Z Gastroenterol 2016; 54(11): 1257-1258
DOI: 10.1055/s-0042-116604
Mitteilungen des BVGD
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme der KBV zu Biosimilars in der Behandlung von CED

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Publication Date:
10 November 2016 (online)

1. Welche Vorteile erhoffen Sie sich von der Einführung der Biosimilars in der Behandlung, z. B. von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen?

Für den TNF-alpha-Inhibitor Infliximab stehen neben dem Original Remicade® die Biosimilars Remsima® und Inflectra™ in Deutschland für die Behandlung u. a. des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa zur Verfügung. Bei den biosimilaren Präparaten handelt es sich um ein Biosimilar mit zwei Markennamen, die aus ein und derselben Produktionsstätte stammen und daher untereinander identisch sind.

In der Europäischen Union werden Zulassungsanträge biotechnologisch entwickelter Arzneimittel einschließlich Biosimilars entsprechend der gesetzlichen Vorgaben zentral von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geprüft.

Biosimilars, die entsprechend der EU-Anforderungen entwickelt wurden, können als therapeutische Alternativen zu ihren jeweiligen Referenzprodukten angesehen werden. Dies wird auch von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft so eingeschätzt, die in ihrer Stellungnahme zu Biosimilars schon 2008 ausführte: „[…] wird der therapeutische Einsatz von biosimilaren Arzneimitteln so beurteilt, dass aufgrund der behördlichen Anforderungen bei der Zulassung die für notwendig gehaltenen Nachweise für die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit vorhanden sind. Daher können biosimilare Arzneimittel bei Beginn einer Behandlung ebenso eingesetzt werden, wie das Arzneimittel des Originalherstellers.“

Die KBV erwartet von der Einführung von Biosimilars geringere Arzneimittelkosten und damit eine Unterstützung bei der Begrenzung der Gesundheitsausgaben.

Die derzeitigen Preisunterschiede auf Basis des Apothekenabgabepreises (jeweils für das Original- und günstigste Importprodukt für eine Packungsgröße) sind nachfolgend exemplarisch dargestellt:

Präparat

Apothekenverkaufspreis

Inflectra 100 mg 5 Stück (Original)

3.506,19 Euro

Inflectra 100 mg 5 Stück (Import)

3.489,15 Euro

Remsima 100 mg 5 Stück (Original)

3.752,81 Euro

Remsima 100 mg 5 Stück (Import)

3.697,65 Euro

Remicade 100 mg 5 Stück (Original)

4.674,97 Euro

Remicade 100 mg 5 Stück (Import)

4.212,45 Euro

Bei 7,3 Mio. verordneten DDDs in 2014 (und einer Änderung im Vergleich zum Vorjahr um + 8,8 %; Quelle: Arzneiverordnungs-Report 2015) sind die o. g. Preisunterschiede zwischen den einzelnen Infliximab-haltigen Arzneimitteln auch unter dem Aspekt des von den Vertragsärzten zu berücksichtigenden gesetzlich vorgegebenen Wirtschaftlichkeitsgebotes von Interesse.


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2. Sehen Sie Risiken oder Nachteile, die sich aus der Einführung von Biosimilars in der Behandlung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ergeben?

Nein. Die KBV sieht – in Übereinstimmung mit der EMA und der AkdÄ – keine Risiken oder Nachteile für Patienten, wenn durch die EMA geprüfte biosimilare Arzneimittel bei Beginn einer Behandlung statt des Originals eingesetzt werden. Kritisch würden wir eine automatische Substitutionsmöglichkeit für Biosimilars sehen, die unseres Wissens derzeit aber nicht existiert. Eine Umstellung eines Patienten von einem biologischen Arzneimittel auf ein anderes darf aus Sicht der KBV nur vom behandelnden Arzt mit einer entsprechenden Überwachung des Patienten initiiert werden. Hiervon ausgenommen ist ein Wechsel zwischen Bio-identicals (z. B. Inflectra und Remsima).

Uns ist bewusst, dass bezüglich der pharmazeutischen Qualität und Sicherheit von Biosimilars häufig Bedenken ebenso wie Zweifel bezüglich ihrer klinischen Wirksamkeit und Sicherheit bei extrapolierten Indikationen, für die keine formalen klinischen Studien mit dem Biosimilar durchgeführt wurden, geäußert werden.

Hintergrund hierfür ist sicherlich auch die Situation bei Biologica, dass diese einen gewissen Grad an Variabilität (Mikroheterogenität) – selbst zwischen verschiedenen Chargen desselben Produktes – zeigen, der durch die inhärente Variabilität des biologischen Expressionssystems und den Herstellungsprozess bedingt ist. Da die Entwickler von Biosimilars einen eigenen unabhängigen Herstellungsprozess schaffen müssen, können das resultierende Biosimilar und sein jeweiliges Originalprodukt (das „Referenzprodukt“) nicht vollkommen identisch sein. Voraussetzung für eine Zulassung ist jedoch, dass die Variabilität des Biosimilars nicht größer als die des Referenzproduktes ist und alle kritischen Qualitätseigenschaften vergleichbar sind.

