Einleitung
Definition
Merke
Eine Gelenkinfektion ist definiert als der Befall eines Gelenks durch pathogene Erreger,
meistens Bakterien, und eine sich anschließende Entzündung [6].
Epidemiologie
Die Häufigkeit nicht implantatassoziierter Gelenkinfektionen wird mit bis zu 8/100 000
Einwohner pro Jahr angegeben. Die Inzidenz ist aufgrund der demografischen Entwicklung,
der zunehmenden Zahl arthroskopischer und offen-chirurgischer Eingriffe sowie diagnostischer
und therapeutischer Punktionen von Gelenken und dem zunehmenden Einsatz immunsuppressiver
Medikamente sowohl in Europa als auch den USA steigend [5].
Ätiologie und Pathogenese
Prinzipiell können endogene und exogene Ursachen einer Gelenkinfektion unterschieden
werden [6]. Im erstgenannten Fall kommt es im Rahmen einer Bakteriämie oder Sepsis zur hämatogenen
Infektion eines Gelenks mit pathogenen Erregern. Bei einer exogenen Infektion führen
operative Eingriffe, perforierende Gelenkverletzungen oder Verletzungen bzw. Infektionen
in Gelenknähe (Bursitis) zur Kontamination und folgenden Infektion eines Gelenks.
Prinzipiell kann in allen Gelenken eine Infektion auftreten, wobei das Kniegelenk,
gefolgt von Schulter- und Ellenbogengelenk am häufigsten betroffen ist.
Risikofaktoren für endogene Gelenkinfektionen [1], [6]:
-
rheumatoide Arthritis (Inzidenz der septischen Arthritis: 180/100 000 [4])
-
weitere Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises mit Gelenkbeteiligung
-
Menstruation, Schwangerschaft
-
Zeckenbiss (Borreliose)
-
Systemerkrankungen mit Immunschwäche
-
immunsuppressive Medikamente (Disease modifying antirheumatic Drugs = DMARD), vor
allem TNF-α-Blocker
-
intravaskuläre Katheter, Urinkatheter
-
Sepsis
-
i. v. Drogenabhängigkeit
-
Diabetes mellitus in Abhängigkeit von Typ, Einstellung und Erkrankungsdauer
-
Alter < 2 Jahre, Alter > 80 Jahre
-
degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrose), Gicht, Chondrokalzinose
Risikofaktoren für exogene Gelenkinfektion [1], [6]:
-
gelenknahe Wunden, insbesondere mit primärer Gelenkverletzung
-
gelenknahe Hautinfektionen (Impetigo contagiosa, Erysipel, Pusteln)
-
gelenknahe Bursitiden
-
offene Gelenkfrakturen und gelenknahe offene Frakturen
-
Senkungsabszesse
-
intra- und periartikuläre Injektionen (Inzidenz bis 0,3%)
-
diagnostische und therapeutische Arthroskopie (Inzidenz bis 0,5%)
-
offene Operation an Gelenken (Inzidenz bis über 1%)
-
Operationen in Gelenknähe
-
postoperatives Hämarthros
-
degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrose), Gicht, Chondrokalzinose
Einteilung
Die Klassifikation einer Gelenkinfektion kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen,
einige wichtige Einteilungen seien im Folgenden aufgeführt. Die Klassifikation mit
Stadieneinteilung ist klinisch bedeutsam, da sich unmittelbare therapeutische Konsequenzen
ergeben. Die Übergänge zwischen den Stadien sind dabei fließend.
-
Klassifikation nach dem Zeitraum ab dem Symptombeginn
-
Klassifikation nach klinisch-morphologischen Veränderungen (Kuner 1987, [1], [7])
-
Stadium I (purulente Synovialitis): Gelenkschwellung, überwärmte, gerötete und glänzende
Haut, Ergussbildung, Schonhaltung
-
Stadium II (Gelenkempyem): zusätzlich periartikuläre Schwellung und Rötung, starke
Schmerzhaftigkeit, Druckschmerz über der Kapsel, Entlastungsstellung in Beugung, ggf.
