1. Ausgangslage und Rahmenbedingungen
1.1 Gründe für ein Register
Seit Einführung von Silikonimplantaten zur Volumensubstitution in der Brustchirurgie
durch Gerow und Cronin im Jahr 1961 haben mehrere öffentlichkeitswirksame Ereignisse
zu einer erheblichen Verunsicherung der Öffentlichkeit, Patientinnen und Anwendern
geführt.
Zunächst der Vorwurf, Silikonimplantate des Herstellers Dow Corning könnten mit der
Entwicklung von Autoimmunerkrankungen und vermehrter Brustkrebsentwicklung in Zusammenhang
stehen. Dies führte in den USA 1992 zu einem Moratorium und jahrelangen Verbot der
Anwendung von silikongefüllten Implantaten durch die amerikanische Gesundheitsbehörde
(FDA) und fast zum Konkurs des weltgrößten Silikonherstellers. Der Verdacht konnte
nie bestätigt werden, silikongefüllte Implantate wurden 2006 wieder zugelassen [1 ]
[2 ]
[3 ].
Des Weiteren verunsicherte die Rückrufaktion von Trilucent-Sojaölimplantaten. Seit
1995 als „biologische Alternative“ vermarktet, kamen Zweifel an der Toxizität von
Abbauprodukten auf. Der Hersteller nahm daraufhin 1999 das Produkt als „freiwillige
Vorsichtsmaßnahme“ vom Markt. Nach Entfernung der Implantate gab es aber keinerlei
Folgeschäden. In den USA kam dieses Füllmaterial nie zum Einsatz.
Und schließlich beschäftigen seit dem Jahre 2010 die anstatt des erforderlichen gereinigten
„medical grade“ Silikon fehlerhaft mit Industriesilikon produzierten, aber dennoch
vielfach international eingesetzten Brustimplantate des französischen Herstellers
Poly Implant Prothèse (PIP) die Patientenverbände, die Fachwelt und Interessenträger
die Plastisch-Ästhetischen Chirurgen [4 ]
[5 ]. Allein in Deutschland wurden mehr als 5 000 Frauen die aus minderwertigem Industriesilikon
hergestellten PIP-Implantate eingesetzt. Die verständlicherweise beträchtliche Aufmerksamkeit
aller Betroffenen weitete sich zu einem weltweiten Skandal aus, als der Verdacht einer
krebsauslösenden Wirkung des Silikons nach dessen Auslaufen in den Körper Ende 2011
aufkam. Es wurde bis heute keine der befürchteten systemischen Nebenwirkungen belegt.
Derzeit wird diskutiert, ob die Implantation von Silikonimplantaten mit einer erhöhten
Rate einer speziellen Form der Leukämie (anaplastisches, großzelliges Lymphom, ALCL)
einhergehen könnte. Aufgrund der Seltenheit dieser Erkrankung und den wenigen bisher
beschriebenen Fällen gilt der Zusammenhang aber bisher noch nicht als hinreichend
gesichert [6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ].
Seit September 2015 ruht das CE-Zertifikat des brasilianischen Herstellers Silimed,
nachdem der TÜV Süd als zertifizierende benannte Stelle im Rahmen einer Werksbesichtigung
in Rio de Janeiro Partikel auf Implantaten gefunden hat.
Bislang sind aus keiner der Vorkommnisse hinreichend die aus Sicht der Fachgesellschaft
erforderlichen Konsequenzen gezogen worden, um durch eine verbesserte Qualitätssicherung
die Patientensicherheit deutlich zu bessern. Strengere Kontrollen bei der Zulassung
von Medizinprodukten, unangemeldete Besuche der benannten Stellen, wie etwa TÜV oder
DEKRA, die die Zulassung erteilen, und die Novellierung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung
(MPBetreibV, §10 Absatz 1, Nr. 2) sind erste Schritte der Politik in die richtige
Richtung. Die Novelle der MPBetreibV vom 01.10.2015 sieht eine bessere Dokumentationspflicht
mit Ausstellung eines Implantatpasses, einer Aufbewahrung der Dokumente für 20 Jahre
und einer Rückverfolgung der betroffenen Patientinnen innerhalb von 3 Werktagen vor
[10 ]
[11 ].
Die Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass zur Identifikation und Bewältigung
potentieller und tatsächlicher Probleme die derzeitigen Strukturen nicht ausreichen.
Krankenhäuser und private Praxen sind von einem Massenandrang besorgter Patienten
mit Fragen zu jahrelang zurückliegenden Eingriffen zum Teil überfordert. Zudem bestehen
diese Einrichtungen möglicherweise schon lange nicht mehr und den Patienten fehlt
ein Ansprechpartner. Eine genaue Definition liegt nicht vor, welche unerwünschten
Ereignisse an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet
werden sollen. Daher werden Probleme erst mit Verzögerung wahrgenommen und seltene
Ereignisse gar nicht erfasst. Nicht zuletzt können unberechtigte Anschuldigungen neben
der Verunsicherung von Patienten auch enormen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.
Aus Sicht der Autoren hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die bestehenden,
rechtlich nicht bindenden Implantatregister aus strukturellen Gründen weder statistisch
ausreichend valide Daten liefern können, noch eignen sie sich, potentiell gefährdete
Patienten zu identifizieren und zu kontaktieren [12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ]
[21 ]
[22 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ]
[31 ]
[32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ]
[37 ]
[38 ]
[39 ].
Daher wird die Forderung seitens der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Ästhetischen
und Rekonstruktiven Chirurgen (DGPRÄC) nach einem einheitlichen und verpflichtenden
zentralen Register für Brustimplantate immer stärker. Diese anhaltende Debatte führte
bisher dazu, dass Union und SPD auf politischer Ebene ein verpflichtendes Implantatregister
fordern. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2013 wurde Folgendes festgehalten:
„Register verbessern aufgrund ihrer Langzeitbeobachtungen die Patientensicherheit
und Qualität. Wir werden als ersten Schritt ein Transplantationsregister und ein Implantatregister
aufbauen, die Datenlieferung ist verpflichtend. Dabei werden bereits bestehende Register
einbezogen [4 ]“.
