Z Gastroenterol 2022; 60(08): e400-e401
DOI: 10.1055/s-0042-1754548
Abstracts | DGVS/DGAV
Methodas
Sitzung: Reizdarm: Entstehung und Behandlung
Freitag, 16. September 2022, 10:30 – 12:00, Saal G1

R-Spondin1 und Dkk1 – zwei Wnt-Regulatoren im Spannungsfeld von Proliferation, Differenzierung und Zelltod im enterischen Nervensystem

S Scherer
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung für Kinderchirurgie und Kinderurologie, Tübingen, Deutschland
,
M Scharr
2   Institut für Klinische Anatomie & Zellanalytik, Tübingen, Deutschland
,
P Neckel
2   Institut für Klinische Anatomie & Zellanalytik, Tübingen, Deutschland
› Institutsangaben
 
 

    Einleitung Die Entwicklung des enterischen Nervensystems (ENS) ist bei Geburt noch nicht vollständig abgeschlossen. Es treten strukturelle Veränderungen in der Histoarchitektur und Differenzierung des ENS im Rahmen der postnatalen Reifung auf. Die beteiligten regulatorischen Mechanismen und Signalwege sind weitgehend unbekannt. Eine bessere Kenntnis dieser Faktoren und ihr Einfluss auf ENS-Progenitoren ist Grundlage eines neuen pathomechanistischen Verständnisses für neuronale Enteropathien des Kindes- und Erwachsenenalters.

    Ziele Ziel ist es den Einfluss von Wnt-Signalmolekülen (Wnt3A), Co-Aktivatoren (R-Spondin1) und Antagonisten (Dkk1) auf murine und humane ENS-Progenitoren zu analysieren und daraus die Rolle des Signalweges für die Homöostase des ENS abzuleiten.

    Methodik Wir nutzten neuronale ENS-Progenitoren der Tunica muscularis postnataler Mäuse und menschlicher Resektate. Diese wurden mit Proliferations-, Differenzierungs- und Zelltod-Assays, Genexpressionsanalysen, FACS-Profiling, sowie Protein-Phosphorylierungs-Profiling evaluiert. Die Expression relevanter Wnt-Signalweg-Elemente im intakten Darmgewebe wurde mit histologischen Verfahren kartiert.

    Ergebnis Die Aktivierung des Wnt-Signalweges durch Wnt3A und R-Spondin1 führte zu einer gesteigerten Proliferation von ENS-Progenitoren und einer höheren Anzahl differenzierter Neurone in vitro, sowohl im Humansystem als auch im Mausmodell. Überraschenderweise führte auch der Wnt-Antagonist Dkk1 zu einer höheren Proliferationskapazität in kultivierten ENS-Zellen, jedoch gepaart mit einer hohen Rate an Caspase-3/7-abhängigem Zelltod. Die Lokalisierung von Wnt-Signalkomponenten im ENS in murinen und humanen Gewebeschnitten unterstreicht darüber hinaus die Bedeutung unserer Ergebnisse für die in-vivo-Situation. Darauf aufbauend etablierten wir ein FACS-Protokoll zur Stratifizierung der humanen ENS-Zellpopulation durch die Detektion des Wnt-Rezeptors Fzd4 und der R-Spondin-Rezeptoren LGR4/5/6.

    Schlussfolgerung Der Wnt-Signalweg ist von zentraler Bedeutung für die Homöostase des ENS. Die Ergebnisse zeigen, dass wichtige zelluläre Programme wie Proliferation, Differenzierung und Zelltod durch Wnt-Signale gesteuert werden. Die beschriebenen Wnt- und R-Spondin-Rezeptoren haben großes Potential als Oberflächenmarker für ENS-Zellen verschiedener Differenzierungsstadien. Sie sind somit vielversprechende pathomechanistische und diagnostische Indikatoren von enterischen Neuropathien mit gestörter ENS-Ausreifung.


    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    19. August 2022

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