Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(06): 267
DOI: 10.1055/s-0042-120836
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bisherige Angaben zu Endemiegebieten müssen revidiert werden

Tsutsugamushi-Fieber breitet sich weltweit aus
Gerd Burchard
1   Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit
,
Bernhard Fleischer
1   Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit
2   Hamburg
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Publication History

Publication Date:
15 December 2016 (online)

 

Weitzel T, Dittrich S, López J et al. Endemic Scrub Typhus in South America. N Engl J Med 2016; 375: 954–961

Thema: Das Tsutsugamushi-Fieber (englisch scrub typhus), hervorgerufen durch Orientia tsutsugamushi, ist eine potenziell gefährliche Erkrankung – gekennzeichnet durch eine Primärläsion (Eschar) bei etwa der Hälfte der Patienten, durch anhaltendes Fieber, Kopfschmerzen und ein Exanthem, das Fuß- und Handinnenflächen ausspart. Eine Purpura besteht bei den Fällen mit generalisierter Blutungsneigung. Die Lymphadenopathie ist generalisiert und wird von einer Splenomegalie begleitet. Beim ZNS-Befall sind Meningismus, Tremor, Verwirrtheit, Gereiztheit, Sprachstörungen und Schwerhörigkeit zu beobachten. Herzversagen, Kreislaufkollaps und Pneumonie können in Einzelfällen zum Tode führen.

Die Überträger, Laufmilbenlarven, werden transovariell infiziert. Die adulten Milben (Leptotrombidium spp.) übernehmen die Rickettsien mit der Blutmahlzeit von den Reservoiren, nämlich Ratten, Mäusen und Beuteltieren. Die Menschen werden durch die Laufmilbenlarven üblicherweise bei der Arbeit oder Übernachtung im Freien infiziert. In der Regenzeit, in der die Buschvegetation (scrub vegetation) besonders stark ist, legen die Milben Eier, aus denen sich die teilweise infizierten Nymphen (chiggers) entwickeln.

Projekt: Die Autoren der hier vorgestellten Studie beschreiben 3 Patienten auf der Insel Chiloé, Chile, bei denen Symptome wie bei einem klassischen Tsutsugamushi-Fieber aufgetreten waren.

Ergebnis: Serologisch ließen sich bei allen 3 Patienten spezifische Antikörper gegen O. tsutsugamushi in der indirekten Immunfluoreszenz und im ELISA nachweisen. Die serologischen Ergebnisse für den ersten Patienten wurden in der Mahidol-Oxford-Tropical Medicine Research Unit in Thailand bestätigt. Bei 2 Patienten wurde die Diagnose mittels PCR aus Biopsiematerial aus einem Eschar bestätigt.

Fazit: Chiloé (Isla Grande de Chiloé) ist eine etwa 180 x 50 km große Insel vor der Küste von Chile. Bereits 2011 war auf Chiloé ein Fall von Tsutsugamushi-Fieber beschrieben worden [1] und O. tsutsugamushi wurde damals zweifellos durch die DNA-Sequenz des 16S-rRNA-Gens identifiziert. Nun wurden hier wiederum mehrere Fälle eindeutig identifiziert, die Insel ist offensichtlich ein endemisches Gebiet. Die genaue Verbreitung von Orientia in Südamerika, Reservoir und Vektor sind nicht bekannt – man muss aber davon ausgehen, dass die Krankheit viel weiter verbreitet ist, als bisher bekannt.

Kommentar

Lehrbuchwissen ist, dass Tsutsugamushi-Fieber in Asien vorkommt, es ist endemisch im sogenannten Tsutsugamushi-Dreieck von Japan/China bis Indien und Nordaustralien. Man rechnet mit etwa einer Million klinischer Fälle pro Jahr. Im Manson‘s Tropical Diseases (23. Auflage) steht: „Scrub typhus is a cause of febrile illness in rural areas of Asia and Nothern Australia“. In „Tropenmedizin in Klinik und Praxis“ von Löscher/Burchard steht: „Das Tsutsugamushi-Fieber ist auf dem Indischen Subkontinent, in Ost- und Südasien und Nordaustralien sowie auf den Inseln des Westpazifiks und des Indischen Ozeans verbreitet“. Diese Angaben müssen jetzt revidiert werden.

Zum einen ist es in den letzten Jahren zu einer Ausbreitung der Erkrankung innerhalb Asiens gekommen. In Südkorea wurden von 1951–1985 keine autochthonen Fälle beschrieben, danach kam es zu einem deutlichen Anstieg [2]. In China [3] ist es zu einer Ausbreitung nach Norden gekommen (möglicherweise als Folge des Klimawandels). Zum anderen wird Orientia jetzt aber auch auf anderen Kontinenten gefunden. Bereits 2015 wurden Antikörper gegen O. tsutsugamushi bei Kindern mit Fieber in Kenia nachgewiesen [4], [5]. Orientia-DNA wurde in Mäusen und Mastomys-Ratten im Senegal gefunden [6]. Erwähnenswert ist auch, dass eine andere Orientiaart (O. chuto) in einem fieberhaften Patienten nach Dubaireise gefunden wurde [7].

Thomas Weitzel (früher als Mikrobiologe in Hamburg und jetzt in der Clinica Alemana, Universidad del Desarrollo in Santiago tätig) und Kollegen beschreiben jetzt 3 Fälle in Südamerika. Das Auftauchen einer zoonotischen und vektorübertragenen Infektion fernab der bisher bekannten Infektionsgebiete provoziert natürlich die Frage nach einem Transport der Vektoren, zum Beispiel mit Reisenden. Diese Frage kann zurzeit nicht beantwortet werden. Möglich erscheint jedenfalls, dass der Erreger bereits seit Langem unerkannt in Naturherden außerhalb Asiens persistiert. Dem New England Journal of Medicine war dieser Befund auch ein Editorial wert [8].

Anzufügen bleibt, dass das Tsutsugamushi-Fieber auch in der Reisemedizin wichtig ist: Die Krankheit wird insgesamt zwar nur selten importiert, kann aber schwierig zu diagnostizieren sein und komplizierte Verläufe aufweisen [9]. Man sollte bei unklarem Fieber daran denken, insbesondere bei Vorliegen einer Leukozytose, einer Thrombozytopenie und erhöhten Leberwerten, aber auch bei respiratorischer Insuffizienz, Kreislaufschock, Nierenversagen oder ZNS-Beteiligung [10], [11].


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