Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(06): 268-271
DOI: 10.1055/s-0042-120835
Journal-Club
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wichtige luftfahrtmedizinische Publikationen 2016

Aktuelle Daten zu Flugunfallanalysen
Jochen Hinkelbein
1   Köln, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin
,
Franziska Merzbach
1   Köln, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin
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Publication Date:
15 December 2016 (online)

 

Die Luft- und Raumfahrtmedizin entwickelte sich in den letzten Jahren durch vielfältige wichtige wissenschaftliche Impulse auf verschiedenen Ebenen wesentlich weiter. Hierzu zählen einerseits Impulse aus der kommerziellen und der allgemeinen Luftfahrt, andererseits aber auch grundlagen- und praxisorientierte Forschungsergebnisse aus dem Bereich.

Die detaillierte Kenntnis und richtige Interpretation etlicher bedeutender Studien in einer zunehmend großen Anzahl an Fachzeitschriften ist oftmals und zunehmend eine nicht erfüllbare Herausforderung – sofern man auf dem aktuellen Stand bleiben möchte. Einige dieser wichtigen Publikationen des letzten Jahres mit praktischer Relevanz stellen die Autoren vor.

Ursachen von Unfällen mit Rettungshubschraubern

Boyd DD, Macchiarella ND. Occupant Injury Severity and Accident Causes in Helicopter Emergency Medical Services (1983–2014). Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 26–31

Thema: Flugunfallanalysen sind seit jeher eng mit dem Bereich Flugmedizin verknüpft, da durch detaillierte Analysen Einflussfaktoren identifiziert werden können, um die Flugsicherheit zukünftig zu verbessern. Ein Bereich mit vergleichsweise hohen Unfallzahlen ist der Bereich Rettungshubschrauber (HEMS, Helicopter Emergency Medical Services). Bei Flügen mit Rettungshubschraubern sind oftmals Wetter- und Umgebungsbedingungen vergleichsweise schlecht und das daraus resultierende Risiko für einen Flugunfall erhöht [1]. Schwierige Flugbedingungen (z. B. Hindernisse, Landung im nicht erkundeten Gelände) sowie Stress im Ablauf erhöhen zusätzlich das Risiko [1].

Projekt: Die Autoren analysierten Unfallraten und -ursachen in den Jahren 1983–2014 sowie die daraus resultierenden Verletzungsmuster bei den Insassen. Datengrundlage war die NTSB-Unfalldatenbank des entsprechenden Zeitraums.

Ergebnisse: Die Unfallrate sank im Untersuchungszeitraum um 71 %, wohingegen der Anteil tödlicher Verletzungen (36–50 %) und die Verletzungsschwere unverändert blieben ([Abb. 1]). Hinsichtlich der Unfallursachen waren und blieben Hindernisse und Wetter die Hauptprobleme (37 und 26 %) und zeigten einen abnehmenden Trend, wohingegen technische Ursachen einen Aufwärtstrend zeigten.

Kommentar

Die Autoren konnten zeigen, dass technische Ursachen in diesem speziellen Luftfahrtbereich zunehmend relevant werden, der „Faktor Mensch“ aber nach wie vor den Hauptanteil ausmacht. Die Autoren empfehlen, dass Hersteller die technische Sicherheit erhöhen sollten und die Hubschrauber auch für IFR-Flüge ausgestattet sein sollen. Wenngleich das US-amerikanische HEMS-System nicht ohne Weiteres mit Deutschland vergleichbar ist, zeigt die Studie eine gute Korrelation mit deutschen Daten auf [2].


Für Deutschland wurde kürzlich der Einfluss des Wetters beziehungsweise IFR-Bedingungen als ein wichtiger und entscheidender Faktor für Flugunfälle mit Rettungshubschraubern aufgezeigt [3]. Hindernisberührungen und Kollisionen weisen ebenfalls für deutsche HEMS-Unfälle eine sehr große Bedeutung auf [1, 4]. Hinsichtlich Verletzungsschwere und resultierende Verletzungen ergibt sich für HEMS-Unfälle ein inhomogenes Bild und Vergleiche sind oftmals problematisch [5].

