Aktuelle Dermatologie 2017; 43(05): 195-198
DOI: 10.1055/s-0043-103661
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfolgreiche Lokaltherapie des Granuloma pyogenicum mit Imiquimod 5 %

Successful Treatment of Pyogenic Granuloma with Topical Imiquimod 5 %
U. Proske
1   Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
,
M.-P. Krauß
1   Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
,
M. Sergon
2   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Ulrike Proske
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 74
01309 Dresden

Publication History

Publication Date:
15 May 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Bei dem Granuloma pyogenicum handelt es sich um einen häufigen, schnell wachsenden und sehr vulnerablen Tumor der Haut oder der Schleimhäute, der bevorzugt im Kindesalter oder der Gravidität auftritt. Es stehen verschiedene operative und nicht operative Therapieverfahren zur Verfügung.

Topisches Imiquimod ist ein Immunmodulator mit antiviralen und antitumoralen Eigenschaften. Die zusätzliche Wirkung als Inhibitor der Angiogenese könnte die Effektivität bei der Behandlung des Granuloma pyogenicum erklären.

Wir berichten über die erfolgreiche und nebenwirkungsarme Therapie mit Imiquimod 5 % (Aldara® 5 %-Creme) bei zwei Patienten ohne nachfolgende Tumorrezidive.


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Abstract

Pyogenic granuloma is a very common condition, especially during pregnancy or childhood. It is an acquired, benign, rapidly evolving vascular tumor of the skin or mucous membranes.

Available treatment options include surgical removal with primary closure, shave excision, laserablation or intralesional and topical treatments. Topical imiquimod 5 % is a potent antiviral and antitumor immunmodulator. The anti-angiogenic effect of imiquimod may explain its effect on vascular tumors.

We report the successful treatment of two patients with pyogenic granuloma using topical imiquimod 5 %. The therapy was well tolerated without recurrence.


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Anamnese

Patientin 1: Bei der 55-jährigen Patientin wurde im April 2015 die Diagnose eines Granuloma pyogenicum gestellt und der Tumor am Zeigefinger links mittels Laserablation am 17. 04. 2015 und nach Auftreten eines Rezidivs am 26. 05. 2015 operativ entfernt. Ein erneutes Rezidiv wurde am 08. 07. 2015 durch eine vollständige Exzision behandelt. Danach trat am Endglied des 2. Fingers eine stark schmerzhafte Entzündung auf, sodass eine nochmaligen Exzision bei dem im August nachweisbaren, inzwischen 3. Rezidiv seitens der Patientin abgelehnt wurde. Nach Diskussion der weiteren therapeutischen Möglichkeiten entschieden wir uns zur Einleitung einer Lokaltherapie mit Imiquimod 5 % (Aldara® 5 %-Creme).

Patientin 2: Bei der 75-jährigen Patientin trat im Sommer 2015 am Daumenendglied links ein rötlicher, gering erhabener Knoten auf, der bei Berührung leicht blutete. Nach der Exzision des Tumors am 12. 10. 2015 trat innerhalb von 6 Wochen ein Rezidiv auf. Der Patientin wurde wegen des breitbasig auf der Fingerspitze aufsitzenden Tumors alternativ zur nochmaligen Exzision eine Lokaltherapie mit Imiquimod 5 % angeboten.


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Hautbefund

Patientin 1: Die Patientin stellte sich mit einer 10 × 6 mm messenden, rötlichen, weichen, leicht erhabenen Neubildung am Endglied des 2. Strahls der linken Hand vor. Begleiterkrankungen bestanden nicht.

Patientin 2: Bei der Vorstellung fand sich ein 5 × 5 × 4 mm messender, erythematöser, leicht vulnerabler Knoten an der distalen Phalanx des linken Daumens. Zusätzlich bestanden bei der Patientin ein Diabetes mellitus (Typ 2, insulinplichtig), eine arterielle Hypertonie und eine Nierenfunktionsstörung.


