Schlüsselwörter
Handchirurgie - Bissverletzung - Abszess - Traumatologie
Abkürzungen
CRP:
C-reaktives Protein
PCT:
Procalcitonin
Einleitung
Infektiöse Erkrankungen der Hand stellen bis heute ernst zu nehmende handchirurgische
Notfälle dar. Sie bedürfen einer umgehenden, gezielten Behandlung, um ein Voranschreiten
des Krankheitsprozesses zu vermeiden und das Risiko bleibender Funktionseinschränkungen
zu minimieren. Daher kommen einer frühzeitigen korrekten Einordnung der Symptomatik
und der daraus folgenden Überweisung in eine spezialisierte handchirurgische Behandlung
eine wesentliche Bedeutung zu.
Die Behandlung selbst umfasst in den meisten Fällen die radikale chirurgische Ausräumung
des Infektes, flankiert durch eine konservative Therapie zum Erreichen einer Ausheilung.
Zur vollständigen Rehabilitation ist jedoch auch nach Konsolidierung des Infektes
die handtherapeutische Weiterbehandlung bis zur Wiedererlangung der vollständigen
Handfunktion notwendig.
Fallbeispiel 1
Die 90-jährige Patientin stellt sich vor mit einer streckseitigen Handgelenksphlegmone
mit ausgeprägter Schwellung und Überwärmung des Handgelenks ([Abb. 1 a]). Die chirurgische Sanierung ist indiziert, und es findet sich eine ausgedehnte
Phlegmone mit lytischen Strecksehnen im 4. Strecksehnenfach ([Abb. 1 b]).
Abb. 1 Fall 1.
a Klinische Präsentation einer streckseitigen Handgelenksphlegmone mit ausgeprägter
Schwellung und Überwärmung des Handgelenks.
b Nach Inzision des Hautmantels und subkutaner Präparation zeigt sich eine ausgedehnte
Phlegmone mit lytischen Strecksehnen im 4. Strecksehnenfach.
Relevante Anatomie
Die hohe Dichte funktioneller Strukturen an Fingern, Mittelhand und Handgelenk auf
sehr begrenztem Raum stellt nur eine der relevanten anatomischen Besonderheiten in
Bezug auf Infektionen an der Hand dar. Auf der palmaren Seite der Hand ist die sogenannte
Leistenhaut fest durch zahlreiche Faserzüge mit der darunterliegenden Palmaraponeurose
verbunden und begrenzt einerseits den Raum für subkutane Infektionen und die Bildung
von Ödemen, was rasch zu einem erheblichen Druckanstieg führen kann.
Andererseits spielen die präformierten Höhlen auch eine wesentliche Rolle für die
Ausbreitungsrichtung von Infektionen. Während am Zeige-, Mittel- und Ringfinger die
Beugesehnen nur an den Fingern in die begleitende Beugesehnenscheide eingebettet sind,
setzen sich im klassischen Fall die Sehnenscheiden von Kleinfinger und Daumen bis
in den Karpaltunnel bzw. den distalen Unterarm fort und bilden hier die sogenannte
ulnare bzw. radialseitige Bursa. Durch diese Verbindung ist eine Ausbreitung von Infektionen
vom Daumenstrahl zum Kleinfinger und umgekehrt möglich (V-Phlegmone).
Das proximale Sammelbecken der Beugesehnenscheideninfekte wird am distalen Unterarm
durch den dorsal der tiefen Beugesehnen gelegenen Parona-Raum gebildet, der in der
präoperativen klinischen Diagnostik immer auf Druckschmerz untersucht werden sollte.
Merke
Insgesamt gesehen zeigten diverse anatomische Studien allerdings eine ausgeprägte
Variabilität der Kommunikation von Beugesehnenscheiden, sodass die Ausbreitung von
Infektionen nicht immer dem klassischen Muster folgen muss [1].
Streckseitig an der Hand findet sich ein deutlich abweichend aufgebautes Gewebe. Der
lockere Subkutanraum bietet hier Infektionen die leichtere Möglichkeit der voluminösen
Ausdehnung. Die von einer dünnen Faszienschicht bedeckt liegenden Strecksehnen befinden
sich im sogenannten subaponeurotischen Raum und ermöglichen die flächenhafte Ausbreitung
von Infektionen über den gesamten Handrücken.