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Abb. 1 Verletzungsschwere in Abhängigkeit des Zeitraums.Quelle: modifiziert nach Boyd DD et al. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 26–31

Literatur

  1. Hinkelbein J, Schwalbe M, Neuhaus C et al. Incidents, accidents and fatalities in 40 years of German helicopter emergency medical system operations. Eur J Anaesthesiol 2011; 28: 766–773

  2. AG Notfallmedizin, Spelten O, Genzwürker HV, Hinkelbein J. Flug- und notfallmedizinische Forschung zur Luftrettung Ergebnisse und Tätigkeitsbericht. 2011; 18: 168–173

  3. Hinkelbein J, Schwalbe M, Wetsch WA et al. Application of the FIA score to German rescue helicopter accidents to predict fatalities in Helicopter Emergency Medical Systems (HEMS) crashes. J Emerg Med 2012; 43: 1014–1019

  4. Hinkelbein J, Dambier M, Viergutz T, Genzwürker H. A 6-year analysis of German emergency medical services helicopter crashes. J Trauma 2008; 64: 204–210

  5. Hinkelbein J, Spelten O, Neuhaus C et al. Injury severity and seating position in accidents with German EMS helicopters. Accid Anal Prev 2013; 59: 283–288


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Alkohl und Drogen in humanen Proben nach tödlichen Flugunfällen

Chaturvedi AK, Craft KJ, Hickerson JS et al. Ethanol and Drugs Found in Civil Aviation Accident Pilot Fatalities, 1989–2013. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 470–476

Thema: Es ist sicherlich nicht ungewöhnlich, dass Piloten in der Freizeit Alkohol und Drogen konsumieren. Dass Piloten während oder kurz vor ihrem Flugdienst Alkohol und Drogen konsumieren, ist leider auch zu befürchten.

Projekt: Die Autoren vom Civil Aerospace Medical Institute (CAMI) aus den USA haben sich exakt der Frage angenommen und untersuchten das Vorhandensein von Alkohol, Medikamenten und Drogen in humanen Proben nach tödlichen Flugunfällen.

Ergebnisse: Die Autoren analysierten die Daten aus den Jahren 1989–2013 und identifizierten 1169 Fälle. Die meisten Piloten flogen in der allgemeinen Luftfahrt und hatten ein dazugehöriges Tauglichkeitszeugnis. Im Vergleich zu einer ersten Untersuchung der Jahre 1989–1993 ist die Anzahl der tödlichen Flugunfälle im letzten Zeitraum 2009–2013 um 37 % gesunken, der postmortale Nachweis von Alkohol und Drogen allerdings um 239 % gestiegen ([Abb. 2]). Insbesondere die Verwendung illegaler Substanzen war um 267 bis 583 % gestiegen. Zusammen betrachtet waren Alkohol und Drogen bei 5 % der Flugunfälle präsent.

Kommentar

Die Zunahme von nachgewiesenen Medikamenten in postmortalen humanen Proben ist auffällig und kann einerseits durch eine vermehrte Verschreibungspraxis, aber auch durch die illegale Einnahme dieser Medikamente verursacht sein. Des Weiteren bleibt unklar, ob die Zunahme an Fällen nicht vielleicht durch eine intensivierte Suche, verbesserte Analysemethoden oder durch eine Zunahme des Luftverkehrs verursacht sein kann.


Die vorliegende Untersuchung stützt sich nur auf postmortale Ergebnisse fataler Flugunfälle. Für die korrekte Einschätzung des Risikos wäre es allerdings wichtig, auch die Ergebnisse von Piloten miteinzubeziehen, die in nicht tödlichen Unfällen involviert waren oder aber auch keinen Unfall hatten. Diese Ergebnisse werden leider in absehbarer Zeit nicht zu erheben sein, wären aber für die Verbesserung der Flugsicherheit von immensem Wert.

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Abb. 2 Anteil an Substanzen in Abhängigkeit des Zeitraums.EtOH = Alkohol; CS = Medikamente (controlled substances); R = Verordnete Medikamente (prescription); OTC = freiverkäufliche Medikamente (over the counter)Quelle: modifziert aus Chaturvedi AK et al. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 470–476

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Erste Daten zum räumlichen Zusammenhang: letzte Radarposition und tatsächlicher Absturzort

Koester RJ, Greatbatch I. Missing Aircraft Crash Sites and Spatial Relationships to the Last Radar Fix. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 114–121

Thema: Bisher haben lediglich einige wenige Forschungsprojekte räumliche Charakteristika beziehungsweise räumliche Zusammenhänge bei Luftfahrzeugen in echten Notlagen untersucht. Noch keine Studie hatte den Abstand zwischen der letzten Radarposition und dem tatsächlichen Absturzort analysiert.

