Diabetes aktuell 2017; 15(03): 97
DOI: 10.1055/s-0043-111050
Magazin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Versorgungsatlas

Zahl der Diabetesdiagnosen um 10 % gestiegen
Schikora Stephanie
1   Heidelberg
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 July 2017 (online)

 

Immer mehr Patienten mit Diabetes stellen unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen: Hat die Prävalenz im Osten Deutschlands die 10-%-Marke bereits überschritten, in einigen Regionen liegen die Prävalenzraten dort schon über 15 %, steht der Westen kurz davor – vorausgesetzt, dieser Trend wird nicht beispielsweise durch eine verstärkte Präventionsarbeit umgekehrt. In welchen Regionen und in welchen Bevölkerungsgruppen der Handlungsbedarf am größten ist, das zeigt der Versorgungsatlas anhand einer Analyse ambulanter Versorgungsdaten.


#

Nicht ganz unerwartet wird der Diabetes mellitus in Zukunft eine immer wichtigere Rolle in den Arztpraxen einnehmen, diesen Schluss zieht die kürzlich publizierte Analyse [[1]]. Jedes Jahr erhalten rund 500 000 Patienten zum ersten Mal die Diagnose Diabetes mllitus Typ 2. Entsprechend gestiegen ist damit auch die Diabetesprävalenz, und zwar von 8,9 % im Jahr 2009 auf 9,8 % im Jahr 2015 – ein Trend, der vor allem auf der stetig steigenden Prävalenz des Typ-2-Diabetes basiert (8,5 versus 9,5 %), während die Prävalenz des Typ-1-Diabetes im gleichen Zeitraum sogar leicht gesunken zu sein scheint (0,33 versus 0,28 %).

Erwartungsgemäß war dabei die Prävalenz in der Altersgruppe der hochbetagten Menschen (80–85 Jahre) mit 35 % bei den Männern und 32 % bei den Frauen am höchsten. Generell sind in fast allen Altersgruppen Männer stärker betroffen als Frauen. Neben der sinkenden Sterberate bei Menschen mit Diabetes in den letzten Jahren ist die hohe Prävalenz in den älteren Bevölkerungsgruppen aufgrund der demografischen Entwicklung sicherlich einer der Gründe für die stetig steigende Zahl an Diabetespatienten.

Auffällig ist allerdings, dass gerade in den jungen Altersgruppen, in denen der Anteil der Diabetiker bisher extrem gering war, zwischen 2009 und 2015 ein überproportionaler Anstieg zu verzeichnen war – insbesondere bei jungen Frauen in Westdeutschland. Dies sei ein ernstzunehmender Trend, warnen die Studienautoren. Zwar seien die Fallzahlen noch immer relativ klein, eine Erkrankung in jungen Jahren führe aber zu einer längeren Erkrankungsdauer und erhöhe somit auch das Risiko für Folgekomplikationen im Krankheitsverlauf. Aber auch in allen anderen Altersgruppen waren starke Anstiege in der Prävalenz zu verzeichnen.

Ost-West Gefälle bestätigt

Damit werden auch in Westdeutschland einstellige Diabetesprävalenzen bald der Vergangenheit angehören. Der Osten Deutschlands hat mit einer die Diabetesprävalenz von 11,6 % im Jahr 2015 die 10-%-Grenze schon überschritten, während die Prävalenz im Westen noch bei 8,9 % lag. Ein Grund dafür mag sein, dass in den neuen Bundesländern Frauen und Männer früher an einem Typ-2-Diabetes erkranken als in den alten Bundesländern. In den Altersgruppen ab 40 Jahren war die Inzidenz des Typ-2-Diabetes in Ostdeutschland zwischen 2012 und 2014 wesentlich höher als in Westdeutschland. Auch der Anteil der neu erkrankten Menschen liegt in Ostdeutschland höher.

Besonders hoch sind die Prävalenzen in Ostdeutschland mit Raten über 12,7 % in der Prignitz und der Region zwischen Görlitz im Osten und Mansfeld-Südharz im Westen. Doch auch im westlichen Teil Deutschlands gibt es Regionen mit hohen Diabetesprävalenzen: Dazu zählen das Saarland sowie Teile der Pfalz und Bayerns. Im Kreis Starnberg dagegen ist die Häufigkeit des Typ-2-Diabetes mit 6,5 % bundesweit am niedrigsten.

Das beobachtete Ost-West-Gefälle kennt man bereits aus anderen Auswertungen. Worauf es sich allerdings zurückführen lässt, darauf erlaubt auch die vorliegende Analyse keine Rückschlüsse. Mögliche Erklärungsansätze sind potenzielle Unterschiede in der Gesundheitsversorgung, regional unterschiedlich verteilte Risikofaktoren wie Rauchen oder Alkoholkonsum, regionale Ernährungsgewohnheiten, unterschiedliche genetische Dispositionen oder auch unterschiedliche Umweltfaktoren (Luftverschmutzung, Schadstoffbelastung, dauerhafte Lärmbelastung).

Hintergründe, Stärken und Limitationen

Als Datengrundlage für die Analyse dienten vertragsärztliche Abrechnungsdaten der Jahre 2009–2015 aus der gesamten Bundesrepublik. Somit konnte eine Vollerhebung für die gesetzlich krankenversicherte Bevölkerung durchgeführt werden, die zumindest einmal im Jahr vertragsärztliche Leistungen in Anspruch genommen hat. Dies jedoch entspricht nicht der Gesamtpopulation der Versicherten. Außerdem wurde auf Daten zurückgegriffen, die nicht zum wissenschaftlichen Zweck erhoben wurden. Die methodischen Einschränkungen betreffen vor allem die Validität der Diabetesdiagnosen.


#

Herausforderung für das Gesundheitswesen

Für diese Klientel ist die kontinuierliche Glukosemessung mit Real-time-Messgeräten als Kassenleistung jetzt eine Möglichkeit, ihren Zuckerstoffwechsel gut und sicher und möglichst ohne Hypoglykämien zu kontrollieren. Für die Anlage eines Geräts müssen die Hausärzte ihre Patienten allerdings an einen oben genannten Spezialisten überweisen, der auch das Personal für die Technik bereithält.


#
#

No conflict of interest has been declared by the author(s).