Pneumologie 2016; 70(09): 605-607
DOI: 10.1055/s-0042-112898
Fallbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pulmonale Pichia guilliermondii-Infektion – Eine seltene Differenzialdiagnose pulmonaler Rundherde

Pichia guilliermondii Infection – A Rare Differential Diagnosis of Pulmonary Nodules
F. Frenzen
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Schwerpunkt Pneumologie
,
C. Röder
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Schwerpunkt Pneumologie
,
B. Wollschläger
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Schwerpunkt Pneumologie
,
E. Großer
2   Institut für Pathologie
,
K. Krohe
3   Universitätsklinik und Poliklinik für Herz- und Thorax-Chirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
,
B. Schmidt
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Schwerpunkt Pneumologie
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Frederik Frenzen
Medizinische Universitäts- und Poliklinik I
Schwerpunkt Pneumologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU-Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden

Publication History

eingereicht09 May 2016

akzeptiert nach Revision15 July 2016

Publication Date:
07 September 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Ein Patient stellte sich mit stechenden, atemabhängigen rechtsthorakalen Schmerzen und Ruhedyspnoe vor. Die körperliche Untersuchung und das EKG erbrachten keine relevanten Befunde. Im Labor fielen ein erhöhtes CRP, eine Leukozytose, elevierte D-Dimere sowie eine respiratorische Partialinsuffizienz auf. Eine Thorax-Angio-CT ergab unklare pulmonale Rundherde (RH). Die Bronchoskopie war makroskopisch unauffällig. In der BAL wurden Hefepilze sowie vermehrt immunseneszente Zellen (CD57+) identifiziert. Histologisch ergab sich aus einem Lungenteilresektat eine epitheloidzellig-granulomatöse Entzündung. Molekularpathologisch wurde ein myzetales Genom, im Speziellen Pichia guilliermondii (PC) nachgewiesen. Die Therapie mit Fluconazol war erfolgreich. PC verursacht selten Candidämien, bei immunsupprimierten Patienten vermehrt. Dies ist u. E. in Europa der erste beschriebene Fall einer PC-Infektion bei einem Patienten, der abgesehen von einem Diabetes Typ 2 keine Prädisposition für eine Infektion mit opportunistischen Erregern aufwies. Fazit: Bei unklaren pulmonalen RH, insbesondere bei prädisponierenden Faktoren, sollte auch an eine Pilzinfektion durch diese Erregergruppe gedacht werden.


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Abstract

A patient presented himself with pungent, breath-dependent right chest pain and dyspnea at rest in our emergency department. The physical examination and the ECG revealed no relevant findings. The laboratory results showed an increased CRP, leukocytosis, elevated D-dimers and a respiratory partial insufficiency. In the thoracic CT angiography unclear pulmonary nodules (PN) were seen. The bronchoscopy was macroscopically normal. In the BAL yeasts and a high proportion of immune senescence cells (CD57+) were identified. After a pulmonary wedge resection resulted histologically an epithelioid cell-granulomatous inflammation. Molecular pathological a mycelium genome, in particular Pichia guilliermondii (PC) was detected. The therapy with fluconazole was successful. PC rarely causes candidemia, increased in immunocompromised patients. In our judgement this is in Europe the first described case of PC-infection in a patient, which presented no predisposition to infection with opportunistic pathogens apart from type 2 diabetes. Conclusion: It should be thought of fungal infection by these pathogens group in case of unclear PN, especially in combination with possibly predisposing factors.


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Anamnese

Ein 64-jähriger Patient stellte sich in unserer Notaufnahme aufgrund von atemabhängigen, stechenden, linksthorakalen Schmerzen sowie Ruhedyspnoe vor. Weitere Symptome, insbesondere Fieber, wurden verneint. Folgende Vorerkrankungen bestanden: Adipositas permagna (BMI 43), Gonarthrose rechts mit Z. n. Arthroskopie vor 3 Monaten, Diabetes mellitus Typ 2 (insulinpflichtig), Schlafapnoe-Hypopnoe-Syndrom unter Therapie mit nasaler positiver Atemwegsdruckbeatmung (nCPAP), essentielle arterielle Hypertonie, Z. n. tiefen Beinvenenthrombosen mit oraler Antikoagulation mittels Rivaroxaban, chronische Gastritis sowie ein primäres Parkinsonsyndrom. Eine koronare Herzkrankheit wurde im Vorfeld ausgeschlossen.