Ätiologie
Bei einer überwiegenden Zahl von Patienten findet sich im Rahmen der Anamnese eine
vorausgegangene Verletzung des Hautmantels. Bei dieser kann es sich um verschiedene
Traumata handeln:
-
um eine chirurgisch versorgte oder konservativ behandelte Schnitt- oder Stichverletzung,
-
um eine Schürfwunde,
-
um eine Fremdkörpereinsprengung oder
-
um die Injektion bei Drogenabusus.
Häufig wird das auslösende Trauma jedoch nicht wahrgenommen oder durch den Patienten
als Bagatellverletzung abgetan. In diesen Fällen gelingt die Identifikation nur durch
gezielte Anamnese unter Beachtung der Tätigkeit des Patienten in den vergangenen Tagen
bis Wochen.
Besonders tückisch sind vorausgegangene Tier- oder Menschenbissverletzungen, die unbehandelt
regelmäßig zu ausgedehnten Infekten führen, wenn die Cutis durchspießt wurde. Hier
besteht regelmäßig eine OP-Indikation.
Hochdruckeinspritzverletzungen stellen im Spätverlauf eine seltene Ursache von Infekten
dar [2]. In letzter Zeit sind außerdem die pseudoinfektiösen Verläufe ein erhebliches Problem,
die nach Ausspülen von Verletzungshöhlen mit Octenidin (Octenisept®) auftreten und therapieresistent zu erheblichen dauerhaften Funktionsstörungen führen
können.
Praxistipp
Wundspülungen sollten an der Hand ausschließlich mit Ringer- oder NaCl-Lösung erfolgen.
Diagnostisches Vorgehen
Klinische Untersuchung
Die eingehende Untersuchung der betroffenen Hand stellt den wichtigsten Baustein in
der Findung der korrekten Diagnose dar. Während das Vorhandensein der klassischen
Entzündungszeichen nach Galen (s. Infobox) wegweisend für die richtige Diagnose ist,
darf bei ihrem Fehlen eine Infektion der Hand nicht ausgeschlossen werden. Häufig
präsentieren sich diese Infektionen untypisch oder – wie im Fall von isolierten Gelenkinfekten
– ganz ohne äußerliche Entzündungszeichen. Ferner muss die betroffene Hand nach potenziellen
Eintrittspforten, die unter Umständen bereits in Abheilung begriffen sind, abgesucht
werden.
Praxis
Die klassischen Entzündungszeichen nach Galen
-
Rubor
-
Tumor
-
Dolor
-
Calor
-
Functio laesa
Hinweise zur hauptsächlichen Lokalisation der Infektion können durch die Überprüfung
von Stauchungsschmerz einzelner Gelenke sowie die aktive und passive Durchbewegung
der Hand gesammelt werden. So findet sich bei pyogener Entzündung der Beugesehnenscheide
eines Fingers als wegweisender Befund häufig ein ausgeprägter Beugesehnendehnungsschmerz.
Die Druckdolenz sollte über dem gesamten Verlauf der Beugesehnen bis über den Parona-Raum
am distalen Unterarm geprüft werden.
Bildgebende Verfahren
Besteht durch Anamnese und klinische Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen einer
Infektion der Hand, muss die Diagnostik obligat durch eine radiologische Untersuchung
ergänzt werden. Im Nativröntgenbild wird insbesondere auf das Vorhandensein röntgendichter
Fremdkörper, Osteolysen als Zeichen des knöchernen Infektes ([Abb. 2]) oder das Vorliegen von knöchernen Begleitverletzungen wie Frakturen oder Luxationen
geachtet.
Abb. 2 In fortgeschrittenen Fällen kommen bereits in der präoperativen radiologischen Diagnostik
Osteolysen wie hier am Fingerendglied und Lufteinschlüsse am Endglied sowie am Grundglied
des Fingers als Zeichen des ausgedehnten Gewebeuntergangs zur Darstellung.
Eine weitergehende radiologische Diagnostik im Sinne von Magnetresonanz- oder Computertomografie
ist nur bei besonderen Fragestellungen, wie der Beurteilung chronisch-infektiöser
Prozesse, indiziert und darf keinesfalls die umgehende Behandlung eines akuten Infektes
verzögern.