Fieber
-
Stadium III (Panarthritis): massive Weichteilschwellung, prall gespannte, glänzende
Haut, extreme Schmerzhaftigkeit, septische Temperaturen, Beeinträchtigung des Allgemeinzustands
-
Stadium IV (chronische Arthritis): geringe Entzündungszeichen, Deformierung und diffuse
Schwellung des Gelenks, Fistelbildung oder starke Vernarbung, schmerzhafte Instabilität,
starke funktionelle Behinderung
-
Klassifikation nach dem arthroskopischen Befund (A. Gächter, 1994, [3], [5])
-
Stadium I: leicht trüber Erguss, Gelenkschleimhaut gerötet, evtl. petechiale Blutungen
-
Stadium II: ausgeprägte Synovitis, Fibrinausschwitzungen, eitriger Erguss
-
Stadium III: Zottenbildung, Kammerung, Ausbildung eines sog. „Badeschwamms“
-
Stadium IV: Synovialmembran wächst infiltrierend in den Knorpel und unterminiert ihn,
radiologisch Arrosionen, subchondrale Aufhellungen, Zysten
Die [Abb. 1]–[3] zeigen verschiedene arthroskopische Stadien einer bakteriellen Kniegelenkinfektion.
Abb. 1 Akute septische Arthritis im Stadium Gächter I, das Bild zeigt eine Rötung der Synovia
mit petechialen Einblutungen.
Diagnostik
Merke
Nur in seltenen Fällen sind einzelne diagnostische Kriterien (direkter Erregernachweis
in der Gram-Färbung eines Gelenkpunktats) beweisend für das Vorliegen einer septischen
Arthritis, sodass eine Vielzahl diagnostischer Kriterien für die Differenzialdiagnostik
einer Arthritis bedeutsam ist. Zu beachten ist, dass eine laufende antibiotische Therapie
die Symptome einer Gelenkinfektion abschwächen und somit maskieren kann.
Abb. 2 Eitriger Gelenkerguss (oben), eine Rötung der Synovia und Fibrinablagerungen (unten
links) als Zeichen einer septischen Arthritis im Stadium II nach Gächter.
Anamnese
Trotz der breiten Verfügbarkeit geeigneter bildgebender Verfahren und moderner Laboruntersuchungen
stellt die Anamnese auch heute noch einen wesentlichen Bestandteil der Diagnostik
von Gelenkinfektionen dar. Im Folgenden werden wichtige Kriterien der Akutanamnese
und der allgemeinen Anamnese dargestellt [1].
Abb. 3 Chronifizierte septische Arthritis des Kniegelenks, Stadium III nach Gächter, das
arthroskopische Bild zeigt neben einer Rötung der Gelenkschleimhaut eine Verdickung
der Synovialmembran und beginnende Kompartmentformationen („Badeschwamm“).
Akutanamnese:
-
vorausgegangene Unfälle und Erkrankungen
-
Verletzungen in Gelenknähe ([Abb. 4])
-
vorausgegangene Maßnahmen (Gelenkpunktion, Operation)
-
vorausgegangene systemische oder lokale gelenknahe Infektionen
-
Dauer der Symptome
-
weitere Symptome abgesehen von den Gelenkbeschwerden (Diarrhö, Fieber, Allgemeinzustand,
Zeckenbiss, Urethritis)
-
Sexualanamnese
-
Erythema nodosum
-
vorangegangene oder laufende antibiotische Therapie (larvierte Infektion!)
Abb. 4 Chronische bakterielle Gonarthritis im Stadium Gächter IV nach Durchspießungsverletzung
des Kniegelenks mit einem verschmutzten Draht, 38-jährige Patientin ohne weitere Risikofaktoren,
verzögerter Behandlungsbeginn ohne primäre Revision des Kniegelenks! Die MRT zeigt
neben einem Gelenkerguss und einer chronischen Synovialitis eine begleitende Osteitis
der Patella.