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Status, Labor, primäre Diagnostik und initiale Verdachtsdiagnose

Der körperliche Untersuchungsbefund zeigte neben der Adipositas Hinweise auf eine Pneumonie (basale Rasselgeräusche). Im Labor imponierten erhöhte Entzündungsparameter (CRP 32 mg/l, Leukozyten 10.68 Gpt/l). In der kapillären Blutgasanalyse sahen wir eine respiratorische Partialinsuffizienz unter 3 l O2/min. Laborchemisch sowie elektrokardiografisch fand sich kein Hinweis auf einen Myokardinfarkt. Die transthorakale Echokardiografie war unauffällig. Das Röntgen-Thorax zeigte eine streifige Zeichnungsvermehrung rechts mit Unschärfe des rechten Herzrandes, vereinbar mit Infiltraten. Unter dem Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie begannen wir eine empirische antibiotische Therapie mit Ampicillin/Sulbactam, die im Verlauf aufgrund unzureichenden Therapieansprechens auf Ceftriaxon gewechselt wurde.


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Verlauf, weiterführende Diagnostik und endgültige Arbeitsdiagnose

Aufgrund der Dyspnoe sowie erhöhter D-Dimere in Verbindung mit einer vorausgegangenen Arthroskopie und seitdem pausierter Antikoagulation führten wir zusätzlich zum Ausschluss einer Lungenarterienembolie eine CT-Angiografie des Thorax durch. Hier ergab sich kein Hinweis auf eine Lungenarterienembolie. Allerdings zeigten sich mehrere Rundherde bis zu einem Durchmesser von ca. 2 cm, sodass sich der Verdacht auf intrapulmonale Metastasen eines bisher unbekannten Primärtumors ergab ([Abb. 1]). Die weiterführenden Untersuchungen mittels Ösophagogastroduodenoskopie, Koloskopie, Abdomen-Becken-CT und Sonografie der Schilddrüse und des Abdomens ergaben keinen weiteren Anhalt für ein Malignom bzw. einen Primärtumor.

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Abb. 1 Angio-CT des Thorax: mehrere noduläre Herde, überwiegend mit pleuralem Kontakt bis zu einem Durchmesser von ca. 2 cm. Größter Herd im Segment 10 links. Verdacht auf intrapulmonale Metastasen.

Zur weiteren Abklärung der pulmonalen Rundherde wurde eine Bronchoskopie durchgeführt. Hier sahen wir ein zentral unauffälliges Bronchialsystem. Die bronchoalveoläre Lavage war zellreich (Zellzahl: 10,77 × 108 ml) mit 10 % Neutrophilen, die Lymphozytenzahl war stark erhöht (48 %), mit normaler CD4/8-Ratio und einem hohen Anteil an immuneszenten Zellen (CD57+) als Hinweis für eine chronische T-Zell-Aktivierung. Eine bioptische Materialgewinnung aus den Rundherden gelang aufgrund der peripheren Lage derselben nicht. Zur weiterführenden histologischen Diagnostik erfolgten daher Keilexzisionen aus dem linken Lungenober- und -unterlappen. Histologisch konnte hier eine epitheloidzellig-granulomatöse Entzündung nachgewiesen werden (s. [Abb. 2 a, b]). Die Granulome waren nicht sarkoidosetypisch.

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Abb. 2 Histopathologie: nodöse, nekrotisierende, epitheloidzellig-granulomatöse Entzündung (a). Lymphknoten mit Anthrakosepigmentspeicherung und begleitender kleinherdiger Epitheloidzellreaktion (b). PCR-Nachweis: Pichia guilliermondii (PG). Diagnose: fokal chronisch organisierende Pneumonie und pulmonale Pilzinfektion mit PG.

