Pneumologie 2017; 71(10): 622-623
DOI: 10.1055/s-0043-111903
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Multiarzneimittelresistente, unheilbare Tuberkulose: Prävalenz und Inzidenz nehmen besorgniserregend zu

Dheda K. et al.
The epidemiology, pathogenesis, transmission, diagnosis, and management of multidrug-resistant, extensively drug-resistant, and incurable tuberculosis.

Lancet Respir Med 2017;
5: 291-360
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Publication History

Publication Date:
10 October 2017 (online)

 

    In den letzten zehn Jahren hat die Bekämpfung der Tuberkulose (TB) in einigen Regionen der Welt Wirkung gezeigt: Die globale TB-Inzidenz ist geringfügig zurückgegangen. Dieser Erfolg ist jedoch durch die zunehmende Belastung durch multiarzneimittelresistente (MDR; engl. multidrug-resistant) und extrem arzneimittelresistente (XDR) TB bedroht. Ein internationales Forscherteam verfasste eine Übersicht über den weltweiten Status der TB und deren weitere Entwicklung sowie über den neuesten Stand der Diagnostik und Behandlungsoptionen.


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    Die XDR-TB hat sich in mehreren TB-endemischen Ländern zu einer durch Medikamente unheilbaren oder programmatisch unheilbaren Krankheit entwickelt. Dieses Phänomen spiegelt die weltweite Zunahme der antimikrobiellen Resistenzen wider. MDR- und XDR-TB sind mit hoher Morbidität und erheblicher Mortalität verbunden und sind eine Bedrohung für das Gesundheitspersonal. Die Behandlung ist unerschwinglich teuer und daher ein ernstes Problem der öffentlichen Gesundheit.

    Ziel der Arbeit von Keertan Dheda aus Kapstadt, Südafrika, und Kollegen aus aller Welt war, die Herausforderungen durch die arzneimittelresistente TB hervorzuheben und praktikable Lösungen sowie einen Plan für weitere Fortschritte vorzulegen. Heute wird die traditionelle Sichtweise, dass eine schlechte Compliance und programmatisches Versagen die Resistenz gegen antituberkulöse Medikamente fördern, in Frage gestellt. Mehrere Evidenzketten legen nahe, dass alternative Mechanismen – einschließlich der pharmakokinetischen Variabilität, Induktion der Efflux-Pumpen, die das Medikament aus den Zellen transportieren, sowie die suboptimale Wirkstoffpenetration in die TB-Läsionen – wahrscheinlich entscheidend für die Pathogenese der drogenresistenten TB sind.

    Die Autoren zeigen relevante Forschungsschwerpunkte auf, einschließlich des optimalen medizinischen und chirurgischen Managements, besprechen die Rolle neuerer und umgewidmeter Medikamente (wie Bedaquilin, Delamanid und Linezolid) und Präventionsstrategien (wie die Prophylaxe bei Kontakten mit MDR- und XDR-TB), palliative und patientenorientierte Betreuungsaspekte und medizinische und ethische Sachverhalte.

    Die Ergebnisse ihrer ausführlichen Recherchen und Diskussionen fassten die Forscher in folgenden Schlüsselbotschaften zusammen:

    • Die Resistenz gegen Anti-TB-Medikamente ist ein Problem von beträchtlicher Bedeutung für die öffentliche Gesundheit, das die Anstrengungen, diese Krankheit auszumerzen, zu gefährden droht. Ein stärkeres Engagement in nationalen und transnationalen Foren ist dringend notwendig, um sicherzustellen, dass die Dringlichkeit der Situation verstanden und eine angemessene Finanzierung zur Verfügung gestellt werden.

    • Behandlungsverfahren für einzelne Patienten in Einrichtungen mit hoher TB-Belastung reichen nicht aus, um das Auftreten und die Weiterverbreitung der arzneimittelresistenten TB zu verhindern. Diese Verfahren schließen die empirische Behandlung mittels standardisierter Therapiepläne mit Second-Line-Medikamenten für Patienten ein, bei denen eine Rifampicin-resistente TB besteht.

    • Der Zugang zu Verfahren zur Arzneimittelresistenzprüfung ist in den meisten Ländern nicht ausreichend und muss dringend ausgeweitet werden, damit kurative second-line-Therapieschemata umgesetzt werden können.

    • Die Kenntnisse über die sichere Anwendung neuer und umgewidmeter Medikamente – einschließlich Dosierung und Dauer der Behandlung – müssen durch klinische Studien verbessert werden.

    • Modelle für die Versorgung von Patienten mit arzneimittelresistenter TB müssen sicherstellen, dass die Rechte und die Würde der einzelnen Patienten respektiert werden.

    • Die Bewertung der Leistungsfähigkeit, der gesundheitlichen Auswirkungen und des potenziellen wirtschaftlichen Nutzens molekularer Hilfsmittel, wie die Genomsequenzierung zur Erkennung von Resistenzen, muss beschleunigt werden.

    • Bei der Entwicklung neuer Medikamente und Diagnostika sind größere Investitionen erforderlich.

    Fazit

    Nach Ansicht der Autoren ist es dringend erforderlich, Forschungsprioritäten zu setzen und Ziele für die nächsten Jahre zu definieren, die es ermöglichen, die Weiterverbreitung der arzneimittelresistenten TB einzudämmen. Gleichzeitig müssen die Gesundheitssysteme gestärkt, die Armut in vielen Teilen der Welt bekämpft, entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und der politische Wille verändert werden, um die gesteckten Ziele erreichen zu können.

    Dr. Volker Kriegeskorte, Untermeitingen


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