Folgende Aspekte sprechen für ein solches Register:
Verbesserung der Patientensicherheit durch Aufbau eines Kontrollsystems in Hinblick
auf möglichst zeitnahe Identifikation von gesundheitlichen Gefahren (Frühwarnsystem)
Qualitätssicherung bzgl. Behandlungsgüte (Best Clinical Practice)
Kontrollfunktion bei klinisch relevanten Produktfehlern
Erleichterte Rückverfolgung im Fall von Komplikationen (Tracking Funktion)
Evidenzbasierte Patientenberatung
Benchmarking
Entscheidungshilfe für Operateure und Patienten bzgl. Produkt- und Behandlungswahl
Zeitersparnis durch schnellen und einfachen Datenzugriff
Rückmeldung an Hersteller zur Verbesserung ihrer Produkte
Rasches Erkennen fehlerhafter Implantatchargen oder von Fehlentwicklungen neuer Implantate
Ggf. Kostenersparnis für Krankenversicherungen durch Identifikation von nicht zweckmäßigen
Produkten
So zwingend die Gründe für ein Implantatregister sind, fehlen bislang konkrete Pläne
zu dessen Umsetzung und Ausgestaltung.
Das vorliegende Konzeptpapier will hierzu einen Lösungsvorschlag aufzeigen.
1.2 Bestehende Register in Deutschland
Derzeit werden in Deutschland die ganz überwiegende Anzahl der Brustimplantate durch
2 Fachgruppen implantiert: Von Fachärzten für Plastische und Ästhetische Chirurgie
und von Fachärzten für Gynäkologie. Dies hat dazu geführt, dass beide Fachgesellschaften
voneinander unabhängige Register betreiben, in denen auch zusätzliche Qualitätsindikatoren
abgefragt werden, die die unterschiedlichen Implantationsindikationen der Fachgebiete
widerspiegeln. Von der Deutschen Gesellschaft für Plastische-, Ästhetische und Rekonstruktive
Chirurgie wird darüber hinaus ein Register für die Brustwiederherstellung mit Eigengewebe
geführt.
Beide Register kämpfen jedoch mit gemeinsamen strukturellen Problemen. Bisher ist
eine zentrale Erfassung implantierter Produkte gesetzlich nicht vorgeschrieben. Da
Hersteller primär aus Marketing-Gründen keine Angaben zur Anzahl ausgelieferter Implantate
machen, kann der Erfassungsgrad nur geschätzt werden. Keine Fachgesellschaft geht
jedoch von einer Integration von über 30% aus. Vermutlich sind es deutlich weniger.
Zur statistisch validen Identifikation medizinischer Probleme ist diese Zahl deutlich
zu gering.
Aufgrund datenschutzrechtlicher Einschränkung ist derzeit die Erfassung von personenbezogenen
Daten im Zusammenhang mit der Implantation von Fremdmaterial nicht ohne explizite
Einwilligung der Patientin / des Patienten möglich. Diese „opt-in“ Lösung stellt einen
der Gründe für eine mangelhafte Teilnahme dar. Daher ist es auch nicht möglich, Patienten
bei Problemen direkt zu kontaktieren. Hier könnten gesetzliche Regelungen im Sinne
datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestände Abhilfe schaffen.
Die Finanzierung stellt ein weiteres wesentliches Problem dar. Der Aufbau einer unabhängigen
netzbasierten Datenbank, die dauerhafte Betreuung / Validierung und schließlich die
statistische Auswertung der Daten übersteigt die finanziellen Möglichkeiten einer
wissenschaftlichen Fachgesellschaft.
1.3 Bisherige internationale Kooperation
Um die Aussagekraft des Registers der DGPRÄC zu verbessern, erfolgte ein Anschluss
an ein internationales Netzwerk Plastisch-Chirurgischer Fachgesellschaften, die zum
Teil über umfangreiche Erfahrungen im Aufbau und Unterhalt eines entsprechenden Registers
verfügen. Auch der britische NHS und regulatorische Behörden bringen ihre Erfahrungen
mit ein. Diese Kooperation ermöglicht nicht nur den Zugriff auf wissenschaftliche
Vorarbeiten anderer Länder, sondern ebenso den Austausch über Fehlentwicklungen und
Misserfolge.
Die International Collaboration of Breast Registry Activities (ICOBRA) wurde 2011 eingerichtet, um einen international vergleichbaren Datenpool zu schaffen.
Wesentliche Motivation zur Schaffung eines weltweiten Implantatregisters war u. a.
die statistische Aufarbeitung der nationalen Daten zum PIP-Skandal. Hier konnte gezeigt
werden, dass vermutlich kein nationales Register alleine in der Lage gewesen wäre,
das Problem wesentlich früher zu detektieren. Der Datenpool wäre zu klein für eine
valide Aussage gewesen. Erst die internationale Zusammenführung der Daten versetzt
in die Lage, deutlich früher statistische Auffälligkeiten, insbesondere auch bei seltenen
Ereignissen, zu erkennen.
Weiter konnte gezeigt werden, dass eine sinnvolle Bewertung der Daten nur möglich
ist, wenn mindestens 95% aller Implantate eines Landes integriert werden.
Der International Collaboration of Breast Registry Activities (ICOBRA) gehören derzeit 13 internationale Plastisch-Chirurgische Fachgesellschaften an. Ziel
ist es, ein international einheitliches Netzwerk zur Erfassung von Brustimplantaten
aufzubauen. Hierbei sollen sämtliche Implantate erfasst werden.
Um den unterschiedlichen nationalen Voraussetzungen, rechtlichen Rahmenbedingungen
und Ansprüchen an zusätzliche qualitätssichernde Maßnahmen Rechnung zu tragen, wurde
beschlossen, nationale Register zu belassen. In Anlehnung an die bisherigen Problemfälle
wurde jedoch ein minimaler Datensatz definiert und evaluiert, der einheitlich erhoben
und anonymisiert ausgetauscht werden soll.
Derzeitige Mitglieder der ICOBRA:
American Plastic Surgery Foundation
American Society of Plastic Surgeons
Australasian Foundation for Plastic Surgery
Australian Society of Plastic Surgeons
Association of Plastic and Reconstructive Surgeons of Southern Africa
Austrian Society for Plastic, Aesthetic and Reconstructive Surgery
Breast Surgeons of Australia and New Zealand
British Association of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgeons
Canadian Society of Plastic Surgeons
Dutch Society of Plastic and Reconstructive Surgery
French Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery
German Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgeons
Irish Association of Plastic Surgeons
Italian Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery Monash University
Department of Epidemiology and Preventive Medicine National Health Service, UK
New Zealand Association of Plastic Surgeons
1.3.1 Weitere Erfahrungen anderer Fachgesellschaften
1.3.1.1 Beteiligung
Die Resultate mehrerer Länder mit „opt-in“ Lösungen haben gezeigt, dass diese Form
nicht geeignet ist, eine ausreichende Teilnahme sicherzustellen. Eine wesentlich höhere
Teilnahmequote könnte erreicht werden, wenn eine „opt-out“ Lösung vorgeschrieben würde
– also die aktive, formale Ablehnung des Patienten in dem Register integriert zu werden.
