Einleitung Die Entwicklung des enterischen Nervensystems (ENS) ist bei Geburt noch nicht vollständig
abgeschlossen. Es treten strukturelle Veränderungen in der Histoarchitektur und Differenzierung
des ENS im Rahmen der postnatalen Reifung auf. Die beteiligten regulatorischen Mechanismen
und Signalwege sind weitgehend unbekannt. Eine bessere Kenntnis dieser Faktoren und
ihr Einfluss auf ENS-Progenitoren ist Grundlage eines neuen pathomechanistischen Verständnisses
für neuronale Enteropathien des Kindes- und Erwachsenenalters.
Ziele Ziel ist es den Einfluss von Wnt-Signalmolekülen (Wnt3A), Co-Aktivatoren (R-Spondin1)
und Antagonisten (Dkk1) auf murine und humane ENS-Progenitoren zu analysieren und
daraus die Rolle des Signalweges für die Homöostase des ENS abzuleiten.
Methodik Wir nutzten neuronale ENS-Progenitoren der Tunica muscularis postnataler Mäuse und menschlicher Resektate. Diese wurden mit Proliferations-, Differenzierungs-
und Zelltod-Assays, Genexpressionsanalysen, FACS-Profiling, sowie Protein-Phosphorylierungs-Profiling
evaluiert. Die Expression relevanter Wnt-Signalweg-Elemente im intakten Darmgewebe
wurde mit histologischen Verfahren kartiert.
Ergebnis Die Aktivierung des Wnt-Signalweges durch Wnt3A und R-Spondin1 führte zu einer gesteigerten
Proliferation von ENS-Progenitoren und einer höheren Anzahl differenzierter Neurone
in vitro, sowohl im Humansystem als auch im Mausmodell. Überraschenderweise führte auch der
Wnt-Antagonist Dkk1 zu einer höheren Proliferationskapazität in kultivierten ENS-Zellen,
jedoch gepaart mit einer hohen Rate an Caspase-3/7-abhängigem Zelltod. Die Lokalisierung
von Wnt-Signalkomponenten im ENS in murinen und humanen Gewebeschnitten unterstreicht
darüber hinaus die Bedeutung unserer Ergebnisse für die in-vivo-Situation. Darauf aufbauend etablierten wir ein FACS-Protokoll zur Stratifizierung
der humanen ENS-Zellpopulation durch die Detektion des Wnt-Rezeptors Fzd4 und der
R-Spondin-Rezeptoren LGR4/5/6.
Schlussfolgerung Der Wnt-Signalweg ist von zentraler Bedeutung für die Homöostase des ENS. Die Ergebnisse
zeigen, dass wichtige zelluläre Programme wie Proliferation, Differenzierung und Zelltod
durch Wnt-Signale gesteuert werden. Die beschriebenen Wnt- und R-Spondin-Rezeptoren
haben großes Potential als Oberflächenmarker für ENS-Zellen verschiedener Differenzierungsstadien.
Sie sind somit vielversprechende pathomechanistische und diagnostische Indikatoren
von enterischen Neuropathien mit gestörter ENS-Ausreifung.