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Histologie

Bei beiden Patientinnen waren Exzisionen der Neubildungen erfolgt. Es fanden sich bei der histologischen Untersuchung lobulär angeordnete Proliferationen kapillärer Gefäße und bindegewebiger Septen mit florider Entzündungsreaktion und aufgelagerten, granulozytär durchsetzten Fibrinniederschlägen, vereinbar mit einem Granuloma teleangiectaticum ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Histologie des Granuloma pyogenicum, HE × 10.

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Therapie und Verlauf

Patientin 1: Am 03. 08. 2015 wurde bei Patientin 1 eine Lokaltherapie mit Imiquimod 5 % begonnen. Insgesamt 4 Wochen wurde die Creme 5-mal wöchentlich angewendet. Darunter zeigte sich eine rasche Rückbildung des Knotens bei leichter oberflächlicher Krustenbildung. Die Therapie wurde für weitere 3 Wochen 3-mal wöchentlich fortgeführt. Bei einer Kontrolluntersuchung nach 8 Wochen zeigte sich eine 2 mm messende, flache, hautfarbene Narbe ([Abb. 2]). Bei einer Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten fand sich kein Hinweis auf ein Rezidiv.

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Abb. 2 Therapieverlauf bei Pat. 1: a vor Beginn der Lokaltherapie, b nach 3 Wochen Behandlung, c nach 8 Wochen.

Patientin 2: Ab dem 11. 12. 2015 wendete die zweite Patientin 5-mal pro Woche Imiquimod 5 % lokal auf dem Tumor an. Nach 2 Wochen hatte sich die Erosion an der Oberfläche zurückgebildet, nach weiteren 2 Wochen war der Tumor deutlich flacher, nur von einer kleinen Kruste bedeckt. Die Frequenz der Anwendung wurde auf 3-mal wöchentlich reduziert. Nach einer insgesamt neunwöchigen Behandlung war eine 3 mm messende, flache, hautfarbene Narbe sichtbar ([Abb. 3]). Die Nachbeobachtungszeit beträgt aktuell 12 Monate ohne Anhalt für ein Lokalrezidiv.

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Abb. 3 Therapieverlauf bei Pat. 2: a vor Beginn der Lokaltherapie, b nach 4 Wochen Behandlung, c nach 9 Wochen.

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Diskussion

Das Granuloma pyogenicum ist ein benigner, exophytischer Tumor der Haut oder Schleimhaut, der durch rasche Wachstumstendenz und Blutungsneigung charakterisiert ist. Er kann in jedem Lebensalter, bevorzugt aber in Kindheit und Gravidität, auftreten.

Im klinischen Alltag sind vor allem die Bezeichnungen Granuloma pyogenicum oder eruptives Angiom verbreitet, die histologisch korrekte Bezeichnung Lobuläres kapilläres Hämangiom leitet sich aus dem typischen feingeweblichen Bild ab. Es finden sich dabei lobulär angeordnete Gefäßproliferationen, umgeben von einer entzündlichen Begleitreaktion aus neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten.

Die Pathogenese des erworbenen Tumors ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird die Induktion durch eine Verletzung, eine Gewebehypoxie nach Trauma oder auch durch hormonelle Stimuli vermutet [1].

Das therapeutische Armentarium umfasst eine Vielzahl operativer und konservativer Therapieverfahren. Zu den operativen Methoden zählen die Exzision, die Shave-Exzision mit nachfolgender Elektrokauterisation oder Lasertherapie, die Kryotherapie oder ablative Laserverfahren. Die operativen Interventionen erfordern meist eine Lokalanästhesie und können Narben oder Pigmentunregelmäßigkeiten verursachen. Im Gegensatz dazu wurden Behandlungserfolge auch durch Steroidinjektionen, intraläsionale Bleomycinapplikation oder Externaanwendung, z. B. mit Imiquimod 5 % oder neuerdings auch mit dem Betarezeptorenblocker Timolol beschrieben [2] [3] [4].