Wesentlich effektiver ist nur die gesetzlich vorgeschriebene Teilnahme [3 ]
[5 ].
1.3.1.2 Finanzierung
Fast alle Finanzierungsmodelle wurden in den unterschiedlichen Nationen bereits erprobt.
Übereinstimmung herrscht in der Erfahrung, dass nur eine unabhängige und umfassende
Finanzierung die langfristige Etablierung des Registers sichern kann. Besonders schlechte
Erfahrungen haben mehrere Länder mit einer freiwilligen (Teil-)Finanzierung durch
die Industrie gemacht.
Als erfolgreich hat sich eine Anschubfinanzierung durch staatliche oder wissenschaftliche
Stellen mit anschließender Fortführung durch z.T. auch andere Kostenträger erwiesen.
Auch zu den erforderlichen finanziellen Ressourcen liegen inzwischen belastbare Daten
vor.
1.3.1.3 Einfache Erfassung
Wesentlicher Aspekt für eine vollständige und korrekte Eingabe war die Reduzierung
auf wenige, eindeutig evaluierbare Angaben. Zusätzliche wissenschaftliche Fragestellungen
im Rahmen umfassender Qualitätssicherungsmodule (z. B. BQS/AQUA) sollten nicht integriert
werden. Denkbar ist, dass spezielle wissenschaftliche Fragestellungen in Eigenregie
von den Fachgesellschaften aufgesetzt werden.
1.3.1.4 Tracking Funktion
Die meisten Länder hinterlegen in der zentralen Datenbank auch personenbezogene Daten,
die ggf. eine direkte Kontaktaufnahme mit betroffenen Patienten ermöglichen. Nicht
zuletzt durch Hinweis auf die wesentlich umfangreicheren Datenschutzauflagen in Deutschland
muss hier nach einer Lösung gesucht werden. Möglich wäre, diesbezüglich die individuelle
Steueridentifikationsnummer zu nehmen, die jedem zugeteilt wird und lebenslang bleibt.
2 Schaffung gesetzlich verpflichtender Implantatregister
2.1 Gesetzliche Verpflichtung für alle Fachrichtungen in gleicher Weise
Alle implantierbaren Medizinprodukte aller Fachrichtungen sollten ab einer festzulegenden
Risikoschwelle (Risikoklassen gemäß Klassifizierungsregeln nach Medizinprodukterecht)
in Implantatregistern erfasst werden. Dies entspricht auch den Festlegungen des Koalitionsvertrages
vom 16.12.2013, Seite 57:
„Register verbessern aufgrund ihrer Langzeitbeobachtungen die Patientensicherheit
und Qualität. Wir werden als ersten Schritt ein Transplantationsregister und ein Implantatregister
aufbauen, die Datenlieferung ist verpflichtend. Dabei werden bereits bestehende Register
einbezogen“.
Hierbei sollten alle betroffenen Fachrichtungen bzw. Fachgesellschaften strukturell
gleichlaufend geregelt werden.
Die in diesem Papier vorgeschlagenen Lösungswege könnten mithin insgesamt für den
Bereich der implantierbaren Medizinprodukte übernommen werden – über das EPRD hinausgehend
und dieses ablösend. Die Darstellungen aus Sicht der DGPRÄC sind mithin nur exemplarisch,
wenngleich die DGPRÄC bereit ist, hier eine gestaltende Initiativrolle zu übernehmen
und daher dieses Konzeptpapier verfasst hat.
Insoweit „Register“ in diesem Konzeptpapier in Singular und Plural verwendet wird,
soll damit aufgezeigt werden, dass „das (zunächst bundesweite, später internationale)
Register“ tatsächlich aus „den Registern“ der einzelnen Fachrichtungen bzw. Fachgesellschaften
besteht, die gleichlaufend, aber separiert die zu schaffenden gesetzlichen Verpflichtungen
und Rahmenbedingungen umsetzen.
Erst die Vernetzung der Register auf Basis ihrer strukturellen Gleichartigkeit ermöglicht
sowohl sicherheits- als auch wissenschaftsrelevante Aussagen und Ergebnisse.
Das bzw. die Register unterscheiden zwischen
Sicherheitsdaten entsprechend einem Minimaldatensatz (ähnlich Implantat-/Endoprothesenpass:
Patientendaten, Behandlungsverlauf, Outcome, Eingriffsdatum – aber ohne Behandler-ID)
sowie sicherheitsrelevante Forschungsdaten
Behandlerdaten
weitere Forschungsdaten, soweit sie nicht bereits gleichzeitig Sicherheitsdaten sind.
Ein entscheidender Unterschied zu bereits bestehenden Registern ist die Vereinheitlichung
der Dokumentation und Involvierung jeder deutschen Einrichtung, die Implantate verwendet.
Ein langfristiger Überblick über Qualität, Nutzen und Risiken von Implantaten kann
nur dann erfolgen, wenn das Register alle jeweiligen Implantate in Deutschland erfasst.
Hierbei müssen Implantation und besonders auch die Explantation mit den zugrundeliegenden
Ursachen für den erneuten Eingriff erfasst werden. Die Bestrebungen müssen dahin gehen,
bei internationalen Registern mitzuwirken, welche jedoch die Vorgabe haben, dass 95%
der Implantate registriert werden müssen. Dies ist nur durch eine rechtlich verbindliche
Verpflichtung zur Meldung jedes Implantat-assoziierten Eingriffes möglich.
2.2 LOT-Nummer und Implantat-Tracking
Als Voraussetzung muss jedes Implantat mit einer individuellen Seriennummer versehen
sein und die Implantation mit der verbindlichen Ausstellung eines Implantatpasses
dokumentiert werden. Für den Fall, dass der Pass verloren geht, sollten die datenschutzrechtlichen
Möglichkeiten geprüft und diskutiert werden, dass auch personenbezogene Daten integriert
werden können, um eine Zuordnung zu ermöglichen.
