Aktuelle Dermatologie 2017; 43(05): 178-180
DOI: 10.1055/s-0043-105474
State of the Art
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Atopische Dermatitis[*]

M. Worm
Further Information

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Margitta Worm
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Charitéplatz 1
10117 Berlin

Publication History

Publication Date:
15 May 2017 (online)

 

Die atopische Dermatitis ist eine multifaktorielle Hauterkrankung, deren Inzidenz in den letzten Jahrzehnten weltweit zugenommen hat. Die vielfältigen Ursachen der atopischen Dermatitis tragen dazu bei, dass im klinischen Alltag Patienten mit unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildern vorkommen. Diese sind abhängig vom Alter, der Hautbarriere, der Sensibilisierung gegenüber Umweltallergenen und Nahrungsmitteln, dem Zytokinprofil, der Neigung zu Infekten und dem Schweregrad der Erkrankung.


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Neue Erkenntnisse zur atopischen Dermatitis beinhalten die Bedeutung der Assoziation mit anderen allergischen Erkrankungen und hier v. a. der Nahrungsmittelallergie, der Hautbarriere, immunologischen Veränderungen, neuropsychologischen Mechanismen sowie weiterer Einwirkungen durch die Umwelt und das Mikrobiom auf die Haut. Zahlreiche neue Therapieansätze zur Behandlung der atopischen Dermatitis befinden sich derzeit in der klinischen Entwicklung. Erstmals zeigen auch Biologika zur Behandlung der atopischen Dermatitis in frühen klinischen Studien vielversprechende Ergebnisse.

Epidemiologie

Die Häufigkeit der atopischen Dermatitis ist altersabhängig. Bei Kindern tritt sie in einer Häufigkeit je nach Studie zwischen 10 und 20 % auf, während für das Erwachsenenalter Häufigkeiten zwischen 2 und 4 % in der Literatur berichtet wurden. Aktuelle Daten zur Prävalenz der atopischen Dermatitis in Deutschland zeigen zuletzt eine Häufigkeit von 13,2 % für das Kindes- und 3,5 % für das Erwachsenenalter [1].

Eine aktuelle Studie aus Dänemark zeigt eine Lebenszeitprävalenz der atopischen Dermatitis von 34,1 %, wobei in dieser Untersuchung 17 % der Erwachsenen nach einem Telefoninterview und 10 % nach klinischer Untersuchung noch betroffen waren. Als Risikofaktoren für eine persistierende atopische Dermatitis werden das frühe Auftreten sowie Komorbiditäten wie die allergische Rhinitis und das Handekzem angegeben [2].

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Abb. 1 Polyätiologie der atopischen Dermatitis.

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Hautbarriere

Dass bei Patienten mit einer atopischen Dermatitis eine gestörte Hautbarriere vorliegt, war lange aus klinischen Beobachtungen bekannt und konnte auf molekularer Ebene v. a. durch den Nachweis einer funktionsrelevanten Mutation des Barriereproteins Filaggrin bestätigt werden. Einer von 10 Europäern trägt zumindest eine Filaggrinmutation, die mit einem Funktionsverlust einhergeht [3]. Diese häufigen Varianten sind stark mit einem genetischen Risiko für die atopische Dermatitis assoziiert. Die Odds-Ratio liegt bei ca. 4 [4]. Das Vorhandensein einer Filaggrinmutation spielt auch eine Rolle für die Sensibilisierung gegenüber Nahrungsmittel- und Inhalationsallergenen und bildet eine mögliche Basis für die Entwicklung neuer Therapiekonzepte.


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Immunologische Veränderungen

Unbestreitbar ist, dass bei Patienten mit einer atopischen Dermatitis zahlreiche immunologische Veränderungen gefunden werden. Gegenüber der früheren Auffassung, dass sich bei Patienten mit atopischer Dermatitis primär eine gestörte Th1/Th2-Balance findet, wissen wir heute, dass auch weitere T-Zell-Populationen, wie Th22- oder Th17-Zellen bei Betroffenen vorkommen [5].

Grundsätzlich spielt bei den immunologischen Betrachtungen eine Rolle, in welchem Akuitätsstadium der atopischen Dermatitis sich die einzelnen Läsionen befinden. Besonders wichtig sind neuere Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass die Zytokine der T-Zellen auch die Barrierefunktion durch eine veränderte Expression der Barriereproteine beeinträchtigen können, sodass bei schwer betroffenen Patienten ein Circulus vitiosus entstehen kann [6].

