Aktuelle Dermatologie 2016; 42(10): 428
DOI: 10.1055/s-0042-115321
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mettenleiter A. Wer war Kurt Boas (*1890) – eine Spurensuche zwischen „Kriminalanthropologie“, Dermatologie und Konzentrationslager Akt Dermatol 2015; 41: 509 – 516

H. Jenss
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Harro Jenss
Im Schluh 43
27726 Worpswede

Publication History

Publication Date:
13 October 2016 (online)

 

Im Dezember-Heft 2015 dieser Zeitschrift hat Mettenleiter seine außerordentlich verdienstvollen Recherchen zu Biografie und Publikationen des Dermatologen Kurt Walter Ferdinand Boas mitgeteilt. Dem Beitrag seien vor dem Hintergrund der eigenen Beschäftigung mit Kurt Boas’ Vater Ismar Boas, dem Begründer der Gastroenterologie, folgende Hinweise hinzugefügt:

Schäfer machte 2003 in „Exil und Tod des Ismar Boas“ auf die deutlich differierenden Angaben zum ungeklärten Schicksal dessen Sohnes aufmerksam [1]. Er erwähnte zudem die vermutlich einzige erhaltene Fotografie, auf der der junge Kurt Boas mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgebildet ist, und hat aus der Fotografie Gedanken zum Verhältnis zwischen Ismar Boas und seinem Sohn abgeleitet [2]. Dieser Aspekt ist im Kontext des von Mettenleiter zitierten Briefes vom 13. 9. 1922 (Vater Boas an seinen Sohn) durchaus von Interesse.

Ein Dokument aus dem Archiv des Internationalen Suchdienstes (ITS) Arolsen belegt, dass Boas im KZ Sachsenburg vom 26. 8. bis 3. 9. 1936 einem besonderen Arrest ausgesetzt war [3]. Das „letzte offizielle Lebenszeichen“ von Boas aus dem KZ liegt damit nach dem von Mettenleiter genannten 24. April 1936.

Nach dem Bericht des später in die USA emigrierten Leipzigers Hans Cerf, seit September 1935 ebenfalls im KZ Sachsenburg inhaftiert, überlebte Boas das Lager und wurde gemeinsam mit Cerf am 6. Dezember 1936 aus dem KZ entlassen: „Dr. Boas later left the camp with me and emigrated to Bogotá“ [4].

Im Reichsarztregister (RAR) wird Kurt Boas’ Anschrift seit September 1937 mit Berlin W. 50, Passauer Str. 11 angegeben; seine Karteikarte enthält den Vermerk „Ausgewandert“ und einen Verweis auf den 26. 3. 1938, „da nach Amerika ausgew“ [5].

Der Bericht Hans Cerfs und die Hinweise im RAR können die Angabe des Boas-Cousins, Ernest A. Boas, stützen, dass Kurt Boas nach Südamerika emigriert sei [6]. Umfangreiche Recherchen nach seinem weiteren Schicksal waren bisher ergebnislos, Kurt W. F. Boas’ Spuren verlieren sich nach 1937. Die in der Literatur wiederholt zitierte Angabe, Boas sei nach Großbritannien ausgewandert, basiert auf den Dissertationen von Mario Herrlich (1996) und Sven Eppinger (1998) [7] [8]. Eigene Nachforschungen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam und im Landesarchiv Berlin erbrachten hierfür keine Belege.


Danksagung

Carolyn Naumann, Berlin, danke ich für die Hilfe bei den Recherchen.

  • Literatur

  • 1 Schäfer PK. Exil und Tod des Ismar Boas. Verdauungskr 2003; 21: 135-144 hier 139 – 140
  • 2 Ebd., 139. – Die Fotografie aus dem privaten Bereich der Familie Boas findet sich im Ismar Boas-Teilnachlass, Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin
  • 3 ITS Arolsen, Archiv. Listenmaterial Sachsenburg (KZ-Haft Dr. Kurt W. F. Boas, geb. 13. 2. 1890), Doc. No 4072008#1
  • 4 Leo Baeck Institute (LBI) New York, Memoir collection, ME 940 MM II 19 (PID 442362), Hans Cerf, By leaps and bounds. The story of my life as narrated to Steve (KZ Sachsenburg, page 12 – 18, hier 14)
  • 5 Reichsarztregister (RAR), Karteikarte Boas, Kurt W. F., BArch R 9347
  • 6 Leo Baeck Institute (LBI), New York, Ismar Boas Collection, AR 1374. MF 688: 91 – 92 (Dr. Ernest Boas an Dr. Leonard Hoenig, 28. Juli 1986)
  • 7 Herrlich M. Jüdische Ärzte in den Kreishauptmannschaften Dresden-Bautzen, Chemnitz und Zwickau vor und nach 1933 in Deutschland. Leipzig: Med. Diss.; 1996
  • 8 Eppinger S. Das Schicksal der jüdischen Dermatologen Deutschlands in der Zeit des Nationalsozialismus. Dresden: Med. Diss.; 1998. publiziert Frankfurt 2001

Korrespondenzadresse

Dr. med. Harro Jenss
Im Schluh 43
27726 Worpswede

  • Literatur

  • 1 Schäfer PK. Exil und Tod des Ismar Boas. Verdauungskr 2003; 21: 135-144 hier 139 – 140
  • 2 Ebd., 139. – Die Fotografie aus dem privaten Bereich der Familie Boas findet sich im Ismar Boas-Teilnachlass, Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin
  • 3 ITS Arolsen, Archiv. Listenmaterial Sachsenburg (KZ-Haft Dr. Kurt W. F. Boas, geb. 13. 2. 1890), Doc. No 4072008#1
  • 4 Leo Baeck Institute (LBI) New York, Memoir collection, ME 940 MM II 19 (PID 442362), Hans Cerf, By leaps and bounds. The story of my life as narrated to Steve (KZ Sachsenburg, page 12 – 18, hier 14)
  • 5 Reichsarztregister (RAR), Karteikarte Boas, Kurt W. F., BArch R 9347
  • 6 Leo Baeck Institute (LBI), New York, Ismar Boas Collection, AR 1374. MF 688: 91 – 92 (Dr. Ernest Boas an Dr. Leonard Hoenig, 28. Juli 1986)
  • 7 Herrlich M. Jüdische Ärzte in den Kreishauptmannschaften Dresden-Bautzen, Chemnitz und Zwickau vor und nach 1933 in Deutschland. Leipzig: Med. Diss.; 1996
  • 8 Eppinger S. Das Schicksal der jüdischen Dermatologen Deutschlands in der Zeit des Nationalsozialismus. Dresden: Med. Diss.; 1998. publiziert Frankfurt 2001