Laboruntersuchung
Laborchemische Diagnostik mit Bestimmung von Leukozytenzahl und C-reaktivem Protein
(CRP) können den Verdacht auf eine pyogene Infektion der Hand erhärten, sind jedoch
zur Diagnosestellung nicht obligat. Sie dienen insbesondere als Ausgangsbefund für
postoperative Verlaufskontrollen, gelegentlich auch zur differenzialdiagnostischen
Abgrenzung von nichtinfektiösen Entzündungen wie eines akuten Gichtanfalls oder einer
Tendinitis calcarea.
Therapeutisches Vorgehen
Chirurgische Therapie
Merke
An erster Stelle der Behandlung pyogener Infektionen der Hand steht die chirurgische
Therapie.
Bei der chirurgischen Therapie sind im Allgemeinen angezeigt
Anästhesie und Zugang
Unter Allgemein- oder Plexusanästhesie und nach Anlage einer Blutsperre erfolgt beugeseitig
die Inzision nach Bruner, streckseitig die gerade mediane Inzision im Bereich des
vermuteten Infektes. Kombinierte beuge- und streckseitige Inzisionen sind am Daumen
und an den Fingern zu vermeiden. Die Inzisionen folgen immer den allgemeinen Kriterien
handchirurgischer Zugänge; eine früher von manchen Chirurgen geübte Praxis von „Inzision
und Gegeninzision“ hat den Verlust zahlreicher Finger nach sich gezogen und ist obsolet.
OP-Technik
Merke
Bei ausgeprägten Befunden mit putrider Zersetzung des Gewebes kann die Identifizierung
der zu schonenden funktionellen Strukturen erschwert sein. In diesen Fällen ist die
weiträumige Inzision mit Präparation und Identifikation der Gefäß-Nerven-Bündel aus
dem Gesunden heraus in den Infektbereich hinein hilfreich.
Erst nach sicherer Identifizierung der zu schonenden Strukturen kann das putride zersetzte
und nekrotische Gewebe radikal reseziert werden.
Es werden immer Gewebeproben zur mikrobiologischen Untersuchung eingeschickt; Abstriche
vom Eiter oder aus dem Gewebe sind für die mikrobiologische Diagnostik nicht adäquat.
Manchmal ist auch eine zusätzliche histopathologische Diagnostik indiziert.
An den Beugesehnen erfolgt jetzt eine ausgiebige Synovialektomie ([Abb. 3]), aber unter Erhalt und sorgfältiger Schonung sämtlicher Ringbänder, auch des Ringbands
A1! Bei verspäteter Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe kann es zu desaströsen Befunden
wie der in ([Abb. 4]) dargestellten Situation kommen, die einen Erhalt des Fingers unmöglich macht und
die Strahlamputation erfordert.
Abb. 3 Im Rahmen des operativen Débridements einer Beugesehneninfektion erfolgt die sorgfältige
Synovektomie unter Erhalt des Ringbandapparates.
Abb. 4 Verjauchende Infektion der Beugesehnenscheide durch verspätete Inanspruchnahme ärztlicher
Hilfe; in diesem Fall war der Erhalt des Fingers unmöglich und die Strahlamputation
erforderlich.
Wundverschluss
Durch ausgiebige Spülung des Situs mit Ringer- oder NaCl-Lösung wird die Keimzahl
der verbliebenen Erreger reduziert, sodass schließlich die Wunde sauber adaptierend,
aber wegen des postoperativen Ödems sehr locker und mit großen drainierenden Zwischenräumen
verschlossen werden kann. Eine Gipsschiene dient der initialen Schmerzreduzierung.
Nachbehandlung
Postoperativ wird spätestens ab dem 2. Tag mit einem vorsichtigen physiotherapeutischen
Training begonnen. Meist kann dann die Schienenbehandlung beendet werden. Eine kalkulierte
intravenöse antibiotische Therapie mit einem Breitspektrumantibiotikum wird ab OP
begonnen und bis zur sicheren Konsolidierung des Lokalbefundes weitergeführt.
Merke
Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass bei Infekten an der Hand die antibiotische
Therapie ab Operation, nicht statt Operation indiziert ist!
Eine Ausnahme stellen Tierbisse dar, die die Haut nicht perforiert haben (was nur
selten der Fall ist).
Bleibt in der postoperativen Phase trotz begleitender konservativen Maßnahmen eine
Befundbesserung aus oder zeigt sich eine Progredienz der Entzündungszeichen, erfolgt
die operative Revision mit neuerlicher Exploration und Débridement nekrotischer Gewebeanteile.