Im Regelfall erfolgt die Entfernung kleiner Tumoren in unserer Einrichtung durch Excochleation und nachfolgende Laserkoagulation des zentralen zuführenden Gefäßes (IDAS-Laser, Wellenlänge 532 nm). Die Behandlung erreicht eine rasche Symptomkontrolle und gute Abheilungsraten, erfordert allerdings eine Lokalanästhesie und kann kleine Närbchen hinterlassen. In mechanisch stark beanspruchten oder kosmetisch sensiblen Lokalisationen wie Fingerbeere, Periungualregion, Nasenspitze oder bei bereits stattgehabten Rezidiven sollten dem Patienten auch lokale Therapieverfahren angeboten werden.

Bei den beiden vorgestellten Patientinnen handelt es sich um Rezidivtumoren bei bereits erfolgter, z. T. mehrfacher operativer Therapie. Nach ausführlicher Aufklärung entschieden wir uns zur Einleitung einer Lokaltherapie mit Imiquimod 5 %. Die Creme wurde 5-mal wöchentlich direkt auf dem Tumor angewendet. In der Literatur sind unterschiedliche Applikationsfrequenzen von täglich bis 2-mal pro Woche in Abhängigkeit vom klinischen Ansprechen dokumentiert. Als Nebenwirkungen sind entzündliche Reaktionen, Erytheme oder Schuppung beschrieben, die bei unseren beiden Patientinnen nur als diskretes Erythem und Krustenbildung auftraten. Empfohlen wird in der Literatur ein vorsichtiger Behandlungsbeginn und Steigerung der Applikationsfrequenz bei ausbleibender Befundbesserung und guter klinischer Verträglichkeit. Erste sichtbare Effekte der Behandlung sind in Abhängigkeit von der Größe des Tumors nach 2 bis 14 Tagen zu erwarten.

Die Zulassung für Imiquimod 5 % wurde für die Behandlung von Condylomata acuminata, aktinischen Keratosen und oberflächlichen Basalzellkarzinomen erteilt. Ergänzend dazu liegen eine Vielzahl von Anwendungsberichten, z. B. bei Lentigo maligna, Balanitis plasmacellularis, Kaposi-Sarkom oder Cheilitis actinica vor [5]. Allerdings handelt es sich bei diesen Indikationen, genau wie bei der Behandlung des Granuloma pyogenicum, um einen Off-Label-Use. Die zu erwartenden Nebenwirkungen sollten deshalb im Vorfeld mit den Patienten genau besprochen und die Aufklärung dokumentiert werden.

Topisches Imiquimod ist ein potenter antiviral und antitumoral wirkender Immunmodulator („immune response modifier“). Wahrscheinlich sind die Effekte durch die Fähigkeit zur Induktion multipler Zytokine bedingt. Durch Stimulation von Toll-like-Rezeptoren wird sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem aktiviert. Zusätzlich wirkt Imiquimod als Inhibitor der Angiogenese, was die Effektivität bei der Behandlung des Granuloma pyogenicum erklären könnte. Der genaue Wirkmechanismus ist bisher noch nicht vollständig bekannt. Es wird postuliert, dass Imiquimod die Angiogenese durch insgesamt 4 verschiedene Mechanismen beeinflusst: durch die direkte Induktion von Angiogenese-Inhibitoren (Interferon, Interleukin 10, Interleukin 12), durch die lokale Hochregulation von endogenen Angiogenese-Inhibitoren (tissue inhibitor of matrix metalloproteinases TIMP, Thrombospondin 1), durch die lokale Herabregulation von Angiogenesefaktoren (ß-fibroblast growth factor, matrix metalloproteinase-9) und durch die Förderung der direkten Apoptose von Endothelzellen [5] [6].

Die Behandlung erfolgte bei uns bisher ausschließlich bei erwachsenen Patienten. In der Literatur wird jedoch auch über sehr gute Ergebnisse und gute Verträglichkeit bei der Behandlung von Kindern berichtet [7] [8].

