Rofo 2017; 189(06): 508-510
DOI: 10.1055/s-0043-108824
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Konsensusgespräche zu Uterusarterienembolisation und fokussiertem Ultraschall in der Myombehandlung: eine Standortbestimmung

Article in several languages: English | deutsch
Thomas Kröncke
1   Radiologie, Klinikum Augsburg, Germany
,
Matthias David
2   Gynäkologie, Charité, Berlin, Germany
,
Matthias Fritz Matzko
3   Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Imaging Service AG, Pöcking, Germany
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Correspondence

Prof. Dr. Thomas Kröncke
Radiologie, Klinikum Augsburg
Stenglinstr. 2
86156 Augsburg
Germany   
Phone: ++ 49/8 21/4 00 24 41   
Fax: ++ 49/8 21/4 00 33 12   

Publication History

Publication Date:
07 June 2017 (online)

 

Am 16.10.2005 trafen sich in Berlin gynäkologische und radiologische Fachkolleginnen und -kollegen zu einem Konsensusgespräch zur Myomtherapie mittels Uterusarterienembolisation (UAE; Myomembolisation) [1]. Ziel dieser Zusammenkunft auf dem Campus der Charité war es, den aktuellen Stand des Wissens um die damals neue Behandlungsoption der Myomembolisation zusammenzufassen und aus interdisziplinärer, radiologisch-gynäkologischer Sicht Empfehlungen zu Indikationsstellung, Durchführung und Nachsorge zu geben. 2010 konnten erstmals auch Vertreter aus Österreich und der Schweiz für die Diskussion gewonnen werden, sodass seither auch konsentierte Empfehlungen mit Unterstützung der Fachgesellschaften grenzüberschreitend ausgesprochen wurden [2]. In 2013 wurden die Konsensusgespräche um einen interdisziplinären Dialog zum Verfahren des MR gesteuerten fokussierten Ultraschall (MRgFUS [3]) in der Myombehandlung erweitert und seither in zweijährigem Abstand auf dem IROS, der Dreiländertagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Interventionelle Radiologie abgehalten [4] [5] [6] [7].

In der Ihnen vorliegenden Ausgabe der RöFo [8] [9] werden nun die Ergebnisse des 3. Konsensustreffens „MRgFUS zur Myomtherapie“ und 6. Konsensustreffens „UAE zur Myomtherapie“ vorgestellt, welches am 14. Januar 2017 stattfand.

Für das 3. Konsensustreffen „MRgFUS zur Myomtherapie“ erfolgte eine selektive Literaturrecherche zur aktuellen Literatur, welche unter anderem die von den geladenen Teilnehmern als relevant erachteten Themen aufgriff. Ausgewählte Publikationen wurden in den Anhang des Konsensuspapiers aufgenommen. Auf der Grundlage der vorliegenden Literatur und der Erfahrungen der Konsensusteilnehmer mit der Methode wurde über die Auswirkungen einer medikamentösen Vorbehandlung durch Ulipristalacetat, die zu empfehlende Wartezeit nach MRgFUS bis zur Umsetzung eines Kinderwunsches, das Vorgehen beim postinterventionellen Abgang von Myommaterial aus der Scheide im Sinne eines „myoma in statu nascendi“, die Notwendigkeit von Verlaufskontrollen nach MRgFUS-Therapie und die Bedeutung der Volumenreduktion für die Symptomkontrolle diskutiert. Besonders großen Raum nahm das Thema „Therapie eines unerkannten Leiomyosarkoms“ ein. Die Konsensusteilnehmer einigten sich auf die Formulierung, dass „… im Rahmen des Aufklärungsgespräches mit der Patientin vor MRgFUS auf das Fehlen einer präinterventionellen histologischen Absicherung, wie bei allen anderen organerhaltenden Myomtherapieverfahren auch, hingewiesen werden…“. Bei Verdacht auf ein Malignom des Uterus ist demnach die MRgFUS-Therapie absolut kontraindiziert.

Neu aufgenommen wurde der Hinweis, dass der selektive Progesteronrezeptormodulator Ulipristalacetat zu einer besseren Durchblutung der Myome führen kann, sodass deshalb die Einschätzung der MRgFUS-Therapierbarkeit als auch die Behandlung selbst durch eine Ulipristalacetat-Einnahme ungünstig beeinflusst werden könnte.

Zur Frage „MRgFUS bei Patientinnen mit Kinderwunsch“ einigten sich die Konsensusteilnehmer aufgrund fehlender prospektiver Studienergebnisse darauf, dass bei bestehendem Kinderwunsch keine Empfehlung zur Durchführung einer MRgFUS/HIFU-Behandlung vor einer geplanten Schwangerschaft ausgesprochen werden kann. Sollten Patientinnen dennoch eine Schwangerschaft nach MRgFUS/HIFU-Behandlung anstreben, wird ein Mindestabstand von ca. sechs Monaten zwischen der Myomtherapie mit MRgFUS und dem Eintritt einer Schwangerschaft empfohlen.

