Rofo 2017; 189(03): 201-203
DOI: 10.1055/s-0043-101159
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mit Schrittmacher ins MRT?Weltweit erste konsentierte Handlungsempfehlungvon Radiologen und Kardiologen

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Walter Heindel
,
Harald Kugel
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Univ.-Prof. Dr. med. Walter HeindelDr. rer. nat. Harald Kugel
University Hospital Muenster, Department of Clinical Radiology
Albert-Schweitzer-Campus 1, Building A1
48149 Münster
Germany   
Phone: ++ 49/2 51/8 34 73 01   
Fax: ++ 49/2 51/8 34 56 68   

Publication History

Publication Date:
06 March 2017 (online)

 

Unter dem Titel „MR-Untersuchungen bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren“ wird in dieser Ausgabe der Röfo – simultan mit dem Journal der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie „Der Kardiologe“ – ein Konsensuspapier der Deutschen Röntgengesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vorgelegt [1] [2], das zwar von Autoren der Radiologie und Kardiologie gemeinsam verfasst worden ist, aber nicht ausschließlich die MRT des Herzens zum Thema hat. Diese Veröffentlichung betrifft MR-Untersuchungen aller Körperregionen.

In Deutschland wie auch international nimmt die Zahl der MR-Untersuchungen zu: bei vollstationären Patienten wurden im Jahr 2005 1.008.944, im Jahr 2013 1.767.005 MR-Untersuchungen (DRG-Krankenhäuser) durchgeführt. Diese Entwicklung ist einerseits Folge unserer immer älter werdenden Gesellschaft, andererseits auf neue Indikationen für MR-Verfahren zurückzuführen: Analysen der Gewebezusammensetzung und -funktion beispielsweise der Leber [3] [4] und des Herzens [5] [6], multiparametrische Auswertungen der MR-Perfusion z. B. bei behandelten Hirntumoren [7], neue Organe wie z. B. die Lunge [8], aber auch dedizierte Untersuchungen zur Eingriffsplanung und Operationsüberprüfung [9] [10] [11] sowie MR-gesteuerte Interventionen [12] [13] [14] [15] [16] tragen dazu bei.

Bei allen diesen MR-Untersuchungen stellt sich immer die Frage nach Implantaten, auch wenn die Fragestellung, die Anlass für die Untersuchungsanforderung ist, mit dem Implantat nicht in Zusammenhang steht. Die Beteiligung der Kardiologie ist hier nicht durch die medizinische Fragestellung, sondern durch die Art des Implantates begründet – die Expertise der Kardiologie ist für den Umgang mit Herzschrittmachern (HSM) und implantierbaren Kardioverter-Defibrilatoren (ICD) erforderlich.

Was ist der Hintergrund?

MR-Untersuchungen werden als grundsätzlich unschädlich angesehen, weil Wechselwirkungen der für die MR-Bildgebung verwendeten elektromagnetischen Felder (statisches Feld, Hochfrequenzfeld und die im Audiofrequenzbereich geschalteten Gradientenfelder) mit dem Körpergewebe keine bleibenden Auswirkungen auf die untersuchte Person haben. Wenn aber weitere Materialien im Körper sind –beispielsweise bei Implantaten – können für die Patientensicherheit relevante Wechselwirkungen auftreten. Die Unsicherheiten bezüglich der dadurch auftretenden Effekte haben dazu geführt, dass die Anwesenheit von Implantaten als absolute Kontraindikation für MR-Untersuchungen galt. Die Hersteller von MR-Geräten haben daher in ihren Betriebsanleitungen darauf hingewiesen, dass Untersuchungen von Patienten mit Implantaten grundsätzlich nicht erlaubt seien. Damit erfüllten sie die Anforderungen einer internationalen Norm an die MR-Hersteller, einen sicheren Betrieb ihrer Geräte zu ermöglichen. Nach Medizinproduktebetreiberverordnung [17] sind die Bediener von MR-Geräten verpflichtet, die (Sicherheits-) Anweisungen in den Bedienungsanleitungen zu beachten.