Allgemeine Anamnese:
Klinische Untersuchung
Ähnlich wie der Anamnese kommt der klinischen Untersuchung eine herausragende Bedeutung
in der Diagnostik von Gelenkinfektionen zu. Neben der lokalen klinischen Untersuchung
des betroffenen Gelenks können weitere klinische Befunde für die Diagnosestellung
wegweisend sein:
-
„klassische Entzündungszeichen“: Rötung, Schwellung, Schmerz, Überwärmung, Funktionsverlust
(Schonhaltung des Gelenks)
-
Gelenkerguss („tanzende Patella“)
-
Wunden, Narben, Fisteln
-
Fieber
-
reduzierter Allgemeinzustand
-
weitere Sepsiszeichen
-
weiterer lokaler Infektfokus
-
Dauerkatheter, i. v. Zugänge
Laboruntersuchungen
Neben Anamnese und klinischer Untersuchung stellen Laboruntersuchungen einen weiteren
wichtigen Baustein in Diagnostik und Differenzialdiagnostik der Arthritiden dar. Oft
sind die Befunde wegweisend zur Diskriminierung akuter bakterieller Infektionen von
rheumatischen Erkrankungen oder parainfektiösen Arthritiden. Folgende Laboruntersuchungen
werden in unserer Klinik bei Verdacht auf eine septische Arthritis standardmäßig durchgeführt:
-
kleines Blutbild, Gerinnungsparameter
-
C-reaktives Protein (CRP), Procalcitonin (PCT)
-
Kreatinin, Elektrolyte
-
Harnsäure
-
Blutkultur (bei Fieber oder weiteren Sepsissymptomen)
-
weitere Laboruntersuchungen unter Berücksichtigung von Alter und Begleiterkrankungen
der Patienten
Bei unklaren Befunden (geringe bis mäßige Erhöhung der Entzündungswerte, fehlende
Risikofaktoren für exogene oder endogene Gelenkinfektionen, lange Krankheitsverläufe,
junge sexuell aktive Erwachsene, Hinweise auf Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
oder auf parainfektiöse Arthritiden, Psoriasis, Sakroiliitis) sollte die Labordiagnostik
diesbezüglich erweitert werden:
-
antinukleäre Antikörper (ANA), extrahierbare nukleäre Antigene (ENA)
-
Antistreptolysin (ASL), Citrullin-Antikörper (CCP)
-
humanes Leukozytenantigen B27 (HLA-B27)
-
serologische Diagnostik der parainfektiösen Arthritiden
-
Chlamydia trachomatis, Lues (besonders junge, sexuell aktive Erwachsene)
-
Borrelien (die Zeckenbissanamnese kann leer sein!)
-
Yersinien, Salmonellen, Shigellen, Campylobacter
-
eine Vielzahl weiterer bakterieller und viraler Erreger können parainfektiöse Arthritiden
verursachen
Bei negativer Labordiagnostik und anhaltenden Beschwerden muss die Diagnostik ggf.
in Absprache mit einem Rheumatologen erweitert werden.
Abb. 5 Trotz mehrfacher arthroskopischer und offen-chirurgischer Sanierungsversuche sowie
adäquater antibiotischer Therapie kam es zu mehrfachen Rezidivinfektionen. Die Sanierung
gelang schließlich durch eine Gelenkresektion mit Resektion der Patella und eine folgende
Arthrodese des Kniegelenks. Auch im weiteren Verlauf traten keine Zeichen eines Rezidivs
auf, die Patientin ist nahezu beschwerdefrei, sie ist stabil und gut adaptiert mobilisiert
und arbeitsfähig bei vollständigem Verlust der Mobilität des Kniegelenks.
Bildgebende Diagnostik
Bildgebende Verfahren gehören zur Standarddiagnostik der Arthritis. Auch wenn sich
die Genese einer Arthritis mit den verfügbaren Methoden meist nicht sicher klären
lässt, können aus den Untersuchungen wichtige diagnostische und therapeutische Schlüsse
gezogen werden.
-
Röntgenuntersuchung: Standardverfahren, Hinweise auf traumatische oder degenerative
Gelenkveränderungen, Knochenbeteiligung, Gelenkerguss
-
Sonografie: Standardverfahren, Nachweis eines Gelenkergusses oder eines Hämarthros,
Kapselverdickung, begleitende Pathologie der Weichteile (Abszess), Möglichkeit der
sonografisch gestützten Punktion eines Gelenks
-
Computertomografie (CT): nur bei spezieller Fragestellung, genaue Beurteilung knöcherner
Strukturen ([Abb. 6]), Alternativverfahren (mit Kontrastmittel) bei Nichtdurchführbarkeit einer Magnetresonanztomografie
(MRT)
-
MRT: hochsensitives Verfahren zur Erfassung entzündlicher Veränderungen praktisch
aller Gelenke, degenerativer und traumatischer Veränderungen, einer knöchernen Mitbeteiligung
und von Begleitpathologien (Spondylodiszitis usw., [Abb. 4])
-
Fisteldarstellung mit Kontrastmittel: seltene Indikation bei Vorliegen einer Fistel
und unsicherer Gelenkbeteiligung
-
3-Phasen-Skelettszintigrafie: seltene Indikation bei unklaren Befunden
Abb. 6 Die CT (linkes Bild) zeigt eine bakterielle Arthritis (Staphylococcus aureus) auf
dem Boden einer rheumatoiden Arthritis mit ausgeprägter Zerstörung vor allem des rechten
Sternoklavikulargelenks (Pfeil) und umgebenden Abszess. Bei schwerem septischem Verlauf
gelang die Sanierung der Infektion bei der 73-jährigen Patientin durch eine Resektion
beider Sternoklavikulargelenke (Resektionsarthroplastik) und des Manubrium sterni
bei begleitender Osteitis (rechtes Bild) sowie durch eine gezielte antibiotische Therapie.
