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DOI: 10.1055/s-0043-101662
Therapiefaktor Myokine – Des Muskels Botenstoff
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
21 April 2017 (online)
- Spezielle Interleukine
- Komplexer positiver Einfluss
- Indirekte Entzündungshemmer
- Myokine als indirektes Werkzeug des Therapeuten
Myokine sind Botenstoffe, die der Körper vermehrt bei intensiver Muskelbeanspruchung ausschüttet. Sie stoppen beispielsweise Entzündungen und regulieren die Immunabwehr. Seit 2007 werden immer mehr Details bekannt, wie Muskelarbeit konkret den Fett- und Zuckerstoffwechsel beeinflusst.
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Dr. Michael Hollmann
Dr. Michael Hollmann arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der FPZ: Deutschland den Rücken stärken GmbH. Dort führt er Studien zur Rückenschmerztherapie durch. Sein Biologiestudium absolvierte er zuvor an der Universität Bonn, gefolgt von einem Forschungsaufenthalt an der Washington University in St. Louis.
Bewegungsmangel gilt als ein wichtiger Auslöser für diverse, oft chronische Erkrankungen. Als ein daraus resultierendes Problem diskutieren Wissenschaftler die Ansammlung von viszeralem Fett [1]. Denn dieses steht im Verdacht, im Körper entzündliche Reaktionen hervorzurufen oder zumindest zu unterstützen. Die Fetteinlagerungen bilden einen Herd für systemische Entzündungen, der auf niedrigem Niveau lodert. Die Folge: ein ständig existenter Nährboden für Erkrankungen. Genau an dieser Stelle greift der Wirkmechanismus von Myokinen.
Spezielle Interleukine
Myokine sind hormonähnliche, körpereigene Stoffe, die der Muskel bei erhöhter Muskelaktivität direkt ausschüttet. Sie gehören biochemisch gesehen zur Gruppe der Interleukine, welche wiederum den Peptidhormonen zuzuordnen sind. Den Begriff prägte die dänische Professorin Bente Klarlund Petersen vom Rigshospitalet an der Universität Kopenhagen im Jahr 2007. Myokine gelten als Botenstoffe mit unterschiedlichstem positivem Einfluss auf den gesamten Organismus [2]. Dass es eine Verbindung zwischen Effekten im Körper und der Muskelaktivität gibt, ist schon lange bekannt. Den Kommunikationsweg kannte man allerdings nicht. Myokine werden vermehrt bei intensiver Beanspruchung der Muskulatur ausgeschüttet – insbesondere während eines Krafttrainings. Aber auch jegliche andere Bewegung trägt zu diesem Prozess bei [3].
Diese neu entdeckte Stellung der Muskulatur als Sekretionsorgan erscheint daher als so wichtig, da die Skelettmuskulatur das größte Organ des menschlichen Körpers ist. Mit der Entdeckung der Myokine sowie deren basalen Kommunikationswegen zwischen Muskulatur und anderen Organen, in denen weitere endokrine Effekte angestoßen werden, konnten Wissenschaftler weitere Details des lange gesuchten Zusammenhangs zwischen diversen (chronischen) Erkrankungen und dem Bewegungsmangel klären [3]. So haben sie beispielsweise Myokine identifiziert, die eine wichtige Rolle in einer Wirkkaskade spielen, welche sich auf das Immunsystem des Menschen auswirkt [3].
Myokine unterstützen den Fettabbau und hemmen Entzündungen.
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Komplexer positiver Einfluss
Die Zahl der identifizierten Myokine hat seit ihrer ersten Entdeckung stetig zugenommen. Heute sind bereits einige Dutzend Stoffe bekannt, die durch die Aktivierung von Muskelzellen bei Bewegung ausgeschüttet werden. Zu den bisher gut erforschten Myokinen gehören die Interleukine IL-6, IL-8 und IL-15.
IL-6 aktiviert beispielsweise das Enzym AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) in der Muskelzelle, welches kurzfristig Engpässe in der Energiebereitstellung während Aktivitäten überbrücken soll. Bei erhöhter Muskelaktivität steigt im Plasma die Konzentration von IL-6 auf das bis zu hundertfache Niveau an. Besonders stark ist die Aktivierung bei konzentrischen Kontraktionen. Die Konzentration steigt dabei nahezu exponentiell mit der Übungsdauer an [4, 5, 6]. Zudem vermuten Forscher, dass IL-6 funktionell in den Stoffwechsel eingreift. Eine Beteiligung an der Insulin-induzierten Glukoseaufnahme konnte bereits in In-vitro-Experimenten gezeigt werden [7]. Des Weiteren gibt es nachweisliche Auswirkungen auf Lipolyse und Fettoxidation in der Skelettmuskulatur [5]. Ebenso nachgewiesen ist eine hemmende Wirkung auf die Produktion von TNF-alpha, einem Zytokin, welches bei Entzündungsreaktionen eine große Rolle spielt [8]. Insgesamt sind die Wirkungen des IL-6 vielfach, komplex und physiologisch positiv.
Ähnliche Zusammenhänge spricht man auch anderen Myokinen zu. Zwar wird IL-8 im Gegensatz zum IL-6 nur in geringen Mengen ausgeschüttet und wirkt daher eher lokal [4]. Es beeinflusst aber den Energiestoffwechsel und die Bildung neuer Blutgefäße.
IL-15 ist bei Krafttraining eines der in höchster Konzentration auftretenden Myokine in der Skelettmuskulatur. Es hat ebenfalls Effekte auf den Stoffwechsel und wird mit der Reduktion von Fettgewebe, der Lipolyse sowie der Unterdrückung des Fettabbaus in Verbindung gebracht [1, 3].
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Indirekte Entzündungshemmer
Der Zusammenhang zwischen Bewegung und Kräftigung, der Ausschüttung von Myokinen und den resultierenden positiven Effekten liegt also auf der Hand. Viele Myokine sind an der Wirkkaskade für den Fettabbau beteiligt und fungieren indirekt als Entzündungshemmer. Vielen Erkrankungen wird durch die Myokine die Grundlage entzogen – nämlich die Existenz des viszeralen Fettes [1]. Erhöhte körperliche Aktivität reduziert also stark systemische Entzündungswerte und hat damit einen signifikanten Einfluss auf diverse chronische Erkrankungen [8]. Speziell diskutieren Wissenschaftler hier Erkrankungen wie Diabetes, Arteriosklerose, neurodegenerative Erkrankungen (Alzheimer, Demenz) und Krebs [9]. Patienten können allein durch ein Mehr an Bewegung und die durch die Myokine in Gang gesetzte Kaskade ihren Gesundheitszustand verbessern.
2007 prägte die dänische Professorin Bente Klarlund Petersen erstmals den Begriff der Myokine. Heute sind mehrere Dutzend von ihnen genauer erforscht.
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Myokine als indirektes Werkzeug des Therapeuten
Wissen Physiotherapeuten über Myokine Bescheid, können sie dies für die Patientenedukation nutzen und die Bedeutung von Bewegung und Muskulatur unterstreichen. Eine erhöhte Muskelaktivität verstärkt die Ausschüttung von Myokinen und hat Einfluss auf entzündliche Vorgänge im Körper und damit auf verschiedene Krankheiten und Symptome. Dieser Zusammenhang bietet eine verständliche Erklärung für die Grunderkrankung „Bewegungsmangel“. Patienten können so verstehen, dass Training viel mehr ist als Muskelaufbau und Herz-Kreislauf-Training und dass eine weitere äußerst gesundheitswirksame Ebene besteht.
Michael Hollmann
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