Dialyse aktuell 2016; 20(10): 486-487
DOI: 10.1055/s-0042-122393
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Berufspolitik

Pflegekammern in Deutschland: aktueller Stand
Martina Kaufmann
1   Oberammergau
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Publication Date:
30 December 2016 (online)

 

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Die erste Pflegekammer in Deutschland existiert seit Anfang 2016 im Bundesland Rheinland-Pfalz. In Schleswig-Holstein hat der Errichtungsausschuss für eine Pflegekammer im Januar 2016 seine Arbeit aufgenommen. Nach wie vor wird die Etablierung von Pflegekammern in den einzelnen Bundesländern sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern kontrovers diskutiert. Dabei bestehen z. T. deutliche Diskrepanzen und die Auseinandersetzungen der Beteiligten werden mit großer Verbissenheit geführt. Es scheint, als würde sich die Errichtung einer Pflegekammer zu einem regelrechten Glaubenskrieg entwickeln.

Dabei fällt in den durchgeführten Befragungs- und Abstimmungsergebnissen in den einzelnen Bundesländern auf, dass die Zustimmung der Pflegenden selbst zur Errichtung einer Pflegekammer abhängig ist vom Grad der hinreichenden Information über das, was eine Pflegekammer ist und welche Aufgaben sie übernimmt. Kammergegner argumentieren, dass Pflegekammern keine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erwirken können, dass sie weder zu einer höheren Vergütung beitragen, noch die Qualität der Pflege insgesamt verbessern können [1]. Vielfach wird auch das Argument der Pflicht- oder Zwangsmitgliedschaft mit hohen Beiträgen angeführt. Gerade mangelhaft informierte Pflegende lassen sich von diesen Scheinargumenten irritieren.

In die eigentliche Diskussion um das Für und Wider einer Pflegekammer kommt so eine emotionale Komponente hinzu, die zudem Ängste schürt und zu Ablehnung führt. In diese Debatte um die Errichtung von Landespflegekammern in den einzelnen Bundesländern, wird derzeit bereits über die Etablierung einer Bundespflegekammer nachgedacht [2]. Wie ist die Lage in den einzelnen Bundesländern?

Was ist eine Pflegekammer?

Eine Pflegekammer ist eine Berufskammer in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie reguliert den Pflegeberuf im Sinne einer Selbstverwaltung und sie wird auf Länderebene eingerichtet. Dabei werden die grundlegende Struktur und die Organisation der Kammer von den jeweiligen Landesregierungen festgelegt.

Die Finanzierung der Pflegekammer erfolgt durch die Beitragszahlungen aller Pflichtmitglieder. Die Mitgliedsbeiträge werden einkommensabhängig berechnet und betragen im Durchschnitt ca. 10 Euro im Monat. Zu den Pflichtmitgliedern zählen

  • Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen,

  • Gesundheits- und Kinderkranken-pfleger/-innen,

  • Altenpfleger/-innen,

  • Kranken- und Altenpfleger/-innen und andere Pflegehelfer/-innen sowie Pflegeassistenten/-innen mit einem landesrechtlich geregelten Berufsabschluss [3].


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Die Aufgaben einer Pflegekammer

Als Hauptaufgabe einer Pflegekammer kann die Sicherstellung einer professionellen sowie sachgerechten Pflege der Bevölkerung unter Anwendung der aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse gesehen werden. Weitere Aufgaben einer Pflegekammer umfassen, neben der Registrierung der Pflegenden und ihrer Qualifikationen, u. a. die Anerkennung von Ausbildungseinrichtungen sowie die Abnahme eines Staatsexamens.

Pflegekammern überwachen und fördern die Aus-, Fort- und Weiterbildungen und sind maßgeblich für die Bildung einer einheitlichen Berufsordnung und Berufsethik verantwortlich. Sie bündeln die Interessen der Pflegenden und dienen als Ansprechpartner für die Politik. Sie nehmen eine beratende Funktion wahr, sowohl aufseiten des Gesetzgebers als auch aufseiten der Kammermitglieder. Sie sind an Gesetzgebungsverfahren beteiligt und kooperieren mit der öffentlichen Verwaltung. Die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben obliegt dabei den jeweiligen Landesregierungen [3].


