physiopraxis 2017; 15(02): 62
DOI: 10.1055/s-0042-123692
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Die Rechtsfrage: Wie viel Zeit habe ich bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls?

Andreas Pitz

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Publication Date:
17 February 2017 (online)

 

„Wir haben in der Praxis viele Patienten mit einer Verordnung außerhalb des Regelfalls. Ist es richtig, dass die zehn Therapieeinheiten eines Rezepts innerhalb von zwölf Wochen vollendet sein müssen?“

Sarah Neidenberger aus Dinkelsbühl


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Prof. Dr. Andreas Pitz

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Prof. Dr. Andreas Pitz ist Professor für Medizin- und Sozialrecht an der Hochschule RheinMain sowie Richter am Sozialgericht.

Die Antwort unseres Experten

Physio- und Ergotherapieleistungen sind nach dem Sozialgesetzbuch V Heilmittel. § 7 der Heilmittelrichtlinie regelt die Verordnung dieser Leistungen im Regelfall. Eine Heilmittelverordnung im Regelfall liegt dann vor, wenn der Arzt ein Heilmittel auswählt und die im Heilmittelkatalog festgelegte Verordnungsmenge je Diagnosegruppe nicht überschreitet. Treten im zeitlichen Zusammenhang mehrere voneinander unabhängige Erkrankungen derselben Diagnosegruppe auf, kann dies weitere Regelfälle auslösen. Für diese muss der Arzt jeweils separate Verordnungsvordrucke ausstellen (§ 7 Abs. 4 Heilmittelrichtlinie). Wenn nach einer Heilmittelanwendung ein behandlungsfreies Intervall von zwölf Wochen abgelaufen ist, können Rezidive und neue Erkrankungsphasen die Verordnung von Heilmitteln als erneuten Regelfall auslösen.

Lässt sich die Behandlung mit der durch den Heilmittelkatalog bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen, sind weitere Verordnungen möglich. Der Arzt muss solche Verordnungen außerhalb des Regelfalls aber zuvor der Krankenkasse gegenüber begründen (manche verzichten auch auf die Begründung) und die Prognose der Behandlung einschätzen. Die Verordnungsmenge muss er abhängig von der Behandlungsfrequenz so bemessen, dass mindestens eine ärztliche Untersuchung innerhalb von zwölf Wochen nach der Verordnung erfolgt (§ 8 Abs. 1 Heilmittelrichtlinie). Die maximale Verordnungsmenge von sechs oder zehn Behandlungen (§ 7 Abs. 10 Heilmittelrichtlinie) gilt in diesen Fällen nicht (§ 8 Abs. 1 Satz 3 Heilmittelrichtlinie). Ein behandlungsfreies Intervall zwischen zwei Verordnungen außerhalb des Regelfalls muss ebenfalls nicht beachtet werden (§ 8 Abs. 2 Heilmittelrichtlinie).

Zusammenfassend bedeutet dies, dass der Vertragsarzt bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls die maximale Verordnungsmenge zwar nicht beachten muss, er aber das Wirtschaftlichkeitsgebot berücksichtigen sollte. Auch muss gewährleistet sein, dass spätestens nach zwölf Wochen eine ärztliche Untersuchung stattfinden kann. Bei einer hohen Behandlungsfrequenz kann dieser Zeitraum verkürzt werden.

Ihre Frage, ob zehn Therapieeinheiten immer innerhalb von zwölf Wochen abgeschlossen sein müssen, ist also grundsätzlich mit ja zu beantworten. Im Einzelfall kann auch ein kürzerer Zeitraum gelten. Die Anzahl der Therapieeinheiten hängt von der Behandlungsfrequenz ab und sollte normalerweise in zwölf Wochen abgeschlossen sein.

Andreas Pitz


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