OP-Journal 2017; 33(02): 159-165
DOI: 10.1055/s-0043-102331
Fachwissen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das infizierte Implantat – Stellenwert der plastischen Chirurgie

The Role of plastic Surgery in the Management of infected Implants
Cornelius Dieter Schubert
,
Jan Gessmann
,
Maximilian Kückelhaus
,
Björn Behr
,
Adrien Daigeler
,
Marcus Lehnhardt
,
Tobias Hirsch
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Tobias Hirsch
Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. Mai 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Wundinfektionen auf dem Boden infizierter Implantate mit freiliegendem Fremdmaterial stellen eine seltene, jedoch gefürchtete Komplikation dar, bei der nicht selten der Erhalt der Gelenkfunktion bzw. der jeweiligen Extremität gefährdet ist. Je nach Art des Defekts existiert hier eine Vielzahl plastisch-chirurgischer Rekonstruktionsverfahren, die zielführend sein können. Ist eine suffiziente Weichteildeckung sichergestellt, bzw. bei kleinen Defekten, sind Spalthauttransplantate oder lokale Lappenplastiken eine geeignete Option. Größere und allschichtige Defekte lassen sich nach gründlichem Débridement durch umsichtig geplante gestielte oder freie Lappenplastiken versorgen. Bei Knie-TEP-Infekten spielt insbesondere die gestielte M.-gastrocnemius-Lappenplastik eine wichtige Rolle. Kleine Defekte mit freiliegendem Fremdmaterial können in erfahrenen Händen auch zuverlässig mittels gestielten Perforatorlappenplastiken gedeckt werden. Im Falle großer Defekte bei zugleich schwersttraumatisierter Weichteilumgebung stellen freie Lappenplastiken wie die M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik oft die beste Versorgungsoption dar. Auch eine kombinierte Transplantation mehrerer Transplantate im Sinne eines Chimeric Flap kann bei Großdefekten zum Einsatz kommen. Insbesondere bei komplizierten Fällen mit erforderlichen Verfahrenswechseln ist ein interdisziplinärer Ansatz zielführend, um ein individualisiertes, sinnvoll abgestimmtes Behandlungskonzept zu erstellen.


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Abstract

Wound infections caused by infected or even exposed implants without sufficient soft tissue coverage pose a rare yet severe surgical complication. Often joint function or the entire affected extremity is at risk. Depending on the type and extent of the defect various reconstructive surgical options for wound coverage are available. In case of a sufficient soft tissue coverage or in minor defects skin transplants or local flaps may be a suitable option. In larger defects pedicled or free flaps are necessary after previous thorough debridement. The gastrocnemius flap plays a key role in defect coverage at knee level in infected knee implants. Experienced surgeons can also address smaller defects with local perforator flaps. In case of major defects with severely traumatised neighboring soft tissue free flaps like the M. latissimus dorsi flap often are the best option for implant coverage. A combined transplantation of multiple transplants in a free chimeric flap is suitable for very extensive defects. Especially in complex cases a close cooperation with the department of plastic surgery within an interdisciplinary treatment approach is inevitable to create an individual therapeutic concept for the patientʼs need.


