann der wahre Grund für die Ablehnung ganz woanders liegen und sollte vom Praxisteam ergründet werden.

Wahre Gründe

Doch was bleibt, wenn das Preis- und „Zu-teuer“-Argument entfällt? Dann ist es Zeit, sich mit anderen Gründen zu beschäftigen, die für Kundenverlust und Kundenmigration verantwortlich sind – Gründe, die aktiv angegangen werden können und müssen ([Abb. 2]).

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Abb. 2   Mögliche Gründe für Kundenverlust.(© A. Blättner)

Um herauszufinden, was genau Kunden im wahrsten Sinne bewegt, nämlich weg von der Stammpraxis, muss man streng genommen den Kunden selbst fragen. Das bedeutet, dass regelmäßige Umfragen in der Kundschaft das beste Instrument sind, um die eigenen Tierbesitzer zufrieden zu halten und ihnen das anzubieten, was sie sich wünschen – denn Kunden sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Im Internet und in den Printmedien gibt es zahlreiche Anleitungen für kurze Befragungen, die mindestens alle 2 Jahre durchgeführt werden sollten. Wichtig sind dabei – besonders bei Neukunden – auch folgende 2 Fragen „Würden Sie unsere Praxis weiterempfehlen?“ und „Werden Sie uns wieder besuchen?“, denn diese Fragen bringen die Kundenzufriedenheit auf den Punkt – wer weiterempfiehlt und wiederkommt ist (weitgehend) zufrieden und der Preis spielt eine untergeordnete Rolle!

Merke

Wer seine Kunden in die Servicegestaltung einbezieht und individuelle, kundenorientierte Leistungen bietet, begeistert und bindet seine Kunden.


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Unwissenheit

Viele Kunden denken, dass sie ihr Tier nur in der Praxis vorstellen müssen, wenn es akut krank ist oder eine Nachimpfung ansteht. Das bedeutet, dass vorbeugende Gesundheitschecks z. B. für Welpen, erwachsene und ältere Tiere nahezu unbekannt sind und Tierbesitzer – besonders (Wohnungs-)Katzenbesitzer – häufig nicht wissen, dass Impfungen ein ganzes Tierleben lang immer wieder aufgefrischt werden müssen. Charakteristisch dafür ist die häufig von Katzenkunden gemachte Aussage „Ich habe gedacht, dass die Grundimpfung reicht, wenn die Katze nicht rausgeht“. Zudem haben gerade Katzenbesitzer oft Vorbehalte, ihr Tier „ohne Grund“ – d. h. das Tier erscheint gesund – in die Praxis zu bringen. Es bedeutet für das Tier und somit auch für den Kunden massiven Stress, die Katze zu fangen, in den Transportkorb zu sperren, mit ihr Auto zu fahren und im Wartezimmer mit anderen Tieren (großen Hunden!) zu warten. So ergibt sich oft ein Teufelskreis aus Unwissenheit, falsch verstandener Stressvermeidung und verschleppten Krankheiten bzw. mangelnder Vorsorge.

Kunden schulen!

Für ein umfassendes Wissen der Kunden gibt es nur ein Rezept: Aufklären, Informieren, Wiederholen, immer wieder – das gehört zu unserem Job. Das bedeutet, sich im Praxisteam zu überlegen, welche Fragen immer wieder von Kunden gestellt werden, welche Themen für Kunden interessant sein könnten, diese aufzuschreiben und zusammenzutragen, welche Wissenslücken im Kundenkontakt zutage treten (s. Impfung). Mit diesen Fakten lassen sich dann ganz gezielt Informationsmaterialien für bestimmte Zielgruppen gestalten bzw. aus vorhandenen Broschüren und Flyern zusammenstellen. Dann müssen diese Informationen „nur noch“ den passenden Kunden erreichen, damit die sogenannte „Client Education“ (Kundenunterricht) Früchte tragen kann. Dies geht am effektivsten und erfolgreichsten, wenn dazu klare Verantwortlichkeiten vergeben werden: Wer ist bei welcher Kundengruppe für welchen „Unterricht“ verantwortlich? Die dauernde Information der Praxiskunden zu bestimmten Themen muss und soll im digitalen Zeitalter natürlich nicht nur persönlich und mündlich erfolgen, sondern auch über Medien wie Email, Homepage und soziale Medien. So wird die Reichweite für Informationen erhöht und Wiederholungen festigen die Botschaft.


