Einleitung
Ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) der Sonne zeigt akute und chronische gesundheitliche
Auswirkungen auf die Haut, Augen und das Immunsystem [1]. Zu den negativen Folgen einer erhöhten UV-Exposition gehören zum Beispiel Erythembildung,
Sonnenbrand und Keratitis [2]
[3]. Zudem ist die UV-Strahlung ein wichtiger Einflussfaktor bei der Entstehung von
Hautkrebs [4]
[5]. Allerdings wirkt die UV-Strahlung nicht ausschließlich negativ auf den Menschen,
sondern ist essentiell für die Produktion von Vitamin D3 im menschlichen Körper [1]
[6]. Im Folgenden wird Vitamin D als allgemeiner Begriff benutzt, wohingegen wir den
Ausdruck Vitamin D3 in Zusammenhang mit UV-Strahlung verwenden. Es gibt einen nachweislichen Zusammenhang
zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und verschiedenen Erkrankungen, wie z. B. einigen durch
UV-Strahlung induzierten Krebsarten, Herzkreislauferkrankungen und multipler Sklerose.
Daher wird der Vitamin-D-Spiegel im Blut auch als Indikator für das Gesundheitsrisiko
o. g. Erkrankungen herangezogen [7]. Prospektive Kohortenstudien zeigen, dass bei erhöhtem Vitamin-D-Spiegel die Anzahl
der Herzkreislauferkrankungen und das Sterblichkeitsrisiko sinken [8]
[9]
[10]
[11]. Vitamin D wird vorwiegend durch die UVB-Strahlung (280 – 315 nm) der Sonne synthetisiert,
lediglich 10 % des täglichen Vitamin-D-Bedarfs werden über die Nahrung aufgenommen
[12]. Da Vitamin D hauptsächlich durch UVB-Strahlung synthetisiert wird, unterliegt der
Vitamin-D-Level tages- und jahreszeitlichen Schwankungen [13]
[14]. Dies ist unter anderem auf die Änderung der UV-Strahlung, bedingt durch die zeitliche
Änderung des Sonnenzenitwinkels und die Änderung des Bekleidungsverhaltens der Bevölkerung
und die damit verbundene Änderung der exponierten Hautfläche zurückzuführen. Als Folge
der tief stehenden Sonne und einer zunehmenden Bekleidung in den Wintermonaten weisen
mehr als 50 % der deutschen Bevölkerung vor allem während der Winterperiode eine Vitamin-D-Insuffizienz
auf [15]. In diesem Zusammenhang weisen einige Studien auf den sogenannten „Vitamin-D-Winter“
hin, welcher für die mittleren und nördlichen Breiten von Oktober bis Ende März angegeben
wird [13]
[16]
[17]
[18]. Innerhalb dieser Periode ist es einem Menschen nicht möglich, genügend Vitamin
D über die Strahlungsexposition zu synthetisieren, ohne das Risiko eines Sonnenbrandes
einzugehen [19]
[20]. Allerdings kann eine Vitamin-D-Insuffizienz nicht ausschließlich während des Winters
infolge einer schwachen Strahlungsexposition aufgrund der tief stehenden Sonne auftreten,
sondern auch in einer verschatteten Umgebung, wie beispielsweise einem Wald oder einer
bebauten Stadt. Die Bestimmung der Vitamin-D3-Exposition ist erforderlich, um abzuschätzen, ob durch Sonnenstrahlung in typischen
Alltagssituationen im Frühjahr ausreichend Vitamin D3 synthetisiert werden kann. Kawanishi [21] verwendete Hemisphären-Bilder, um die Abschattung des Himmels durch Sonnenschutzvorrichtungen
abzuschätzen, untersuchte dabei jedoch den Schutz vor Erythem-gewichteter Strahlung
auf eine horizontale Ebene. In Parisi et al. [22] wird die Abschattung des Himmels durch Bäume mit in die Untersuchungen der UV-Exposition
einbezogen. Für die Untersuchungen wurden UV-Dosimeter auf rotierende Mannequins angebracht,
welche die Statur eines durchschnittlichen Menschen aufweisen. Die Messgeräte wurden
auf der gesamten Oberfläche verteilt, um die Exposition auf möglichst allen Körperflächen
zu erfassen, jedoch wurde in dieser Studie anstatt der Vitamin-D3-Exposition die minimale Erythem-Dosis untersucht.
Materialien und Methoden
Um den Einfluss der Abschattung des Himmels durch Gebäude und Bewuchs auf die Vitamin-D3-Produktion eines Menschen für verschiedene Szenarien zu untersuchen, muss ein Expositionsmodell
verwendet werden. Für die Berechnung der Exposition in einer verschatteten Umgebung
kann die Strahlung des Himmels nicht durch einen Wert berücksichtigt werden, da je
nach Umgebung unterschiedliche Bereiche des Himmels durch Hindernisse verdeckt sind.
