Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2017; 24(03): 109-110
DOI: 10.1055/s-0043-109877
Magazin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausgewählte Meldungen und aktuelle Entwicklungen

Neues aus der Reisemedizin
Unn Klare
1   Behnkenhagen
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
26 June 2017 (online)

 

Masern fordern 27 Tote in Europa

Die Masern sind eine vermeidbare Krankheit: Es gibt eine sichere, effiziente und erschwingliche Impfung, die es ermöglichen würde, die Masern weltweit auszurotten. In Amerika und Australien ist dies bereits geglückt und das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es, dass auch die anderen Weltregionen bis zum Jahr 2020 nachziehen.

Weltweite Situation

Insgesamt ist man auf dem richtigen Weg – verstarben 1980 noch 2,6 Mio. Menschen an den Folgen der Infektion, so waren es 2015 nur noch 134 200. Es gibt jedoch immer wieder Rückschläge. Viele asiatische und afrikanische Länder sind von Krisen geplagt und es gelingt ihren oft desolaten Gesundheitssystemen nicht, konstant die nötige Durchimpfungsrate von mindestens 95 % zu erreichen. Hinzu kommen in manchen Regionen religiöse Vorbehalte gegen Impfungen im Allgemeinen. Vor allem Indien hinkt hinterher, hier ereignet sich fast ein Drittel aller Todesfälle weltweit.


#

Entwicklung in Europa

Und Europa? Man sollte meinen, es sei hier deutlich einfacher als in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die nötige Durchimpfungsrate zu erreichen. Das zunächst ausgegebene Ziel, die Masern bis 2010 auszurotten, scheiterte jedoch. Europaweit wurden zu diesem Zeitpunkt noch circa 30 000 Fälle gemeldet und nur wenige Staaten hatten es geschafft, die autochthone Übertragung innerhalb ihrer Grenzen zu unterbinden. Die neu gesetzte Frist – eine Eliminierung bis 2015 – schien zunächst durchaus realistisch, am Ende wurden aber auch 2015 noch fast 4000 Fälle registriert.

Es gibt also wieder eine neue Frist, diesmal die Ausrottung bis zum Jahr 2020. Und wieder sieht es nicht gut aus – im Gegenteil, die Fallzahlen steigen momentan weiter an: Vergangenes Jahr wurden europaweit mit 4650 Fällen erneut mehr Infektionen registriert, ein Wert, der dieses Jahr sogar schon Ende April erreicht wurde.

Der starke Anstieg in Europa wird vor allem durch einen seit 1,5 Jahren andauernden Ausbruch in Rumänien verursacht – allein hier erkrankten seit Beginn 2016 etwa 6500 Menschen, 23 von ihnen verstarben an den Folgen der Infektion. Nun wäre es aber zu einfach, die Probleme Europas auf ökonomisch schwächere, osteuropäische Staaten zu schieben. Denn auch mitteleuropäische Länder bekommen die Masern einfach nicht in den Griff: Allein im ersten Quartal dieses Jahres meldete Italien bereits 1535 Infektionen, Deutschland 400. Darüber hinaus gab es seit Januar in Deutschland, Portugal, Bulgarien und der Schweiz jeweils einen Todesfall.


#

Impfgegner im Aufschwung

Masernausbrüche in Europa sind nicht die Folge mangelnder Ressourcen sondern mangelnder Überzeugung. Wie schwer sich europäische Gesundheitsbehörden damit tun, die Bevölkerung von der Notwendigkeit einer Impfung zu überzeugen, zeigt eine Studie aus dem vergangenen Jahr (Larson HJ, de Figueiredo A, Xiahong Z et al. The state of vaccine confidence 2016: global insights through a 67-country survey. EBioMedicine 2016; 12: 295–301): Hierzu wurden Menschen weltweit befragt, ob sie Impfungen für wichtig, effektiv, sicher und mit ihrer religiösen Überzeugung vereinbar erachten. Erstaunlicherweise war dabei die Durchschnittsbevölkerung in Staaten wie Pakistan, in denen fundamentalistische Gruppen regelmäßig tödliche Angriffe auf Impfteams durchführen, weniger negativ eingestellt, als in mehreren europäischen Ländern. Weltweit den schlechtesten Ruf haben Impfungen in Frankreich und Italien. So erachteten 41 % der Befragten in Frankreich Impfungen für nicht sicher. In Deutschland lag dieser Wert glücklicherweise nur bei 10,5 % und immerhin 92 % der Deutschen waren von der Wichtigkeit von Impfungen überzeugt. Nichtsdestotrotz haben auch heute in Deutschland nur 85 % der Neugeborenen bis zum dritten Geburtstag 2 Masernimpfungen erhalten, von der angestrebten Quote von 95 % der Gesamtbevölkerung ist man also noch weit entfernt. Es ist also abzusehen, dass die Frist zur Ausrottung der Masern ein weiteres Mal nach hinten verschoben werden muss.


