Pneumologie 2016; 70(11): 697-698
DOI: 10.1055/s-0042-116577
Pneumo-Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Testen Sie Ihr Fachwissen

Test Your Knowledge
A. Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation, Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie, Otto-Wagner-Spital, Wien
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstraße 2
1140 Wien
Österreich   

Publication History

Publication Date:
09 November 2016 (online)

 

Fallbeschreibung

72-jähriger Patient, pensionierter Perlmuttdrechsler, 172 cm, 75 kg, Vater und Schwester mit einer Anamnese eines Lungenkarzinoms, Raucher bis vor 12 Jahren, mit gesamt 40 packyears. Seit knapp 2 Jahren langsam progrediente Belastungsdyspnoe und gelegentlich nicht-produktiver Husten. Zuvor beschreibt der Patient seinen Zustand als lungengesund, weder in der Kindheit noch im Erwachsenenalter gab es „relevante Probleme mit der Lunge“. Seit einigen Jahren besteht eine leicht erhöhte Infektanfälligkeit mit 1–2 × Bronchitis pro Jahr. Als Vorerkrankungen sind auf eine milde arterielle Hypertonie mit diastolischer Dysfunktion und auf eine stattgehabte Hernienoperation inguinal zu verweisen. Hinweise für eine rheumatoide Grunderkrankung gibt es nicht. Es besteht eine Allergie gegenüber Acetylsalicylsäure. Auskultatorisch ist in den apikalen Lungenabschnitten ein leises Atemgeräusch, basal vereinzelt Knisterrasseln zu hören.


#

In der weiteren Abklärung des Patienten erheben Sie folgende Befunde:

FEV1/FVC Ratio 67 %, FEV1 66 %, TLC 106 %, RV 110 %. In einer arteriellen Blutgasanalyse attestieren Sie eine milde respiratorische Partialinsuffizienz mit paCO2 43 mmHg und paO2 62 mmHG unter Raumluft, bei Belastung mit 50 Watt kommt es zu einem Abfall des paO2 auf 53 mmHg. Sie führen eine Lungencomputertomografie durch, dabei zeigt sich folgendes Bild:

Zoom Image
Abb. 1 Lungencomputertomografie mit Darstellung beider Oberlappen.
Zoom Image
Abb. 2 Lungencomputertomografie mit Darstellung beider Unterlappen.

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

A: Idiopathisch Pulmonale Fibrose (IPF)

B: Lymphangiose der Lunge

C: Langerhanszell-Histiozytose (LCH)

D: CPFE (Combined Pulmonary Fibrosis and Emphysema)


#

Fallauflösung

Diagnose: CPFE (Combined Pulmonary Fibrosis and Emphysema)

Erläuterung: Auch wenn die taxonomische Zugehörigkeit und die pathobiologische Entität der CPFE noch nicht endgültig geklärt sind, scheint diese Erkrankung mit den sogenannten raucherassoziierten interstitiellen Lungenerkrankungen (Smoking Related Interstitial Lung Disease, SR-ILD) verwandt zu sein. Dafür spricht, aktuellen Untersuchungen zufolge, dass der kumulative Zigarettenkonsum (packyears) eines Rauchers nicht nur zu einer Wahrscheinlichkeitszunahme eines Lungenemphysems, sondern auch zu einer Zunahme interstitieller Veränderungen in der Lungen-Computertomografie führt (MESA-Studie). Männer dürften häufiger von der CPFE betroffen sein als Frauen. Aus rezenten longitudinalen Studien bei Raucherpopulationen mit und ohne COPD (COPD Gene, ECLIPSE) findet sich bei rund 7 – 9 % der untersuchten Probanden eine SR-ILD in der Lungen-CT. In diesen Untersuchungen wurde allerdings kein Zusammenhang mit dem Schweregrad einer COPD attestiert. Der Anteil von Patienten mit bereits diagnostizierter COPD bei manifester Diagnose einer IPF variiert jedoch je nach Studienlage zwischen 6 % und 67 %.