Die auf eine horizontale Fläche definierte globale Bestrahlungsstärke kann daher nicht
verwendet werden. Stattdessen sollte eine multi-direktionale Strahlungsverteilung
verwendet werden, weshalb wir die Strahldichte (definiert als Strahlungsenergie pro
Raumwinkel und Fläche) verwenden und so das komplexe Strahlungsfeld des Himmels mit
einbeziehen. Für die Berechnung der Vitamin-D3-gewichteten Exposition beziehen wir uns auf das Expositionsmodell von Seckmeyer et
al. [23], das die komplexe Geometrie eines Menschen berücksichtigt, indem es die auf den
Menschen einfallende solare Strahldichte über alle Flächenelemente des menschlichen
Körpers und die Expositionszeit integriert. Die aus den verschiedenen Himmelsrichtungen
sichtbaren Flächenelemente des Modellmenschen wurden in Seckmeyer et al. [23] als geometrische Faktoren Aproj definiert und berücksichtigen dabei sowohl die Struktur als auch die Bekleidung des
Menschen (siehe [Abb. 2]). Mathematisch ausgedrückt wird die Exposition berechnet durch:
wobei LVitD als Vitamin-D3-gewichtete Strahldichte und die verschiedenen Himmelsrichtungen durch den Azimutwinkel
(φ) und den Höhenwinkel (ε) definiert sind. Der in dieser Studie verwendete Modellmensch
trägt Winterbekleidung, sodass nur Gesicht und Hände exponiert sind. In [Abb. 2] ist die Visualisierung des Modellmenschen aus den 3 Himmelsrichtungen φ = 150° und
ε = 30° (Perspektive von vorne), φ = 310° und ε = 30° (Perspektive von hinten) und
φ = 310° und ε = 90° (Perspektive von oben) dargestellt.
Abb. 2 Visualisierung des Winterkleidung tragenden Modellmenschen aus den Blickrichtungen
vorne, hinten und oben, wobei nur Gesicht und Hände der Strahlung exponiert sind (a). Das Verschattungsbild der betrachteten Umgebung Universitätsmensa ist unter (b) dargestellt. Die Vitamin-D3-gewichtete Strahldichteverteilung am 21. Dezember zu Sonnenhöchststand, gewichtet
mit der Geometrie eines nach Süden (180°) ausgerichteten, Winterkleidung tragenden
Menschen ist unter (c) dargestellt. Die relative Verteilung ähnelt der Verteilung einer höherstehenden
Sonne. Die Kombination der gewichteten Strahldichteverteilung aus (c) mit den Verschattungsinformationen aus (b) ist unten rechts dargestellt (d).
Zusätzlich wurde für diese Untersuchung die Abschattung des Himmels durch verschiedene
Hindernisse berechnet, welche wir im Folgenden als Verschattung definieren. Als Grundlage
für die Berechnung der Verschattung dienen Hemisphären-Bilder, die mit einer Digitalkamera
mit Fischaugenobjektiv aufgenommen wurden. Zur Berechnung der Verschattung wurde ein
Hindernisindex mit einem Wertebereich von 0 bis 255 eingeführt (siehe Gleichung 2),
der sich aus dem Mittel der Zahlenwerte der roten, grünen und blauen Farbebene eines
Pixels berechnet und definiert ist als:
Pixel mit einem niedrigeren Hindernisindex als 125 werden als Hindernisse und das
Komplement als Himmel definiert. Bei Aufnahmen von Hemisphären-Bildern mit vollständig
bedecktem Himmel erscheinen Hindernisse im Gegensatz zum Himmel meist relativ dunkel
und lassen sich dadurch gut ermitteln. Die Albedo von Oberflächenmaterialien (wie
z. B. Asphalt, Beton, Vegetation) beträgt im UVB-Wellenlängenbereich ca. 0,02 – 0,1
[24]
[25] und ist somit klein. In Seckmeyer et al. [23] wurde gezeigt, dass aufgrund dieser geringen Albedowerte die Exposition durch Reflexionen
am Boden vernachlässigbar gering ist. Wir nehmen für diese Untersuchung ebenfalls
an, dass die ermittelten Hindernisse aus Oberflächenmaterialien bestehen, deren Reflexionsgrad
vernachlässigt werden kann. Diese Annahme kann nicht für die Betrachtung großflächig
verglaster oder schneebedeckter Oberflächen verwendet werden.
Weil die Auflösung eines Hemisphären-Bildes mit ca. 3 Millionen Pixeln wesentlich
höher ist als die räumliche Auflösung der im Expositionsmodell verwendeten Himmelsrichtungen
(Himmelssegmente, siehe [Abb. 1]), werden die hochaufgelösten Verschattungsinformationen jedes Himmelssegments gemittelt.
