Borgmann H.
et al.
R.E.N.A.L. Score Outperforms PADUA Score, C-Index and DAP Score for Outcome Prediction
of Nephron Sparing Surgery in a Selected Cohort.
J Urol 2016;
196: 664-671
Die Wissenschaftler haben dazu Daten von 188 zwischen 2009 und 2013 mittels Nieren-erhaltender
Operation therapierten Patienten in eine retrospektive Auswertung aufgenommen. Sie
zogen 4 Scores heran
-
R.E.N.A.L.: Radius (maximaler Tumordurchmesser), exophytisch (bzw. endophytisch) wachsende Anteile, Nähe des am tiefsten gelegenen Tumoranteils zum Sinus, anterior (bzw. posterior) der Mittellinie der Niere gelegen, (relative) Lokalisation zur Nierenpollinie
-
C-Index: Centralitiy – beurteilt die Entfernung des Tumors vom zentralen Nierensinus
-
PADUA: Preoperative Aspects and Dimensions Used for an Anatomical Scoring – umfasst anteriore bzw. posteriore Lage und longitudinale Abmessungen,
Beziehung des Tumors zur Oberfläche und zum Nierenbeckenkelchsystem sowie tief gelegene
Tumoranteile
-
DAP: Diameter, Axial Distance, Polar Distance
und prüften, wie genau der jeweilige Score das Erreichen eines optimalen MIC-Ergebnisses
voraussagen konnte. MIC steht für Margin (tumorfreie Absetzungsränder im OP-Präparat),
Ischämie (warme Ischämiezeit<20 min) und Complication (keine Komplikationen mit Schweregrad≥3
nach Clavien-Dindo). Insgesamt waren alle MIC-Kriterien bei 80% der Operationen erfüllt,
im Einzelnen waren es 98% für Punkt M, 87% für Punkt I und 93% für Punkt C. Am besten
konnte der R.E.N.A.L.-Score diese Ergebnis vorhersagen (Odds Ratio 0,31 in der multivariaten
logistischen Regressionsanalyse nach Adjustierung im Hinblick auf Alter, Geschlecht,
Body Mass Index und Begleiterkrankungen). Am zweitbesten schnitt der C-Index ab, aber
weder PADUA noch DAP zeigten aussagekräftige Zusammenhänge mit dem Erreichen der MIC-Ziele.
Wenn die Mediziner weitere wesentliche perioperative Parameter heranzogen, so korrelierten
R.E.N.A.L.- und PADUA-Score positiv mit der Operationsdauer, der warmen Ischämiezeit
als kontinuierliche Variable und Klinikaufenthaltsdauer. Diese Ergebnisse unterschieden
sich nicht wesentlich zwischen offenen und Roboter-assistierten Eingriffen, allerdings
war die Zahl Letzterer mit nur 17 Operationen relativ gering.
Der R.E.N.A.L.-Score kann am besten das Erreichen der MIC-Ziele vorhersagen, meinen
die Autoren. Operateure könnten ihn damit zukünftig als Hilfestellung heranziehen,
wenn sie sich nicht sicher sind, ob ein Tumor für einen Nephron-erhaltenden Eingriff
geeignet ist. Allerdings seien weitere, prospektiv angelegte Studien notwendig, bevor
diese Empfehlung tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden kann.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim
Kommentar
R.E.N.A.L. Score Outperforms PADUA Score, C-Index and DAP Score for Outcome Prediction
of Nephron Sparing Surgery in a Selected Cohort
Die anatomische Lage des Tumors hat großen Einfluss auf die Schwierigkeit und das
chirurgische Ergebnis der Nierentumorexzision [1]. Hier helfen Nephrometrie Bewertungssysteme, um die Anatomie der Nierentumore zu
objektivieren und die wissenschaftliche und klinische Kommunikation zu erleichtern.
Dies zeigt sich in der Verwendung dieser Systeme in nahezu allen aktuellen Studien
zur Nierentumorchirurgie [2]
[3].
Die Arbeit von Herr Borgmann und Kollegen greift einen Schwachpunkt der Nephrometrie
an: Obwohl bisher über 300 wissenschaftliche Artikel zu dem Thema publiziert wurden,
ermöglicht die Datenlage aktuell nicht, eines der bestehenden Systeme klar zu favorisieren.
Systematische Vergleiche sind rar und häufig werden sie nur hinsichtlich der Vorhersage
einzelner Parameter (z. B. Komplikationsrate) durchgeführt [4]. Die Folge ist eine uneinheitliche Verwendung der Nephrometrie-Systeme, was wider
deren eigentlicher Idee ist – nämlich die wissenschaftliche und klinische Kommunikation
hinsichtlich der Anatomie von Nierentumoren zu vereinfachen.
Beachtenswert ist, dass Herr Borgmann nicht nur 4 Systeme vergleicht – mehr als bisherige
Studien – sondern auch den Endpunkt der Studie sinnvoll wählt. Der binäre Endpunkt
„MIC“ (Margin, Ischemia, Complications) erlaubt eine klare Überprüfung der prädiktiven
Wertigkeit der Systeme und deckt gleichzeitig die Trifekta Kriterien der partiellen
Nephrektomie ab. Hier sticht die Arbeit klar unter vergleichbaren Studien hervor,
die oft nur einzelne Endpunkte untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass der RENAL
Score am besten zur Vorhersage des Erreichens der MIC Kriterien dient. Es handelt
sich um das erste publizierte Bewertungssystem seiner Art, welches im Vergleich zu
den anderen Systemen einfach konzipiert ist [5]. Damit fügen sich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit gut in das aktuelle wissenschaftliche
Bild. Hier zählt der RENAL Score zu den am besten etablierten und meist genutzten
Systemen [3]. Zudem konnte unsere Arbeitsgruppe in einer vergleichbaren Arbeit die Überlegenheit
einfacher Systeme wie dem RENAL Score unterstreichen [6].
Neben dem retrospektiven Ansatz ist der sehr geringe Teil an minimal-invasiven Nierenteilresektionen
ein Nachteil der Studie. Dies ermöglichte nur eine rein deskriptive Subgruppenanalyse.
Die Aussage der Überlegenheit des RENAL Systems kann also primär für die offene partielle
Nephrektomie getroffen werden. Zwar ist die chirurgische Komplexität sicherlich zu
einem gewissen Maß vergleichbar, aber bei der an Bedeutung gewinnenden robotischen
Nierentumorexzision spielen Parameter wie Polarität oder Lage des Tumors in der Sagittalachse
eine andere Rolle als beim offenen Zugang [7].
Die Arbeit von Herrn Borgmann ist wichtig für das Feld der Nierentumorchirurgie, da
sie einiges Licht in den Dschungel der Nephrometrie-Systeme bringt. Die Schlussfolgerung
für klinisch-wissenschaftlich aktive Urologen ist, sich bei der anatomischen Klassifikation
der Nierentumoren auf das RENAL System zu konzentrieren. Eine konsequente Erhebung
des RENAL Scores in radiologischen Befunden wäre zudem wünschenswert, damit sich der
Mehrwert der Systeme vom wissenschaftlichen Einsatz in die tägliche klinische Kommunikation
überträgt.