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Einleitung

Körperfremde Implantate sind aus dem heutigen chirurgischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Anwendung reicht von der Orthopädie/Unfallchirurgie mit Endoprothesen beim künstlichen Gelenkersatz oder diversen Osteosyntheseplatten im Rahmen der Frakturversorgung, der Neurochirurgie mit Wirbelsäulenstabilisierungen bis hin zur plastischen Chirurgie mit künstlichen Brustimplantaten. Für die Wiederherstellung einer möglichst physiologischen, beschwerdefreien Funktion eines Gelenks oder einer Extremität ist eine komplikationslose Implantation unerlässlich. Wundinfektionen von der oberflächlichen Hautnekrose bis hin zu allschichtigen Haut-Weichteil-Defekten mit freiliegendem Fremdmaterial stellen eine seltene, jedoch gefürchtete Komplikation dar, bei der nicht selten der Erhalt einer Extremität gefährdet ist. So betrug an der Mayo Clinic (Rochester, Minnesota, USA) die Inzidenz von operationspflichtigen Wundheilungsstörungen bei 17 000 durchgeführten Knietotalendoprothesen (Knie-TEP) im Zeitraum von 1981 bis 2004 lediglich 0,33% [1]. Insbesondere bei Implantaten im Bereich der Wirbelsäule kann eine Wundheilungsstörung bzw. die Explantation von Fremdmaterial jedoch zu schwerwiegenden neurologischen Ausfallserscheinungen bis hin zur Querschnittssymptomatik führen. Hier gilt es, auch klinisch initial unscheinbare Symptomatiken frühzeitig zu erkennen, um rasch eine konsequente Therapie einleiten zu können.

Merke

Die Qualität der Weichteildeckung ist entscheidend für die Infekteradikation und die Knochenheilung. Insbesondere bei komplizierten Defekten ist ein interdisziplinärer Ansatz in enger Zusammenarbeit mit der plastischen Chirurgie sinnvoll, um ein individualisiertes Behandlungskonzept zu erstellen.

Je nach Art des Defekts existiert hier eine Vielzahl von plastisch-chirurgischen Rekonstruktionsverfahren, die zielführend sein können. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die verschiedenen rekonstruktiven Optionen in der Therapie des infizierten Implantats.


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Hauptteil

Risikofaktoren

Die Risikofaktoren für eine Wundheilungsstörung können in 3 Gruppen unterteilt werden ([Tab. 1]) [1], [2], [3], [4]: Patientenabhängige Faktoren, intraoperative Faktoren, postoperative Faktoren.

Tab. 1 Risikofaktoren für eine Wundheilungsstörung.

patientenabhängige Faktoren

intraoperative Faktoren

postoperative Faktoren

  • multiple Voroperationen im betroffenen Areal

  • ausgeprägtes Traumamuster

  • Kortisontherapie

  • Immunsuppression

  • Mangelernährung (Albumin < 3,4 g/dl)

  • Rauchen

  • insuffizient eingestellter Diabetes mellitus

  • Adipositas

  • pAVK

  • Z. n. Bestrahlung

  • inkorrekte Schnittführung

  • insuffiziente Nahttechnik

  • traumatische Weichteilpräparation

  • mangelnde Sterilität

  • subkutanes Hämatom

  • zu frühe Mobilisation

  • zu enge Verbände

Insbesondere bei elektiven Eingriffen gilt es, bereits präoperativ das potenzielle Risiko für eine Wundheilungsstörung zu minimieren. So kann z. B. eine gefäßchirurgische Intervention i. S. von Gefäßbypässen oder Stentimplantation zu einer verbesserten Perfusion der betroffenen Extremität und somit zu einer reduzierten Gefahr von Hautnekrosen durch minderdurchblutete Gewebeareale führen. Bei Revisionseingriffen ist insbesondere auf den Verlauf alter Operationsnarben zu achten. Um die Gewebeperfusion möglichst wenig zu beeinträchtigen, sollten alte Narbenverläufe – wenn möglich – genutzt werden [1]. Darüber hinaus ist eine genaue Kenntnis der Blutversorgung des jeweiligen Areals unerlässlich, um entsprechende Gefäße sicher zu schonen. Hierbei ist insbesondere auf eine vorsichtige, gefäßerhaltende Präparation des Haut-Weichteil-Mantels zu achten. Ein direktes Unterminieren der Haut führt zur Einschränkung der Hautperfusion insbesondere im Bereich des subkutanen Gefäßplexus und somit zu einer erhöhten Hautnekrosegefahr [1].


