Z Gastroenterol 2017; 55(04): 416
DOI: 10.1055/s-0043-105803
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Anspruch und Wirklichkeit

Die Rolle der Selektivverträge
Albert Beyer
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Publication Date:
20 April 2017 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

In der jetzigen Ausgabe der bng-Infos bringt ein Artikel von Christoph Schmidt das Spannungsfeld, in dem wir uns als niedergelassene Gastroenterologen bewegen, recht gut auf den Punkt. Immer höhere Ausgaben für Technik und Einhaltung verschärfter Vorgaben (Hygiene, Sedierung, QM etc.) bei gleichzeitig diesbezüglich nicht adäquater Vergütung führen dazu, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen die Betreuung der chronisch kranken Patienten unseres Fachgebiets zunehmend ins Hintertreffen gerät. Aus wirtschaftlichen Gründen verlagert sich der Schwerpunkt der Tätigkeit immer mehr in den endoskopischen Bereich, obwohl die Betreuung von Patienten mit chronischen Leiden zu unserer ursprünglichsten Aufgabe gehört. Dieses Phänomen ist sektorenübergreifend zu beobachten, Leidtragender ist der Patient.

Fehler im System sind hier zu korrigieren, und zwar durch eine verbesserte und besser honorierte strukturelle Versorgung dieser Patienten. Eine bloße Umverteilung im EBM, welche die wirtschaftlichen Zwänge eher noch verschärfen würde, hätte hier einen gegenteiligen Effekt; von EBM-Reformen erwarte ich mir diesbezüglich daher nicht viel. Verträge, denen im Kernpunkt isoliert nur Medikamentenrabatte zugrunde liegen, greifen zu kurz und sind nicht nachhaltig.

Zahlreiche Kassen haben das Problem mittlerweile erkannt und setzen daher auf Selektivverträge, um gezielt Fehler in der Gesamtvergütung zu beheben. Aus dieser Situation heraus ist jetzt in Kooperation mit dem Kassendienstleister SpektrumK der Versorgungsvertrag der „Versorgungslandschaft Gastroenterologie“ zur Betreuung von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen entstanden, welcher zeitnah anläuft.

Dieser Vertrag wird langsam wachsen, er hat aber aus meiner Sicht tatsächlich das Potenzial, einen Versorgungsbereich für chronisch kranke Patienten unseres Fachgebiets neu zu strukturieren und in Kooperation mit den interessierten Kassen wiederaufzubauen.

Natürlich lösen solche Ansätze in einem politisch weitgehend festgefahrenen System nicht nur positive Emotionen aus. Kassenärztliche Vereinigungen, welche in den vergangenen Jahren mit wechselndem Enthusiasmus und großteils wenig erfolgreich versucht haben, selektivvertragliche Lösungen für die Versorgung chronisch kranker Patienten unsers Fachgebiets zu entwickeln, blicken ebenso kritisch auf die Entwicklung wie berufspolitische Organisationen, denen aktuell noch die Organisationsstrukturen fehlen, diese Verträge konsequent zum Abschluss zu bringen und durchzuführen. Eine zu enge Bindung über die ProVersorgung an die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) wird befürchtet. Alle diese Aspekte haben wir selbstverständlich im Auge und berücksichtigen sie im Sinne unserer Mitglieder.

Berufspolitik ist Realpolitik, kann sich nicht nur in der Formulierung hehrer Ziele und nicht erreichbarer Forderungen ergehen. Berufspolitik muss durch Sacharbeit die Versorgungsbedingungen in den Praxen – für Patienten und Praxisteams – verbessern können. Wir können – als starker Verband – das geschilderte Spannungsfeld selbst auflösen.

Dr. Albert Beyer (bng-Vorstand)