Projekt: Die Autoren versuchten, den Abstand dieser beiden Punkte zu analysieren, um zukünftige Such- und Rettungsmissionen zu unterstützen und das Auffinden von Luftfahrzeugen zu erleichtern. Daten des US Air Force Rescue Coordination Center der Jahre 2002 bis 2008 wurden für die Analyse genutzt und mit Daten der National Transportation Safety Board Datenbank kombiniert.

Ergebnisse: Insgesamt schlossen die Autoren in ihre Analyse die Daten von 260 verunglückten Luftfahrzeugen mit ein, bei denen 509 Insassen betroffen waren. Bei 83 % der Flüge waren Radardaten vorhanden. Die Mortalitätsrate betrug 89 %. Die meisten Unglücke (57 %) ereigneten sich in bergigem Gelände und 50 % der Luftfahrzeuge wurden innerhalb von 0,8 NM um die letzte Radarposition gefunden.

Kommentar

In den allermeisten Fällen war die letzte Radarposition ein sehr guter Prädiktor, um das Luftfahrzeug aufzufinden. Allerdings wurden 5 % der Luftfahrzeuge mehr als 45,4 NM entfernt von der letzten Radarposition gefunden. Für zukünftige Suchstrategien ist es daher von sehr großer Bedeutung entsprechende Algorithmen zu verwenden, um Luftfahrzeuge und Insassen möglichst schnell zu finden. Wenngleich sich in vielen Fällen eine gute Überschneidung zwischen Radardaten und tatsächlicher Auffindeposition ergibt, existieren dennoch unzählige Faktoren (z. B. Tiefflug, fehlende Radarabdeckung u. a.), die zu einer relevanten Diskrepanz führen. Ob diese mit entsprechenden Algorithmen wirklich zuverlässig vorhergesagt werden können, bleibt leider fraglich.


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Suizid und erweiteter Suizid von Piloten

Kenedi C, Friedman SH, Watson D, Preitner C. Suicide and Murder-Suicide Involving Aircraft. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 388–396

Thema: Nicht zuletzt wegen einiger aufsehenerregender Flugunfälle, die potenziell durch die Cockpitbesatzung ausgelöst wurden, entstand in den letzten Monaten eine zunehmende Forschungsaktivität in diesem Bereich. In der Psychiatrie wird dabei zwischen reinem Suizid und dem erweiterten Suizid (um andere zu töten) differenziert.

Projekt: Die Autoren publizierten eine systematische Suche, bei der sie mittels Datenbank-, Internet- und Flugunfallregister-Analysen alle relevanten Unfälle zu identifizieren versuchten.

Ergebnisse: Die Autoren identifizierten 65 Fälle von Suizid durch Piloten während des Fluges und 6 Fälle, bei denen Passagiere aus dem fliegenden Luftfahrzeug sprangen. Zusätzlich fanden sie 18 Flugunfälle mit erweitertem Suizid (davon 13 durch Piloten), bei denen insgesamt 732 Todesfälle auftraten. In diesem Bereich waren überdurchschnittlich viele erweiterte Suizide durch Piloten (17 % bzw. 13 von 65).

Fazit: Die Autoren schlussfolgern, dass erweiterte Suizide durch Piloten extrem selten sind, wenngleich die Anzahl der Todesopfer vergleichsweise hoch ist. Fünf der 6 erweiterten Suizide durch Piloten traten auf, als ein Besatzungsmitglied alleine im Cockpit war. Von daher schlussfolgern und empfehlen die Autoren, dass es hilfreich sein kann, wenn Besatzungsmitglieder nicht alleine im Cockpit sind. Einzelne Faktoren als Auslöser konnten nicht gefunden werden. Bei normalen Suiziden war allerdings die Beteiligung von Alkohol und Drogen sowie von Krisen, Konflikten und Stressoren in der Beziehung auffällig.

Kommentar

Suizide und erweiterte Suizide durch Piloten sind schlagartig in den letzten 2 Jahren bekannt und relevant geworden. Nicht zuletzt auch wegen der Unglücke von Malaysia Airlines MH370 und Germanwings 4U9524 haben diese vergleichsweise seltenen Ereignisse auch überaus großes Medieninteresse erfahren. Trotz nun deutlich verschärfter Maßnahmen (Aufenthalt im Cockpit) und Kampagnen (z. B. Mental Health) wird man derartige Ereignisse zukünftig wahrscheinlich niemals verhindern können. Von daher sollten Piloten nach wie vor gut medizinisch und psychologisch untersucht werden und bei Auffälligkeiten (z. B. Beziehungsproblemen) möglichst optimale psychologische Hilfe angeboten bekommen. Komplett verhindern kann man solche Ereignisse leider niemals.