Gelenkpunktatuntersuchungen
Die Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) gibt
bez. der Gelenkpunktion folgende Empfehlung [1]:
Merke
„Die Punktion des betroffenen Gelenkes erfolgt i. d. R. präoperativ, bei klarer Operationsindikation
ist sie jedoch nicht erforderlich. Die mikrobiologische Untersuchung von Flüssigkeiten
und Gewebsanteilen ist der Abstrichuntersuchung vorzuziehen.“
Gelenkpunktionen müssen unter strengster Beachtung der Asepsis durchgeführt werden!
Die Qualität des Punktats (eitrig, blutig, serös) soll dokumentiert, das Punktat selbst
in geeigneten sterilen Behältnissen zur mikroskopischen, mikrobiologischen und ggf.
histologischen Untersuchung eingesandt werden. Das Untersuchungsmaterial soll umgehend
ins Labor transportiert und verarbeitet werden.
Mikrobiologische Untersuchungen
Der mikrobiologische Nachweis der verursachenden, meist bakteriellen Erreger inklusive
der Resistenzbestimmung ist für eine optimale Therapie unerlässlich. Aus diesem Grund
nimmt dieses diagnostische Kriterium einen besonderen Stellenwert ein. Mehrere Möglichkeiten
mikrobiologischer Diagnostik stehen zur Verfügung und sollten, wenn möglich, genutzt
werden. Eine fachgerechte Durchführung ist dabei wichtig, da in bis zu 30% mit falsch
negativen Befunden zu rechnen ist [8]. Wenn irgend möglich, sollten die mikrobiologischen Proben vor Beginn der kalkulierten
antibiotischen Therapie gewonnen werden.
-
mikroskopische Direktuntersuchung des Gelenkpunktats: Leukozytenzählung (Leukozytenwerte
zwischen 1000 und 10 000 Leukozyten/mm3 schließen eine bakterielle Infektion nicht aus [1], [2])
-
Gram-Präparat des Gelenkpunktats: hochspezifisch, schnelles Ergebnis, unmittelbare
therapeutische Konsequenz
-
Laktatspiegel des Gelenkpunktats: Erhöhung des Laktats ist Zeichen einer bakteriellen
Infektion (anaerobe Glykolyse der Bakterien)
-
Kulturuntersuchung des Gelenkpunktats mit Resistenzbestimmung
-
Kulturuntersuchung operativ gewonnener Gewebeproben (Synovialis) mit Resistenzbestimmung
(sensitiver als Kultur aus einem Abstrich)
-
Blutkultur: bei Fieber und weiteren Sepsissymptomen, Wiederholung der Untersuchung
ist zu empfehlen
-
Bestimmung von α-Defensin: Defensine sind körpereigene antimikrobielle Substanzen,
die in infizierten Gelenkflüssigkeiten in hoher Konzentration nachgewiesen werden
können. Entsprechende Tests sind kommerziell verfügbar. Ob die Bestimmung von α-Defensin
der klassischen Synoviaanalyse überlegen ist, müssen weitere Untersuchungen zukünftig
unter Beweis stellen.
Prinzipiell kann eine Vielzahl bakterieller Erreger eine septische Arthritis verursachen.
Pilzinfektionen von Gelenken sind dagegen selten und meist Zeichen einer Immunsuppression
oder einer lang andauernden antibiotischen Vorbehandlung. Die häufigsten bakteriellen
Erreger seien im Folgenden genannt, Konsequenzen im Hinblick auf eine kalkulierte
antibiotische Therapie lassen sich aus der Häufigkeitsverteilung ableiten [1], [6]. Mischinfektionen sind möglich und treten vor allem bei lang andauernder Behandlung
und offenen Gelenkverletzungen auf.