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Baden-Württemberg

In der Aktion „Ja- zur Pflegekammer in Baden-Württemberg“ wurden vom Landespflegerat von Dezember 2014 bis Februar 2015 insgesamt 16 500 Unterschriften von Pflegekräften gesammelt. Diese wurden im März 2015 an die Ministerin Frau Altheide übergeben. Die Fraktionen im Landtag sollen unterrichtet und ein Beteiligungsprozess soll angestoßen werden [4].


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Bayern

Das bayerische Kabinett hat sich im Juli 2016 gegen die Einführung einer Pflegekammer und für eine „Vereinigung der bayerischen Pflege“ entschieden. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Freiwilligenbasis anstelle einer Pflegekammer mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen ist somit das favorisierte Modell der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), welches sie im März 2016 als Entwurf bei einer Sitzung in München vorlegte.

Neben einer Geschäftsstelle, die mit hauptamtlichen Mitarbeitern besetzt werden soll, würde die Körperschaft nach außen durch ein ehrenamtliches Präsidium vertreten. Die Finanzierung soll nicht durch die Beitragszahlungen der Mitglieder, sondern durch staatliche Mittel erfolgen. Als Hauptaufgabe der Körperschaft werden dabei die Interessenvertretung der Pflegekräfte sowie die Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren gesehen [4].


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Berlin

In einer Umfrage, die zwischen November 2014 und März 2015 stattfand, wurden 1200 Pflegekräfte zu ihrer Meinung bzgl. der Errichtung einer Pflegekammer befragt. 59 % stimmten für die Errichtung einer Pflegekammer. Lediglich 17 % waren dagegen. Im Berliner Abgeordnetenhaus wird das Thema weiterhin kontrovers diskutiert. Während die CDU und die Piratenpartei eine Pflegekammer befürwortet, liebäugelt die SPD mit der bayerischen Lösung. Die Linkspartei ist dagegen, während die Grünen keine eindeutige Meinung dazu haben [4].


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Brandenburg

Bestrebungen zur Gründung einer Pflegekammer gibt es seit April 2015. Obwohl Unterschriften gesammelt wurden und der Landtag die Landesregierung aufgefordert hat, eine Informationskampagne zu den Aufgaben einer Pflegekammer durchzuführen, stagniert der Prozess [4].


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Hamburg

Nach Auswertung einer durchgeführten Befragung, in der nur 36 % der Befragten sich für die Errichtung einer Pflegekammer aussprachen, teilte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks mit, auf die Errichtung einer Pflegekammer zu verzichten [4].


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Mecklenburg-Vorpommern

In einer Umfrage stimmten 73 % der 854 Befragten für die Errichtung einer Pflegekammer, während 16 % dagegen stimmten. Allerdings wollen nur 62 % der Befürworter dafür Beiträge bezahlen. Der Prozess stagniert [4].


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Niedersachsen

Im Jahr 2012 hatten sich 2 Drittel der Befragten für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen. Die niedersächsische Landesregierung plant im 2017 die Gründung einer Pflegekammer, die ab 2018 arbeitsfähig sein soll. Massive Widerstände finden sich v. a. aufseiten der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände [4].


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Nordrhein-Westfalen

Die von einem Pflegenden initiierte Aktion „Pflegekammer NRW jetzt!“ erbrachte mehr als 42 000 Unterschriften, die dem Vorsitzenden des Landtagsausschusses für Gesundheit, Arbeit und Soziales übergeben wurden. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat die nordrhein-westfälische Landesregierung aufgefordert, sich mit der Thematik zu befassen [4].


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Saarland

Von der CDU-Fraktion im Saarbrücker Landtag wurde im Juli 2016 angeregt, erneut über die Errichtung einer Pflegekammer nachzudenken. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Errichtung einer Pflegekammer eher abgelehnt. Man wollte zuerst die Entwicklung der Landespflegekammer in Rheinland-Pfalz abwarten. Zudem sind im Saarland alle Arbeitnehmer zahlende Pflichtmitglieder der Arbeitskammer. Die Einführung einer Pflegekammer hätte evtl. die Konsequenz, dass Arbeitnehmer in der Pflege doppelt Beitrag zahlen müssten [4].


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Weitere Bundesländer

In den Bundesländern Bremen, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind derzeit nur geringe Bestrebungen zur Errichtung einer Pflegekammer zu erkennen.


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