Die Antwort unseres Experten
Ihre Frage zur Behandlungspflicht von Patienten mit Kleptomanie muss ich für Privatpatienten
und für gesetzlich Krankenversicherte unterschiedlich beantworten.
Bei Privatpatienten können Therapeuten selbst entscheiden, ob sie einen Behandlungsvertrag
mit dem Patienten abschließen möchten (Privatautonomie). Eine Ausnahme bildet hier
lediglich der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB. Er
ist aber auf Notfälle beschränkt, die im Rahmen einer physio- oder ergotherapeutischen
Behandlung kaum vorstellbar sind.
Bei gesetzlich Krankenversicherten gibt es aufgrund der öffentlich-rechtlichen Grundlage
der Zulassung zur Heilmittelerbringung engere Grenzen, einen Patienten abzulehnen.
Therapeuten können eine Behandlung jedoch verweigern, wenn das Vertrauensverhältnis
zum Patienten nachhaltig gestört ist. In diese Kategorie fällt der von Ihnen geschilderte
Fall. Denkbar wären auch Fälle, in denen Patienten Therapeuten beleidigen oder sich
gegenüber Dritten beschweren. Als besonderes Erschwernis für die Weiterbehandlung
Ihrer Patientin kommt hinzu, dass sie eine andere Patientin in Mitleidenschaft gezogen
hat. Eine Ablehnung der Behandlung ist daher gerechtfertigt. Wollen Sie die Behandlung
dennoch fortsetzen, könnten Sie das – in Absprache mit dem Arzt – im Rahmen eines
Hausbesuchs tun.
Der geschilderte Fall bietet auch Anlass, auf die Frage einzugehen, ob und welche
Informationen Therapeuten an die Polizei weitergeben dürfen, ohne die Schweigepflicht
zu verletzen. Die Rechtsprechung besagt, dass schon der Patientenname unter die Schweigepflicht
fällt. Therapeuten dürfen den Namen ihrer Patienten nur dann der Polizei mitteilen,
wenn sie die Interessen Dritter, hier der bestohlenen Patientin, wahren müssen. In
jedem Fall unterliegt aber die bei der tatverdächtigen Patientin gestellte Diagnose
einer Kleptomanie der Schweigepflicht. Sie dürfen diese in keinem Fall offenbaren.
Andreas Pitz
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