Z Orthop Unfall 2016; 154(05): 433
DOI: 10.1055/s-0042-113656
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hüft- und Knieendoprothetik – Einfluss der Fallzahlen auf die Komplikationsrate: Gilt „mehr = besser“?

Contributor(s):
Leif Claaßen
Laucis NC, Chowdhury M, Dasgupta A et al.
Trend Toward High-Volume Hospitals and the Influence on Complications in Knee and Hip Arthroplasty.

J Bone Joint Surg Am 2016;
98: 707-712
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Leif Claaßen
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Publication History

Publication Date:
11 October 2016 (online)

 

Die hier vorgestellte Studie untersucht den Einfluss der Fallzahlen der Hüft- und Knieendoprothetik auf die Komplikationsrate. Es zeigte sich eine Korrelation zwischen höherer Fallzahl und geringerer Komplikationsrate. Zusätzlich war ein Trend offensichtlich, dass zunehmend mehr Patienten in Einrichtungen mit höherer Fallzahl endoprothetisch versorgt werden.

Laucis NC, Chowdhury M, Dasgupta A et al. Trend Toward High-Volume Hospitals and the Influence on Complications in Knee and Hip Arthroplasty. J Bone Joint Surg Am 2016; 98: 707 – 712


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Methoden

In der hier vorgestellten epidemiologischen Studie werden die durchgeführten Hüft- und Knie-TEP-Operationen (TEP: Totalendoprothese) der Jahre 2000 – 2012 analysiert. Die Basis bildet das „National Inpatient Sample“, das die Daten von ca. 8 Millionen Krankenhausaufenthalten in etwa 1000 Krankenhäusern in den USA abbildet. Darin sind die Diagnosen und Prozeduren erfasst. Es wurden lediglich Patienten evaluiert, die eine elektive primäre Hüft- oder Knie-TEP erhielten. Zusätzlich wurden die durchführenden Einrichtungen basierend auf der Fallzahl in 4 Kategorien eingeteilt:

  • „wenig“ = Fallzahl für Hüft- und Knie-TEPs < 100/Jahr;

  • „mittel“ = Fallzahl von 100 – 399/Jahr;

  • „hoch“ = Fallzahl von 400 – 999/Jahr;

  • „sehr hoch“ = Fallzahl > 1000/Jahr.

Die Komplikationsraten wurden der „Medicare Hospital Compare Database“ entnommen. Maßgebend waren die folgenden zwischen 07/2009 – 03/2012 aufgetretenen Komplikationen: Auftreten von Herzinfarkt, Pneumonie oder Sepsis innerhalb von 7 Tagen nach Aufnahme; Nachblutung, Lungenembolie oder Exitus letalis innerhalb von 30 Tagen nach Aufnahme; Mechanische Komplikation, periprothetischer Gelenkinfekt oder Wundinfekt innerhalb von 90 Tagen nach Aufnahme. Zusätzlich wurde die Wegstrecke vom Wohnort zu Einrichtungen mit höherer Fallzahl ermittelt.

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(Bild: R. Amruth/ccvision)

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Ergebnisse

Es zeigte sich zunächst ein deutlicher Anstieg der durchgeführten Hüft- und Knie-TEPs mit 343 000 in 2000 gegenüber 853 000 in 2012. Die Verteilung der durchgeführten Operationen zwischen den nach Fallzahl kategorisierten Einrichtungen veränderte sich deutlich. Während 2000 noch 28,5 % der Operationen in Einrichtungen der Kategorie „hoch“ oder „sehr hoch“ durchgeführt wurden, waren es 2012 bereits 65,5 %. In Bezug auf die „sehr hoch“-Gruppe zeigte sich ein Anstieg von 4,3 % auf 26,6 %. Dahingegen wurden in Einrichtungen der Kategorie „wenig“ 2000 noch 17,9 % der Operationen durchgeführt und 2012 nur noch 5,4 %. Trotzdem repräsentierte diese Gruppe 2012 noch 38,9 % aller Einrichtungen, in denen Hüft- und Knie-TEPs durchgeführt wurden.

Die Komplikationsrate betrug in der „sehr hoch“-Gruppe 2,8 % und 3,6 % in der „wenig“-Gruppe. Die anderen Gruppen lagen dazwischen mit jeweils statistisch relevantem Unterschied. Zusätzlich konnte dargestellt werden, dass 81,9 % der Bevölkerung innerhalb eines Umkreises von 50 Meilen um eine Einrichtung der Kategorie „hoch“ und „sehr hoch“ leben.


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Kommentar

Die hier vorgestellte Studie leistet einen Beitrag zur sehr wichtigen Diskussion, wie die Qualität der Patientenversorgung erhöht werden kann. Auf den ersten Blick ließe sich die Frage, ob „mehr = besser“ gilt, mit „ja“ beantworten. Doch wie so oft ist es nicht so einfach. Denn bei der hier vorliegenden Studie bleiben Fragen offen. Ist es tatsächlich die Fallzahl der Einrichtung oder ist die Fallzahl eines einzelnen Chirurgen wichtiger? Spielt nicht eventuell die Prozessqualität eine wichtigere Rolle? Wo liegt die Mindestfallzahl, die für eine suffiziente Qualität mindestens erreicht werden muss?

Zusätzlich darf an der Studie kritisiert werden, dass Daten nicht unmittelbar zusammenhängender Datenbanken hier in Zusammenhang gestellt werden. Auch sind die Outcomeparameter zu diskutieren. Die Analyse OP-spezifischer Komplikationen und Outcomeparemeter sowie Scores mit längerem Abstand zur Operation wären wünschenswert.


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Korrespondenzadresse

Dr. med. Leif Claaßen
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover


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(Bild: R. Amruth/ccvision)