Grundsätzlich sind die immunologischen Prozesse in der Haut komplex. Durch die Möglichkeit, Zellen spezifisch aus der Haut zu isolieren und bzgl. ihrer Zytokinantwort zu analysieren, konnten in den letzten Jahren weitere Erkenntnisse zum Vorkommen und zur Dynamik von T-Zellen in der Haut bei Patienten mit atopischem Ekzem gewonnen werden [7] [8].


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Psycho-neurologische Befunde

Dass psychologischer Stress einen wichtigen Triggerfaktor für die atopische Dermatitis darstellt, ist schon lange bekannt und hat auch zur Prägung des Krankheitsbegriffs „Neurodermitis“ beigetragen. Das wichtigste Symptom der atopischen Dermatitis ist der Juckreiz, der auch heute therapeutisch oftmals nur schwer zu beeinflussen ist. Aktuelle Forschungen zeigen, wie komplex das System pruritogener Transmitter ist [9]. Derzeit befinden sich einige neue Moleküle zur Behandlung des Juckreizes in der klinischen Prüfung. Darüber hinaus können psychologische und/oder psychotherapeutische Interventionen für das Management der Erkrankung hilfreich sein [10].


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Umwelt und Mikrobiom

Zahlreiche Faktoren der Umwelt sowie die mikrobielle Besiedlung der Haut beeinflussen die Entwicklung und den Schweregrad der atopischen Dermatitis. Zu den Umwelteinflüssen gehören klimatische und direkte physikalische Einwirkungen auf die Haut sowie Allergene. Bei den Allergenen können sowohl Nahrungsmittel (v. a. im Kindesalter) aber auch Inhalationsallergene (z. B. Hausstaubmilben oder Pollen) den Schweregrad eines atopischen Ekzems beeinflussen.

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch Vitamin D, welches nach UV-Bestrahlung in der Haut gebildet wird, mit dem atopischen Ekzem in Zusammenhang steht. In der Literatur sind bis heute zahlreiche Studien zu finden, die entweder eine inverse Assoziation, eine direkte Assoziation und auch keine Assoziation zwischen dem 25-OH-Vitamin-D-Status und einer atopischen Dermatitis zeigen [11]. Jedoch zeigt die überwiegende Zahl der Studien eine schützende Bedeutung von Vitamin D bei Patienten mit atopischer Dermatitis.

Als mögliche Mechanismen, wie Vitamin D die Entzündung der Haut beeinflussen kann, werden immunmodulatorische Effekte auf zahlreiche Zellen, einschließlich Mastzellen, aber auch T- und B-Zellen, diskutiert [12] [13]. Darüber hinaus kommt es durch Vitamin D zu einer Verstärkung von Abwehrmechanismen in der Haut durch die Heraufregulation antimikrobieller Peptide sowie zu einer Stabilisierung der Hautbarriere. Ob und inwieweit Vitamin D zukünftig therapeutisch genutzt werden kann, wird derzeit in klinischen Prüfungen untersucht. Auch Polymorphismen des Vitamin-D-Stoffwechsels sind in der Literatur beschrieben [14] [15] und müssen zukünftig für weitere Untersuchungen funktionell näher charakterisiert werden.

Ein weiteres wichtiges Feld ist die mikrobielle Besiedlung der Haut (Mikrobiom). Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die zunehmende Entzündung der Haut die Besiedlung mit Staphylococcus aureus begünstigt und dass die Toxine von Staphylococcus aureus die Entzündungsreaktion in der Haut verstärken können [16]. Erste Befunde zum Mikrobiom der Haut zeigen, dass dies sich bei Patienten mit atopischer Dermatitis im Vergleich zu Hautgesunden nicht unterscheidet, aber vom Entzündungsstatus der Haut abhängt [17]. Ob und inwieweit bestimmte Bakterien und v. a. ihre Produkte für eine Stabilisierung der gestörten Hautbarriere therapeutisch genutzt werden können, wird derzeit in klinischen Studien untersucht.


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Neue Therapien

Erste Untersuchungen mit heute zugelassenen Antikörpern wie anti-IL-5, anti-IgE, anti-CD20, anti-TNFα und anti-CD11a zeigten in kleinen Fallserien zum Teil vielversprechende Ergebnisse in der Behandlung von Patienten mit atopischer Dermatitis. Jedoch hat keines der genannten Therapeutika bis heute eine Zulassung zur Behandlung des atopischen Ekzems erhalten.