Prinzipien
Eine konservative Therapie von Infekten der Hand ist fast nie indiziert, und wenn,
sollte klar indiziert werden, warum die operative Standardtherapie hier nicht erfolgen soll. Diese Entscheidung sollte höchstens ausnahmsweise und durch einen
erfahrenen Handchirurgen sowie unter mehrtägiger Operationsbereitschaft getroffen
werden [3].
Besonderheiten und Differenzialdiagnosen
Besonderheiten und Differenzialdiagnosen
Bissverletzungen
Eine besondere Stellung in der Behandlung von Infektionen an der Hand nehmen Bissverletzungen
durch Tiere oder Menschen ein. Aufgrund der ausgeprägten Virulenz der durch den Speichel
übertragenen Bakterien ist bereits in der Primärversorgung von Bissverletzungen die
sorgsame Infektprophylaxe notwendig.
Bei Bissverletzungen, die die Dermis komplett durchtrennt haben, wie dies z. B. bei
Katzenbissen immer der Fall ist, werden die Bisskanäle ausgeschnitten und aus der
Tiefe des Kanals eine Gewebeprobe für die mikrobiologische Untersuchung gewonnen.
Dann werden die Wunden zur Ausschwemmung von Keimen ausgespült, und zwar mit physiologischer
Kochsalz- oder Ringer-Lösung. Von antiseptischen Lösungen ist ausdrücklich abzuraten,
da diese eine erhebliche toxische Gewebeschädigung nach sich ziehen können, wie dies
im Lauf der Jahre bei vielen Substanzen, zuletzt bei Octenidin, beobachtet wurde (s. u.).
Hunde verursachen manchmal oberflächliche Kratzer, die die Dermis nicht durchdringen
und konservativ beobachtet werden können. Andererseits werden durch Hundebisse oft
Frakturen verursacht, was die bei jedem Infekt an der Hand gegebene Notwendigkeit
von Röntgenaufnahmen noch einmal unterstreichen soll.
Fallbeispiel 2
Die Patientin war von einer Katze gebissen worden und hatte daraufhin eine Antibiotikatherapie
verschrieben bekommen. Es entwickelte sich trotzdem eine phlegmonöse Infektion. 5 Tage
nach dem Biss wird die Patientin erstmalig in der Handchirurgie vorgestellt, so die
sofortige chirurgische Sanierung durchgeführt wird ([Abb. 5]).
Abb. 5 Fallbeispiel 2.
a Ausgeprägte phlegmonöse Infektion trotz Antibiotikatherapie 5 Tage nach Katzenbiss.
b Nach Inzision findet sich neben einer Phlegmone im Bereich der Strecksehnen des 2. Strahls
ein Empyem des Metakarpophalangealgelenks.
Sonderform Zahnschlag
Bei Menschenbissen gibt es die Sonderform des sogenannten Zahnschlags, den ein Verletzter
dadurch erleidet, dass er einem Streitgegner einen Faustschlag ins Gesicht verpasst
und sich dabei selbst eine penetrierende Hautverletzung zuzieht. Bei gestreckten Fingern
ist die Hautverletzung deutlich weiter proximal lokalisiert als im Moment des Schlages,
sodass die sehr oft stattgehabte Penetration der Gelenkkapsel durch die Zähne des
Gegners mit Eröffnung und Kontamination des Fingergrundgelenks nicht auf den ersten
Blick zu vermuten ist. Bei kompletter Durchtrennung der Dermis ist hier immer die
initiale operative Revision empfehlenswert, bei der die Gelenkkapsel des Grundgelenks
inspiziert und eröffnet und das Gelenk (mit Ringer-Lösung) ausgespült werden sollte.
Merke
Entwickelt sich nach einer Bissverletzung eine pyogene Infektion, so ist eine umgehende
operative Intervention mit radikalem chirurgischem Débridement angezeigt [4].
Keimspektrum
Cave
Das Keimspektrum eines Infekts nach Bissverletzung ist immer hochaggressiv.