-
Staphylococcus aureus: bis 80%
-
Streptokokken (Gruppen A und B): bis 20%
-
gramnegative Erreger: bis 16%
-
Pneumokokken: bis 5%
-
Gonokokken
-
Haemophilus influenzae Typ B (rückläufig durch Impfung)
Histologische Untersuchung
Für die Diagnosestellung einer septischen Arthritis ist die histologische Untersuchung
von untergeordneter Bedeutung. Jedoch können wichtige Differenzialdiagnosen, wie eine
Gichtarthropathie oder eine Chondrokalzinose, histologisch bewiesen werden und sollten
deshalb durchgeführt werden. Die spezielle Untersuchung auf das Vorliegen einer Uratarthropathie
oder Chondrokalzinose muss dabei im Auftrag der histologischen Untersuchung angegeben
werden.
Differenzialdiagnosen
Von septischen Arthritiden sind alle Erkrankungen mit schmerzhaften, überwärmten,
geröteten und geschwollenen Gelenken mit entsprechender Funktionseinschränkung zu
differenzieren. Nicht in jedem Fall gelingt eine schnelle Differenzialdiagnose, was
im weiteren diagnostischen und therapeutischen Vorgehen beachtet werden muss.
Aktivierte Arthrose
Durch stärkere Belastung oder spontan kann es in arthrotisch geschädigten Gelenken,
vor allem im Hüft-, Knie- und Sprunggelenk, im Sinne von Reparationsmechanismen zu
mitunter ausgeprägten Entzündungsreaktionen kommen, typischerweise ist der Allgemeinzustand
der Patienten gut, Fieber ist i. d. R. nicht vorhanden, die Therapie ist primär symptomatisch
(Schmerzmittel, initiale Ruhigstellung des Gelenks).
Gichtarthropathie
Uratablagerungen ([Abb. 7]) können zu erheblichen Entzündungen von Gelenken führen. Neben dem Großzehengrundgelenk
ist das Kniegelenk häufig betroffen. Der Allgemeinzustand kann beeinträchtigt sein,
auch Fieber kann auftreten. Das CRP kann wie bei Infektionen sehr stark erhöht sein,
das PCT ist typischerweise im Normbereich. Die Therapie ist konservativ mit nicht
steroidalen Antiphlogistika (NSAR) und Urikostatika.
Abb. 7 Synovialzotte mit histologisch gesicherten Urateinlagerungen (Gichtarthropathie des
Kniegelenks).
Borreliose (Lyme-Arthritis)
Wochen bis Monate nach einem Zeckenbiss können kulturnegative Arthritiden an verschiedenen
Gelenken, meist dem Kniegelenk, auftreten. Die Anamnese bez. eines Zeckenbisses kann
leer sein. Die Diagnose gelingt serologisch, die Therapie besteht in einer antibiotischen
und symptomatischen Therapie.
Reaktive Arthritiden (parainfektiöse Arthritiden)
Tage bis wenige Monate nach einer gastroenterologischen oder urogenitalen Infektion
können kulturnegative Arthritiden an einem oder mehreren Gelenken auftreten. Treten
zusätzlich eine Urethritis und eine Konjunktivitis oder Iritis auf, spricht man von
einem Reiter-Syndrom. Die Diagnose erfolgt serologisch, wobei eine Vielzahl von Erregern
parainfektiöse Arthritiden verursachen können. Die Therapie ist abhängig vom Erreger
und dem Krankheitsverlauf. Insbesondere Infektionen durch Chlamydia trachomatis müssen
antibiotisch behandelt werden, da die Erkrankung die häufigste Ursache ungewollter
Kinderlosigkeit in Deutschland darstellt. Eine gynäkologische Mitbehandlung ist obligat.
Neben der Serologie führt der Direktnachweis bei der gynäkologischen Untersuchung
durch eine Polymerasekettenreaktion (PCR) zur Diagnose.
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
Bei einer Vielzahl von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises können Arthritiden
und Arthralgien auftreten, einige wichtige seien im Folgenden genannt.