Die Diagnostik der CPFE ist funktionell und vor allem radiologisch zu stellen. Die radiologischen Veränderungen stützen sich auf die Computertomografie und entsprechen einer Kombination aus zentrilobulären und paraseptalen Emphysemanteilen mit zur gleichen Zeit typischen Merkmalen einer Lungenfibrose, im Sinne von Verdickung der interlobulären Septen und Traktionsbronchiektasien, hin zu klassischem basalen Honeycombing. Die radiologischen Zeichen korrelieren gut mit den histologisch nachgewiesenen Veränderungen des Lungenemphysems und der idiopathischen Lungenfibrose. Funktionell weisen Patienten mit CPFE in der Regel eine eher mild-moderate Atemflussobstruktion auf, in der Bodyplethysmografie zeigt sich jedoch, im Vergleich zu Patienten mit Lungenemphysem ohne IPF, eine „relative“ Einschränkung der totalen Lungenkapazität, wie in dem oben angeführten Fall (Restriktion + Obstruktion) illustriert. In der erweiterten physiologischen Abklärung findet sich eine schwere Diffusionsstörung mit ausgeprägter Ruhe- und Belastungshypoxämie, letztere zeigt häufig eine rasche Progredienz. Die Leistungsfähigkeit von Patienten mit SR-ILD ist deutlich stärker eingeschränkt als von Patienten ohne interstitielle Veränderungen. Patienten mit CPFE sind häufig von einer pulmonalen Hypertonie betroffen. Der Druck im kleinen Kreislauf korreliert erwartungsgemäß mit der Überlebenswahrscheinlichkeit betroffener Patienten. Studien zufolge verstirbt etwa jeder 2. Patient mit CPFE innerhalb von 5 Jahren ab Diagnosestellung, wobei die respiratorische Insuffizienz als häufigste Todesursache angeführt wird. Das Vorhandensein einer CPFE ist darüber hinaus ein Risikofaktor für postoperative Komplikationen nach thoraxchirurgischen Eingriffen. Rezente Daten demonstrieren ein benachteiligtes Langzeitüberleben von Patienten nach primär kurativer Lungenkarzinomresektion bei gleichzeitigen histologischen Anzeichen einer CPFE.

Die Behandlung der CPFE entspricht gegenwärtig der Therapie des Lungenemphysems (COPD) zum einen und der Therapie der idiopathischen Lungenfibrose zum anderen. Neben der obligaten Raucherentwöhnung erhalten viele Patienten eine antiobstruktive Inhalationstherapie zur Verbesserung der COPD-spezifischen Symptomatik. Bei entsprechender Hypoxämie ist eine Sauerstofftherapie zu verordnen und den physiologischen Bedürfnissen unter Alltagsbelastungen anzupassen. Die Lungentransplantation kommt bedauerlicherweise für die Mehrheit der betroffenen Patienten (v. a. aufgrund des krankheitsspezifischen Alters) nicht in Frage. Subgruppenanalysen von rezenteren klinischen Studien zur idiopathischen Lungenfibrose inkludierten Patienten mit COPD, sodass aller Wahrscheinlichkeit nach auch selektierte Patienten mit CPFE von den modernen Pharmaka wie Pirfenidon bzw. Nintedanib profitieren könnten. Zukünftige Studien mit detaillierterer Charakterisierung der Patienten sind jedoch zu fordern, um Patienten mit CPFE individualisierte therapeutische Ansätze bieten zu können.


#
#

Korrespondenzadresse

PD Dr. Arschang Valipour
I. Interne Lungenabteilung mit Intensivstation
Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie
Otto-Wagner-Spital
Sanatoriumstraße 2
1140 Wien
Österreich   


Zoom Image
Abb. 1 Lungencomputertomografie mit Darstellung beider Oberlappen.
Zoom Image
Abb. 2 Lungencomputertomografie mit Darstellung beider Unterlappen.