Das Keimspektrum eines Infekts nach Bissverletzung umfasst insbesondere [5]:
Beugesehnenscheideninfekte
Infektionen der Beugesehnenscheiden, früher als Beugesehnenscheidenphlegmone bezeichnet,
nehmen aufgrund ihrer Schwere und der besonderen Gefahr postinfektiöser Funktionsdefizite
der Fingerbeweglichkeit eine besondere Rolle ein. Sie betreffen primär die Beugesehnenscheiden,
die an den Fingern sowie am Daumen ein zusätzliches Gleitlager der Beugesehnen darstellen.
An Kleinfinger und Daumen setzen sich die Beugesehnenscheiden regelhaft als sogenannte
Bursa ulnaris bzw. Bursa radialis bis in den Karpalkanal fort, wo sie in vielen Fällen
miteinander kommunizieren. Durch das Vorkommen zahlreicher anatomischer Varianten
ist auch eine Kommunikation der Beugesehnenscheiden anderer Finger mit Ausläufern
im Karpalkanal möglich [1].
Häufigste Ursache von Infektionen der Beugesehnenscheiden sind penetrierende Verletzungen.
Durch diese können Keime in die Beugesehnenscheiden gelangen und sich entlang der
präformierten Straßen ausdehnen. Kommunizieren einzelne Beugesehnenscheiden bzw. ihre
Fortsätze miteinander, können sich Infekte auf mehrere Beugesehnenscheiden ausdehnen.
Diagnostik
Wegweisend in der klinischen Diagnosestellung sind die vier Kardinalzeichen nach Kanavel
(s. Infobox) [6].
Praxis
Klinische Diagnostik von Beugesehnenscheideninfekten
Die vier Kardinalzeichen nach Kanavel
-
Druckschmerz im Verlauf der Beugesehnenscheide
-
Schwellung des gesamten Fingers
-
ausgeprägter Beugesehnendehnungsschmerz
-
gebeugte Haltung des betroffenen Fingers
Noch einmal sei auf die Notwendigkeit der Kontrolle der Druckdolenz bis zur distalen
Unterarmbeugeseite hingewiesen, an der sich Eiteransammlungen im Parona-Raum ausbilden
können.
Therapie
Während früher ein äußerst radikales Débridement mit vollständiger Freilegung der
Beugesehnenscheide vom Unterarm bis zur Fingerkuppe das favorisierte Behandlungsregime
darstellte, ist inzwischen bei sehr frischen Infekten die Eröffnung und Spülung der
Beugesehnenscheide mit Ringer-Lösung oberstes Therapieprinzip. Die früher geübte Praxis
einer Kathetereinlage und postoperativen intermittierenden Spülung über 24 Stunden
hat keinen Vorteil gezeigt [2], [7]. Eine postoperative Dauerspülung ist obsolet.
Gelenkempyeme
Auch Gelenke stellen präformierte Räume dar, in denen sich putride Prozesse leicht
ausdehnen können. Gelenkinfekte zeigen oft nur geringe klinische Symptome, sodass
bei insgesamt niedriger Prävalenz ihre Diagnose nicht einfach ist [8].
Diagnostik
Wegweisend sind Bewegungs- und Stauchungsschmerzen des betroffenen Gelenks bei nur
gering ausgeprägter Rötung und subkutaner Schwellung. Um bei unklarem Befund die Verdachtsdiagnose
eines Gelenkempyems zu sichern, kann die diagnostische Gelenkpunktion durchgeführt
werden. Bei dieser ist auf eine strenge Asepsis zu achten. Auch die Punktion durch
entzündetes Gewebe sollte tunlichst vermieden werden, um keine Keimverschleppung durch
die Punktion selber zu riskieren.
Der Einsatz der Handgelenksarthroskopie empfiehlt sich manchmal zum sicheren Ausschluss
eines Handgelenksempyems, aber auch zur therapeutischen Synovialektomie und ausgiebigen
Spülung des Gelenks [9].
Therapie
Die klassische Behandlung bei Vorliegen eines Gelenkinfektes besteht in der Arthrotomie
mit Inspektion des Gelenks, Synovialektomie und Débridement von nekrotischen Anteilen
und ausgiebiger (Ringer-)Spülung.
Aufgrund der häufig unauffälligen Symptomatik sind subjektive Beschwerden des Patienten
und das äußerliche klinische Erscheinungsbild auch zur Verlaufskontrolle nicht ausreichend,
sodass eine geplante Second-Look-Revisionsoperation nach 48 Stunden sinnvoll ist.