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Plastisch-chirurgische Deckungsoptionen

Besonders nach Implantation von Fremdmaterial gilt höchste Aufmerksamkeit. Erste klinische wie auch laborchemische Entzündungsparameter müssen richtig gedeutet werden, um ggf. frühzeitig eine konsequente Therapie einzuleiten. Gerade bei Fremdmaterial ist eine Biofilmbildung durch Bakterienbesiedelung unbedingt zu vermeiden. Letztere unterhält den Entzündungsprozess und kann dadurch eine Ausheilung unmöglich machen. Auch ein ausgiebiges Débridement verläuft hier oft frustran, sodass häufig eine Implantatexplantation erforderlich ist [5], [6], [7]. Kommt es zu einer Wundheilungsstörung mit begleitendem Implantatinfekt, stehen multiple plastisch-chirurgische Deckungsoptionen zur Verfügung. Vor einer jeden abschließenden Defektdeckung ist jedoch ein ausgiebiges Débridement mit Resektion sämtlicher avitaler Gewebeanteile evtl. mit nachfolgender Vakuumverbandtherapie und – im Falle eines Wundinfekts – eine antibiogrammgerechte Antibiose durchzuführen. Darüber hinaus gilt es, alle beeinflussbaren o. g. Risikofaktoren ([Tab. 1]) zu reduzieren, sodass eine abschließende plastisch-chirurgische Versorgung komplikationslos erfolgen kann. Der plastische Chirurg muss dann aus verschiedenen Deckungsoptionen die jeweils beste Therapie wählen ([Abb. 1]) [8]. Hierbei sind insbesondere die anatomische Lokalisation des Defekts, mögliche Gefäßanschlüsse, die lokale und allgemeine Gefäßsituation, der umgebende Weichteilmantel und das potenzielle Spenderareal mit einer eventuell verbleibenden Hebedefektmorbidität zu beachten.

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Abb. 1 Auswahl der geeigneten Deckungsoption anhand des „rekonstruktiven Rades“ (nach [8]).

Weiterhin ist eine enge interdisziplinäre Absprache zwischen Unfallchirurg und plastischem Chirurgen bezüglich der Weiterbehandlung erforderlich. Insbesondere weitere potenzielle Weichteilverluste durch notwendige Folge- und Revisionsoperationen sind bei einer Defektdeckung mit zu berücksichtigen. So kann ein initialer Weichteilüberschuss durch eine großzügig gewählte Lappenplastik im weiteren Behandlungsverlauf durchaus segensreich sein, verhindert er doch in manchen Fällen eine weitere erforderliche Lappenplastik. Je nach Defektausmaß kann unter Berücksichtigung des „rekonstruktiven Rades“ eine Deckungsoption gewählt werden ([Abb. 1]).


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Hauttransplantation und lokale Lappenplastik

Bei Spalthauttransplantaten handelt es sich um dünne, avaskuläre Hauttransplantate, die mittels Dermatom von einem Spenderareal, z. B. dem Oberschenkel, gehoben werden können und auf ein wohlperfundiertes Empfängerareal transplantiert werden. Je nach Dicke des Dermisanteils werden hierbei Vollhauttransplantate (Epidermis + gesamte Dermis) von Spalthauttransplantaten (Epidermis + unterschiedlich dicke Dermisanteile) unterschieden [9], [10]. Im Falle größerer Defekte oder falls ein leichter Abfluss von Wundsekret nötig ist, stellen gemeshte Spalthauttransplantate eine passende chirurgische Option dar. Voraussetzung für den Einsatz von Hauttransplantaten ist eine saubere, gut durchblutete, granulierende Wundoberfläche mit intakter Weichteildeckung des Implantats [9], [10]. Darüber hinaus sind Spalthauttransplantate zur Deckung von Muskellappenplastiken indiziert. Ein Vorteil der Hauttransplantate besteht darin, dass diese sich durch ihre dünne Anatomie sehr gut an konkave bzw. konvexe Oberflächen anpassen. Im Vergleich zu anderen rekonstruktiven Ansätzen ist darüber hinaus der Hebedefekt vernachlässigbar. Narbenkontrakturen sowie eine vergleichsweise hohe Fragilität, insbesondere bei starker mechanischer Belastung, limitieren jedoch den Einsatz von Spalthauttransplantaten.