Prinzipiell bestehen mehrere denkbare Möglichkeiten mit dem Umgang der bereits bestehenden
Register:
Die bestehenden Register werden belassen und lediglich um den einheitlichen „minimalen
Datensatz“ ergänzt. Dieser Datensatz wird an einer zentralen Stelle gesammelt und
zunächst national ausgewertet, bevor er an das internationale Konsortium in anonymisierter
Form weitergeleitet wird. Allerdings sind dann die Register wie bisher sehr unterschiedlich
und unvollständig. Eine gute Datenqualität ist nicht gewährleistet.
Es wird eine neue, gemeinsame Datenbank geschaffen, die beide Funktionen vereint.
Spezielle Fragen der patientenzentrierten Versorgungsforschung würden entfallen.
Die öffentliche Stelle (DIMDI oder BQS) schafft ein einheitliches, gesichertes Eingabeportal
für alle betroffenen Fachgesellschaften. Das Register ist in der Fachgesellschaft
angesiedelt, von dort werden die Sicherheitsdaten (Pflicht) der öffentlichen Stelle
weitergeleitet. Hier erfolgt zunächst die nationale Auswertung, bevor die Daten an
das internationale Konsortium in anonymisierter Form weitergeleitet werden. Die Behandlerdaten
und Forschungsdaten bleiben in der Fachgesellschaft, außer sie sind sicherheitsrelevant.
2.3 Konkrete Ausgestaltung des Implantatregisters
Die Datenbank ist internetbasiert. Der Datensatz kann von registrierten Mitgliedern
online direkt aus dem OP über jeden Internetzugang eingegeben werden.
Eine Geschäftsstelle übernimmt jeweils die administrativen Aufgaben. Kliniken, Krankenhäuser
sowie niedergelassene Operateure registrieren sich hier online. Die Geschäftsstelle
prüft das rechtmäßige Interesse und vergibt die Zugangsberechtigung.
Patienten- und Implantatdaten des „minimalen Datensatzes“ können über ein einheitliches
System in die Datenbank eingegeben werden. Um bei der Eingabe der Patientendaten den
Arbeitsaufwand und die Fehlerwahrscheinlichkeit weitestgehend gering zu halten, wäre
die alleinige Eingabe der Patientenfallnummer ausreichend. Die bereits im Computersystem
vorhandenen Datensätze würden automatisch mit einer Schablone des „minimalen Datensatzes“
abgeglichen. Ausschließlich vollständige Datensätze können integriert werden, um fehlerhafte
und / oder lückenhafte Eingaben weitgehend primär auszuschließen bzw. zu vermeiden.
Das Register prüft die Daten auf Konsistenz und ist für die Auswertung der eingegebenen
Daten zuständig. Um einen groben Überblick über die Vollständigkeit der Eingabe zu
erhalten, melden die Hersteller / Lieferanten die Anzahl der ausgelieferten Produkte.
Die Daten werden auf nationaler Ebene statistisch kontinuierlich bewertet. Der „minimale
Datensatz“ wird anonymisiert und an das internationale Plastisch-Chirurgische Konsortium
ICOBRA zur umfassenden statistischen Bewertung weitergeleitet.
Um ein Funktionieren des oben genannten Konstrukts zu gewährleisten, wird das Mitwirken
folgender Institutionen als notwendig erachtet.
Einrichtungen auf Bundesebene (z. B. Bundesministerium für Gesundheit)
Fachgesellschaften (z. B. DGPRÄC, DGS, DGGG)
Andere Institute & Einrichtungen (z. B. BfArM, BQS, DIMDI)
ICOBRA
Die Mitwirkung ist grundsätzlich für Institutionen bzw. Ärzte sowohl im klinischen
als auch im ambulanten Bereich im Rahmen des Qualitätsmanagements erforderlich.
Eine gesetzliche Regelung zur Teilnahme an einem Implantatregister ist für alle betroffenen
Fachrichtungen zu fordern, um längerfristige Vergleichsdaten bzgl. des Outcomes von
eingesetzten Brustimplantaten und supportiven Materialien zu gewinnen. Lediglich bei
einer verpflichtenden Teilnahme aller implantierenden Institutionen können zeitnah
sinnvolle statistische Aussagen getroffen werden.
Die Möglichkeit der Teilnahme an einer internationalen Kooperation sollte unabhängig
von einer nationalen Bewertung der Daten verfolgt werden, um möglichst zeitnah statistisch
relevante Fallzahlen zu erhalten.
Eine öffentliche Stelle (DIMDI oder BQS) schafft ein einheitliches, gesichertes Eingabeportal
für alle betroffenen Fachgesellschaften für die eigentlichen Register-Datenbanken,
welche diese dann in jeweils eigener Verantwortung betreiben.
Dort erhalten die jeweiligen Mitglieder bzw. Berufsträger ein gesichertes, individuelles
Login.
Erfasst werden daher in nur einem einzigen Vorgang und nicht redundant:
Sicherheitsdaten (Pflicht)
Behandlerdaten (optional)
weitere / spezifische Forschungsdaten (optional)
Die Sicherheitsdaten umfassen die Pflichtangaben aus dem Implantatpass (sodass diese
ebenfalls nicht doppelt eingegeben werden müssen) einschließlich der verschlüsselten
Patientenidentität und werden an die Bundesbehörde übermittelt und in einer dort ansässigen
Datenbank geführt, womit gleichzeitig alle bereits bestehenden und etwaige weitere
künftige gesetzliche Meldepflichten erfüllt werden. Der Implantatpass selbst ist nur
Ausweisdokument des Patienten, die dort erfassten Daten werden aber mit einer bundesweit
eindeutigen Patienten-ID zentral als Kerndatensatz der Sicherheitsdaten bei der öffentlichen
Stelle geführt.
Die Behandlerdaten und die weiteren / spezifischen Forschungsdaten verbleiben bei
der Fachgesellschaft und werden in eine dort geführte Datenbank überführt. Ihre Eingabe
ist freiwillig und sollte auf einer extrinsischen Motivation in der eigenen Fachgesellschaft
beruhen.
Die Behandlerdaten dienen der Qualitätssicherung und basieren auf einem eigenen Datenschutzkonzept.
Es findet hieraus keine Datenübermittlung an die öffentliche Stelle, welche die Sicherheitsdaten
verwaltet, statt. Die Behandler bleiben nach extern also anonym.
Die weiteren / spezifischen Forschungsdaten (also Forschungsdaten, die nicht gleichzeitig
schon Sicherheitsdaten sind) können von jeder Fachgesellschaft innerhalb des einheitlichen
Portals individuell modular aufgebaut und erfasst werden. Es findet hieraus keine
Datenübermittlung an die öffentliche Stelle, welche die Sicherheitsdaten verwaltet,
statt.