Bei intraoperativ weiterhin vorliegenden Infektzeichen sollte diese bis zum Vorfinden
eines sauberen Gelenks auch mehrfach wiederholt werden, um die Gefahr der fortschreitenden
Gelenkdestruktion zu reduzieren.
Eine Ruhigstellung des Gelenks scheint die Gefahr nicht zu verringern, sodass ein
früher Beginn der handtherapeutischen Mobilisation sinnvoll ist. Dennoch ziehen Infekte
insbesondere der kleinen Fingergelenke nicht selten den definitiven Verlust des Gelenks
nach sich [10].
Gichtarthropathie
Die aktivierte Gichtarthritis an der Hand stellt eine wichtige Differenzialdiagnose
zu pyogenen Infekten dar. Klinisch präsentiert sie sich ähnlich mit ausgeprägter Schwellung,
Rötung und Überwärmung des betroffenen Gelenks. Hinweise für das Vorliegen einer Gichtarthritis
sind vor allem die Anamnese früherer Gichtanfälle sowie eine laborchemische Konstellation
von Leukozytose ohne gleichzeitigen Anstieg von C-reaktivem Protein (CRP) oder Procalcitonin
(PCT).
Bei hinreichendem Verdacht kann in diesen Fällen ein konservativer Therapieversuch
mit Antiphlogistika und Ruhigstellung des Gelenks unter Operationsbereitschaft begonnen
werden. Kommt es hierunter jedoch nicht zu einer Beschwerdebesserung, stellt die umgehende
operative Revision zum Ausschluss einer bakteriellen Superinfektion des Gichttophus
([Abb. 6]) das kleinere Risiko eines Fingerverlustes dar [11], [12].
Abb. 6 Auf dem Boden einer Gicht kann es zu pyogenen Superinfektionen der Beugesehnenscheiden
mit weitreichender Schädigung der Beugesehnen kommen.
Toxische Gewebereaktionen
Fulminante aseptische Entzündungen des subkutanen Gewebes im Sinne einer toxischen
Gewebereaktion wurden in letzter Zeit regelmäßig nach der Spülung perforierender Hautwunden
mit Octenidin-haltigen Antiseptika beobachtet. Diese wird leider noch immer noch vor
allem nach Tierbissverletzungen zur Prävention von Infektionen praktiziert, obgleich
die Anwendung dieser Stoffklasse in Wundhöhlen unter Druck und ohne Drainage inzwischen
vom Hersteller ausdrücklich untersagt ist.
Kurz nach einer solchen Spülung kommt es zur massiven Schwellung und Rötung der Hand,
die häufig eine operative Revision mit Spaltung der Handkompartimente notwendig macht.
Aufgrund des eingetretenen toxischen Schadens persistiert die ausgeprägte, funktionseinschränkende
Schwellung jedoch oft äußerst hartnäckig. Hier entsteht die Notwendigkeit einer langwierigen
Behandlung durch Physio- und Ergotherapie, manueller Lymphdrainage und Kompressionstherapie
[13].
Cave
Die Autoren raten an der Hand von Wundspülungen mit antiseptischen Lösungen ausdrücklich
ab. Hierzu zählt neben der Spülung mit Octenidin auch die inzwischen weitgehend verlassene
Spülung mit Povidon-Jod-haltigen Lösungen, die ebenfalls zelltoxisches Potenzial aufweist
[14].
Die Spülung mit physiologischer NaCl− oder Ringer-Lösung ist adäquat und frei von toxischen Risiken.
Kernaussagen
-
Als Ursache für Infektionen der Hand ist in den meisten Fällen eine Verletzung, in
der Regel mit Verletzung des Hautmantels, zu eruieren.
-
Besteht durch Anamnese und klinische Untersuchung der Verdacht auf eine Infektion
der Hand, muss die Diagnostik obligat durch eine nativ-
radiologische Untersuchung ergänzt werden. Osteolysen, röntgendichte Fremdkörper und
knöcherne Begleitverletzungen sind auf diese Weise zu diagnostizieren.
-
An erster Stelle der Behandlung pyogener Infektionen der Hand steht die unverzügliche
chirurgische Therapie.
-
Eine antibiotische Therapie ist unterstützend indiziert, sie ist jedoch kein Ersatz
für eine zügige operative Revision.
-
Spezielle Behandlung erfordern
Merke
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Dr. med. Benjamin Ziegler, Ludwigshafen.