Im Kontext der aktuellen Literatur sind die Ergebnisse übereinstimmend zum gegenwärtigen
Wissenstand einzustufen, fügen jedoch darüber hinaus einen zuletzt eher in den Hintergrund
getretenen Risikofaktoren wie den der Hyperkapnie unserem aktuellen Konzept wieder
hinzu. Die Prävention periventrikulärer und intraventrikulärer Blutungen ist einerseits
auf dem Hintergrund beschriebener Risikofaktoren durch deren Minimierung beziehungsweise
Vermeidung sowie mittels medikamentöser Therapien möglich:
Pränatalen Strategien
Hierbei kommen einer atraumatischen Geburt mit Vermeidung von Asphyxie, Hypothermie
und Azidose sowie dem späten Abnabeln als allgemeine geburtsmedizinsiche Ansätze eine
grundlegende Bedeutung zu. Auf der Ebene der medikamentösen Prävention ist der Stellenwert
der pränatalen Kortikoidapplikation als bedeutsamste Maßnahme völlig unbestritten
[4]. Die Strategie des späten Abnabels zur Autotransfusion des Frühgeborenen ist hierbei
während der vergangenen Dekade in mehreren Studien als wirkungsvolle Prävention von
peri- und intraventrikulären Blutungen beschrieben worden [6] und sollte ohne Einschränkung Anwendung finden.
Die einmalige pränatale Applikation von Kortikosteroiden ist Standard in der Geburtsmedizin.
Repetitive Applikationen von Kortikosteroiden – unter dem Aspekt der erweiterten medikamentösen
Prävention nach Überschreiten einer Zeitgrenze von mehr als 1 Woche nach erster Gabe
- scheinen entsprechend neuen Metaanalysen hierbei möglich und sinnvoll [4]. Alternativen zu den beiden meist eingesetzten Präparaten Betamethason und Dexamethason
sind gegenwärtig nicht erkennbar. Diese Therapie wird seit den 70er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts eingesetzt und ist auch bei langfristiger Nachsorge intrauterin behandelter
Kinder eine als sicher einzustufende Intervention. In die unten zitierte Metaanalyse
wurden allerdings nur Studien einbezogen, die eine einmalige Kortikosteroidapplikation
als Intervention erhalten hatten [12]. Der protektive Effekt der genannten Medikation wird in der vorliegenden Ulmer Studie
bestätigt [15].
Postnatale Strategien
Einheitlich wird die Rolle der postnatalen Asphyxie als der primäre postnatale Risikofaktor
für die Entstehung einer peri- oder intraventrikulären Blutung angesehen, dies wird
auch in der Publikation der Ulmer Gruppe bestätigt. Der Ansatz zur Vermeidung einer
postnatalen Asphyxie, üblicherweise gemessen an der Apgar-Scores ist einer der Kernelemente
einer kompetenten perinatalen Versorgung und liegt somit an der Schnittstelle von
Geburtsmedizin und Neonatologie. Es sollte auch in komplexen geburtsmedizinischen
Situationen und bei schwieriger postnataler Primärversorgung möglich sein, diesen
Standard zu halten. Hierfür bieten sich Zentren mit einer adäquaten Anzahl zu versorgender
Risikokinder an, um strukturelle Voraussetzungen zu optimieren [3].
Medikamentöse Ansätze zur Prävention von peri- und intraventrikulären Blutungen setzen
üblicherweise an 2 Kernpunkten der Pathogenese an: Einerseits der Unreife und damit
verbundenen erhöhten Fragilität der germinalen Matrixgefäße, wo diese Blutungen typischerweise
ihren Ausgang nehmen sowie einer reduzierten Kapazität zur Autoregulation der zerebralen
Durchblutung [2]. Darüber hinaus sind Störungen der Gerinnung als Risikofaktoren beschrieben [2]. Ansätze in der medikamentösen Therapie zu Prävention von peri- und intraventrikulären
Blutungen mittels gefäßstabilisierender Substanzen sind trotz intensiver Forschungen
bislang ohne Erfolg geblieben. Somit konzentrieren sich die medikamentösen Maßnahmen
auf die Aufrechterhaltung der korpuskulären und plasmatischen Gerinnung durch entsprechende
Transfusionsstrategien sowie die Gabe von Vitamin K [2].