Differenzialdiagnostisch ist bei granulomatösen Entzündungen neben einer Sarkoidose und Infektion mit Bakterien des Mykobakterium tuberculosis-Komplexes auch an Pilzinfektionen zu denken. Da in der Nukleinsäureamplifikation (PCR) kein Genom des Mykobakterium tuberculosis-Komplexes nachgewiesen werden konnte, wurde zur weiteren Ursachenabklärung eine Pilz-PCR veranlasst.

Es erfolgte eine Isolation von Gesamt-DNA aus 3 FFPE-Schnitten (10 µm) unter Verwendung des MagCore® Genomic DNA Tissue Kits und des MagCore® Extractor nach Protokoll des Herstellers (RBC Bioscience corp., Taipei City, Taiwan). Die DNA wurde in 60 µl Tris-HCl eluiert und die Konzentration am Nanodrop 1000 ermittelt (Thermo-Scientific, Wilmington, USA).

Die Amplifikation von Fungi-DNA und die Identifikation von möglichem Pilzgenom erfolgten unter Nutzung des FUNGIType2.1 LCD-Array-Kits nach Angaben des Herstellers (Chipron, Berlin, Deutschland). Die Analyse der PCR-Produkte erfolgte am QiaXcel-System (Qiagen, Hilden, Deutschland). 10 µl des PCR-Produktes wurden auf den LCD-Chip hybridisiert. Die Analyse des getrockneten Chips erfolgte am Chipron PF7250 Chip-Scanner (Chipron, Berlin, Deutschland).

Hierdurch konnte der Nachweis von myzetalem Genom erbracht werden, wobei in der Subtypisierung speziell Pichia guilliermondii (PG) nachgewiesen wurde. Aus tieferen Schnittstufen kamen dann in Spezialfärbungen (Versilberung nach Grocott) degenerativ veränderte Erregerstrukturen („sporenartige Korpuskel und hyphenartige Partikel ohne Verzweigung“) zur Darstellung.

Nach Eingang der Histologie leiteten wir eine 6-wöchige Therapie mit Fluconazol ein. Fluconazol ist bezogen auf die Daten der ARTEMIS DISK-Studie [1] bei PG nach Voriconazol die 2. Wahl, wurde von uns jedoch vor dem Hintergrund der Polypharmazie des Patienten bei günstigerem Wechselwirkungsprofil bevorzugt. Unter der antimykotischen Therapie besserte sich die Beschwerdesymptomatik deutlich. Weitere Kontrollen mittels CT-Thorax bis 0/2016 erbrachten den Nachweis einer vollständigen Regredienz der Raumforderungen.


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Diskussion

Pichia guilliermondii kommt ubiquitär vor und gehört zu der Non-Candida-albicans-Gruppe. Hierzu zählen weiterhin C. glabrata, C. krusei, C. lusitaniae und C. tropicalis. PG wurde aus Phlegmonen, Wunden, Sputum und Blut isoliert. PG gehört zu einer Erregergruppe, die nur für wenige Prozent aller Candidämien verantwortlich ist [2]. Gehäufte Fälle von Candidämien durch PG sind nur aus Lateinamerika dokumentiert [1]. Es besteht eine erhöhte Inzidenz von Fungämien mit Pichia guilliermondii bei immunsupprimierten Patienten (insbesondere Krebspatienten, AIDS-Patienten und Organtransplantierten) [2] [3] [4], häufig assoziiert mit Anlagen von zentralvenösen Kathetern, abdominalchirurgischen Eingriffen und Peritonealdialyse [5].

Dies ist unseres Erachtens in Europa der erste beschriebene Fall einer Pichia guilliermondii-Infektion bei einem Patienten, der, abgesehen von einem Diabetes Typ II, keine Prädisposition für eine Infektion mit opportunistischen Erregern aufwies. Als möglicher begünstigender Faktor muss die nCPAP-Therapie in Betracht gezogen werden. Mikrobiologische Studien konnten Kolonisationen der nCPAP-Geräte mit Pilzen nachweisen, wobei man nur Candida albicans fand und in keinem dieser Fälle eine Infektion der Atemwege nachgewiesen wurde [6]. Auch die radiologische Präsentation der Infektion als unklare Rundherde ist im Rahmen dieser infektiösen Erkrankung bislang nicht beschrieben.