Nachbehandler haben – als Berufsträger mit Facharztqualifikation – ebenfalls Zugang
zum Portal ihrer Fachgesellschaft und der Fachgesellschaften, die ebenso diese Medizinprodukte
einsetzen. Verlaufsdaten, Revisionen und dergleichen sollen ebenfalls in das Portal
eingegeben werden, wo sie anhand der Transplant-ID des Patienten mit dessen bisherigen
Daten zusammengeführt werden. Dies garantiert eine Qualitätssicherung und follow up
auch bei fachübergreifenden Komplikationen. Sicherheitsdaten (einschl. notwendiger
Revisionen) sind verpflichtend einzugeben. Der Nachbehandler hat dabei keine Einsicht
in die Identität des Vorbehandlers, sondern nur in die Patientendaten gemäß den Sicherheitsdaten.
Sonstige, nicht sicherheitsrelevante Forschungsdaten und Behandlerdaten werden von
der Fachgesellschaft oder Beauftragten nach einem gesonderten Datenschutzkonzept treuhänderisch
verwaltet.
Die Erhebung der Sicherheitsdaten erfolgt auf gesetzlicher Grundlage im Rahmen des
(ggf. zu ergänzenden) Medizinprodukterechtes im Rahmen der Medizinproduktevigilanz.
Die weiteren nicht sicherheitsrelevanten Forschungsdaten werden auf freiwilliger Basis
erhoben. Incentive für die Unterstützung durch die Industrie ist die Unterstützung
in deren eigenen Qualitätssicherungsbemühungen durch die flächendeckende und auch
vergleichende Datenerhebung und -auswertung.
Eine Kopie / Spiegelung der Sicherheitsdaten verbleibt ebenfalls bei den Fachgesellschaften
als Stammdatensatz der Forschungsdaten. Epidemiologische Forschung erfolgt daher vorrangig
innerhalb der jeweiligen Fachgesellschaften. Fachübergreifende epidemiologische Forschung
erfordert Kooperationsvereinbarungen der betroffenen Fachgesellschaften, kann aber
auch anhand der Sicherheitsdaten bei der öffentlichen Stelle erfolgen, welche keine
Rückschlüsse auf die Identität der Behandler zulassen.
Eine Rückentschlüsselung der Identität des Patienten erfolgt nur in definierten Notfallsituationen,
etwa bei Rückrufaktionen.
Es sollten in der Sicherheitsdatenbank automatische statistische Tools hinterlegt
werden, welche bei Häufung bestimmter negativer Ereignisse oder Umstände ein Benehmen
mit den Fachgesellschaften, den Herstellern und ggf. Patienten ermöglichen ([Abb. 1 ]).
2.4 Wichtige Grundsätze
Gesetzliche Verpflichtung nur soweit nötig, Freiwilligkeit soweit möglich:
verpflichtend, Weitergabe an öffentliche Stelle im Rahmen gesetzlicher Erfassungs-
und Meldepflichten (MPBetreibV). Alles, was sicherheitsrelevant ist.
freiwillig, alles, was nur von rein forscherischem Interesse, aber nicht sicherheitsrelevant
ist.
freiwillig und rein fachgesellschaftsintern, Behandlerdaten, keine Rückschlüsse auf
Behandler außerhalb der Administration der eigenen Fachgesellschaft, insbesondere
nicht durch Nachbehandler.
Auch Forschungsdaten können sicherheitsrelevant sein. Hierzu ist noch ein Katalog
der fachübergreifenden Parameter für alle Arten von implantierbaren Medizinprodukten
zu erstellen.
Das Hosting eines solchen Registers bzw. dieser Register fiele in die jeweils eigene
Sphäre der jeweiligen Fachgesellschaften, die öffentliche Stelle schafft nur das einheitliche
Portal und verantwortet die technische Umsetzung.
Je einheitlicher dies für alle Fachgebiete ausgestaltet wäre, umso einfacher erscheint
die Durchsetzbarkeit.
Die Sicherheitsdaten einschließlich der sicherheitsrelevanten Forschungsdaten sollen
auch außerhalb der eigenen Fachgesellschaft verfügbar gemacht werden.
2.5 Finanzierung
Erforderlich ist national zunächst eine Anschubfinanzierung zur Programmierung der
Datenbank und Implementierung der grundsätzlichen Strukturen. Dies sollte in Anlehnung
an die politisch bereits getätigten Aussagen zur Schaffung von Registern über eine
staatliche Stelle erfolgen. Für die Finanzierung der laufenden Kosten gibt es mehrere
mögliche Ansätze. Die Erfahrungen anderer Länder haben gezeigt, dass für die dauerhafte
Verwaltung, Auswertung und Unterhaltung eines Rückmeldesystems eine unabhängige Finanzierung
unverzichtbar ist.
Daher kommen zunächst staatliche Gelder sowohl von Bund und Ländern als auch seitens
der Krankenkassen in Frage.
Eine Möglichkeit zur partiellen Refinanzierung stellt unter Umständen das Schweizer
Vorgehen dar.
Dieses Modell (SIRIS) finanziert sich hauptsächlich über einen Beitrag / Steuer pro
Implantat. Dabei wird das Implantat vom Hersteller um einen gewissen Betrag teurer
an die Kliniken verkauft, wodurch die Kosten des Registers samt Trägerschaft finanziert
werden.
Bei einem Blick auf die Finanzierung von zentralen Krebsregistern der Bundesländer
zeigt sich, dass mit einem „Kostenaufwand von ca. 1 € pro Versichertem pro Jahr eine
angemessene klinische Krebsregistrierung mit Auswertungen und Rückmeldeverfahren durchgeführt
werden kann [2 ]“. Dieses Finanzierungskonzept könnte man für ein Brustimplantatregister ebenfalls
in Betracht ziehen. Die Höhe der konkreten Kosten wäre noch zu evaluieren.
Auch Sponsoren aus der Industrie, sprich Hersteller von Brustimplantaten, könnten
im eigenen Interesse die Umsetzung vorantreiben und teilweise mitfinanzieren.
Die Erfahrungen im internationalen Bereich haben gezeigt, dass für den dauerhaften
Betrieb etwa 24 US$ (ca. 18€) je erfasstem Patienten erforderlich sind.