-
rheumatoide Arthritis (RA): chronische, meist symmetrische Polyarthritis, typischerweise
an kleinen Gelenken beginnend, Superinfektionen können auftreten ([Abb. 6])
-
Kollagenosen (Lupus erythematodes, Sklerodermie, Mischkollagenose)
-
akute Sarkoidose: klassische Trias aus Arthralgie, Erythema nodosum und bilateraler
Lymphadenopathie im Thoraxröntgenbild
-
Morbus Bechterew: meist asymmetrische Arthritis der Sakroiliakalgelenke und Wirbelgelenke,
gehäuft bei jungen Männern zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr beginnend, in > 90%
HLA-B27-positiv
-
Psoriasisarthritis: in etwa 10% der Psoriasiserkrankungen kommt es zur begleitenden
Arthritis, typischerweise an Händen, Füßen und Wirbelsäule
Therapie
Merke
Die Behandlung der septischen Arthritis besteht aus den 3 Säulen operative, antibiotische
und symptomatisch-funktionelle Therapie. Hierarchische Ziele der Therapie sind nach
der Infektsanierung die Schmerzfreiheit, Stabilität und Mobilität des Gelenks [6].
„Die Gelenkinfektion ist ein dringlicher chirurgischer Notfall, gehört in stationäre
Behandlung und erfordert die sofortige chirurgische Therapie. Die erfolgreiche Behandlung
ist eine Funktion des Faktors Zeit.“ [6]
Aufgrund der erheblichen Konsequenzen der verzögerten Behandlung eines Gelenkinfekts
ist bereits der Verdacht auf das Vorliegen einer septischen Arthritis eine Indikation
zur operativen Therapie.
Operative Therapie
Prinzipiell kann die Primäroperation arthroskopisch und offen-chirurgisch erfolgen.
Die Wahl des Verfahrens ist dabei abhängig vom klinischen Stadium bzw. der Zeitdauer
der Infektion, vom betroffenen Gelenk und von der Erfahrung des Operateurs bez. der
arthroskopischen Therapie des entsprechenden Gelenks. Bei Vorliegen eines Frühinfekts
am Kniegelenk, Schultergelenk und Sprunggelenk ist die arthroskopische Operation im
eigenen praktischen Vorgehen Methode der Wahl. Am Hüftgelenk, Ellenbogengelenk und
Handgelenk ist bei entsprechender Erfahrung des Operateurs ebenfalls die primäre arthroskopische
Behandlung, bei unzureichender Expertise die offen-chirurgische Therapie indiziert.
Alle anderen Gelenkinfektionen werden primär offen-chirurgisch angegangen. Unabhängig
vom chirurgischen Verfahren besteht die operative Behandlung in der Gewinnung repräsentativer
mikrobiologischer Proben (mindestens 3 Proben aus dem Gelenkerguss und dem Synovialgewebe)
sowie der ausgiebigen Spülung des Gelenks (mindestens 3 Liter). Auf den Zusatz antiseptischer
und antibiotischer Substanzen wird aufgrund der möglichen zusätzlichen Schädigung
des Gelenkknorpels und des fraglichen Nutzens verzichtet. Beim Frühinfekt erfolgt
dabei in den Gächter-Stadien I und II keine ausgedehnte Synovektomie. Abschließend
erfolgt die Einlage einer Drainage, wobei die Liegedauer so kurz wie möglich gehalten
wird (maximal 2 Tage). Auf eine Saug-Spül-Drainage wird aufgrund mehrerer Nachteile
(mangelnde Sterilität, hoher pflegerischer Aufwand, „Spülstraßenbildung“) und nicht
gesicherten Nutzens generell verzichtet [1]. Auch wenn insbesondere in frühen Stadien der Infektion eine einmalige arthroskopische
Operation zur Sanierung einer septischen Arthritis ausreichend sein kann [10], führen wir alle Patienten nach 3 bis 5 Tagen, aufgrund der erheblichen Konsequenzen
einer unzureichenden Therapie, einer programmierten Lavage zu. Lässt sich in 3 arthroskopischen
Operationen (wiederholte mikrobiologische Probeentnahmen) keine vollständige Infektsanierung
erreichen, führen wir wie beim Spätinfekt oder den Gächter-Stadien III und IV eine
vollständige offen-chirurgische oder kombinierte arthroskopisch-offene Synovektomie
durch. Eine temporäre Ruhigstellung des Gelenks in einem Fixateur externe ist in nur
wenigen Fällen (hochgradige Instabilität) erforderlich. Bei chronischen, sehr schwerwiegenden
Infektionen mit Zerstörung des Gelenkknorpels und begleitender Osteitis kann eine
radikale Gelenkresektion zur Infektsanierung erforderlich werden. Perspektivisch sind
dann im besten Falle der endoprothetische Gelenkersatz oder eine Arthrodese ([Abb. 5]) bzw. Resektionsarthroplastik durchzuführen. In sehr seltenen Fällen kann bei Unsanierbarkeit
der Infektion oder schwerer Sepsis eine Amputation der Extremität indiziert sein.