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Umzug und andere Gründe

Manchmal gibt es ganz einfache, banale Gründe, warum ein Kunde nicht (mehr) kommt, z. B. das Tier ist gestorben oder der Kunde ist umgezogen. Diese Gründe liegen natürlich außerhalb des Einflussbereichs eines Praxisteams, betreffen jedoch laut einer Studie der AAHA (American Animal Hospital Association) bis zu 1/3 der Kunden einer Tierarztpraxis (www.aaha.org, 2014). Ein weiteres 1/3 der in o. g. Studie befragten Kunden gibt an, dass schlechter Service und mangelnde Kommunikation gewichtige Gründe sind, sich einen neuen Tierarzt zu suchen. Und lediglich 1/3 gibt Kosten als Grund an, den Tierarzt zu wechseln.

Service kommunizieren!

Damit eine Praxis mit ihrem Service nah am Kunden ist, sollte sie immer wieder ihre Kunden analysieren, d. h. mit Hilfe der EDV nach verschiedenen Gruppen sortieren. So ist es z. B. sinnvoll, herauszufinden, welche Tierarten gerade die Mehrheit in den Konsultationen stellen. Dieses Wissen bedingt dann zusammen mit den Ergebnissen von Kundenumfragen die Gestaltung eines passenden Service für die wichtigsten Kundengruppen der Praxis. Wichtige Servicemerkmale sind neben passenden Öffnungszeiten natürlich auch Leistungen wie z. B. Liefer- und Bestellservice für Arzneimittel und Produkte, Terminsprechstunden für bestimmte Kundengruppen (Katzensprechstunde ohne Hunde im Wartezimmer), „Tiertaxi“ für Kunden ohne Auto und Hausbesuche. Damit die Kunden dann auch wissen, welchen besonderen Service „ihre“ Praxis speziell für sie gestaltet, ist es wichtig, die Ergebnisse von Recherche und Umfrage offen – z. B. im Wartezimmer und auf der Homepage – zu präsentieren, denn nur was der Kunde weiß, weiß er auch zu schätzen. Wenn Kunden „schlechte“ Kommunikation als Wechselgrund anführen, ist es oft nicht ein Mangel an Informationen, sondern eher ein Mangel an kundengerechten Informationen. Das bedeutet, das Praxisteam muss sich immer wieder aktiv darum bemühen, mit seinen Beratungen und Erklärungen nah am Kunden zu bleiben und nicht in wissenschaftliche „Mini-Vorträge“ zu fallen. Dazu gibt es eine einfache Maßnahme – fragen Sie den Kunden: „Was interessiert Sie zum Thema XY am meisten?“ Das Praxisteam hat damit die Chance, dem Kunden genau die Informationen zu geben, die für ihn relevant und interessant sind, bevor es ein anderer (Anbieter) tut!


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Vergissmeinnicht

Viele Praxen senden routinemäßig Impferinnerungen an ihre Kunden – viele Teams verfolgen dann allerdings nicht, ob die angeschriebenen Kunden tatsächlich aufgrund der Aufforderung ihr Tier in der Praxis vorstellen. Doch diese arbeits- und damit auch kostenintensive Marketingmaßnahme (Zeit, Personal, Porto etc.) sollte nachverfolgt werden, indem man die Tierbesitzer fragt, ob sie eine Erinnerung aus der Praxis bekommen haben. Kunden freuen sich meist über die Aufmerksamkeit und geben als Grund an, warum sie nicht aktiv geworden sind, dass die Terminvereinbarung im Alltag „untergegangen“ ist. Hier eröffnet sich durch ein Gespräch die Reaktivierung dieses Kunden! Doch auch die Praxis „vergisst“ die Kunden, so z. B. die Besitzer von Tieren, die eine Dauerbehandlung wegen chronischer Erkrankungen brauchen. Dies tritt z. B. zutage, wenn Kunden mit herzkranken Tieren erst die Praxis konsultieren, wenn Hund oder Katze (wieder) mit akuter Symptomatik auf sich aufmerksam machen.

Kontakt halten!

