Zusammenfassung
Hintergrund Die Beanspruchung von Notaufnahmen durch Patienten mit akutem, aber nicht notfallmedizinischem
Behandlungsbedarf nimmt seit Jahren zu und trägt zur Überfüllung bei. Ein Lösungskonzept,
das die Notaufnahmen nachhaltig entlastet, erfordert die genaue Kenntnis der Patientenmotive.
Methode Zur Erfassung der Motive zum Aufsuchen einer Notaufnahme im ländlichen Raum wurden
31 ambulante Notaufnahmepatienten einer Mittelstadt Sachsen-Anhalts befragt. Anschließend
wurden 12 Hausärzte zu ihrer Sichtweise auf das Patientenverhalten sowie eigenen Weiterleitungen
von Patienten an die Notaufnahme interviewt. Die Auswertung erfolgte mit der Qualitativen
Inhaltsanalyse.
Ergebnis Alle interviewten Patienten berichteten von hausärztlichen Bindungen und hatten die
Notaufnahme ergänzend oder ersatzweise aufgesucht. Ein Drittel konnte die Sprechstundenzeiten
nicht mit beruflichen Pflichten vereinbaren; ein weiteres Drittel suchte bei selbst
eingeschätztem Bedarf gezielt das Diagnose- und Therapieangebot der Notaufnahme auf.
Eine weitere Gruppe berichtete, von Hausärzten an die Notaufnahme verwiesen worden
zu sein. Die befragten Hausärzte werteten das Ansteuern der Notaufnahme zur schnellen
jederzeitigen Behandlung mehrheitlich als Ausdruck gestiegenen Anspruchsdenkens. Größere
Empathie wurde dem Notaufnahmebesuch von um ihre Gesundheit besorgten Patienten entgegengebracht,
auch bei medizinisch eingeschränkter Notwendigkeit. Der überwiegende Teil der befragten
Ärzte nutzte die Notaufnahme gelegentlich zur Behandlungsbeschleunigung oder Absicherung
bei diagnostischer Unsicherheit.
Schlussfolgerung Die Befragungsdaten verdeutlichen, dass die Notaufnahme als Anlaufstelle für ambulante
nichtdringliche Versorgung aus unterschiedlichsten Motiven genutzt wird. Damit übernimmt
sie neben der originären notfallmedizinischer Versorgung eine Sektor übergreifende
Funktion. Die steigende Nachfrage nach ambulanten Behandlungen verweist auf den Bedarf
neuer Versorgungsstrukturen.
Abstract
Background The increasing number of low-acuity visits to Emergency Departments (ED) is an important
issue in Germany and contributes to ED crowding. A sustainable solution needs deeper
knowledge of patients’ underlying rationales.
Methods To explore patients’ motives we conducted 31 semi-structured face-to-face interviews
with low-acuity ED patients in a rural region in Saxony-Anhalt. Subsequently we interviewed
12 General Practitioners (GP)s about their perspectives on patients visiting ED with
low-acuity conditions and referring patients to ED. A qualitative content analysis
approach was used for data analysis.
Results All patients were connected to a GP. One third had visited ED because of 24/7 availability
when consultation hours and working times overlapped. Another third had addressed
EDs full range of laboratory and imaging technology with a subjective need for fast
diagnosis. One group reported that they had been referred to the ED by their GP. The
interviewed GPs classified patients’ ED usage for time-constraints as impatience and
growing demand, while they expressed greater understanding for patients striving to
ED for anxiety reasons. Most GPs sometimes referred patients to ED for diagnostic
reasons.
Conclusion The findings demonstrate that ED usage with non-urgent conditions takes place for
different reasons. Therefore, ED plays a pivotal role not only in emergency care,
but also in ambulant care. The growing demand for ambulant care indicates a need for
changed health care structures.
Schlüsselwörter Akutmedizin in der Notaufnahme - Notaufnahmepatienten ohne dringlichen Behandlungsbedarf
- Notaufnahmeüberfüllung - qualitative Versorgungsforschung - Primärversorgung in
ländlichen Regionen
Key words acute ED care - low-acuity ED patients - ED crowding - qualitative health care research
- primary care in rural regions