Zusammenfassend sollte bei der Behandlung eines Granuloma pyogenicum in kosmetisch schwierigen Lokalisationen, bei Ablehnung der operativen Therapie durch Eltern bzw. Patienten oder bei rezidivierenden Tumoren an eine Lokaltherapie mit Imiquimod 5 % gedacht werden. Die Behandlung unserer Patienten gestaltete sich einfach, sehr effektiv und ohne relevante Nebenwirkungen und ist bei geringem Salbenverbrauch auch als kostengünstig anzusehen.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Goldenberg G, Krowchuk D, Jorizzo J. Successful treatment of an therapy-resistent pyogenic granuloma with topical imiquimod 5 % cream. J Dermatol Treat 2006; 17: 121-123
  • 2 Lee J, Sinno H, Tahiri Y. et al. Treatment options for cutaneous pyogenic granulomas: a review. JPRAS 2011; 64: 1216-1220
  • 3 Malik M, Murphy R. A pyogenic granuloma treated with topical timolol. BJD 2014; 171: 1537-1538
  • 4 Nijyama S, Amoh Y, Katsuoka K. Pyogenic granuloma that responded to local injection of steroid. JPRAS 2009; 62: 153-154
  • 5 Hengge U. Spezielle dermatologische Behandlungsmethoden mit Imiquimod. Stuttgart, New York: Thieme; 2011
  • 6 Fallah H, Fischer G, Zagarella S. Pyogenic granuloma in children. Treatment with topical imiquimod. Aus J Derm 2007; 48: 217-220
  • 7 Musumeci ML, Lacarrubba F, Anfuso R. et al. Two pediatric cases of pyogenic granuloma treated with imiquimod 5 % cream: combined clinical and dermatoscopic evaluation and review of the literature. G Ital Deratol Venereol 2013; 148: 147-52
  • 8 Tritton S, Smith S, Wong L. et al. Pyogenic granuloma in ten children treated with topical imiquimod. Pediatr Dermatol 2009; 26: 269-272

Korrespondenzadresse

Dr. Ulrike Proske
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 74
01309 Dresden

  • Literatur

  • 1 Goldenberg G, Krowchuk D, Jorizzo J. Successful treatment of an therapy-resistent pyogenic granuloma with topical imiquimod 5 % cream. J Dermatol Treat 2006; 17: 121-123
  • 2 Lee J, Sinno H, Tahiri Y. et al. Treatment options for cutaneous pyogenic granulomas: a review. JPRAS 2011; 64: 1216-1220
  • 3 Malik M, Murphy R. A pyogenic granuloma treated with topical timolol. BJD 2014; 171: 1537-1538
  • 4 Nijyama S, Amoh Y, Katsuoka K. Pyogenic granuloma that responded to local injection of steroid. JPRAS 2009; 62: 153-154
  • 5 Hengge U. Spezielle dermatologische Behandlungsmethoden mit Imiquimod. Stuttgart, New York: Thieme; 2011
  • 6 Fallah H, Fischer G, Zagarella S. Pyogenic granuloma in children. Treatment with topical imiquimod. Aus J Derm 2007; 48: 217-220
  • 7 Musumeci ML, Lacarrubba F, Anfuso R. et al. Two pediatric cases of pyogenic granuloma treated with imiquimod 5 % cream: combined clinical and dermatoscopic evaluation and review of the literature. G Ital Deratol Venereol 2013; 148: 147-52
  • 8 Tritton S, Smith S, Wong L. et al. Pyogenic granuloma in ten children treated with topical imiquimod. Pediatr Dermatol 2009; 26: 269-272

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Abb. 1 Histologie des Granuloma pyogenicum, HE × 10.
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Abb. 2 Therapieverlauf bei Pat. 1: a vor Beginn der Lokaltherapie, b nach 3 Wochen Behandlung, c nach 8 Wochen.
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Abb. 3 Therapieverlauf bei Pat. 2: a vor Beginn der Lokaltherapie, b nach 4 Wochen Behandlung, c nach 9 Wochen.