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Übersicht zu Notfällen und medizinischen Zwischenfällen an Bord von Flugzeugen

Nable JV, Tupe CL, Gehle BD, Brady WJ. In-Flight Medical Emergencies during Commercial Travel. N Engl J Med 2015; 373: 939–945

Thema: Zwischenfälle an Bord von Flugzeugen (sog. in-flight medical emergencies, IFME) treten durchschnittlich mit einer Häufigkeit von etwa einem pro 600 Flügen oder einem pro 10 000–40 000 Passagieren auf [1].

Projekt: Die Autoren stellen in ihrem Übersichtsbeitrag viele relevante Punkte zu Notfällen beziehungsweise medizinischen Zwischenfällen an Bord von Flugzeugen dar. Insgesamt ist dieses medizinische Feld allerdings bisher nur ungenügend untersucht [2, 3].

Zusätzlich zeigen die Autoren spezielle Erkrankungen und auch Traumata an Bord von Luftfahrzeugen auf, die einer notfallmedizinischen Herangehensweise bedürfen.

Ergebnisse: Spitzenreiter bei den Erkrankungen sind Synkopen (bis 37,4 % der IFME). Akute Koronarsyndrome (8 % der IFME) und Schlaganfälle (2 % der IFME) sind ebenfalls häufige Notfallsituationen. Ist sich der behandelnde Arzt nicht sicher, was in einem speziellen Fall zu tun ist, bieten die meisten Fluglinien auch Telekonsultationsmöglichkeiten an [4], sodass der Behandler von erfahrenen Kollegen am Boden beraten werden kann.

Fazit: Die Autoren schlussfolgern, dass reisende Ärzte stets auf Notfälle vorbereitet sein sollten.

Kommentar

Die Autoren beschreiben in ihrem Übersichtsbeitrag interessante und wichtige Punkte zu den sogenannten „in-flight medical emergencies“. Die Bedeutung von Notfällen an Bord von Luftfahrzeugen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Ursächlich sind hierfür unter anderem größere Flugzeuge, längere Flugstrecken und eine höhere Anzahl an älteren und kränkeren Passagieren [2]. Die Publikation von Nable et al. zeigt zwar eine interessante Übersicht über mögliche Erkrankungen und Traumata auf, enttäuscht aber hinsichtlich der Tiefe der dargestellten Informationen.

Für eine zielführende Analyse sollten IFME nicht nur von einer einzelnen Fluggesellschaft, sondern idealerweise übergreifend in einem nationalen oder internationalen Register erfasst werden [1]. Nur so ist es möglich, verlässliche Schlussfolgerungen zu ziehen und Trends zu identifizieren, die sich wiederum in veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen (z. B. zur notfallmedizinischen Ausstattung) wiederfinden sollten. Zukünftig ist ein verlässliches, internationales Register für Notfälle an Bord von Luftfahrzeugen notwendig, um qualitativ hochwertige und belastbare Informationen abzuleiten und um die medizinische Versorgungsmöglichkeit während des Fluges zu verbessern [1].

Literatur

  1. Hinkelbein J. Significant More Research Required: No Further Progress Without Sound Medical Data and Valid Denominators for In-Flight Medical Emergencies. J Travel Med 2015; 22: 355–356

  2. Silverman D, Gendreau M. Medical issues associated with commercial flights. Lancet 2009; 373: 2067–2077

  3. Peterson DC, Martin-Gill C, Guyette FX et al. Outcomes of medical emergencies on commercial airline flights. N Engl J Med 2013; 368: 2075–2083

  4. Hinkelbein J, Neuhaus C, Wetsch WA et al. Emergency medical equipment on board German airliners. J Travel Med 2014; 21: 318–323


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Tödlich verunglückte Piloten mit und ohne flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchung

Ricaurte EM, Mills WD, DeJohn CA et al. Aeromedical Hazard Comparison of FAA Medically Certified Third-Class and Medically Uncertified Pilots. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 618–621

Thema: In den USA können seit 2004 LSA-Flugzeuge mit einem normalen Führerschein als Ersatz für ein FAA-Medical geflogen werden.

Projekt: Die Autoren vom Civil Aerospace Medical Institute in Oklahoma gingen der Frage nach, ob es zwischen den beiden Gruppen von tödlich verunglückten Piloten mit und ohne FAA-Medical Unterschiede gibt. Sie analysierten hierzu das FAA Medical ANalysis and TRAcking Register (MANTRA) mit Einträgen zwischen Januar 2011 und April 2014.