#
#

Polio – Ausbruch in Syrien und Impfstoffknappheit

Seit Anfang Mai wurden aus dem Gouvernement Deir al Zour im Osten Syriens 23 Polioverdachtsfälle gemeldet. Eine labordiagnostische Bestätigung steht noch aus. Die betroffene, ländliche Region befindet sich unter IS-Herrschaft. Medienberichten zufolge wurden Impfprogramme gegen die Kinderlähmung hier vergangenen Juli eingestellt.

Bereits im Jahr 2013 war es in Syrien zu einem Ausbruch der Kinderlähmung mit insgesamt 37 bestätigten Fällen gekommen. Auch die Region Deir al Zour war damals betroffen. Nun stellt sich die Frage, ob das Wildvirus hier die vergangenen 3,5 Jahre unentdeckt zirkulieren konnte oder ob es sich möglicherweise um Fälle von Impfpolio handelt, wie Medienberichte nachlegen. Proben des momentanen Ausbruchs werden derzeit in den USA zur Klärung dieser Fragen untersucht. Ungewiss ist auch, inwieweit unter den in der Region herrschenden Umständen effektive Gegenmaßnahmen durchgeführt werden könnten: Eine koordinierte Impfaktion hätte nicht nur mit den Schwierigkeiten zu kämpfen, die aus dem Bürgerkrieg und einer womöglich religiös bedingten, ablehnenden Haltung der Verantwortlichen resultieren. Sie würde auch in eine Zeit fallen, in der es eine akute Polioimpfstoffknappheit gibt: Eigentlich sollten alle Staaten, die immer noch eine trivalente, orale Polioimpfung (tOPV) verwenden, seit vergangenem Jahr mindestens eine inaktivierte Polioimpfung (IOPV) zusätzlich im Alter von 14 Wochen verabreichen – so soll verhindert werden, dass der eigentlich bereits ausgerottete Wildpoliotyp 2 durch Rückmutationen als Impfpolio erneut in die Umwelt gelangt.

Seit mehreren Monaten gibt es aber Lieferengpässe für die inaktivierte Impfung, sodass mehrere gefährdete Länder ihren Impfplan nicht erfüllen können. Die WHO empfiehlt daher derzeit den betroffenen Staaten, anstelle einer großen, intramuskulären Impfung von 0,5 ml 2 kleinere, intradermale Impfungen von je 0,1 ml im Alter von 6 und 14 Wochen vorzunehmen. So soll nicht nur die benötigte Impfstoffmenge gesenkt, sondern sogar eine bessere Schutzwirkung erzielt werden.


#

Ebola im Kongo

Anfang Mai wurde aus dem Norden der Demokratischen Republik Kongo ein Ausbruch von Ebola gemeldet. Bisher gibt es 43 Verdachtsfälle, von denen bis jetzt 2 labordiagnostisch bestätigt werden konnten. Vier der Erkrankten überlebten die Infektion nicht.

Die betroffene Region befindet sich sehr abgelegen in der Provinz Bas Uele – ein Expertenteam brauchte mehrere Tage, um sie zu erreichen. Diese Abgeschiedenheit könnte sich als sehr hilfreich erweisen, um eine Ausweitung des Ausbruchs zu verhindern: Ein Hauptproblem bei der großen Epidemie, die zwischen 2014 und 2016 mehr als 11 000 Menschen in Liberia, Sierra Leone und Guinea tötete, war, dass es zwischen allen 3 Ländern einen regen Reiseverkehr gab und das Virus so schnell verbreitet werden konnte.

