Zusammenfassung
Die verdrängte Schwangerschaft gehört mit einer Inzidenz von 1:500 zu den eher häufigen
Ereignissen der Geburtshilfe. Umso erstaunlicher erscheint es, dass in unserer Gesellschaft
eine gewisse Tabuisierung dieses Themas besteht. Die Gründe mögen in unserer Moralvorstellung
sowie unserer Sozialisierung liegen. Da Schwanger- und Mutterschaft einen mit großer
Freude verbundenen Zustand darstellen muss, wird ein anderes Erleben oft als gesellschaftlich
nicht akzeptiert wahrgenommen und negiert. Ein ähnliches Phänomen gibt es z. B. bei
Wochenbettdepression.
In allen zur verdrängten Schwangerschaft vorhandenen Studien konnte belegt werden,
dass es keine signifikanten Risikogruppen gibt, vielmehr zieht sich dieses ungewöhnliche
Vorkommnis durch alle Gesellschafts- und Bildungsschichten. Auch die Parität zeigt
in diesen Studien keine Auffälligkeiten.
Tiefenpsychologisch kann die Verdrängung als Anpassungs- bzw. Angststörung verstanden
werden und dient auf unbewusster Ebene der Abwehr von intrapsychischen Konflikten.
Die Uminterpretation körperlicher Veränderungen ermöglicht auch bei Gewichts- und
Bauchumfangzunahme sowie kindlichen Bewegungen ein Unbewussthalten der Schwangerschaft
und damit des Konfliktes.
Durch fehlende oder mangelhafte Vorsorge kommt es infolgedessen aber zu einer deutlichen
Erhöhung der Risiken für Mutter und Kind. Dies besonders, wenn auch die Geburt nicht
mit professioneller Hilfe stattfindet.
Je früher die Schwangere, ggf. mit Hilfe von Bezugspersonen oder medizinischem Personal,
ihren Zustand erkennt, desto geringer können die Risiken gehalten werden. Dies bedeutet,
unsere Wahrnehmung zu schulen und Ängste des Ansprechens zu überwinden.
Nach Aufdecken der Schwangerschaft muss die Frau in ein soziales Netz eingebunden
werden, welches ihr vermitteln kann, dass die Verleugnung der Schwangerschaft kein
psychotisches Symptom ist und häufiger als gedacht vorkommt. Gelingt dies, so ist
die Perspektive für Mutter und Kind als sehr günstig einzustufen.
Abstract
With an incidence of 1:500, denial of pregnancy is a rather frequent incident in obstetrics.
Strikingly, in our society, this issue is placed under a taboo. Reasons might be our
moral values and socialization. Since pregnancy and motherhood have to be associated
with joy, other sensations are often perceived as socially not accepted and thus denied.
A similar phenomenon exists e. g. with postnatal depression.
In all existing studies on denial of pregnancy, it was proven that there are no significant
at-risk groups. Instead, it occurs in all social and educated classes and no association
with parity was shown.
Psychologically, the denial can be understood as an adaptive or anxiety disorder.
Unconsciously, it serves as a defense mechanism against intrapsychic conflicts. Reinterpretation
of physical changes allow sustained unconscious and thus conflict even in the presence
of fetal movements and while body weight and abdominal girth are increasing.
Lacking and insufficient preventive examinations increase risks for mother and child.
Especially, when delivery takes place without professional help.
The earlier the pregnant woman realizes her condition, if necessary with help from
a reference person or medical personnel, the lower the risks. This implies to train
detection and overcome fear of addressing the woman. After the pregnancy is revealed,
the woman needs to be integrated into a social network, which conveys that denial
of pregnancy is not a psychotic symptom and occurs more often than assumed. If this
succeeds, the perspective for mother and child is favorable.
Schlüsselwörter
Schwangerschaftsverdrängung - Risiko - Anpassungsstörung - Angststörung - Maßnahmen
Keywords
denial of pregnancy - risk - adaptive disorder - anxiety disorder - management