Z Gastroenterol 2017; 55(04): 418-419
DOI: 10.1055/s-0043-105807
Der bng informiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dramatischer Verlauf nach Biopsieentnahme

Alp Bastian
,
Gero Moog
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Publication Date:
20 April 2017 (online)

Eine 76 Jahre alte Patientin wurde uns aufgrund von Oberbauchbeschwerden und einer Gewichtsabnahme zu einer Gastroduodenoskopie zugewiesen. Die Patientin hatte eine Reihe von internistischen Begleiterkrankungen unter anderem eine KHK mit Zustand nach PTCA und Stentimplantation. Aus dem Grund nahm sie Clopidogrel mit 75 mg/die.

Die Gastroskopie wurde unter einer Sedierung mit Propofol durchgeführt und verlief ohne Komplikationen. Der endoskopische Befund war bis auf geringe Veränderungen im Ösophagus unauffällig. Hier zeigten sich einzelne weißliche Auflagerungen, die man als Soorbelag interpretieren konnte und was den Untersucher veranlasste aus diesem Bereich zwei kleine Biopsien zu nehmen. Zur Biopsie wurde eine Einmalzange ohne Dorn verwendet. Für die von der Patientin geschilderte Symptomatik fand sich keine Erklärung.

Nach der Untersuchung verblieb die Patientin im Aufwachraum, um dann mit ihrer Tochter den Heimweg anzutreten. Nach etwa 20 Minuten klagte sie über sehr starke retrosternale Schmerzen und Schluckbeschwerden. So war auch das Schlucken des Speichels nicht mehr möglich. EKG und Kreislaufparameter zeigten keine Auffälligkeiten.

Da im Vordergrund die Dysphagie stand entschlossen wir uns zu einer erneuten Gastroskopie. Hier fand sich eine praktisch vollständige Verlegung des Ösophaguslumens durch ein ausgeprägtes submuköses/intramurales Hämatom. Aus den beiden Biopsiestellen trat kein Blut mehr aus und auch im Magen fand sich nur eine geringe Mengen Blut. Die Passage in den Magen war mit geringem Druck möglich.

Ein sofort hinzu gerufener Kollege aus der Kardiologie führte eine transthorakale Echokardiografie durch, die zumindest einen Perikarderguss und auch eine Dissektion der intraabdominell einzusehenden Aorta ausschließen konnte. Wir entschlossen uns, notfallmäßig unter endoskopischer Sicht einen gecoverten Ösophagusstent der Länge 12 cm mit einem Durchmesser von 1,8 cm zu legen. Danach wurde die Patientin in das CT gebracht und von dort zur weiteren Überwachung auf die Wachstation übernommen.

Im CT zeigte sich eine ausgeprägte Flüssigkeitsansammlung in der Wand des Ösophagus. Es fand sich kein Hinweis auf ein Aortenaneurysma oder auf den Austritt des Blutes in das Mediastinum oder die Pleurahöhlen. Die Patientin entwickelte einen Hb-Abfall auf minimal 8 g/dl und wurde transfundiert. Obwohl bereits mit der stationären Aufnahme eine parenterale antibiotische Therapie begonnen wurde, zeigte sich in den Folgetagen eine deutliche inflammatorische Reaktion mit einer Leukozytose und einem CRP Anstieg auf maximal 220 mg/dl (Norm < 8 g/dl).

Wir entschlossen uns, am 4. Tag nach dem Ereignis, den Stent wieder zu entfernen. Dabei zeigte sich die Schleimhaut schwärzlich verfärbt und es konnte ein größeres Stück Koagel/Nekrose mit dem Stent extrahiert werden. Nach der Entfernung des Stents verbesserte sich der Zustand der Patientin rasch, die Entzündungsparameter waren rückläufig, der klinische Zustand weiter verbessert.

Die inzwischen eingegangene Histologie zeigte keine wesentlichen Veränderungen, es wurde ein unverdächtiges Plattenepithel beschrieben. Eine am Tag 6 durchgeführte gastroskopische Kontrolle zeigte eine frisch granulierende Wunde, keine Hinweise mehr auf das Hämatom. Allerdings hatte die Patientin inzwischen linksseitig einen Pleuraerguss entwickelt, der jedoch nicht punktiert wurde und im weiteren Verlauf auch rückläufig war. Ob dieser eine Reaktion auf den sehr großzügigen Volumeneinsatz bei der Patientin war oder mit dem Hämatom zusammen hing, ist unklar.

Auch die abschließende CT-Untersuchung des Thorax ergab bis auf den rückläufigen Pleuraerguss einen unauffälligen Befund, das Hämatom war vollständig zurückgebildet, weiter fanden sich keine Hinweise auf eine vaskuläre Veränderung.

Führt man eine Literaturrecherche zu diesem Thema durch, so zeigt sich, dass solche Ereignisse sehr selten sind. Meistens treten intramurale Hämatome spontan im Rahmen eines Boerhave-Syndroms auf oder bei Verletzungen der Speiseröhre (Hiller et al., Am J Gastroenterol 1999; 94:2282 – 2284). Blutungen dieses Ausmaßes nach Biopsie werden noch seltener beschrieben (Yen et al., Gastrointest Endosc 2005; 62:161 – 163). Als Risikofaktoren werden weibliches Geschlecht, Alter und die Einnahme gerinnungshemmender Medikamente genannt. In fast allen Fällen war der Verlauf konservativ zu beherrschen, die Genesung vollständig.

In keinem Fall wurde eine Stenteinlage beschrieben. Ob der von uns eingelegte Stent den Verlauf nun verbesserte, ist sicher schwer zu beurteilen. Als positiv für die Patientin war zu konstatieren, dass das Schlucken des Speichels sofort nach der Einlage wieder möglich war, was für die Patientin eine deutliche klinische Besserung erbrachte.

Dr. Alp Bastian und Dr. Gero Moog (Gastroenterologische Fachpraxis am Marienkrankenhaus in Kassel)

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Gastroskopie vor Stenteinlage und nach Stententfernung.
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CT-Aufnahmen mit Stenteinlage.