Dem 6. Konsensustreffen „UAE zur Myomtherapie“ wurde ebenfalls eine selektive Literaturrecherche vorangestellt. Zwei wichtige Publikationen wurden in den Anhang des Konsensuspapiers übernommen: Die systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse zum Vergleich der UAE zu operativen Verfahren von van den Kooij et al. (2011) und das „Cochrane Database Review“ von Gupta et al. (2014), das sieben randomisiert kontrollierten Studien mit 793 Patientinnen einschloss [10] [11]. Außerdem wurden die 2016 publizierten 10-Jahres-Daten des EMMY-Studie [12] referiert. Auf der Grundlage vor allem dieser Publikationen und der breiten und langjährigen Erfahrungen der Konsensusteilnehmer mit der Myomembolisation wurden folgende Themen diskutiert: UAE bei liegender Intrauterinspirale, medikamentöse Vorbehandlung mit Ulipristalacetat, UAE und Kinderwunsch sowie das Vorgehen bei einer „vaginalen Myomgeburt“ als UAE-Folge. Breiten Raum nahm das Thema „Embolisation eines nicht erkannten Uterussarkoms“ ein. Die Konsensusteilnehmer einigten sich auf folgende neue Empfehlung: „Das Gesamtrisiko eines nicht erkannten uterinen Malignoms (darunter auch Uterussarkome) wird in der aktuellen Literatur zwischen 0,09 % und 0,18 % bei vermeintlich wegen eines Myoms operierten Patientinnen angegeben. Klinik oder Bildgebung erlauben keinen Ausschluss insbesondere eines uterinen Sarkoms. Die Entscheidung für eine organerhaltende medikamentöse, operative oder interventionell-radiologische Behandlungsoption schließt daher die Aufklärung über die Risiken der verspäteten Diagnosestellung eines Sarkoms mit ein. Nach UAE ist eine Verschleppung von Tumoranteilen nicht bekannt. Im Falle eines fehlenden Therapieansprechens oder fehlender Größenregredienz des/der Leiomyom(e) ist differenzialdiagnostisch sowohl an ein insuffizientes Embolisationsergebnis als auch an das Vorliegen eines uterinen Sarkoms zu denken…“ Kontrovers wurde auch die Frage „UAE und Kinderwunsch“ diskutiert. In einem mehrstufigen Abstimmungsprozess einigte sich die Mehrheit der Teilnehmer auf die Formulierung „Schwangerschaften nach UAE sind möglich. Das Abortrisiko ist möglicherweise erhöht…“ Einige wenige Konsensusteilnehmer votierten für eine Ergänzung, sodass als Minderheitenmeinung die Ergänzung „Möglicherweise sind nach einer Myomembolisation neben Aborten auch Plazentationsstörungen und peripartale Blutungen häufiger (unsichere Datenlage)“ aufgenommen wurde.

Wie in der Vergangenheit war auch bei den diesjährigen Konsensustreffen den Teilnehmern der Expertenrunde bewusst, dass über die Möglichkeiten und Grenzen eines radiologischen Therapieverfahrens zusammen mit Fachleuten der Gynäkologie diskutiert wurde, die das Verfahren selber nicht durchführen. Dieses Vorgehen jenseits eines strukturierten Leitliniendialogs hat sich retrospektiv bewährt. Die Konsensusgespräche dienen der Formulierung praktischer, patientenzentrierter Empfehlungen zur Durchführung von UAE und MRgFUS und folgen damit einem „best practice“ Ansatz im weiteren Sinne. Kritisch anzumerken ist, dass in Deutschland der Schweiz und Österreich im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern bis dato beide radiologische Therapieverfahren nur unzureichend in relevanten Leitlinien abgebildet sind. Bereits 2012 hat das Collège National des Gynécologues et Obstétriciens Français in einer Überarbeitung der nationalen Leitlinie zur Therapie von Uterusmyomen die UAE als Behandlungsoption einbezogen [13]. In den Niederlanden ist 2013 eine interdisziplinäre Leitlinie zur Behandlung von starken menstruellen Blutungen, die zu einem relevanten Anteil auch myombedingt sind, gemeinsam durch die Nederlandse Vereniging voor Radiologie und Nederlandse Vereniging voor Obstetrie en Gynaecologie verabschiedet worden [14]. Beiden evidenzbasierten Leitlinien ist gemeinsam, dass sie erkrankungsbezogen, interdisziplinär und unter Beteiligung von Fachvertretern der Radiologie verfasst worden sind. Diese Chance wurde bei der 2015 durch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG [15]) publizierten, methodenbasierten S3-Leitlinie zur Hysterektomie bei benignen Erkrankungen vertan. Gleichwohl hier eine Leitlinie zu Indikation und Methodik eines operativen Verfahren der Gynäkologie im Vordergrund stand, ist anzumerken, dass die Indikation zu Hysterektomie bei benignen Erkrankungen in 60 % der Fälle wegen eines Uterus myomatosus durchgeführt wird und minimalinvasiven Alternativverfahren gerade hier eine besondere Rolle zukommt. Es ist daher bedauerlich, dass weder die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) noch die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) in den Leitlinienprozess einbezogen wurden.

Die aktuellen Konsensuspapiere zu Uterusarterienembolisation und fokussiertem Ultraschall in der Myombehandlung werden sowohl in der Fortschritt Röntgenstrahlung als auch der „Zeitschrift für Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ (GebFra) veröffentlicht. Die DRG und DeGIR als auch die DGGG haben beide Konsensustreffen logistisch und finanziell unterstützt. Dieser Umstand ist als Ausdruck des Interesses der Fachgesellschaften an einer Fortführung und Verbesserung des interdisziplinären Dialogs zwischen Radiologie und Gynäkologie in der Myomtherapie zu verstehen.

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