Eine Ausnahme in der Therapie einer septischen Arthritis stellt die Gonokokkenarthritis
dar, die ausschließlich einer antibiotischen Therapie bedarf. [Abb. 8] zeigt unseren Algorithmus zur Behandlung von Gelenkinfektionen [6].
Abb. 8 Algorithmus zur Behandlung von Gelenkinfektionen, nach Hofmann, 2004 [6].
Antibiotische Therapie
Die antibiotische Therapie ist essenzieller Bestandteil der Behandlung einer Gelenkinfektion.
Diese sollte unmittelbar nach der Gewinnung repräsentativer mikrobiologischer Proben
begonnen werden. Für 14 Tage empfehlen wir eine kombinierte intravenöse Therapie,
primär kalkuliert durch ein Cephalosporin der 2. Generation und ein Chinolon, im Fall
einer schweren Sepsis mit potenzieller Lebensgefahr durch ein Carbapenem und Linezolid.
Die Therapie wird nach Erhalt des Antibiogramms ggf. angepasst, wobei wir eine weitere
Kombinationstherapie mit möglichst bakterizid wirkenden Antibiotika bei hohen Gewebskonzentrationen
in Weichteilen, Knochen und Gelenken und unterschiedlichem Wirkmechanismus empfehlen.
Geeignete Substanzen sind neben Betalaktamantibiotika Chinolone, Fosfomycin, Rifampicin,
Cotrimoxazol, Daptomycin und andere. Der intravenösen Therapie schließt sich eine
weitere 2- bis 4-wöchige orale Antibiotikatherapie an. Grunderkrankungen der Patienten
(Niereninsuffizienz, Allergien) sind ebenso wie mögliche Nebenwirkungen (antibiotikaassoziierte
Kolitis) entsprechend zu beachten.
Symptomatisch-funktionelle Therapie
Um neben einer Heilung der Infektion eine dauerhafte Schmerzfreiheit, Stabilität und
Mobilität des Gelenks zu gewährleisten, sind neben der chirurgischen und antibiotischen
Therapie weitere therapeutische Maßnahmen obligat.
Schmerztherapie
Akute Gelenkinfektionen können stark schmerzhaft sein und bedürfen neben einer Behandlung
mit NSAR im Sinne des WHO-Stufenschemas zur Schmerztherapie oft einer additiven Therapie
mit Opiaten. Auch nach Rückgang der akuten Schmerzsymptomatik ist eine adäquate Schmerztherapie
zur Gewährleistung einer intensiven Physiotherapie erforderlich, um bestmögliche funktionelle
Ergebnisse zu erzielen. Regionale Schmerzkatheter können eine sinnvolle Ergänzung
zur konventionellen Schmerztherapie darstellen.
Physiotherapie
Die initiale funktionelle Behandlung der akuten septischen Arthritis besteht in einer
Ruhigstellung, Kühlung und ggf. Hochlagerung des Gelenks. Nach Rückgang der akuten
Schmerzsymptomatik und der akuten Entzündungsreaktion stehen dagegen intensive aktive
und passive Bewegungsübungen des Gelenks und ein Muskelaufbau zur Stabilisierung des
Gelenks ganz im Vordergrund. Dabei kommen regelhaft Bewegungsschienen zum Einsatz.
Ist die untere Extremität betroffen, schließt sich eine Gangschulung, ggf. unter initialer
Teilbelastung an. Ist die obere Extremität betroffen, können ergotherapeutische Maßnahmen
indiziert sein.
Weitere therapeutische Maßnahmen: Durch die regelhafte Immobilisierung des Gelenks
ist eine Thromboseprophylaxe, insbesondere bei Arthritis der unteren Extremität, zwingend
erforderlich, diese sollte bis zum Wiedererreichen der Vollbelastung fortgeführt werden.
Dekubitus- und Pneumonieprophylaxe müssen aus dem gleichen Grund beachtet werden.
Darmregulierende Maßnahmen können bei antibiotikainduzierten oder opiatinduzierten
Motilitätsstörungen erforderlich sein. Bei Vorliegen einer schweren Sepsis ist eine
intenivmedizinische Behandlung obligat.