2.6 Zuständigkeit für die Datenerfassung und Arbeitsaufwand
Prinzipiell sollte zwischen Dokumentation und Kodierung unterschieden werden. Die
Dokumentation erfolgt zunächst und vorrangig nicht unter finanziellen Aspekten. Auch
eine Anlehnung an bestehende Qualitätssicherungsmodule (AQUA) ist aus den geschilderten
Gründen nicht sinnvoll. Die Zuständigkeit und Verantwortung für die korrekte Eingabe
der klinischen Daten und Implantatdaten sollte beim jeweiligen Operateur liegen. Die
Gesamtverantwortung für die korrekte Übermittlung der erforderlichen Daten liegt bei
der betreibenden Klinik / Institution.
Die Eingabe der Implantatdaten sowie der klinischen Patientendaten kann verpflichtend
als QM-Standard im Rahmen der OP-Dokumentation eingeführt werden.
Die Umsetzbarkeit und Praktikabilität konnte in einem Pilotversuch am Hochschulzentrum
für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie bereits gezeigt werden [40 ].
Bei der Evaluierung der Fragen ist großer Wert auf ein einfaches und selbsterklärendes
Schema gelegt worden. Der Zeitaufwand für die Online-Erfassung des Implantatbogens
beträgt im Rahmen eines Pilotprojektes an der Universität Regensburg bei Erstimplantation
01:57±00:49 min und bei Implantatwechsel 02:13±00:38 min. Dieser elektronische Bogen
wird direkt im Anschluss an eine Operation vom jeweiligen Operateur am Computer als
patientenbezogenes Dokument erstellt und ausgefüllt. Teilinformationen werden automatisch
vom Computerprogramm in den Bogen integriert. Zudem geht er über die schon per Verordnung
vorgeschriebenen gesetzlichen Regelungen zur Dokumentation von implantierten Brustimplantaten
insoweit hinaus, als dass zusätzliche Informationen wie operative Details (Zugangsweg,
Implantatlage, Revisionsoperationen) erfasst werden.
2.7 Anreiz und Sanktionen für betroffene Leistungserbringer, CIRS
Um die Ziele (vgl. 1.1) eines solchen Registers für Brustimplantate verlässlich verfolgen
zu können, bedarf es vor allem der Implementierung eines Critical Incident Reporting
Systems (CIRS). Es muss gewährleistet sein, dass etwaig auftretende Komplikationen,
die in Zusammenhang mit der Implantation stehen könnten, sorgfältig von den nachbehandelnden
Ärzten dokumentiert und überprüft werden.
Die Eingabe der Implantatdaten sowie der klinischen Patientendaten kann verpflichtend
als QM-Standard im Rahmen der OP-Dokumentation eingeführt werden. Um eine leitlinienkonforme
Dokumentation über nachfolgende Komplikationen im Implantatregister zu gewährleisten
und dadurch aussagekräftige Statistiken generieren zu können, bedarf es einer Teilnahme
aller potenziell nachbehandelnden Ärzte / Kliniken am Register und die Nutzung registerspezifischer
Online-Fragebögen (vgl. 2.3.2).
Um die bürokratischen Belastungen für die Leistungserbringer so gering wie möglich
zu halten und die Effektivität für Qualitätssicherungsmaßnahmen zu stärken, sind Kompatibilität
und Harmonisierung mit anderen QS-Verfahren und die Nutzung bereits vorhandener, möglichst
elektronischer Datenquellen anzustreben. Eine Möglichkeit wäre hier die Einbindung
des neuen Registers in bereits bestehende Systeme. Hier wäre die Verwendung des DGPRÄC-Registers
oder des Registers der Arbeitsgemeinschaft für ästhetische, plastische und wiederherstellende
Operationsverfahren in der Gynäkologie (AWOgyn) denkbar.
Um einen zusätzlichen Anreiz für die Nutzung des Registers zu schaffen, werden Rückmeldeinstrumente
entwickelt, mit deren Hilfe den behandelnden Ärzten und Behandlungseinrichtungen Daten
zur Qualität ihrer Behandlungsergebnisse zurückgemeldet werden, die Leistungsvergleiche
ermöglichen und auf diese Weise Anreize zur Leistungssteigerung schaffen.
2.8 Art der Datenerfassung
2.8.1 Implantatdaten
Die korrekte Identifizierung des eingesetzten Implantates im Zusammenhang mit einem
bestimmten Eingriff bedingt die Dokumentation einiger Merkmale. Dies erfolgt zum einen
über die Auswahl des Implantatherstellers, zum anderen über die Eingabe der eindeutigen
Seriennummer. Hierdurch kann später der entsprechende Fall in der Datenbank eindeutig
zugeordnet werden.
Dies ist allerdings lediglich möglich, wenn bei einem ggf. erforderlichen Zweiteingriff
der Implantatpass vorgelegt wird. Wird eine über diese Option hinausgehende Identifikation
gewünscht, muss datenschutzrechtlich geklärt werden, in welchem Umfang personenbezogene
Daten zusätzlich erfasst werden können.
2.8.2 Klinische Daten
Zusätzlich zur Erfassung der Implantat-Kenndaten werden klinische Daten registriert.
Der Fragebogen kann durch den Operateur, seine Assistenten oder – basierend auf dem
Operationsbericht – auch durch eine Studienassistentin ausgefüllt werden [1 ].
Der standardisierte Fragebogen soll dabei helfen, einheitliche Datensätze zu schaffen
und dadurch die Vergleichbarkeit der gewonnenen Informationen zu sichern. Die Fragebögen
von ICOBRA sind anhand der vorausgegangenen Problemstellungen umfangreich evaluiert
worden und bereits im klinischen Alltag erprobt. Besonderer Wert wurde darauf gelegt,
ausschließlich klinisch eindeutige Daten zu erfragen, um die zusätzliche Arbeitsbelastung
möglichst gering zu halten und andererseits keine zweideutigen Aussagen zu erhalten.
2.8.3 Materialprüfung
Schadhafte Implantate werden derzeit nach der Explantation über ein standardisiertes
Formular an das BfArM gemeldet. Die Implantate werden an den jeweiligen Hersteller
und die zuständige Materialprüfstelle, TÜV oder DEKRA, gesendet, die den Schaden bewerten.
2.9 Datenschutz
Derzeit ist die implantierende Institution / Praxis verpflichtet, die Implantatinformationen
zu jedem Eingriff zu archivieren. Strukturelle Vorgaben gibt es hierfür nicht. Dies
erfolgt daher in aller Regel durch ein händisch geführtes Implantatbuch, teilweise
aber auch lediglich durch Angabe der Seriennummern in den OP-Berichten.