Lokale Lappenplastiken stellen eine geeignete chirurgische Option vor allem bei kleineren Defekten mit nicht traumatisiertem Umgebungsgewebe dar. Hierbei ist das Spenderareal direkt neben der Defektzone gelegen. Zu den Vorteilen der lokalen Lappenplastik zählen eine intakte Sensibilität, ähnliche Hauteigenschaften sowie ein geringer Hebedefekt. Letzterer ist jedoch neben dem Hauptdefektareal gelegen, was insbesondere bei schwer traumatisierten oder multimorbiden Patienten limitierend sein kann. Zudem sind lokale Lappenplastiken nur in bestimmten anatomischen Lokalisationen erfolgversprechend. Hier ist eine gründliche präoperative Evaluation des gesamten Operationsareals sowie der Spenderareale unerlässlich [9].


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Gestielte Lappenplastiken

Gestielte Lappenplastiken kommen zum Einsatz, wenn die Möglichkeiten einer Defektdeckung durch eine lokale Lappenplastik limitiert sind. Dies kann z. B. bei schwersttraumatisiertem Umgebungsgewebe oder bei insuffizienter Hautelastizität der Fall sein. Hier bieten gestielte Lappenplastiken mit ihrer autonomen Blutzufuhr die Möglichkeit, wohlperfundiertes, unbeschädigtes Gewebe in die Defektzone einzubringen, wodurch ein zuverlässiger Defektverschluss erzielt werden kann. Bei (chronischer) Infektsituation ist insbesondere eine Deckung durch ein suffizient durchblutetes Gewebe notwendig, um einen signifikanten Vorteil bei der lokalen Infektbekämpfung zu erzielen. Daher eignen sich für größere Defekte mit frei liegendem Fremdmaterial vor allem gestielte Muskellappenplastiken oder myokutane Lappenplastiken. Insbesondere bei Defekten nach Knieendoprothesenimplantation nimmt die gestielte M.-gastrocnemius-Lappenplastik, die 1978 von Feldman et al. erstmals beschrieben wurde, eine wichtige Rolle ein [11], [12], [13], [14], [15] ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Mediale M.-gastrocnemius-Lappenplastik. a Allschichtiger Haut-Weichteil-Defekt mit freiliegender Knieendoprothese. b Röntgen a.–p. Aufnahme: Kniearthrodese links nach Ausbau der Knieendoprothese. c Klinischer Befund 10 Tage nach Ausbau der Knieendoprothese, temporärer Vancomycin-Spacer-Arthrodese und Defektdeckung durch mediale M.-gastrocnemius-Lappenplastik.

Zu den Vorteilen dieser Lappenplastik gehören eine sichere Gefäßversorgung und eine vergleichsweise einfache intraoperative Präparation. Im Gegensatz zum lateralen Anteil des M. gastrocnemius ist der mediale Anteil länger und besitzt einen längeren Gefäßstiel und somit einen größeren Rotationsradius.

Bei kleineren Defekten kann eine gestielte Perforatorlappenplastik eine geeignete Option darstellen ([Abb. 3]). Hierbei handelt es sich um individuell geformte fasziokutane Lappenplastiken, die an einem sog. Perforatorgefäß gestielt werden [11], [16], [17]. Letztere sind kleine Gefäße, die aus einem tiefer gelegenen Gefäß entspringen und durch Muskelsepten oder Muskeln laufen, diese also perforieren, um an der Hautoberfläche umschriebene Hautareale mit Blut zu versorgen. Nachdem Lage und Durchmesser der Perforatoren interindividuell stark schwanken, ist eine präoperative Farb-Doppler-Ultraschalluntersuchung, bestenfalls mit einem Power-Doppler-Gerät, notwendig. Der Vorteil dieser relativ jungen Operationstechnik ist die meist dünne Anatomie der Lappenplastik, ohne dass hierfür zentrale Gefäße geopfert werden müssten, was ggf. eine weitere Verschlechterung der lokalen Durchblutungssituation zur Folge hätte. Die Perforatoren werden bis zum Hauptgefäßstamm präpariert, sodass ein geeigneter Gefäßstiel resultiert. Der entsprechende fasziokutane Lappen kann dann um bis zu 180° in den Defekt rotiert werden. Zu den häufigsten Komplikationen zählt hierbei eine venöse Abflussstörung, auf die postoperativ besonderes Augenmerk gelegt werden sollte [16].