Die Erkenntnis, dass es aufgrund der medizinischen Entwicklung letztlich nicht praktikabel ist, alle Träger von Implantaten von MR-Untersuchungen auszuschließen, hat dazu geführt, dass Implantathersteller und MR-Hersteller sich genauer mit den möglichen Schädigungen durch die Implantate befasst haben. So wurden für geeignete Implantate Bedingungen ermittelt, unter denen MR-Untersuchungen möglich sind, ohne Patienten zu schädigen. Diese Implantate werden als „bedingt MR-sicher“ ("MR conditional") gekennzeichnet. Die Bedingungen, d. h. die Anforderungen an die MR-Messung und gegebenenfalls an Einstellungen des Implantats sind Teil der Kennzeichnung [18] [19]. Dabei können diese Anforderungen durchaus umfangreich und kompliziert sein, sodass Untersuchungen mit Implantaten auch dann nicht immer in einfacher Routine durchgeführt werden können, wenn sie als „bedingt MR-sicher“ gekennzeichnet sind.

Entscheidend für die Patientensicherheit bei diesen „bedingt MR-sicheren“ Implantaten ist die Kenntnis der genauen Nutzungsbedingungen sowie die Gewährleistung, dass diese Nutzungsbedingungen auch tatsächlich während der MR-Untersuchung eingehalten werden.

Gleichzeitig sind die Herstellernormen, die Vorgaben für den Inhalt von Bedienungsanleitungen enthalten, aktualisiert worden, sodass nach den MR-Bedienungsanleitungen auch Untersuchungen von Patienten mit „bedingt MR-sicheren“ Implantaten bei Einhaltung der genannten Bedingungen erlaubt sind [20].


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Wie ist die aktuelle Lage?

Weiterhin gibt es eine große Unsicherheit über den Umgang mit Implantaten, sodass auch Patienten mit „bedingt MR-sicheren“ Implantaten eine eigentlich zulässige MR-Untersuchung verwehrt wird.

Das gilt insbesonders für Patienten mit als „bedingt MR-sicher“ gekennzeichneten kardialen Implantaten. Die einzuhaltenden Bedingungen sind kompliziert, sie richten sich an Radiologen und immer auch an Kardiologen, auch wenn die Untersuchungsanforderung von einer ganz anderen Disziplin erfolgt. Radiologen und Kardiologen müssen bei der Vorbereitung einer MR-Untersuchung mit Herzschrittmacher oder ICD eng zusammenwirken. Daher ist es für alle Träger von Schrittmachern und ICD ein bedeutender Fortschritt, wenn hier ein gemeinsames Statement von Radiologen und Kardiologen vorgelegt wird, in dem die Bedingungen und notwendigen Verfahrensabläufe bei Untersuchungen dieser Patienten in Form einer Leitlinie vorgestellt werden.

Die normativen Entwicklungen betreffen zunächst Patienten, die Implantate erhalten haben, die explizit als „bedingt MR-sicher“ gekennzeichnet sind. Weniger einfach ist die Situation für Patienten mit Implantaten ohne diese Kennzeichnung. Das betrifft nicht nur Träger älterer Implantate; auch heute werden weiterhin Implantate verwendet, die nicht speziell für einen sicheren Betrieb bei MR-Messungen entworfen bzw. getestet worden sind – die hohe Unempfindlichkeit der Systeme gegen die Felder im MR-Scanner geht mit einem höheren Preis der Implantate einher.