Bei dem kürzlich zurückliegenden Massenandrang besorgter Patientinnen im Rahmen des
PIP-Skandals hat sich gezeigt, dass diese Strukturen nicht geeignet sind, um gleichzeitige
Anfragen tausender Patienten zeitnah zu beantworten. Auch eine aktive Kontaktaufnahme
der Patienten von Seiten der Klinik ist nur mit erheblichem Aufwand zu gewährleisten,
da sämtliche Akten / OP-Berichte des betroffenen Zeitraums überprüft werden müssen.
Darüber hinaus sind Krankenhäuser / Praxen möglicherweise inzwischen geschlossen.
Eine Möglichkeit für Patienten zu schaffen, unabhängig von der implantierenden Institution
Auskunft über eine mögliche Gefährdung zu erlangen, ist also durchaus sinnvoll. Es
sind daher die datenschutzrechtlichen Bedingungen zu prüfen, auch personenbezogene
Daten zentral zu erfassen. Dies würde die Schaffung einer Anlaufstelle für Patienten
ermöglichen bzw. könnte den implantierenden Institutionen eine Liste mit betroffenen
Patienten zur Verfügung gestellt werden.
Alternativ wäre es möglich, im Falle von Auffälligkeiten die entsprechenden Seriennummern
auf einer Web-Seite zu publizieren. Hier könnten sich die Patienten mithilfe der Implantatpässe
informieren. Sollten sie betroffen sein, können sie sich an die behandelnde Institution
wenden.
Sollen keine Klarnamen verwendet werden, wäre auch die Angabe der eindeutigen Krankenhausidentifikationsnummer
eine Option. Eine externe Zuordnung wäre ausgeschlossen, krankenhausintern aber die
Identifikation deutlich vereinfacht.
Ein Problem würde dies lediglich bei Verlust des Implantatpasses darstellen, bzw.
wenn die implantierende Einrichtung nicht mehr tätig ist.
Verbleibende datenschutzrechtliche Hürden könnten ebenfalls durch bundesgesetzliche
Regelungen bzw. Erlaubnistatbestände beseitigt werden.
2.9.1 Anonymität der behandelnden Ärzte
Ein bundesweites Register für Brustimplantate bietet nicht nur die Möglichkeit einer
zentralen Sammlung und statistischen Auswertung von aufgetretenen Komplikationen,
sondern lässt auch ihre Rückverfolgung auf die entsprechende implantierende Klinik
bzw. den entsprechend implantierenden Arzt zu. Für das Register werden daher ausschließlich
anonymisierte Falldaten verwendet, sodass eine direkte Rückverfolgung zu den Operateuren
außerhalb der Klinikserver nicht mehr möglich ist. Diese Anonymisierung der Behandelnden
sichert zudem einen vertrauensvollen Umgang mit Komplikationen, sodass anhand der
zentralen Datenauswertung jede behandelnde Einrichtung im Sinne der Prozessqualität
(z. B. Einhaltung von Therapiestandards usw.), Strukturqualität und Ergebnisqualität
Verbesserungen vornehmen kann. Jeder Teilnehmer bekommt die aggregierten Daten als
Benchmark und die eigenen Daten zum Abgleich.
2.9.2 Umgang mit Patientendaten
Den Patienten wird das im Datenschutzgesetz vorgesehene Auskunftsrecht auf entsprechende
Anfrage jederzeit kostenlos gewährt. Ebenso können die Patienten jederzeit verlangen,
dass die über sie gesammelten personalisierten Daten teilweise oder ganz gelöscht
werden.
Falls gewünscht, bleiben die Daten auf nationaler Ebene noch mit den Patientendaten
verknüpft, um optimale Behandlung und Nachsorge zu gewährleisten (s. o.). Für die
Weiterleitung an die internationale Auswertungsstelle ist dies nicht erforderlich.
Die Daten werden anonymisiert oder pseudonymisiert. Im Falle von Auffälligkeiten reicht
die Rückmeldung betroffener Seriennummern, um auf nationaler Ebene die entsprechende
Identifikation betroffener Patienten oder implantierender Institutionen zu gewährleisten.
Sollte auch auf nationaler Ebene keine Tracking Funktion gewünscht werden bzw. an
datenschutzrechtlichen Hürden scheitern, würden ohnehin lediglich Seriennummer und
implantierende Institution gespeichert werden. Ein personalisierte Zuordnung ist dann
von extern nicht möglich.
2.9.3 Zugriffsrechte
Das Implantatregister ist nicht öffentlich zugänglich; nur ein eng beschriebener Kreis
von Berechtigten darf Einsicht in die jeweils gelieferten Daten nehmen bzw. Antrag
auf anonymisierte Auswertung stellen. Den jeweiligen Chirurgen / Institutionen werden
die eingegebenen Daten als Benchmark zum Vergleich mit der Gesamtheit übermittelt.
Über die weiterführende Verwendung von Daten und Datensätzen in anonymer Form entscheidet
das Registergremium. Dieses ist auch verpflichtet, jährlich über das Implantatregister
und die Ergebnisse der Datenauswertung öffentlich zu berichten. Das Recht der Erstveröffentlichung
für die nationalen Daten liegt ebenfalls hier.
Die Auswertung der internationalen Daten erfolgt derzeit in der Registerzentrale in
Australien.
2.9.4 EDV-Sicherheit
Um einen datenschutzrechtlich sicheren Umgang mit den eingegebenen Daten zu gewährleisten,
muss eine dauerhafte Betreuung der Datenbank und Serverstruktur sichergestellt sein.
Die Dokumentationsplattform, bestehend aus Zentralserver und externen Modulen, wurde
vor dem Hintergrund der Datentrennung entwickelt. Der Zentralserver beinhaltet die
Hauptsoftwareanwendungen und die Zentraldatenbank inklusive aller Studiendefinitionen
sowie die anonymisierten Daten der klinischen Studien.
Auf den Modulservern sind sämtliche identitätsbezogenen Daten (demografische Daten
der Benutzer, Kliniken und Patienten) gespeichert. Der Standort der Modulserver ist
abhängig von den Bedürfnissen des Kunden. Zwischen dem Zentralserver und den Modulservern
besteht keine direkte Verbindung. Dadurch werden Sicherheit und Privatsphäre beider
Systeme sichergestellt. Gemeinsam werden die Daten lediglich im Browser angezeigt.