Aktuell befinden sich zahlreiche weitere Antikörper in der klinischen Prüfung. Hierzu gehören der anti-IL-4-/anti-IL-13-Rezeptor, anti-IL-31, der CRTH2-Inhibitor, der anti-TSLP-Rezeptor sowie ein neu entwickelter anti-IgE-Antikörper. Besonders erfolgsversprechend sehen derzeit die Ergebnisse aus der Phase-II-Studie des IL-4/IL-13-Rezeptor-Antikörpers aus. Erste klinische Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit zeigen einen sehr guten therapeutischen Effekt bei guter Verträglichkeit [18].


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Erstveröffentlichung

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in Kompendium Dermatologie 2016; 12: 12 – 15.


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Interessenkonflikt

Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: Kompendium Dermatologie 2016; 1: 20 – 23.


  • Literatur

  • 1 Bergman KC, Heinrich J, Niemann H. Current status of allergy prevalence in Germany. Allergo J Int 2016; 25: 6-10
  • 2 Mortz CG, Andersen KE, Dellgren H. et al. Atopic dermatitis from adolescence to adulthood in the TOACS cohort: prevalence, persistence and comorbidities. Allergy 2015; 70: 836-845
  • 3 Irvine AD, McLean WH. Breaking the (un)sound barrier: filaggrin is a major gene for atopic dermatitis. J Invest Dermatol 2006; 126: 1200-1202
  • 4 Rodriguez E, Baurecht H, Herberich E. et al. Meta-analysis of filaggrin polymorphisms in eczema and asthma: robust risk factors in atopic disease. J Allergy Clin Immunol 2009; 123: 1361-1370, e1367
  • 5 Eyerich K, Novak N. Immunology of atopic eczema: overcoming the Th1/Th2 paradigm. Allergy 2013; 68: 974-982
  • 6 Biedermann T, Skabytska Y, Kaesler S. et al. Regulation of T Cell Immunity in Atopic Dermatitis by Microbes: The Yin and Yang of Cutaneous Inflammation. Front Immunol 2015; 6: 353
  • 7 Eyerich S, Zielinski CE. Defining Th-cell subsets in a classical and tissue-specific manner: Examples from the skin. Eur J Immunol 2014; Dec; 44: 3475-3483
  • 8 Eyerich K, Eyerich S, Biedermann T. The Multi-Modal Immune Pathogenesis of Atopic Eczema. Trends Immunol 2015; 36: 788-801
  • 9 Mollanazar NK, Smith PK, Yosipovitch G. Mediators of chronic pruritus in atopic dermatitis: getting the itch out?. Clin Rev Allergy Immunol 2016; 51: 263-292
  • 10 Werfel T. et al. S2k guideline on diagnosis and treatment of atopic dermatitis – short version. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14: 92-105
  • 11 Quirk SK, Rainwater E, Shure AK. et al. Vitamin D in Atopic Dermatitis, Chronic Urticaria and Allergic Contact Dermatitis. Expert Rev Clin Immunol 2016; 12: 839-847
  • 12 Hartmann B, Heine G, Babina M. et al. Targeting the vitamin D receptor inhibits the B cell-dependent allergic immune response. Allergy 2011; 66: 540-548
  • 13 Heine G, Tabeling C, Hartmann B. et al. 25-Hydroxvitamin D3 Promotes the Long-Term Effect of Specific Immunotherapy in a Murine Allergy Model. J Immunol 2014; 193: 1017-1023
  • 14 Heine G, Hoefer N, Franke A. et al. Association of vitamin D receptor gene polymorphisms with severe atopic dermatitis in adults. Br J Dermatol 2013; 168: 855-858
  • 15 Hallau J, Hamann L, Schumann RR. et al. A promoter polymorphism of the Vitamin D metabolism gene cyp24a1 is associated with severe atopic dermatitis in adults. Acta Derm Venerol 2016; 96: 169-172
  • 16 Bunikowski R, Mielke ME, Skarabis H. et al. Evidence for a disease-promoting effect of Staphylococcus aureus-derived exotoxins in atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol 2000; 105: 814-819
  • 17 Kong HH, Segre JA. Skin microbiome: looking back to move forward. J Invest Dermatol 2012; 132: 933-939
  • 18 Thaçi D, Simpson EL, Beck LA. et al. Efficacy and safety of dupilumab in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis inadequately controlled by topical treatments: a randomised, placebo-controlled, dose-ranging phase 2b trial. Lancet 2016; 387: 40-52

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Margitta Worm
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Abb. 1 Polyätiologie der atopischen Dermatitis.