Die Behandlung von Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen ist anspruchsvoll
– nicht zuletzt, weil die meisten Leitlinien nicht auf Multimorbidität ausgelegt sind.
Eine Simulationsstudie hat nun quantifiziert, wie strapaziös es für multimorbide Patienten
wäre, alle Empfehlungen zu befolgen.
BMJ Open 2016; 6: e010119
(© Alexander Raths/www.Fotolia.com)
Die Wissenschaftler nutzten für ihre Studie eine Datenbank evidenzbasierter US-amerikanischer
Praxisleitlinien (National Guideline Clearinghouse). Daraus suchten sie die aktuellsten
Leitlinien für Erwachsene mit einer der folgenden, weit verbreiteten chronischen Erkrankungen:
-
Bluthochdruck
-
Diabetes
-
koronare Herzkrankheit
-
COPD
-
Arthrose
-
Depressionen
Aus den Leitlinien ermittelten die Forscher alle gesundheitsbezogenen Aktivitäten
(„health-related activities“; HRAs), die für 45 bis 64-jährige Patienten mit einer
moderat ausgeprägten Erkrankung empfohlen werden. Zu den HRAs zählten:
-
Medikamenten-Management
-
Selbstkontrolle
-
Arztbesuche
-
Labortests
-
Lebensstiländerungen
Anschließend suchten sie nach Studien, die Angaben zu der Zeit machen, die Patienten
mit der jeweiligen HRA verbringen. Mithilfe eines Simulationsmodells wurde dann die
potenzielle „Arbeitsbelastung“ bestimmt, die multimorbide Patienten hätten, um sich
an die empfohlenen HRAs zu halten. Abhängig von den begleitenden Erkrankungen müssten
Patienten mit 3 chronischen Leiden bei Einhaltung aller empfohlenen Leitlinien
-
6–13 Medikamente pro Tag nehmen,
-
49,6–71 Stunden pro Monat für HRAs aufwenden und
-
1,2–5,9 Mal pro Monat einen Arzt (bzw. eine verwandte Berufsgruppe) aufsuchen.
Der potenzielle Aufwand, alle Leitlinien zu befolgen, stieg mit der Anzahl an Komorbiditäten:
Bei 6 chronischen Erkrankungen wären es bis zu
Die Autoren halten einen Paradigmenwechsel für notwendig, damit multimorbide Patienten
weniger durch ihre Behandlung belastet werden.
Mirka Homrich, Bonn