Damit verbleiben die nicht-medikamentösen Ansätze für die Neonatologie in der Prävention
dieser Blutungsereignisse als weitere Option. Die Beatmung per se, bzw. die damit
assoziierten Komplikationen sind etablierte Risikofaktoren von peri- und intraventrikulären
Blutungen. Schon zu Beginn der Ära der neonatologischen Intensivmedizin wurde der
Zusammenhang des Auftretens eines Pneumothorax und den genannten Blutungen beschrieben.
Damit ist die Vermeidung eines Pneumothorax bei beatmeten sehr unreifen Frühgeborenen
eine der Grundlagen der intensivmedizinischen Versorgung dieser Kinder [11]. Strategien zur Vermeidung der maschinellen Beatmung insgesamt, unter anderem durch
den primären Einsatz eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks (CPAP) konnten
jedoch nicht die erhoffte Reduktion der Rate von schweren peri- und intraventrikulären
Blutungen bewirken. Siehe hierzu Metanalyse von Fischer und Bührer [5].
Bleibt der seitens der Autoren der Ulmer Studie nachgewiesene Risikofaktor der Hyperkapnie
zu diskutieren. Nur ein Teil der hierzu publizierten Arbeiten konnten in der Vergangenheit
die Hyperkapnie als Risikofaktor für die zur Diskussion stehenden intrakraniellen
Blutungen bei sehr unreifen Frühgeborenen in Kohorten- und Beobachtungsstudien nachweisen
[2]. Darüber hinaus wurde in einer jüngst publizierten kontrollierten Studie mit der
Intervertionsvariable der kontrollierten Hyperkapnie (permissive Hyperkapnie) im Rahmen
des respiratorischen Managements keine erhöhte Rate von Blutungen in der Interventionsgruppe
beschrieben (PHELBI-Studie; [14]). Es wurden in der PHELBI-Studie Kohlendioxidpartialdrucke von zwischen 55 bis 75 mm
Hg zwischen Tag 1 und 14 postnatal angestrebt. Allerdings war die primäre Zielvariable
der Studie die Reduktion des kombinierten Ausgangs bronchopulmonale Dysplasie oder
Tod. Das Auftreten einer schweren intraventrikulären Hämorrhagie war als sekundäre
Zielvariable definiert worden. Es bleibt somit weiter zu diskutieren, inwieweit die
Daten beider zuvor diskutierter Studie miteinander zu vereinbaren sind. Die Pathophysiologie
intrakranieller Blutungen bei Frühgeborenen beinhaltet wie zuvor dargestellt die eingeschränkte
Fähigkeit zur Autoregulation der zerebralen Durchblutung, welche noch weiter durch
eine Hyperkapnie beeinträchtigt werden kann [2]. Fluktuationen des Kohlendioxidpartialdrucks sowie des systemischen Blutdrucks vermögen
weiter die Blutungsrisiken unter anderem durch Reperfusionsereignisse zu erhöhen.
Somit könnte bei gezielter und kontrollierter Hyperkapnie ohne relevante Schwankungen
des Kohlendioxidpartialdrucks diese modifizierende Komponente der Pathophysiologie
in der PHELBI-Studie weitgehend entfallen sein und somit zumindest zum Teil den scheinbaren
Widerspruch der Ulmer Daten im Vergleich zu denen der PHELBI-Studie erklären. Weitere
Komplikationen und Interventionen, die als beatmungs- und kreislaufwirksam zu klassifizieren
sind, wie beispielhaft aufgeführt, Infektionen [9], pathologische stark fluktuierende Blutzuckerkonzentrationen [7] sowie die intravenöse Behandlung z. B. mit Sildenafil [13] sind hier als Modifikatoren der intrakraniellen Durchblutung zu diskutieren.
Daher sind weitere Studien nötig, die oben skizzenhaft diskutierten Zusammenhänge
weiter klären, um präventive Strategien für peri- und intraventrikuläre Blutungen
bei sehr unreifen Frühgeborenen zu verfeinern und damit die kurz- und langfristige
Prognose dieser Kinder zu verbessern. Wie eingangs erwähnt, ist bei einer eingetretenen
schweren peri- oder intraventrikulären Blutung derzeit klinisch keine Akutintervention
möglich, welche primär die Prognose verbessert. Inwieweit die Applikation mesenchymaler
Stammzellen, wie in einer ersten tierexperimentellen Studie mit einer signifikanten
morphologischen und klinischen Verbesserung der Befunde an Nagern nach induzierter
intraventrikulärer Hämorrhagie beschrieben wurde [1], hier eine therapeutische Option für die Zukunft darstellt, bleibt weiteren experimentellen
und danach sorgfältig kontrollierten klinischen Studien vorbehalten.