Fazit

Auch bei Patienten mit unklaren pulmonalen Rundherden, die nicht die typischen Kriterien einer Immunsuppression erfüllen, sollte bei Vorliegen prädisponierender Faktoren differenzialdiagnostisch an seltene opportunistische Infektionen, respektive auch an eine Infektion durch Vertreter der Non-Candida-albicans-Gruppe (hier Pichia guilliermondii) gedacht werden.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Pfaller MA, Diekema DJ, Mendez M et al. Candida guilliermondii, an opportunistic fungal pathogen with decreased susceptibility to fluconazole: geographic and temporal trends from the ARTEMIS DISK antifungal surveillance program. J Clin Microbiol 2006; 44: 3551-3556
  • 2 Micelli M, Diaz J, Lee S. Emerging opportunistic yeast infections. Lancet Infect Dis 2011;
  • 3 Pasqualotto AC, Antunes AG, Severo LC. Candida guilliermondii as the aetiology of candidosis. Rev Inst Med Trop S Paulo 2006;
  • 4 Girmenia C, Pizzarelli G, Cristini F et al. Candida guilliermondii Fungemia in Patients with Hematologic Malignancies. J Clin Microbiol 2006; 44: 2458-2464
  • 5 Chen SCA, Marriott D, Playford EG et al. Candidaemia with uncommon Candida specie: predisposing factors, outcome, antifungal susceptibility, and implications for management. Clin Microbiol Infect 2009; 15: 662-669
  • 6 Hetzel J, Herb S, Hetzel M et al. Microbiological studies of a nasal positive pressure respirator with and without a humidifier system. Wien Med Wochenschr 1996;

Korrespondenzadresse

Dr. med. Frederik Frenzen
Medizinische Universitäts- und Poliklinik I
Schwerpunkt Pneumologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU-Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden

  • Literatur

  • 1 Pfaller MA, Diekema DJ, Mendez M et al. Candida guilliermondii, an opportunistic fungal pathogen with decreased susceptibility to fluconazole: geographic and temporal trends from the ARTEMIS DISK antifungal surveillance program. J Clin Microbiol 2006; 44: 3551-3556
  • 2 Micelli M, Diaz J, Lee S. Emerging opportunistic yeast infections. Lancet Infect Dis 2011;
  • 3 Pasqualotto AC, Antunes AG, Severo LC. Candida guilliermondii as the aetiology of candidosis. Rev Inst Med Trop S Paulo 2006;
  • 4 Girmenia C, Pizzarelli G, Cristini F et al. Candida guilliermondii Fungemia in Patients with Hematologic Malignancies. J Clin Microbiol 2006; 44: 2458-2464
  • 5 Chen SCA, Marriott D, Playford EG et al. Candidaemia with uncommon Candida specie: predisposing factors, outcome, antifungal susceptibility, and implications for management. Clin Microbiol Infect 2009; 15: 662-669
  • 6 Hetzel J, Herb S, Hetzel M et al. Microbiological studies of a nasal positive pressure respirator with and without a humidifier system. Wien Med Wochenschr 1996;

Zoom Image
Abb. 1 Angio-CT des Thorax: mehrere noduläre Herde, überwiegend mit pleuralem Kontakt bis zu einem Durchmesser von ca. 2 cm. Größter Herd im Segment 10 links. Verdacht auf intrapulmonale Metastasen.
Zoom Image
Abb. 2 Histopathologie: nodöse, nekrotisierende, epitheloidzellig-granulomatöse Entzündung (a). Lymphknoten mit Anthrakosepigmentspeicherung und begleitender kleinherdiger Epitheloidzellreaktion (b). PCR-Nachweis: Pichia guilliermondii (PG). Diagnose: fokal chronisch organisierende Pneumonie und pulmonale Pilzinfektion mit PG.