Tierbesitzer, die bereits Kunden einer Praxis sind, sind 4 × leichter zu binden, als neue Kunden zu gewinnen sind. Das bedeutet, Zeit und Energie, die das Praxisteam in bestehende Kunden investiert, tragen mehr Früchte als Aktionen, die darauf zielen, neue Kunden anzuziehen. Zu den klassischen Kundenbindungsmaßnahmen gehören sogenannte „Recalls“ (engl. Rückruf), das sind Mitteilungen an den Kunden, die ihn an wichtige und gesundheitsfördernde Leistungen der Praxis für sein Tier erinnern. Zu diesen Erinnerungen zählen z. B. die von vielen Praxen versandten „Impferinnerungen“, Mitteilungen zum Thema Endo- und Ektoparasitenvorbeugung und Wiederholung von Maßnahmen zur Läufigkeitskontrolle.

Doch natürlich kann es in diesem Bereich noch mehr und individuellere, kundenbindende Maßnahmen geben! So kann z. B. Kunden, deren Tiere auf bestimmte Dauermedikation oder (Diät-)Futtermittel angewiesen sind, ein spezieller Erinnerungsservice angeboten werden, bei dem der Kunde bestimmt, in welcher Form er angesprochen werden möchte: Telefon, Email oder SMS. Dies kostet natürlich Zeit, aber gerade vor dem Hintergrund, dass Kundenpflege sich mehr auszahlt als Kundenakquise, machen solche und ähnliche Angebote Sinn. Fragen Sie doch einfach proaktiv Ihre Kunden: „Wie können wir Sie im Alltag bei der Behandlung Ihres Tieres unterstützen?“ Jede Wette – Ihren Kunden fällt dazu etwas Sinnvolles ein! Und selbst, wenn nicht – allein die Tatsache, dass Sie nachfragen, zeigt dem Kunden, dass Sie daran interessiert sind, ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Dies erzählt er dann natürlich auch seiner Familie, seinen Freunden und Bekannten, sodass aus einer einfachen Frage eine wirkungsvolle Marketingmaßnahme wird.

Merke

Viele Informationen und Maßnahmen zur Behandlung und Prophylaxe von Krankheiten gehen im Alltag des Tierbesitzers unter – individuelle Recall-Maßnahmen helfen gegen das Vergessen.


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Der Preis

Natürlich gibt es auch Kunden, die explizit den Preis als Grund nennen, eine Praxis nicht mehr zu besuchen. Auch wenn dies nicht die Mehrheit der Kunden darstellt, ist es doch ein Konflikt, mit dem das Praxisteam immer wieder zu tun hat. Und da der Mensch leider dazu neigt, negative Ereignisse intensiver im Gedächtnis zu speichern als positive, beschäftigen die „Preisnörgler“ das Praxisteam länger als nötig. Doch auch hier gilt: ein professionelles Handling entschärft die Situation und lenkt den Blick des Kunden (und des Teams) auf die positiven Eigenschaften der Praxis und ihrer Leistungen.

Preisnörgler

Um Kunden, die nach einer Konsultation tatsächlich den Preis bemängeln, professionell zu „behandeln“, ist es wichtig, diese ernst zu nehmen und zwischen Ein- und Vorwand zu unterscheiden. Doch zunächst ist es ein großer Unterscheid, ob ein Kunde vor dem Praxisbesuch, meist am Telefon, in eine Preisdiskussion einsteigt oder nach Inanspruchnahme tierärztlicher Leistungen. Hinter Preisabfragen vor einer Konsultation stecken oft eher „Preisshopper“, die den billigsten Anbieter für eine Leistung suchen – sie sind leicht zu entlarven, indem man nach Namen und Telefonnummer fragt und einen Rückruf mit Termin anbietet. Der Preisshopper nimmt dieses Angebot in der Regel nicht an und ist damit „aus der Leitung“. Mit Kunden, die echtes Interesse zeigen, können im Rückruf (besser noch: persönlich in der Praxis) Leistung und Preis besprochen werden. Für Tierbesitzer, die bereits Kunden sind und dann nach einer Konsultation an der Kasse Unmut über den Preis äußern, ist der Preis oft ein Vorwand, d. h. der Kunde ist über irgendetwas anderes unzufrieden und macht es am Preis fest. Da hilft proaktiv zu reagieren und nachzuhaken: „Was genau erscheint Ihnen zu teuer?“, um dann je nach Situation passend zu handeln. Oft genug ist eine mangelnde Preistransparenz und -aufklärung im Vorfeld diagnostischer und operativer Leistungen (Blutuntersuchung, Röntgendiagnostik, Chirurgie) der Auslöser für Überraschung, Enttäuschung und Ärger beim Kunden. Hier ist die Lösung einfach und liegt auf der Hand: vor weitergehenden Untersuchungen und Eingriffen offen über die Kosten sprechen!