2.10 Inhalte der Datenerfassung
2.10.1 Implantatdaten, am Beispiel der Brustimplantate
Für die Erfassung der Implantate wird ein Implantatpass angefertigt, welcher bei jeder
Operation in die Datenbank eingespeist wird. Dieser beinhaltet folgende Punkte:
Wichtig ist die individuelle Verschlüsselung der Klinik als Patienten-ID.
Zum Implantat selbst werden Art des Implantats mit Form, Katalog- und Seriennummer,
Füllvolumen und Füllmaterial, Oberflächenstruktur sowie der Hersteller festgehalten.
Weiter wird der OP-Grund genannt, ob rein ästhetisch oder als Wiederaufbau nach Mamma-Ca.
Und auch Operationsdaten wie Zugangsweg, Lage des Implantats und Antibiotikagabe werden
dokumentiert, genau wie Erstoperation, Revision oder Explantation.
Bei Explantation oder Revision muss genau dokumentiert werden, wegen welcher Komplikationen
und nach welchem Zeitraum diese auftraten. In diesem Zusammenhang muss die Frage geklärt
werden, ob eine Kapselfibrose entstanden ist und wenn ja, in welchem Schweregrad I
– IV:
Das Implantat wird beschrieben und Veränderungen wie Oberflächenschäden, Bleeding
u. a. dokumentiert.
Auch die Patientendaten mit Name, Vorname, Geburtsdatum und Geschlecht werden auf
dem Pass vermerkt.
Als Pilotprojekt wurde vom Universitätsklinikum Regensburg ein elektronischer Brustimplantat-Erhebungsbogen
entworfen, welcher ausführlich im Artikel von Kuehlmann B. dargestellt ist [40 ].
2.10.2 Klinische Daten
Neben Daten zu Implantat und Operationsverfahren sollten klinische Informationen gesammelt
werden, die zum Zwecke epidemiologischer Studien verwendet werden können. Sowohl Laborparameter
(CRP, Leukozyten, Procalcitonin) als auch Ergebnisse klinischer Nachuntersuchungen
(Lymphadenopathie, B-Symptomatik, sowie mikrobiologische und histologische Befunde)
bzw. Folgeerkrankungen (z. B. Lymphomentstehung o. Ä.) sollten auf standardisierten
Bögen im Implantatregister festgehalten und hinterlegt werden, ebenso der Behandlungsverlauf.
2.11 Auswertung und Publikation
Die Auswertung, Publikation und die weitere Verwendung der gesammelten nationalen
Daten obliegt einem Registergremium bei der jeweiligen Fachgesellschaft.
Die Rückmeldewege müssen transparent sein und alle Leistungserbringer in überzeugender
Form erreichen. Dort müssen die Datenmeldungen in kritischer und offener Diskussion
verarbeitet werden. Erkannten Qualitätsdefiziten muss mit konkreten Maßnahmen begegnet
werden. Die Implementierung und Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen muss aus den
folgenden Rückmeldungen bewertet und nötigenfalls verbessert werden.
Die Statistiken aus den anonymisierten Gesamtdaten werden auf einer Onlineplattform
veröffentlicht. Diese sind grundsätzlich den eingebenden Kliniken zugänglich. Ausnahmefälle,
z. B. zu Forschungszwecken, müssen von der Geschäftsstelle genehmigt werden.
2.12 Weitere Anreize und Unterschiede zu bereits vorhandenen Registern
Ein Problem bei der Einführung von Neuerungen kann die praktische Umsetzung im Alltag
darstellen.
Uneinheitliche Rahmenbedingungen haben uneinheitliche Ausstattungen, Arbeitsweisen
und Funktionen klinischer Register zur Folge. Nachteilig wirken sich redundante und
teilweise sogar konkurrierende Qualitätssicherungssysteme aus. Hierdurch entstehen
unnötiger Kosten- und Dokumentationsaufwand sowie Akzeptanzverluste bei Ärzten und
Patienten. Solche Probleme, wie sie in Bezug auf das bundesweite Krebsregister beschrieben
werden, können vollständig auf die Problematik bei den Brustimplantatregistern übertragen
werden.
Durch starke Anreize für die Ärzteschaft und durch hohe Nutzerfreundlichkeit lässt
sich dieses Problem minimieren. Letzten Endes haben aber die Erfahrungen mit den beiden
bestehenden Registern gezeigt, dass hierdurch alleine keine ausreichende Erfassungsquote
zu erzielen ist. Die vollständige Erfassung ist jedoch zur sinnvollen Bewertung unerlässlich.
Daher muss eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung auf Bundesebene vorangetrieben
werden, wie sie bereits im Koalitionsvertrag von 2013 geplant ist.
Von Seiten der Industrie muss eine verbindliche Kennzeichnung der Implantate durch
Seriennummern gefordert werden.
Schadhafte Implantate müssen von einer unabhängigen Prüfstelle bewertet werden.
Ein entscheidender Unterschied zu bereits bestehenden Registern ist die Vereinheitlichung
der Dokumentation. Die Sicherheitsdaten werden zentral erfasst und verwaltet. Speziell
auf Brustimplantate bezogen ist eine Involvierung jeder deutschen Einrichtung, die
Brustimplantate verwendet, unerlässlich. Ein langfristiger Überblick über Qualität,
Nutzen und Risiken von Implantaten kann nur dann erfolgen, wenn das Register alle
Implantate in Deutschland sowohl bei der Implantation als auch bei Explantation erfasst.
Die plastisch-chirurgische International Collaboration of Breast Registry Activities (ICOBRA) bietet die Möglichkeit, die Aussagekraft des Datenpools dieses geplanten Registers
zusätzlich erheblich zu erweitern. Auffälligkeiten können durch die größere Datenmenge
wesentlich früher detektiert werden. Die Bestrebungen müssen dahin gehen, bei dem
internationalen Register aktiv mitzuwirken, welches jedoch die Vorgabe hat, 95% der
Implantate zu registrieren.
Bisherige Versuche, ein Register für Brustimplantate in Deutschland zu etablieren,
wie z. B. das Implantatregister der Arbeitsgemeinschaft für ästhetische, plastische
und wiederherstellende Operationsverfahren in der Gynäkologie e.V. (AWOgyn), aber
auch das der DGPRÄC, basieren auf freiwilliger Teilnahme. Sie können nicht das langjährige
Schicksal einer Implantatträgerin erfassen und bewerten. Darüber hinaus haben sie
keinen standardisierten Fragenkatalog und sind daher für den internationalen Vergleich
ungeeignet [5 ].