Nachsorge, Komplikationen, Prognose und Prävention
Nachsorge
-
regelmäßige klinische und paraklinische Kontrollen über einen mehrwöchigen Zeitraum
(Rezidivgefahr)
-
Wiederholungseingriffe (second look) nach intraoperativem Befund und postoperativem
Verlauf
-
Anpassung der antibiotischen Therapie nach mikrobiologischen Befunden
-
Physiotherapie, Ergotherapie und Rehabilitation
-
ggf. Verordnung von Orthesen, Bandagen und Einlagen
-
Planung rekonstruktiver chirurgischer Eingriffe bei schlechtem funktionellem Ergebnis
nach Sanierung der Infektion, sofern konservative Therapien nicht ausreichend sind
Merke
Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung führen wir alle Patienten mit einer
Gelenkinfektion, unabhängig vom Versicherungsstatus, Kontrollen in unserer Spezialsprechstunde
für septische und rekonstruktive Chirurgie zu, um Komplikationen frühzeitig erkennen
und therapieren zu können.
Komplikationen
Die wichtigsten Komplikationen sind:
-
akute chirurgische Komplikationen (Nachblutung, Gefäß-Nerven-Schäden, Sekundärinfektionen,
Weichteildefekt, Thrombembolie)
-
Medikamentenunverträglichkeit
-
Sepsis bis zum Multiorganversagen und Exitus letalis
-
hämatogene Sekundärinfektionen (Endoprotheseninfektionen, Endokarditis, Spondylodiszitis,
septische Arthritiden anderer Gelenke)
-
Rezidivinfektionen
-
Chronifizierung der Infektion
-
Zerstörung der Gelenkstrukturen (insbesondere Gelenkknorpel)
-
Osteomyelitis der angrenzenden Knochen
-
chronische Schmerzen im betroffenen Gelenk
-
Instabilität des Gelenks
-
Einschränkung der Mobilität des Gelenks bis zur Versteifung ([Abb. 5])
-
Amputationen
Prognose
Bei frühzeitiger adäquater Behandlung einer septischen Arthritis und guter Compliance
des Patienten ist die Prognose sowohl in Bezug auf das Überleben als auch die Funktion
des Gelenks gut. Erfolgt der Beginn der Therapie jedoch verzögert oder fehlerhaft,
liegen schwerwiegende Grunderkrankungen vor, ist die Virulenz der verursachenden Erreger
hoch (superantigenproduzierende Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa) oder sind
die Patienten sehr alt, kann die Mortalität infektiöser Arthritiden im Rahmen septischer
Verläufe 20% und mehr betragen [9]. Bei Beteiligung mehrerer Gelenke steigt die Mortalität auf bis zu 40% [1]. Die Mortalität hat sich in den letzten 40 Jahren trotz großer Fortschritte in der
Medizin nicht wesentlich verbessert. Wesentliche Funktionseinbußen des Gelenks werden,
wiederum in Abhängigkeit von Behandlungsbeginn, Art der Behandlung, Alter und Grunderkrankungen,
in 10 bis 73% gesehen [9].
Merke
Die frühzeitige adäquate Therapie der septischen Arthritis ist der wichtigste beeinflussbare
Faktor zur Senkung der Sterblichkeit und zum Erhalt der Funktion des Gelenks.
Prävention
Aufgrund der schwerwiegenden Komplikationen einer septischen Arthritis bis hin zum
Exitus letalis haben präventive Maßnahmen zur Verhinderung einer Infektion eine hohe
Bedeutung.
-
umgehend adäquate chirurgische Wundversorgung bei Verletzungen in Gelenknähe
-
sicherer Ausschluss oder Nachweis einer primären Gelenkbeteiligung bei Verletzungen
in Gelenknähe
-
umgehende Behandlung von Infektionen in Gelenknähe (bakterielle Bursitiden)
-
Vermeidung verschiebbarer gelenknaher Eingriffe und Operationen bei Vorliegen lokaler,
regionaler und systemischer Infektionen
-
Behandlung prädisponierender Faktoren für Gelenkinfektionen
-
strenge Indikationsstellung von Gelenkpunktionen
-
strenge Beachtung der Asepsis bei Gelenkpunktionen wie bei einer Operation
-
frühzeitige Behandlung postoperativer Hämatome
-
Antibiotikaprophylaxe vor Gelenkoperationen
-
Sanierung anderer Infektionsherde
-
Prävention von Folgeschäden (Physiotherapie)