Die genauere Untersuchung von möglichen Wechselwirkungen von HSM oder ICD mit den MR-Feldern erlaubt aber auch eine bessere Einschätzung der möglichen Gefahren, die bei MR-Untersuchungen mit konventionellen, nicht „bedingt MR-sicheren“ Implantaten auftreten können. Es zeigt sich, dass die Risiken erheblich sein können, der Nutzen einer MR-Untersuchung für den Patienten aber so groß sein kann, dass eine MR-Untersuchung dennoch gerechtfertigt ist. In dem Fall müssen die anfordernde Disziplin, Kardiologie und Radiologe (und gegebenenfalls weitere Disziplinen, die therapeutische Konsequenzen beurteilen) gemeinsam eine Risiko-Nutzen-Abschätzung treffen, sodass der Patient oder die Patientin über eine vorgeschlagene „zulassungsüberschreitende“ („off-label“-)Untersuchung entscheiden kann. Das hier vorgestellte Papier beschreibt auch Entscheidungskriterien und Abläufe für derartige Untersuchungen mit eigentlich nicht für MR-Untersuchungen zugelassene HSM und ICD.

Sowohl bei zulässigen als auch bei zulassungsüberschreitenden Untersuchungen sind Kardiologie und Radiologie für die Einstellungen und Überwachungen ihrer jeweiligen Geräte verantwortlich. Die Durchführung der MR-Untersuchung und damit die letztendliche Verantwortlichkeit für den Untersuchungsablauf liegt bei der Radiologie bzw. dem fachkundigen Arzt, der die MR-Untersuchung leitet.

Zu beachten ist, dass „bedingt MR-sicher“ nur beinhaltet, dass für Patienten und Personal keine unmittelbare Gefahr von der MR-Untersuchung ausgeht. Explizit nicht berücksichtigt ist, ob Bildartefakte die diagnostische Aussagekraft der Bildgebung beeinträchtigen können (und damit eine Untersuchung obsolet machen) oder ob das Implantat nach der Untersuchung seine volle Funktionsfähigkeit wiedererlangt. Diesbezüglich sollten die jeweils aktuellsten Unterlagen der Implantathersteller stets genau geprüft werden. Einige Hersteller geben die Webseiten an, auf denen man die jeweils aktuellen Unterlagen finden kann.

Das hier vorgestellte Konsensuspapier basiert auf dem gegenwärtigen Stand der Technik. Es zeichnet sich ab, dass neuere Entwicklungen die Untersuchungen mit Implantaten vereinfachen können: Zum einen haben sich Implantathersteller und MR-Hersteller auf einen Satz von Messparametern geeinigt, der als „Fixed Parameter Option: Basic“ (FPO:B) in den MR-Scannern implementiert werden soll, zunächst bei 1,5 T [21]. Beim (hoffentlich einfachen) Aufruf dieser Option werden alle relevanten Messparameter des MR-Systems auf Werte begrenzt, die schädliche Wechselwirkungen mit entsprechend konstruierten oder vorbereiteten Implantaten vermeiden. Darüber hinaus gibt es Software-Optionen, mit denen man über die einfachen Parameter wie SAR hinaus eine Reihe von sonst nicht zugänglichen Parametern begrenzen kann, die von den Implantatherstellern in der Liste ihrer MR-Messbedingungen als kritisch angegeben werden. Auch bei nicht MR-geeigneten HSM oder ICD kann man dann (außer Begrenzungen der SAR) weitere Einstellungen vornehmen, die beispielsweise das Risiko einer Spannungsinduktion in Aggregate und Elektroden vermindern.

Mit diesem Konsensuspapier wird der Umgang mit aktiven kardialen Implantaten klar definiert. Die Anforderungen sind hoch, sodass derartige Untersuchungen nur durchgeführt werden sollten, wenn die notwendige Expertise auf radiologischer und kardiologischer Seite vorhanden ist. Anzustreben ist, dass auch für weitere Implantattypenähnliche Verfahrensweisen für MR-Untersuchungen entwickelt bzw. weiterentwickelt werden, die ein Maximum an Patientensicherheit gewährleisten.


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Interessenkonflikt

W. Heindel: Research grant / clinical studies: DFG, BMBF

H. Kugel: Research grant: DFG; Consultant: MR:Comp GmbH


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Univ.-Prof. Dr. med. Walter HeindelDr. rer. nat. Harald Kugel
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Albert-Schweitzer-Campus 1, Building A1
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