Chronischer Tinnitus kann häufig mit einem Schallempfindungs-Hörverlust in zeitlichen
Zusammenhang gebracht werden. Tinnitus kann aber auch bei normalhörenden Menschen
auftreten und somit ohne nachvollziehbare Störung im Innenohr entstehen. In der vorliegenden
Studie wurde geprüft, ob durch Feinstrukturaudiometrie oder hochauflösende Messung
otoakustischer Emissionen Belege für innenohrbedingte Störungen gefunden werden können,
die bei einer konventionellen manuellen Tonaudiometrie unentdeckt bleiben.
Methode Studienkohorte mit normalhörenden Probanden, Tinnitusprobanden (N=15) und Kontrollgruppe
(N=14). Studieneinschluss nach Durchführung einer manuellen Reintonaudiometrie mit
11 Testfrequenzen bei maximalem Hörverlust 10 dB HL (eine Ausnahme maximal 15 dB HL
toleriert). Békésy-Gleitfrequenzaudiometrie mit 794 Prüffrequenzen, Feinstruktur DPOAE
Messung mit 36 Prüffrequenzen.
Ergebnisse Die Feinstrukturmessung deckte Hörverlustbereiche auf, die in der manuellen Reintonaudiometrie
nicht abgebildet wurden. Diese „unentdeckten“ Hörverluste hätten zum Ausschluss von
12 von 29 Testpersonen (41,4%) geführt, wenn die Feinstruktur-Hörkurve als Inklusionskriterium
verwendet worden wäre. Der Vergleich der mittleren Feinstruktur-Hörkurven beider Testgruppen
zeigte einen mit etwa 4 dB signifikant geringeren Hörverlust in der Tinnitusgruppe
(p<0,05) in 3 unterschiedlichen Prüffrequenzbereichen (1,5 kHz, 3 kHz, 7 kHz).
Schlussfolgerung Die Ergebnisse der Arbeit legen die Schlussfolgerung nahe, dass in bisherigen Studien
mit normalhörenden Tinnitusprobanden möglicherweise ein unerkannter Hörverlust vorlag
oder Probanden mit vormals überdurchschnittlichen Gehör eine dezente spontane Absenkung
ihres Hörvermögens als Tinnitus-Pathogenese erfahren haben.