Die Demokratischen Republik Kongo dagegen hat eines der dünnsten Straßennetze der Welt: Auf 1000 km² Land kommt gerade einmal 1 km befestigter Weg. Somit sind Reiseaktivitäten von Menschen – und Viren – deutlich eingeschränkt. Das ist der Grund, warum die Ausbrüche im Kongo bisher auch immer weit weniger dramatisch verliefen als die Epidemie in Westafrika: Der letzte Ausbruch im Jahr 2014 war nach 66 Infektionen recht schnell abgeebbt, ohne sich geografisch weit ausgebreitet zu haben.

Dieses Mal jedoch könnte es sein, dass die Region noch nicht abgelegen genug ist: Nach militärischen Konflikten in dem Nachbarstaat Zentralafrika sind fast 3000 Menschen über die Grenze in die Demokratische Republik Kongo geflohen und halten sich nun nahe des Ausbruchszentrums auf. Es besteht daher die Gefahr, dass sie sich dort infizieren könnten und bei der Rückkehr in ihre Heimat das Virus in sich tragen. Und anders als die Demokratische Republik Kongo, die mit 8 Ausbrüchen weltweit bisher am öftesten von Ebola heimgesucht wurde, hat die Zentralafrikanische Republik keinerlei Erfahrung mit dieser Krankheit.

Als Reaktion auf den derzeitigen Ausbruch wird nun diskutiert, erstmals systematisch Impfungen zu einzusetzen. Derzeit befinden sich 12 verschiedene Impfstoffe in der Entwicklung. Keiner hiervon ist bisher offiziell auf dem Markt, vor allem, da die Impfstoffe erst zum Ende der westafrikanischen Epidemie einsatzbereit waren und daher kaum noch belastbar getestet werden konnten. Nur wenige Tage vor Bekanntwerden des momentanen Ausbruchs jedoch – der Indexpatient war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben – hatte die WHO empfohlen, einen dieser Impfstoffe im Falle eines erneuten Ausbruchs nichtsdestotrotz zügig einzusetzen. Eine erste Versuchsreihe hatte hier positive Ergebnisse geliefert: Von den über 5200 zum Ende der Epidemie geimpften Personen war keiner an Ebola erkrankt. In der mehrere Tausend Personen großen Vergleichsgruppe dagegen waren noch 23 Fälle aufgetreten.


#

Erneut Cholera im Jemen

Bereits vergangenen Herbst litt der Jemen unter einem großen Ausbruch von Cholera. Von Ende Oktober bis Anfang Januar waren mehr als 15000 Menschen erkrankt und fast 100 von ihnen an den Folgen der Infektion verstorben. Über die Wintermonate ebbte der Ausbruch dann ab – nur um sich nun umso dramatischer zurückzumelden. Allein von Ende April bis Ende Mai erkrankten erneut 65 300 Menschen. Mit 532 Todesopfern verstarben in diesen 4 Wochen bereits mehr als 5-mal so viele Menschen, wie in den 3 Monaten des letztjährigen Ausbruchs. Das kriegsgebeutelte Land hat dem Ausbruch wenig entgegenzusetzen: Etwa 2 Drittel der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Gesundheitswesen liegt nach 2 Jahren Krieg in Trümmern.


#

Gelbfieber in Brasilien dauert an

In der letzten Ausgabe der FTR berichteten wir von einem ungewöhnlich großen Gelbfieberausbruch in Brasilien, der sich auf bis dato als gelbfieberfrei geltende Küstenstädte zubewegte und das Potenzial hatte, dort vom sylvatischen in den urbanen Übertragungszyklus überzugehen. In den vergangenen 2 Monaten stiegen die Fallzahlen noch einmal deutlich an – von circa 500 bestätigten Fällen Ende März auf 760 bis Ende Mai. Mindestens 264 Menschen überlebten die Infektion nicht. Allerdings ist in den letzten Wochen ein abflauender Trend zu beobachten, zuletzt wurden immer weniger Neuinfektionen gemeldet. Und glücklicherweise wurden keine urbanen Übertragungen nachgewiesen.

Quelle: promed


#
#