Abb. 1 Vor der Universitätsmensa der Leibniz Universität Hannover aufgenommenes Hemisphären-Bild
(links) und das daraus ermittelte Verschattungsbild mit den in schwarz dargestellten,
den Himmel verdeckenden Hindernissen (rechts). Das durch das Gitter segmentierte Bild
veranschaulicht die verschiedenen Richtungen, für die jeweils eine prozentuale Verschattung
bestimmt wird. Bei der Berechnung des Verhältnisses von als Hindernis definierter
Pixelanzahl zu Gesamtpixelanzahl ergibt sich für den vollständigen Himmel, dass für
diesen Fall insgesamt 39 % der oberen Hemisphäre durch Hindernisse verdeckt sind.
Die für diese Untersuchung ermittelten Hindernisse der ausgewählten Umgebungen werden
analog zu der Methodik von Seckmeyer et al. [23] in das Expositionsmodell integriert, indem für die jeweilige Himmelsrichtung die
Verschattungsinformation mit der Vitamin-D3-gewichteten Strahldichte und dem geometrischen Faktor multipliziert wird. Mathematisch
ausgedrückt wird die durch Verschattungen gewichtete Exposition eines Menschen berechnet
durch:
Ergebnisse
Für die Untersuchungen des Einflusses der Verschattung wird die Vitamin-D3-gewichtete UV-Exposition des 3 D-Modellmenschen für vier unterschiedlich verschattete
Umgebungen in Hannovers Nordstadt berechnet. Dabei handelt es sich um die Standorte
Nienburger Straße, Callinstraße, Universitätsmensa und eine Allee im Georgengarten
(siehe auch [Tab. 1]). Die aus den Hemisphären-Bildern ermittelten Hindernisse sind in den [Abb. 1] und [Abb. 3] illustriert.
Tab. 1
Simulierte Werte der Vitamin-D3-gewichteten Exposition über 10 Minuten zu Sonnenhöchststand für einen nach Süden
ausgerichteten, Winterkleidung tragenden Menschen unter Berücksichtigung der Verschattung
verschiedener Umgebungen. Des Weiteren ist der Verschattungsquotient der verschatteten
Umgebung im Vergleich zu einer unverschatteten Umgebung nach Gleichung 4 aufgeführt.
Umgebung
|
|
21. 12. (Winter)
|
21. 03. (Frühling)
|
|
freier Himmel [%]
|
Exposition [IE]
|
Verschattungsquotient [%]
|
Exposition [IE]
|
Verschattungsquotient [%]
|
Freie Ebene
|
100 %
|
15
|
–
|
262
|
–
|
Nienburger Straße
|
44 %
|
8
|
53
|
178
|
68
|
Callinstraße
|
45 %
|
6
|
40
|
76
|
29
|
Universitätsmensa
|
61 %
|
9
|
60
|
188
|
72
|
Georgengarten
|
52 %
|
8
|
53
|
149
|
57
|
Abb. 3 Verschattungsbilder der untersuchten Umgebungen Nienburger Straße (links), Callinstraße
(Mitte) und Allee im Georgengarten (rechts) in Hannovers Nordstadt (siehe auch [Tab. 1]).
In [Tab. 1] sind die Ergebnisse der Expositionsberechnung für den Frühling und den Winter für
einen Winterkleidung tragenden Menschen angegeben, der sich in den vier verschatteten
und in einer unverschatteten Umgebungen befindet und nach Süden ausgerichtet ist.
Die Vitamin-D3-gewichtete Exposition ist dabei für 10 Minuten berechnet und in Internationalen Einheiten
(IE) angegeben. Zusätzlich sind in [Tab. 1] die mit Gleichung 4 berechneten Verschattungsquotienten zwischen den Expositionswerten
der verschatteten Umgebungen und einer unverschatteten freien Ebene aufgeführt.
Es ist ersichtlich, dass die Abschattung der Strahldichte durch Hindernisse, wie beispielsweise
Gebäude und Bäume, einen starken Einfluss auf die Vitamin-D3-gewichtete Exposition hat.
Ein Mensch, der sich am 21. März zu Sonnenhöchststand vor der Universitätsmensa ([Abb. 1]) befindet und in Richtung Süden ausgerichtet ist, produziert 72 % der Menge an Vitamin
D3, die ein Mensch in einer unverschatteten Umgebung produzieren würde. Im Winter ist
die Sonne durch die geringe Sonnenhöhe, je nach Umgebung, durch Hindernisse verdeckt.
