Hebamme 2016; 29(04): 202
DOI: 10.1055/s-0042-112858
Editorial
Hippokrates Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Herausforderungen in der Geburtshilfe

Christine Allgeier
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Publication Date:
09 September 2016 (online)

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was erleben Sie als Herausforderung?

Eine Herausforderung ist etwas, das uns zum Handeln veranlasst. Und Handeln ist alles das, was wir zielgerichtet tun oder unterlassen.

Paradoxerweise ist es gerade in der Geburtshilfe oftmals so, dass es das Unterlassen ist, das wir als ziemlich herausfordernd erleben: das Seinlassen von eingeübten Routinen, die gekonnte Nichtintervention, Hands-off bei der BEL, Abwarten bei Terminüberschreitung, sich gedulden in der Latenzphase.

Selbstverständlich sind Hebammen gerade in diesen Situationen zum zielgerichteten Tun veranlasst: Motivieren, Trösten, Ermutigen, Bestätigen, Beschützen – damit die Frauen sich einlassen können, damit sie mit ihren Wehen und der Situation zurechtkommen, damit sie eine Krise überwinden können.

Der Begriff Herausforderung kann auch kämpferisch verstanden werden: Unnötigen Kaiserschnitten den Kampf ansagen, um Leid zu ersparen. Die hohen Sectioraten in den Kliniken sind inzwischen für viele ein Anlass, die Ursachen zu erforschen, Neues auszuprobieren und vermeintliche Gewissheiten in Frage zu stellen. Ein Meilenstein auf diesem Weg ist die Auflösung der Gleichung einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt.

Gespräche über schwierige Themen führen, wie der Verdacht auf Alkoholkonsum in der Schwangerschaft, wird von vielen als herausfordernd erlebt, weil sie mit dem Risiko von Stigmatisierung verbunden sind und weil wir dabei Aspekte von Verantwortung und Schuld ansprechen.

Herausforderungen sind außerdem Situationen, in denen wir uns gefordert fühlen, weil uns Fragen begegnen, auf die wir keine Antworten wissen. So wie unsere gewohnten Beratungsinhalte oftmals nicht ausreichen für die Anliegen von Schwangeren und Müttern mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen.

Der Umgang mit Geburtswehen fordert sicher die meisten Frauen und überfordert manche, auch bei guter Hebammenbegleitung. Anästhesiologische Verfahren zur Schmerztherapie können die Begleitung flankieren.

Wachsen Sie an Ihren Herausforderungen! So lautete das diesjährige Motto auf dem Forum Geburtshilfe in Kassel. Für unseren Schwerpunkt in dieser Ausgabe Die Hebamme haben wir Referentinnen und Referenten des Forums Geburtshilfe gebeten, zu ihren Vorträgen Artikel zu schreiben. Herausgekommen ist ein spannender Schwerpunkt.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst

Ihre Christine Allgeier