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Einwand oder Vorwand?

Manchmal benutzen Kunden ein „nein“ oder ein „zu teuer“ einfach nur, weil sie z. B. gerade keine Zeit oder keine Lust haben, sich konkret mit einem Angebot auseinander zu setzen. Das kommt immer mal wieder vor, ist ein ganz normales Ereignis und sollte das Praxisteam nicht nachhaltig negativ beeindrucken. Doch es kann auch sein, dass der Kunde nein sagt, weil er den Nutzen für sich und sein Tier nicht erkennt – dann darf es der Praxis auf keinen Fall egal sein, dass der Kunde ein Angebot verneint, denn in diesem Fall liegt der „Fehler“ meist in der Kommunikation. Damit das Praxisteam auf den wahren Grund der Ablehnung kommt, gibt es einen einfachen Trick: Fragen Sie den Kunden, der „zu teuer“ sagt: „Wenn der Preis passen würde, würden Sie dann kaufen?“ ([Abb. 3]). Wenn der Kunde auf diese Frage „ja“ sagt, dann liegt seitens des Tierbesitzers ein echter Einwand vor, d. h. die Ablehnung bezieht sich tatsächlich auf den Preis. In diesem Fall gibt es wenig Handlungsspielraum, denn den Preis zu senken, um Zustimmung zu erlangen, ist keine gute Strategie. Es macht keinen Sinn, ein (vorher) qualitativ hochwertig dargestelltes Angebot preislich zu reduzieren, weil der Kunde es sich nicht leisten kann oder will. Sinnvoll ist hier, einmal (s. o.) nachzufragen, was genau zu teuer erscheint, manchmal kommt dabei heraus, dass der Kunde die Informationen des Teams (doch) nicht richtig verstanden hat und es besteht Chance zur Klärung. Sagt der Kunde bei der Preis-Frage „nein“, dann benutzt der Kunde das Nein als Vorwand, d. h. die wahren Gründe sind noch verborgen und es liegt nicht am Preis. Dann sollte gefragt werden: „Welche Informationen kann ich Ihnen noch geben“ oder „Was fehlt, damit Sie mein Angebot annehmen?“ oder „Welche Zweifel haben Sie noch?“ Mit diesen Fragen lässt sich das „vorwändige“ Nein ergründen und evtl. mit besserer Nutzen-Kommunikation in ein Ja verwandeln.

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Abb. 3  Unterscheidung von Einwand und Vorwand.(© A. Blättner)

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Zusammenfassung

Kundenverlust ist ein ganz normaler Prozess im Geschäftsleben, doch das Ziel muss sein, mit folgenden Schlüsselthemen die eigenen Kunden zu pflegen, bevor ein anderer Anbieter dies übernimmt:

  • Kundenanalyse und Kundenbefragung zur Gestaltung optimaler Leistungen und Serviceangebote,

  • kundengerechte Kommunikation innerhalb (persönlich) und außerhalb (Medien) der Praxis,

  • individuelle Maßnahmen zur Kundenbindung (Recalls),

  • Kundenbildung (Client Education) für ein gesteigertes

  • (Gesundheits-)Bewusstsein der Kunden, gegen das Vergessen wichtiger Prophylaxe- und Behandlungsmaßnahmen,

  • professionelle Kommunikation rund um die Kosten tierärztlicher Leistungen und Produkte, konstruktive Auseinandersetzung mit Preisanfragen und „Preisnörglern“.


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Antje Blättner
Vetkom GmbH
67146 Deidesheim

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Abb. 1  Kriterien für die Tierarztwahl.(© Enymag.hnc)
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Abb. 2   Mögliche Gründe für Kundenverlust.(© A. Blättner)
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Abb. 3  Unterscheidung von Einwand und Vorwand.(© A. Blättner)