Ergebnisse: Die Autoren fanden insgesamt 1084 Tote und analysierten zugehörige Daten aus Autopsien sowie toxikologischen Gutachten. Nach Ausschluss einiger nicht klassifizierbarer Fälle wurden 403 FAA-zertifizierte Piloten mit 64 nicht zertifizierten (Führerscheinbesitzer) Piloten verglichen. Bei den zertifizierten Piloten war das Risiko für relevante Beeinflussungsfaktoren signifikant geringer als bei nicht zertifizierten Piloten (25 vs. 59 %). Hinsichtlich toxikologischer Auffälligkeiten war kein Unterschied zu finden.

Kommentar

Die Daten dieser Untersuchung lassen den Schluss zu, dass das Vorhandensein eines FAA-Medicals das Risiko für einen tödlichen Flugunfall vermindert. Dies wäre eine der ersten Studien, welche die Sinnhaftigkeit flugmedizinischer Tauglichkeitsuntersuchungen auf wissenschaftlicher Basis klar darstellen. Bei der Analyse und Interpretation der Daten ist jedoch Vorsicht angesagt! In der Studie werden 403 FAA-zertifizierte Piloten mit nur 64 nicht zertifizierten Führerscheinbesitzern vergleichen. Das ist eine recht magere Datenbasis für eine solch relevante Bewertung. Die Studie ist, nichtdestotrotz, ein wichtiger Impuls für weitere Forschungsprojekte, die zukünftig zu diesem Thema folgen sollten!


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Moderne meterologische Hilfsmittel: mehr Flugsicherheit durch Anwendungstraining

Blickensderfer EL, Lanicci JM, Vincent MJ et al. Training General Aviation Pilots for Convective Weather Situations. Aerosp Med Hum Perform 2015; 86: 881–888

Thema: Wetterbedingungen spielen nicht nur bei HEMS-Unfällen, sondern in allen Bereichen der Luftfahrt eine große Rolle. Daher haben in den letzten Jahren unzählige Anwendungen für Wetterdatenbanken und -informationen Einzug in die Luftfahrt gefunden. Diese werden zunehmend auch von Piloten in der allgemeinen Luftfahrt genutzt. Die Anwendung dieser Produkte ist allerdings nicht unkritisch, da regelmäßiges Training notwendig ist, um eine ausreichende Performance im Umgang zu erreichen.

Projekt: Mittels einer Feldstudie und einem quasi-experimentellen Design nahmen in der Studie insgesamt 91 Piloten aus der allgemeinen Luftfahrt teil und wurden entweder einem Kurs oder einer Anwendungskontrolle zugeordnet. Der Kurs beinhaltete unter anderem theoretisches Wissen zu Radar, Wetterradar, Meteorologie und zur Entscheidungsfindung.

Ergebnisse: Piloten, die den Kurs besuchten, zeigten bessere Ergebnisse in der Analyse, insbesondere hinsichtlich Performance und Wissen.

Kommentar

Die Studie zeigte eindrücklich, dass viele Piloten aus der allgemeinen Luftfahrt moderne meteorologische Hilfestellungen regelmäßig nutzen, mit deren Anwendung allerdings oftmals große Probleme haben. Mittels des Kurses konnte die Performance deutlich verbessert werden. Hieraus kann potenziell auch eine Verbesserung der Flugsicherheit postuliert werden. Moderne APPs oder Smartphones/Tablets bieten dem Piloten heute ganz andere Möglichkeiten im Vergleich zu früheren analogen Zeiten. Dies führt einerseits zu Verbesserungen, andererseits sind aber viele Piloten in der Anwendung überfordert, machen Fehler in der Bedienung oder nutzen nicht alle notwendigen Möglichkeiten. Diese Problematik trifft aber andererseits auch auf weitere Bereiche in der Luftfahrt zu, beispielsweise die Nutzung von modernen Glascockpits.


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Abb. 1 Verletzungsschwere in Abhängigkeit des Zeitraums.Quelle: modifiziert nach Boyd DD et al. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 26–31
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Abb. 2 Anteil an Substanzen in Abhängigkeit des Zeitraums.EtOH = Alkohol; CS = Medikamente (controlled substances); R = Verordnete Medikamente (prescription); OTC = freiverkäufliche Medikamente (over the counter)Quelle: modifziert aus Chaturvedi AK et al. Aerosp Med Hum Perform 2016; 87: 470–476