Nicht-Identität und Mikroheterogenität sind also normale Eigenschaften biotechnologisch hergestellter Arzneimittel und nicht spezifisch für Biosimilars. Auch die sogenannten Originalpräparate biologischer Arzneimittel haben im Laufe ihrer Lebenszyklen während der klinischen Anwendung z. T. deutliche Veränderungen erfahren und sind selbst von Charge zu Charge nicht völlig identisch. Ein klassisches Beispiel kontinuierlicher Molekülvarianz ist z. B. das Präparat Remicade®. Der Herstellungsprozess von Remicade wurde mehr als 35-mal geändert, was auch stets Veränderungen der Molekülstruktur zur Folge hatte. Somit könnte man das heutige Remicade® als im Laufe seiner Marktpräsenz dem ursprünglich zugelassenen Remicade® ähnliches, aber nicht identisches Arzneimittel, vergleichbar einem „Biosimilar“ seiner selbst, bezeichnen. Dies verdeutlicht, dass bei der Komplexität im Molekül nicht jede, insbesondere für die pharmakologische Wirksamkeit nicht relevante Veränderung für die klinische Wirksamkeit und Therapie von Bedeutung ist (Hooker N. Answers to commonly asked questions about biosimilar versions of infliximab. NHS: London Medicines Evaluation Network Review. February 2015; Schneider CK. Biosimilars in rheumatology: the wind of change. Ann Rheum Dis. 72:3. 2013; AG AMV (KV WL und Verbände der Krankenkassen in WL) zu Infliximab-Biosimilars aus Juni 2015).

Zur Frage der Möglichkeit einer „Extrapolation von Daten“ – ist darauf hinzuweisen, dass diese im Zulassungsverfahren auf Basis der Erfüllung vorab definierter Anforderungen gründlich geprüft wird. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die folgenden zwei Veröffentlichungen von derzeitigen oder früheren Mitgliedern der BMWP (Working Party on similar Biological (Biosimilar) Medicinal Products) oder Mitarbeiter der EMA zu diesem Thema, die interessante und ausführliche Informationen beinhalten:

  • Biosimilars: Was Ärzte wissen sollten Martina Weise, Marie-Christine Bielsky, Karen de Smet, Falk Ehmann, Niklas Ekman, Thijs J. Giezen, Iordanis Gravanis, Hans-Karl-Heim, Esa HeinonenKowid-Ho, Alexandre Moreau, Gopalan Narayanan, Nanna A. Kruse, Gabriele Reichmann, Robin Thorpe, Leon van Aerts, Camille Vieminckx, Meenu Wadhwa, Christian K. Schneider

  • Biosimilars. Wissenschaft der Extrapolation Martina Weise, Pekka Kurki, Elena Wolff-Holz, Marie-Christine Bielsky und Christian Schneider


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3. Welche Anforderungen (z. B. Register, nachvollziehbare Identifikation, etc.) stellen Sie an die Einführung von Biosimilars?

Bereits heute müssen alle Arzneimittel nach der Zulassung kontinuierlich auf unerwünschte Ereignisse überwacht werden. Jeder Zulassungsinhaber muss ein funktionierendes Pharmakovigilanz-System nachweisen, um die Verantwortung und Pflichten, die sich aus der aktuellen Gesetzgebung zur Pharmakovigilanz ergeben, wahrnehmen zu können.

Wie bei jedem neuen Arzneimittel muss auch bei Biosimilars mit dem Antrag auf Zulassung ein umfangreicher Risikomanagementplan, der einen Plan für die Unbedenklichkeitsüberwa-chung nach der Zulassung einschließt, bei den Zulassungsbehörden eingereicht werden. Dieser muss auch auf identifizierte und potenzielle Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit dem Biosimilar oder Referenzprodukt und / oder der Substanzklasse eingehen und darstellen, wie Sicherheit und Wirksamkeit überwacht und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um potentielle Risiken bei der Nutzung des Arzneimittels zu minimieren. Die Sicherheit von Biosimilars wird damit laufend aktiv nachverfolgt.

Für die Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen durch biologische Arzneimittel einschließlich Biosimilars verlangt die EU-Gesetzgebung zur eindeutigen Identifizierung des Medikamentes bereits die Angabe des Medikamentennamens, so wie er zugelassen ist, sowie die Chargennummer.

Auch wenn die Erfassung des Einsatzes biologischer Arzneimittel (inkl. Biosimilars) in Registern ggfs. sinnvoll sein könnte und auch die – u. a. auch bei der EMA geführte und noch nicht abgeschlossene – Diskussion um einen eigenen INN-Namen für Biosimilars nachvollzogen werden kann, stellt die KBV vor dem Hintergrund der bereits bestehenden gesetzlichen Anforderungen (u. a. funktionierendes Pharmakovigilanz-System, produktspezifischer Risikomanagement-Plan) zum jetzigen Zeitpunkt keine darüber hinausgehenden Anforderungen an die Einführung von Biosimilars im Vergleich zu den Originalpräparaten.


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