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Abb. 3 Gestielte Propellerperforatorlappenplastik zur Defektdeckung einer Osteosyntheseplatte am Malleolus medialis. a Defektausmaß vor plastisch-chirurgischer Deckung mit eingezeichnetem Perforator (x) und geplanter Lappenplastik. b Umschnittene Propellerperforatorlappenplastik vor Rotation in den Defekt. c Propellerperforatorlappenplastik nach Rotation in den Defekt. d Klinischer Befund 1 Monat postoperativ.

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Freie Lappenplastiken

Merke

Die Transplantation von Axial-Pattern- oder Perforatorlappenplastiken als freie mikrovaskuläre Transplantate ermöglicht es, gesundes, gut durchblutetes Gewebe aus einem nicht traumatisierten oder entzündlich veränderten Körperareal in die Defektzone zu transferieren.

Insbesondere bei großen Defekten mit freiliegendem Fremdmaterial oder schwersttraumatisierter Weichteilumgebung, z. B. nach einer fulminanten Quetschverletzung oder nach Bestrahlung, sind lokale Lösungen kaum sinnvoll. Hier bieten freie Lappenplastiken oftmals die letzte Chance, ein Gelenk bzw. eine Extremität zu erhalten. Die freie M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik als Muskellappen bzw. myokutane Lappenplastik nimmt bei der Defektsanierung eine Schlüsselrolle ein [11], [18], [19], [20], [21]. Der M. latissimus dorsi gehört zu den größten Muskeln im Körper und eignet sich bei relativ geringer Hebedefektmorbidität gut zur Versorgung großer Defekte ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Defektdeckung durch freie M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik im Rahmen eines Protheseninfekts am rechten Knie eines 71-jährigen Patienten. a Gelenk-Spacer nach Knie-TEP-Explantation im Rahmen der Infektsanierung bei Protheseninfekt. b Allschichtiger Haut-Weichteil-Defekt nach Spacer-Explantation vor plastisch-chirurgischer Defektdeckung und Spacer-Wechsel. c Freie M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik 4 Monate postoperativ. d Erfolgreiche Spacer-Explantation und Implantation einer gekoppelten, zementierten Knie-TEP 83 Tage nach plastisch-chirurgischer Defektdeckung.

In Kombination mit der Paraskapularlappenplastik oder dem M. serratus anterior kann der M. latissimus dorsi auch als sogenannter Chimeric Flap erweitert werden, um noch größere Defekte sicher zu schließen. Eine weitere Muskellappenplastik ist die freie M.-gracilis-Lappenplastik [22]. Diese eignet sich insbesondere für schmale, längliche Defekte. Gestielt wird der M. gracilis, der zur Adduktorengruppe gehört, an der A. circumflexa femoris medialis. Zu den Vorteilen dieser robusten Lappenplastik gehört ein geringer Hebedefekt an einer unauffälligen Körperregion. Aber auch andere freie Lappenplastiken, wie der freie M. rectus femoris, oder fasziokutane Lappenplastiken wie der Paraskapularlappen oder der ALT-Lappen (ALT: Antero-lateral Thigh Flap) bieten sich sehr gut zur Defektrekonstruktion an.

