Einleitung
Die Gonarthrose ist neben der Koxarthrose ein wesentlicher Faktor für Schmerz und
Einschränkung der körperlichen Funktion bei älteren Menschen.
Die Behandlung erfolgt nach einem Stufenschema, bestehend aus
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Basismaßnahmen (Information und Beratung, Gewichtsreduzierung, Anpassung des Lebensstils,
Selbstübungen),
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konservativer Therapie (NSAR, Analgetika, Physiotherapie, Orthesen, Injektionen, alternative
Heilmethoden) und
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operativer Therapie (Umstellungsosteotomie, Kniegelenkersatz) [2].
Der Kniegelenkersatz gehört mit etwa 150 000 Operationen pro Jahr zu den häufigsten
Eingriffen in Deutschland. Ziele sind eine Schmerzreduktion, die Wiederherstellung
der Funktion des Kniegelenks und damit eine Verbesserung der Lebensqualität.
Indikationsstellung und Verfahrenswahl
Indikationsstellung
Mindestvoraussetzungen, die für die Indikation zur Knie-TEP vorliegen müssen, sind
[3]:
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Knieschmerzen über mindestens 3–6 Monate (mehrfach wöchentlich)
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Nachweis eines Strukturschadens (Arthrose mit eindeutiger Gelenkspaltverschmälerung,
Osteonekrose)
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nicht ausreichendes Ansprechen auf konservative Therapiemaßnahmen über mindestens
3–6 Monate
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auf die Kniegelenkerkrankung bezogene Einschränkung der Lebensqualität
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subjektiver Leidensdruck
Verfahrenswahl
Je nach Lokalisation und Ausmaß der Gonarthrose kann ein Teilgelenkersatz (medial,
lateral, patellofemoral) erfolgen. Dafür sollten folgende Voraussetzungen erfüllt
sein:
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auf ein Kompartiment bezogener belastungsabhängiger Schmerz
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andere Kompartimente ohne relevante Arthrose
-
keine Fehlstellung oder Streckdefizit über 10°
Ansonsten sollte der Knietotalendoprothese (TEP) der Vorzug gegeben werden. Der zusätzliche
Retropatellarersatz ist optional. Es gibt in der Literatur keine Hinweise für ein
besseres klinisches Ergebnis bei primärem Retropatellarersatz, lediglich eine etwas
geringere Revisionsrate wurde in den Endoprothesenregistern beobachtet.
Als Standardversorgung erfolgt bei stabilen Seitenbändern der Oberflächenersatz ([Abb. 1]), das hintere Kreuzband kann erhalten (CR) oder ersetzt werden (ultrakongruentes
Inlay – UC, oder posterior-stabilisierende Knie-TEP – PS). In der Literatur gibt es
keine relevanten Unterschiede im Outcome bei beiden Versorgungsoptionen.
Abb. 1 Knie-TEP. Verfahrenswahl. CR: Erhalt des hinteren Kreuzbands; UC: ultrakongruentes
Inlay; PS: posterior-stabilisierend.
Bei Insuffizienz des hinteren Kreuzbands muss dieses substituiert werden. Bei Insuffizienz
der Seitenbänder ist ein höherer Kopplungsgrad erforderlich, bei milder Instabilität
ist eine Varus-Valgus-stabilisierende Knie-TEP ausreichend, bei ausgeprägter Instabilität
eine gekoppelte Knie-TEP. Auch bei ausgeprägter und kontrakter Fehlstellung (insbesondere
Valgus) oder ausgeprägtem Streckdefizit kann primär eine gekoppelte Knie-TEP erforderlich
sein.
Bei Knochendefekten (z. B. nach Tibiakopffrakturen oder Osteonekrosen) ist zur Augmentation
der Knochendefekte ein entsprechendes modulares System erforderlich. Der Kopplungsgrad
richtet sich dabei nach der Stabilität der Seitenbänder.
Endoprothesenplanung
Für die Planung der Operation ist es erforderlich, die Beinachse, den femoralen Valguswinkel,
den tibialen Slope sowie den Patellahöhenstand und den Patellalauf im tangentialen
Bild zu kennen und bei der Implantation einer Endoprothese zu berücksichtigen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Planung einer Knie-TEP. Analyse der Deformität und des femoralen Valguswinkels, Festlegung
der Knochenresektionen, Planung der Implantate unter Beachtung des posterioren Offset
femoral und des Tibia-Slope.
Die Größe der femoralen Komponente richtet sich nach dem sagittalen Durchmesser der
distalen Femurkondylen im seitlichen Bild. Hierbei ist es für eine gute Funktion wichtig,
den posterioren Offset nicht zu verringern. Die tibiale Komponente wird nach der mediolateralen
Größe der Tibia in der a.–p. Projektion gewählt. Die Gelenklinie soll durch die Knieendoprothese
nicht verändert werden.
Bei Patella baja sollte keine Versorgung mit einem UC-Inlay erfolgen, da es durch
die hohe anteriore Lippe zum Impingement zwischen Inlay und Patella kommen kann ([Abb. 3]).
Abb. 3 Patella baja. Impingement zwischen Patella und ultrakongruentem Inlay.
Aufklärung
Die Implantation einer Knieprothese stellt eine zuverlässige und sichere Behandlung
der fortgeschrittenen Arthrose dar. Auch bei optimaler Vorbereitung und sorgfältiger
Durchführung der Operation kommt es bei einem geringen Anteil der Patienten zu unerwünschten
Behandlungsfolgen [1].
Neben den allgemeinen Operationsrisiken (Nachblutung, Hämatom, Gefäßverletzung, Thrombose
und Lungenembolie, Wundheilungsstörung, Folgeoperation) sind insbesondere folgende
mögliche spezifische Komplikationen mit dem Patienten zu besprechen:
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periprothetischer Infekt
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Knochenbruch
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Verletzungen des Streckapparats
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Nervenschäden
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Bewegungseinschränkungen und Arthrofibrosen
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Polyethylenabrieb
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aseptische Prothesenlockerung
Präoperative Checkliste
Neben den allgemeinen präoperativen Vorbereitungen sind folgende Punkte zu beachten:
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präoperative Patientenschulung (Krankheitsverlauf, Ablauf-OP und Nachbehandlung)
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Röntgenaufnahmen (Ganzbeinstandaufnahme, Knie seitlich, Patella-Defilee 30°)
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Planung der Operation zur zuverlässigen Einschätzung der Knochenresektionen und Implantatgrößen
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Probleme im Vorfeld erkennen
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sehr kleine/sehr große Patienten – Standardimplantate ausreichend?
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extraartikuläre Fehlstellung – ggf. Korrektur
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ausgeprägte Fehlstellung – höherer Kopplungsgrad erforderlich?
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Knochendefekte – modulares System erforderlich?
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Patella baja – schwierige Darstellung
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Allergie gegen Implantatmaterialien – Verwendung eines hypoallergenen Implantats bzw.
Aufklärung und Standardimplantat
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Narben von Voroperationen beachten
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Begleiterkrankungen beachten (Herzschrittmacher, Antikoagulation etc.)
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ggf. internistische Vorstellung
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blutsparende Maßnahmen prüfen
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antiseptische Waschung (nach Klinikstandard)