Infolgedessen kann der direkte Anteil der Solarstrahlung und ein Teil der zirkumsolaren
Strahlung den Menschen nicht erreichen ([Abb. 2]). Dadurch ist, zum Beispiel für den Standort Universitätsmensa, am 21. Dezember
der Verschattungsquotient mit 60 % kleiner als im Frühjahr.
In [Tab. 1] ist erkennbar, dass Umgebungen mit nahezu gleicher prozentualer Verschattung beziehungsweise
nahezu gleichem Anteil an freiem Himmel große Unterschiede in den berechneten Expositionswerten
aufweisen können. Der Anteil des freien Himmels der Umgebung Nienburger Straße ist
mit 44 % annähernd so groß wie der Anteil der Umgebung Callinstraße mit 45 %, die
berechnete Vitamin-D3-Exposition ist mit 180 IE für die Nienburger Straße jedoch mehr als doppelt so groß.
Die für die Expositionsberechnung notwendige Verschattungsinformation des Himmels
lässt sich demzufolge nicht mit einer einzigen Zahl beschreiben. Es ist daher von
großer Bedeutung, richtungsabhängige Verschattungsinformationen zu verwenden.
Diskussion
Die Strahldichtesimulationen für diese Studie wurden mit dem DISORT-Programmcode des
UVSPEC-Modells aus dem LibRadTran-Packet berechnet [26]. Um einfache und allgemeine Situationen für die Studie zu erstellen, wurden die
in [Tab. 2] aufgelisteten Werte verwendet. Die Ergebnisse ergeben, bei wolkenlosen Situationen
mit grundlegenden Atmosphärenbedingungen, äußerst niedrige Werte der Vitamin-D3-gewichteten Exposition, z. B. ausgedrückt als 10 Minutenwerte in IE, für den 21. Dezember
und geringe Werte für den 21. März. Durch veränderte Annahmen zum Zustand der Atmosphäre
kommt es teilweise zu höheren oder auch zu geringeren Expositionswerten, z. B. bei
einem höheren Wert der Gesamtozonsäule oder einer bewölkten Situation. Außerdem soll
erwähnt werden, dass zur Berechnung der Vitamin-D3-gewichteten Exposition eines Menschen zahlreiche Annahmen getroffen wurden, die in
Seckmeyer et al. [23] aufgelistet sind.
Tab. 2
In dieser Studie verwendete Parameterwerte.
Parameter
|
21. 12. (Winter)
|
21. 03. (Frühling)
|
Sonnenzenitwinkel (Sonnenhöchststand)
|
75,8°
|
52,2°
|
Gesamtozonsäule
|
300 DU
|
300 DU
|
Sichtweite
|
50 km
|
50 km
|
Albedo
|
0,02
|
0,02
|
Tag des Jahres
|
356
|
81
|
Obwohl die Bestimmung der individuellen Werte der Exposition mit großen Unsicherheiten
verbunden ist, kann die Abschattung des Himmels durch Hindernisse gut durch Hemisphären-Bilder
ermittelt werden. In dieser Studie wurde ein nach Süden ausgerichteter Mensch betrachtet,
andere Ausrichtungen wurden hier noch nicht untersucht. Da sich die vorliegenden Ergebnisse
auf Modellrechnungen beziehen, wäre eine Überprüfung dieser Rechnungen durch Messungen
der spektralen Strahldichte wünschenswert. Dafür könnte ein neu entwickeltes Instrument
verwendet werden, welches die spektrale Strahldichte in mehr als 100 Richtungen simultan
messen kann [27]. Dadurch kann das komplexe und zeitlich verändernde Strahlungsfeld mit einer zeitlichen
Auflösung im Sekundenbereich erfasst werden.
Schlussfolgerungen
In dieser Studie wurde eine Methode vorgestellt, mit der sich durch Hemisphären-Bilder
den Himmel verdeckende Hindernisse in hoher räumlicher Auflösung ermitteln und in
ein Expositionsmodell integrieren lassen. Es wurde gezeigt, dass die Abschattung des
Himmels durch Hindernisse einen großen Einfluss auf die Vitamin-D3-gewichtete Exposition eines Menschen hat.
Für eine realistische Expositionsbestimmung ist die Berücksichtigung der Verschattungen
von Umgebungen daher von großer Bedeutung. Die Berechnung der Vitamin-D3-gewichteten Exposition ergab für verschiedene Orte mit annähernd gleichem Anteil
an freiem Himmel Unterschiede von mehr als dem Faktor zwei. Dies zeigt, dass die für
die Expositionsberechnung in einer bebauten Umgebung notwendige Verschattungsinformation
nicht durch eine einzige Zahl charakterisiert werden kann. Stattdessen ist die richtungsabhängige
Verschattungsinformation ein notwendiger Parameter bei der Expositionsberechnung eines
Menschen.