In ausgewählten Einzelfällen wird auch der Einsatz einer „prophylaktischen“ freien Lappenplastik erwähnt [23]. Ziel ist es, das Risiko einer postoperativen Wundheilungsstörung bei Hochrisikopatienten bereits vor deren Eintreten abzufangen. So soll z. B. vor elektiver Implantation einer Knie-TEP bei zugleich dünnem, minderperfundiertem Haut-Weichteil-Mantel wohl perfundiertes, robustes Gewebe in Form einer freien Lappenplastik an den potenziellen Risikoort transferiert werden. Erst in einem 2. Schritt wird dann die entsprechende Knie-TEP implantiert. Hier gilt es sicherlich, die operativen Risiken einer freien Lappenplastik mit der potenziellen Gefahr einer Wundheilungsstörung abzuwägen.


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Schlussfolgerung

Implantierte Fremdmaterialien sind im chirurgischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Eine seltene, jedoch gefürchtete Komplikation stellt ein infiziertes Implantat dar. Nach Reduzierung sämtlicher Risikofaktoren und ausgiebigem Débridement gilt es, den Defekt sicher mit ausreichendem, gut durchblutetem Gewebe zu decken. Angefangen vom Spalthauttransplantat bis zum freien Chimeric Flap gibt es eine Vielzahl von plastisch-chirurgischen Behandlungsoptionen. Diese müssen individuell in einem interdisziplinären Ansatz abgestimmt werden, um das Gelenk bzw. die entsprechende Extremität erfolgreich zu erhalten.


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Über die Autoren

Cornelius Dieter Schubert

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Dr. med., Assistenzarzt, Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

Jan Gessmann

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Priv.-Doz. Dr. med., Geschäftsführender Oberarzt, Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

Maximilian Kückelhaus

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Dr. med., Assistenzarzt, Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

Björn Behr

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Priv.-Doz. Dr. med., Oberarzt, Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

Adrien Daigeler

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Prof. Dr. med. Direktor der Klinik, Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, Schnarrenbergstraße 95, 72076 Tübingen

Marcus Lehnhardt

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Prof. Dr. med., Direktor der Klinik, Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

Tobias Hirsch

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Priv.-Doz. Dr. med., Leitender Oberarzt, Universitätsklinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgiezentrum, Operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Tobias Hirsch
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Abb. 1 Auswahl der geeigneten Deckungsoption anhand des „rekonstruktiven Rades“ (nach [8]).
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Abb. 2 Mediale M.-gastrocnemius-Lappenplastik. a Allschichtiger Haut-Weichteil-Defekt mit freiliegender Knieendoprothese. b Röntgen a.–p. Aufnahme: Kniearthrodese links nach Ausbau der Knieendoprothese. c Klinischer Befund 10 Tage nach Ausbau der Knieendoprothese, temporärer Vancomycin-Spacer-Arthrodese und Defektdeckung durch mediale M.-gastrocnemius-Lappenplastik.
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Abb. 3 Gestielte Propellerperforatorlappenplastik zur Defektdeckung einer Osteosyntheseplatte am Malleolus medialis. a Defektausmaß vor plastisch-chirurgischer Deckung mit eingezeichnetem Perforator (x) und geplanter Lappenplastik. b Umschnittene Propellerperforatorlappenplastik vor Rotation in den Defekt. c Propellerperforatorlappenplastik nach Rotation in den Defekt. d Klinischer Befund 1 Monat postoperativ.
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Abb. 4 Defektdeckung durch freie M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik im Rahmen eines Protheseninfekts am rechten Knie eines 71-jährigen Patienten. a Gelenk-Spacer nach Knie-TEP-Explantation im Rahmen der Infektsanierung bei Protheseninfekt. b Allschichtiger Haut-Weichteil-Defekt nach Spacer-Explantation vor plastisch-chirurgischer Defektdeckung und Spacer-Wechsel. c Freie M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik 4 Monate postoperativ. d Erfolgreiche Spacer-Explantation und Implantation einer gekoppelten, zementierten Knie-TEP 83 Tage nach plastisch-chirurgischer Defektdeckung.